Protocol of the Session on December 18, 2003

Außerdem möchte ich noch einmal an Folgendes erinnern. Das habe ich schon vorhin gesagt, aber es gehört eigentlich auch in das Protokoll zum Haushalt 2004. Es geht um die Neuverschuldungsgrenze.Tarek Al-Wazir hat vor

hin eine Frage zu Nordrhein-Westfalen gestellt. Herr Kollege Kahl, Sie durchblicken das wirklich. Sagen Sie doch einmal, was wir für eine Verschuldungsgrenze nach der Verfassung hätten, wenn wir die Maßstäbe aller anderen Bundesländer ansetzen würden.

(Reinhard Kahl (SPD):Wir haben eine Verfassung, und auf die haben wir uns zu beziehen!)

Jetzt kommen Sie natürlich mit dem Argument, dass wir aber unsere Verfassung haben. Da haben Sie Recht. Es ist unsere Verfassung, die uns diese Grenzen gibt.Wir haben ausdrücklich beschlossen, dass wir an dieser Grenze nichts ändern wollen. Wir haben auch nicht den Versuch dazu unternommen. Aber dieser Haushalt ist ausdrücklich verfassungskonform, weil die Maßnahmen, die damit ergriffen werden, dazu dienen, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen.

(Reinhard Kahl (SPD): Diese Formulierung gibt es bei uns in der Verfassung auch nicht! Das wissen Sie!)

Wollen Sie denn behaupten, dass wir in Deutschland Vollbeschäftigung haben? Wollen Sie denn behaupten, dass der Wirtschaftsaufschwung im nächsten Jahr, auf den ein Fünkchen Hoffnung besteht, ein stetiges Wirtschaftswachstum bedeuten wird?

(Norbert Schmitt (SPD):Auf jeden Fall höher als in den letzten zwei Jahren!)

Und wollen Sie wirklich behaupten, dass, wenn wir weitere Einsparungen im Haushalt 2004 vornehmen, die Wirtschaft besser wächst? Ich sage Ihnen: Das Ganze ist ein Kompromiss zwischen der Notwendigkeit, Ausgaben einzusparen, und der Notwendigkeit,Ausgaben zu halten, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

Herr Kollege Milde, Sie haben noch eine Minute Redezeit.Der Kollege Kahl möchte eine Zwischenfrage stellen.

Das geht dann natürlich nicht.

(Reinhard Kahl (SPD): Dann erklären Sie doch einmal, warum jetzt das wirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist und nicht seit vier Jahren!)

Es ist jetzt gestört. Wir haben das in der Begründung ausführlich gesagt. Der Finanzminister wird sicherlich noch einmal darauf eingehen. Wir haben es in der Begründung zu dem Antrag deutlich gemacht. – Ich sage Ihnen eindeutig, dass wir dennoch in diesem Haushalt mehr für Unterricht und Hochschulen tun. Es ist übrigens der zweithöchste Etat für die Hochschulen, den es in der Geschichte des Landes Hessen gegeben hat.

(Beifall bei der CDU)

Es ist mit einem ganz kleinen Abstand der zweithöchste Etat, den es im Bereich der Bildung je gegeben hat.Auch im Bereich der sozialen Ausgaben liegen wir nur minimal unter dem, was es im letzten Jahr gab. Auch im Polizei-, Justiz-, Straßenbau- und sozialen Bereich bringen wir Hessen mit diesem Haushalt 2004 weiter voran.

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, weil der Präsident mir gleich sagen wird, dass die Redezeit vorbei ist – –

Herr Kollege Milde, seien Sie so lieb.

Ich möchte die Chance nutzen, hier noch einmal einen ganz herzlichen Dank zu sagen. Das haben wir gestern auch beim Nachtrag gemacht,und das entspricht dem,was der Kollege Weinmeister gesagt hat. Man kann gar nicht genug würdigen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung zu leisten hatten.An der Spitze stehen die Damen und Herren, die jetzt hier oben sitzen: Herr Dr. Worms, Herr Jäger, Frau Goß und alle anderen. Geben Sie diesen Dank bitte auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Hause weiter.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte darum auch für die anderen Ministerien, die ebenso hart daran gearbeitet haben, für die Mitarbeiter des Landtags, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen, denen wir Erhebliches zugemutet haben. Unsere neue Kollegin, Frau Köhler, hat hier gleich ihre Feuertaufe bestanden. Das gilt natürlich auch für die gesamten Mitarbeiter der hessischen Landtagskanzlei sowie die Abgeordneten. Herzlichen Dank. Ich denke, wir sind mit diesem Haushalt für Hessen auf einem sehr guten Weg.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Milde. – Das Wort hat Herr Kollege Kaufmann für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, in aller Ruhe – so, wie es meine Art ist –

(Lachen bei der CDU)

sachbezogen über den Haushalt zu diskutieren. Aber Sie, Herr Kollege Milde, haben es geschafft, mich erheblich aufzubringen. Respekt. Ich finde es eine Unverschämtheit, in einer solch schulmeisterlichen Art, wie Sie es hier gerade gemacht haben, über Personen und Anträge aus anderen Fraktionen – und da meine ich ausdrücklich nicht mich persönlich – hier herzuziehen. Ich finde auch Ihren nonchalanten Umgang mit dem Schuldenmachen bezeichnend: Dann sind es eben 100 Millionen c mehr oder weniger, und dann schauen wir mal.

(Zuruf von der CDU:In Berlin waren es 1 Milliarde c weniger!)

Aus diesem Geist heraus – und das scheint derselbe wie der des Finanzministers zu sein – sind wir in das Desaster hineingeraten, in dem wir uns jetzt befinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Kollege Milde baut einen Popanz auf, nämlich den der Alternativlosigkeit, indem er sagt, all diese Vorschläge seien vollständiger Blödsinn und undurchführbar. Sie haben sie sich überhaupt nicht genau angesehen. Dagegen, dass Sie an bestimmten Stellen anderer Meinung sind, habe ich nichts. Aber dass Sie heute aufgrund der Anträge, über die ich gleich noch eingehender reden werde

und die hier und heute zur Entscheidung anstehen, mit Begründungen kommen, die in den Anträgen überhaupt nicht mehr enthalten sind, ist dann schon Ihnen zuzurechnen. Sie haben sich mit der Sache nicht sorgfältig befasst.

Als dritten Vorpunkt möchte ich noch einmal das Thema Kreditobergrenze ansprechen, die durch die Verfassung gegeben ist. Meine Damen und Herren, wer meint, ein Schloss kaufen zu sollen, und dann auch noch behauptet, das wären Investitionen im Sinne unserer Verfassung gewesen, der will unsere Verfassung absichtlich falsch verstehen. Denn dort steht, wie Sie wissen, in altmodischer Formulierung etwas von „werbenden Ausgaben“.Nur solche dürfen kreditfinanziert werden. Wir nennen das neudeutsch Investitionen.Der Grundgedanke,der hinter dem Begriff „werbende Ausgaben“ steht – der Begriff ist etwas komisch, aber der Sachverhalt ist gar nicht so schlecht beschrieben –, heißt: Man gibt Geld her, um sich die Chance zu eröffnen, zukünftig mehr Geld einzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Jedes Wirtschaftsunternehmen macht das so. Sonst wäre es nämlich über kurz oder lang pleite.

(Zuruf von der CDU: Was sagt denn der Landrat des Odenwaldkreises zu dem Thema?)

Der Staat nennt meistens solche Dinge Investitionen, die tatsächlich nicht werbend sind.

(Zuruf von der CDU: Das ist sehr werbend für den Odenwaldkreis!)

Manche Dinge sind vielleicht insofern werbend, als sie volkswirtschaftlich etwas erbringen.Aber ein Schloss, das das Land nachweislich überhaupt nicht braucht, kann keinerlei werbende Funktion haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch zwei Randbemerkungen zum Kollegen Milde machen. Die Fraport-Aktien standen gestern bei 23,70 c, und das 52-Wochen-Tief liegt bei 15,95 c. Vielleicht wäre die Überlegung,die Aktien zu verkaufen,doch nicht so falsch, weil es in absehbarer Zeit, wenn die Erweiterung endgültig gescheitert sein wird, sein könnte, dass der Markt an der Börse so reagiert, dass das 52-Wochen-Tief noch einmal unterschritten wird. Aber das ist jetzt kein ernst gemeinter Punkt.

Herr Kollege Milde, an einer Stelle möchte ich Ihnen warmherzig zustimmen – insoweit kommen wir wieder ein bisschen zum Versöhnlichen hin –, nämlich beim Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei des Hauses, des Ministeriums und alle, die da mitgewirkt haben, auch unserer Fraktionen. Es war in der Tat eine Zumutung, die wir uns alle auferlegt haben. Ich werde in der Rede noch darauf kommen, dass wir als Abgeordnete gelernt haben,mit dem Stress umzugehen,dass wir aber vielleicht doch dem einen oder anderen zu viel zugemutet haben. Nur, man darf die Anmerkung machen: Ein besseres, geordneteres Verfahren hätte auch sein können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, mit der heutigen dritten Lesung schließen wir eine Runde von Haushaltsberatungen hastig ab. Wir hätten es eigentlich für sinnvoll gehalten, noch einmal darüber nachzudenken und die Zahlen konkreter und richtiger und kontrollierbarer zu haben. Wir schließen eine Runde von Haushaltsberatungen ab, die in

der Chronik des Hessischen Landtags eine auffällige Besonderheit darstellen und auch zukünftig darstellen werden, und zwar nicht eine Besonderheit in positiver Hinsicht.

Damit meine ich nicht die rekordverdächtigen Sitzungsdauern des Haushaltsausschusses, der seit Einbringung des Haushalts immerhin rund 25 Stunden Sitzungszeit hinter sich gebracht hat. Ich meine auch nicht die sehr hohe Zahl von Änderungsanträgen, deutlich über 500, sondern ich meine vor allem die sachwidrige, zum Teil unzumutbare Hektik, und zwar unzumutbar – ich habe schon darauf abgehoben – nicht wegen unserer eigenen Belastung, sondern unzumutbar, weil sie verbunden war mit miserablem, völlig inakzeptablem Umgang mit den Betroffenen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,das war offensichtlich gewollt. Eine Debatte über Grund, Sinn und Nutzen der Kahlschlagpolitik sollte von der Mehrheit weitgehend abgewürgt werden. Deswegen dieses Szenario. Begonnen hat die Hektik schon damit – darauf ist schon öfter hingewiesen worden –, dass die Einbringung des Haushaltsentwurfs viel zu spät erfolgt ist, nämlich am 4. November in einer Sondersitzung. Üblicherweise ist der Einbringungstermin, wenn man bis zum Jahresende fertig werden will und ein geordnetes Verfahren abwickeln will, spätestens der September.

Doch Sie erinnern sich: Zum September gab es bis dato nur die Power-Point-Präsentation durch den Ministerpräsidenten und seinen Folienschieber auf dem Stuhl des Finanzministers. Dann folgte ein gleichermaßen trauriger wie beschämender Umgang

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege Reif, auch Sie sollten beschämt sein – der Landesregierung mit Institutionen und Menschen, die sich viele Jahre haupt- wie ehrenamtlich um die Gemeinschaft verdient gemacht haben. „Schauen Sie ins Internet, da erfahren Sie, ob Ihre Einrichtung den Jahreswechsel überleben wird“, so lautete die Botschaft aus dem Sozialministerium.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, so haben wir uns den Einsatz neuer Technologien und des E-Governments in der Tat nicht vorgestellt.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wahrlich nicht!)