Protocol of the Session on October 15, 2003

Ich will Ihnen noch einen Punkt nennen. Ich habe bereits mit vielen Verbänden gesprochen, auch mit den Trägern von Frauenhäusern. Ich weiß, dass es eine ganz schwierige Entscheidung ist, die Förderung durch das Land einzustellen. Gleichzeitig müssen wir uns aber genau anschauen, wie das Netzwerk der Frauenhäuser aussieht, wie die Auslastungszahlen sind und welche Kooperationsmöglichkeiten an den verschiedensten Stellen bestehen.

Es ist mir wichtiger, dass ich an einigen Stellen voll fördern kann, also sage, dass dort das Angebot auf jeden Fall gesichert bleibt.An anderer Stelle nehme ich einen längeren Anfahrtsweg in Kauf.Das ist die Entscheidung,die ich getroffen habe.Aber das heißt nicht, dass es in diesem Bereich keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, und es heißt auch nicht, dass es dort keine Kooperationsmöglichkeiten oder keine neuen Angebotsformen gibt.

Meine Damen und Herren von der Opposition – vor allem von der SPD und von den GRÜNEN –,ich glaube,Sie müssen sich die Mühe machen, etwas tiefer einzusteigen, und sich mit der Frage beschäftigen, wie wir an verschiedenen Stellen Schwerpunkte setzen können, statt das Wirtschaftswachstum schönzurechnen. Das ist völlig unredlich und eine Illusion, die inzwischen kein Wirtschaftswissenschaftler mehr teilt. Deshalb werden wir in Hessen unsere Hausaufgaben machen und mit vielen Kreisen und Kommunen darüber sprechen, wie wir die Aufgaben für die Zukunft definieren.

Nur,all das führt nicht an der Tatsache vorbei,dass wir mit weniger Geld auskommen müssen und dass man das den verschiedenen Angeboten tatsächlich anmerkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dass das keine Freude macht,halte ich persönlich für eine Selbstverständlichkeit. Aber wir müssen darüber nachdenken, wo die Schwerpunkte sind, wo man bei der Kinderförderung dauerhaft mehr machen kann, wo man nach und nach wieder ausbauen kann und wo die Verantwor

tung des Landes – wenn auch mit einem dünneren Netz – bestehen bleibt. Das haben wir an dieser Stelle getan. Zu dieser Schwerpunktbildung stehe ich.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich glaube, es ist der richtige Schritt, Schwerpunkte zu bilden und dann weiter zu konsolidieren. Das ist nämlich die entscheidende Frage, wenn es darum geht, Sicherheit für die Zukunft zu schaffen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Die entscheidenden Fragen, nämlich wie wir auch in Hessen weitermachen können, werden wir am Freitag in Bundesrat und Bundestag diskutieren; denn dort stehen entscheidende Reformen an. Dort geht es um die sozialen Sicherungssysteme,um die Arbeitslosenhilfe,um die Sozialhilfe und um das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, über das ein Konsens erzielt wurde, um die schlimmsten Auswüchse abzufedern,damit die Gesundheitsversorgung auf einem vernünftigen Niveau erhalten bleiben kann. Dort müssen Sie mit uns über Reformen weiter streiten.

Aber Sie müssen vor allen Dingen dafür streiten, dass wir weiterhin Arbeitsmarktimpulse setzen können; denn das ist die Grundvoraussetzung für soziales Handeln und dafür, wieder vernünftige Politik zu machen.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Sprechblasen!)

Das Wort hat Frau Abg. Schönhut-Keil. Sie hat zwei Minuten und fünf Sekunden Redezeit.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fünf Minuten!)

Die Frau Ministerin hat nicht länger geredet, als es die Fraktionsredezeit zulässt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer fünf Minuten Redezeit nach der Rede der Ministerin! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist so, Norbert!)

Dann eben sieben Minuten minus der zwei Minuten, die wir aufgrund der Vereinbarung, die nicht in der Geschäftsordnung steht, gestrichen haben. Stimmt das, Herr Kaufmann? – Okay.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Lautenschläger, ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz klar: Ihr immer wieder postulierter Umweg über Berlin wird Ihnen in dieser Fragestellung nichts mehr nützen, weil die Bürgerinnen und Bürger in Hessen längst begriffen haben, dass die Tatsache, dass wir in Hessen enorm viele Mittel kürzen müssen, nur einem Umstand geschuldet ist, nämlich einer gnadenlos verfehlten Haushaltspolitik der Regierung Koch/Weimar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mit über 2 Milliarden c Nettoneuverschuldung allein im Jahr 2002 machen Sie deutlich, dass Sie, wie die Kollegin Fuhrmann schon gesagt hat, einen guten Schuldenberater

nötig haben. Es ist geradezu ein Hohn, wenn Sie sich heute Morgen hierhin stellen und von Schwerpunkten sprechen, die Sie in Ihrer Sozialpolitik gebildet hätten. Fast wäre ich geneigt, zu sagen: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das mag für die neue Kollegin Oppermann im Sozialausschuss gelten. Herr Zumbrägel, Sie wissen schon, warum Sie jetzt da oben sitzen, nicht mehr hier unten. Ich freue mich für Sie, dass Sie das hier nicht verteidigen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber eines ist klar: Für die Ministerin gilt das in keiner Weise.Wenn Sie sich hierhin stellen und sagen,Sie wollten ein Netz erhalten, empfinden wir das als einen Schlag ins Gesicht all der Bedürftigen in diesem Land und insbesondere all der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht mehr wissen, bis wann sie noch einen Arbeitsplatz haben bzw. ab wann sie keinen mehr haben, und die nicht mehr wissen, wie sie mit der steigenden Zahl der Bedürftigen in ihren Einrichtungen umgehen sollen und ob sie im nächsten Jahr überhaupt noch in der Lage sind, die Beratung sachgemäß durchzuführen. Sich dann hierhin zu stellen und von der Förderung des Ehrenamts zu sprechen, hat in diesem Zusammenhang ein ganz besonderes Geschmäckle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich will Ihnen ganz klar sagen: Die Maske der Arroganz, die Sie allenthalben tragen, wenn es darum geht, mit dem Finger nach Berlin zu zeigen, wird Ihnen überhaupt nichts nützen. Frau Ministerin Lautenschläger, stoppen Sie Ihren sozialpolitischen Amoklauf, und bekennen Sie sich zu den Grundlagen des sozialen Friedens und zu der Stabilität in diesem Land. Das sage ich in allem Ernst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, man muss nicht mit Tränen in den Augen herumlaufen, wenn es um die Sozialpolitik geht.Vielmehr hat es Gründe, dass wir die niedrigschwelligen Hilfen für die Drogenabhängigen in Frankfurt und anderswo ausgebaut haben. Es hat Gründe, dass wir in die Schuldenberatung eingestiegen sind. Es hat doch Gründe, dass die Obdachlosensiedlungen in unseren Städten Ende der Siebzigerjahre aufgelöst worden sind. Es hat Gründe, dass wir die soziale Stadt geschaffen haben: Wir wollten das Abrutschen ganzer Stadtteile verhindern. Das hat etwas mit dem sozialen Frieden in unserem Land zu tun.

Sie setzen ihn jetzt aufs Spiel. Die Folgen werden in den nächsten Jahren eklatant spürbar sein. Wir werden nämlich wieder viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um genau das, was Sie hier mit Ihrem Amoklauf anrichten, wieder auszubügeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, einen solchen sozialpolitischen Skandal hat Hessen noch nie erlebt. Sie – oder wir in der nächsten Legislaturperiode – werden sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um das wieder aufzuräumen. Nur, in Anbetracht der persönlichen Schicksale, der Verwerfungen innerhalb einer ganzen Generation und der Chancenlosigkeit von Familien mit Kindern, nämlich ihres Abdriftens in die Armut, ist das eine zyni

sche Maske. Ich will den Altbundeskanzler Schmidt zitieren: Dann könnte einem das Kotzen kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Entschuldigung, Frau Ypsilanti, Sie haben das Wort.

Das war wohl so etwas wie ein Boykott hier?

Frau Kollegin Ypsilanti, hier wird nicht boykottiert. Leider Gottes war das ein Irrtum. Entschuldigen Sie bitte.

Ich verzeihe Ihnen, Herr Präsident. Aber einiges kann man wirklich nicht unkommentiert stehen lassen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, Sie gerieren sich hier wie eine hessische Maggie Thatcher. Es gibt nur einen Unterschied: Diese Frau hat ihre Entscheidungen immer selbst gefällt. Sie war keine Gehilfin von irgendjemandem, der ihr Vorgaben gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es so billig, angesichts der Finanzlage in Hessen immer nur mit dem Finger nach Berlin zu zeigen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Gucken Sie doch einmal genau dorthin!)

Reden wir doch einmal über das, was Sie in ihrer letzten Legislaturperiode zur Verfügung hatten: 8 Milliarden c mehr an Gesamteinnahmen als Rot-Grün in seiner letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich können Sie fragen, was wir gemacht hätten.Wir hätten von vornherein eine andere Politik gemacht. Wir hätten das Geld nicht mit vollen Händen ausgegeben, um es hinterher auf dem Rücken der Allerschwächsten wieder einzusparen. Eben das hätten wir nicht getan.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich – darin gebe ich Herrn Rentsch Recht – muss man auch soziale Projekte überprüfen. Aber das macht man vorher.Man redet vorher mit den Initiativen,mit den Kirchen und den Verbänden und lässt sie es nicht so ganz kühl aus dem Internet herunterladen und sagt hinterher: Lasst uns doch noch einmal darüber reden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir einmal zu den Beschäftigungseffekten.Auch darüber können wir reden. Die Beschäftigungseffekte dieser „Operation sichere Zukunft“: Sie kostet 15.000 Arbeitsplätze – nette Beschäftigungseffekte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))