Jeder Hausbesitzer weiß, dass er sein Eigentum nur einmal veräußern kann und dass das keine wiederkehrenden Einnahmen sind. Was würden Sie zu einem Häuslebauer sagen, der ein Haus baut, es dann verkauft und wieder zurückmietet? Da würden Sie sagen, der ist nicht ganz knusper.Aber genau so haben Sie gehandelt.
Meine Damen und Herren, eine Einschränkung muss man allerdings machen: Sie haben auch Immobilien gekauft, nämlich ein Schloss im Odenwald von einem verarmten Grafen. 14 Millionen c haben Sie dafür ausgegeben. Der Dank des Grafen wird Ihnen ewig nachschleichen. Ich habe gehört, dass auch Gräfinnen Ihnen dankbar sind.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Roland Koch: Kein Neid, Frau Kollegin!)
Nein, ich bin überhaupt nicht neidisch, Herr Ministerpräsident. Ich kann Sie aber nur warnen. Ich meine, da sind schon andere vor Ihnen baden gegangen.
(Große Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie reden über Genossen Scharping!)
Aber vielleicht passt Ihr Schwimmbadprogramm, das Sie jetzt aufgelegt haben, nun ganz besonders gut in Ihren Wahlkampf.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)
Meine Damen und Herren, Sie haben nicht nur gesellschaftliches Eigentum verschleudert, sondern Sie haben auch die Mittel, die Ihnen zur Verfügung gestanden haben, in Fehlinvestitionen gelenkt, wie z. B. in SAP, deren Nachwirkung den Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen wird. Wer Verwaltungsabläufe und Betriebssysteme beschleunigen und vereinfachen will und am Ende des Tages 800 Millionen c verbrät und dann auch noch das Gegenteil von dem bewirkt, was Sie eigentlich bewirken wollten,nämlich Transparenz und Vereinfachung von Verwaltungsabläufen, der hat jeden Anspruch als kluger Investor verloren.
Wenn ich an dieser Stelle ein kurzes Resümee ziehen würde, könnte ich Goethes Faust zitieren, der da sagt: „Wir wollten alle Tage sparen und brauchten alle Tage mehr.“ Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen gar nicht den Vorwurf, dass Sie mehr gebraucht haben, und wir müssen uns an dieser Stelle auch nicht darüber streiten, dass wir zu viel Geld in den Länderfinanzausgleich zahlen. Aber wir müssen darüber streiten, wo Sie die zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben haben und wo Sie sie sinnvoll oder unsinnig eingesetzt haben.
Deshalb kommen wir jetzt zur inhaltlichen Grundlage Ihres Regierungsentwurfs. Ihre Regierung, Herr Ministerpräsident Koch, ist 1999 und auch 2003 angetreten mit dem Ziel, mehr Lehrer einzustellen, bessere Bildung und den Unterricht zu garantieren. Herausgekommen ist zunächst einmal eine Unterrichtsgarantie, und als man festgestellt hat, dass sie überhaupt nicht fruchtet, dass sie nicht funktioniert, wurde die Unterrichtsgarantie plus darangehängt. Das heißt, Ihre Bildungsministerin schickt nicht ausgebildete Amateure zu den Kindern in die Schule,um noch zu retten,was nicht mehr zu retten ist.Sie haben angekündigt, Hessen zum Bildungsland Nummer eins zu machen. Sie wollten eine bessere Bildung in Hessen. Erreicht haben Sie, dass in Hessen noch nie der Frust, die Enttäuschung, die Resignation und – ich sage an dieser Stelle – auch die Verzweiflung bei den Kindern und bei den Lehrern so groß waren wie heute, meine Damen und Herren.
Ihre Bildungspolitik ist komplett gescheitert. Es gibt niemanden mehr in diesem Land, der Sie unterstützt: nicht die Eltern, nicht die Schüler, nicht die Lehrer, nicht die Schulleiter, nicht einmal mehr die Wirtschaftspolitik und, wie ich gelesen habe, nicht einmal mehr der Ihnen freundlich gesonnene Philologenverband. Das muss einsam machen, Frau Wolff, und ich habe den Eindruck, dass auch in Ihrer Partei viele an Ihrer Bildungspolitik zweifeln.
Wer wie die hessische Bildungsministerin meint, Kinder im Alter von zehn Jahren aussortieren zu können, und ihnen Aufstiegsmöglichkeiten verweigert, wer Kindern verweigert, ihre Talente, ihre Kreativität, ihre Stärken – und ihre Schwächen – in der ihnen angemessenen Zeit zu ent
decken oder zu verbessern, der muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Sie berauben die Kinder mehrfach: Sie berauben sie ihrer Kindheit, Sie berauben sie des Spaßes am Lernen, was wirklich grässlich ist, und Sie berauben sie ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen Sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Ich sage klipp und klar: Wenn wir Sozialdemokraten am 27. Januar eine Mehrheit für unsere Politik in Hessen bekommen,wird es an den Schulen ein Haus der Bildung geben. Wir werden kein Kind zurücklassen, wir werden für echte Ganztagsschulen sorgen, wo das gewünscht ist, und wir werden endlich den Eltern,den Kindern und den Lehrern wieder eine bildungspolitische Perspektive bieten.
Jetzt kommt die CDU und denunziert unser Konzept als Einheitsschule oder sogar als Zwangseinheitsschule.
Wenn das Wort Zwang auf irgendeine Bildungspolitik passt, dann ist es Ihre Bildungspolitik, meine Damen und Herren.
Sie üben einen seelischen Zwang aus auf Familienmitglieder, die arbeiten und ständig, weil Ganztagsschulen fehlen, hin- und hergerissen sind zwischen der Notwendigkeit, der Erwerbsarbeit nachzugehen, um ihre Familie zu ernähren,und den Betreuungsmöglichkeiten,die sie ihren Kindern am Nachmittag bieten müssen. Das ist seelischer Zwang, den Ihr Bildungssystem auslöst.
Es ist ein lebensbeschränkender Zwang auf Schüler,wenn Sie mit zehn Jahren schon entscheiden, welchen Weg dieses Kind geht, und dann noch mit dem Turboabi, mit G 8, ein Leistungsdruck besteht, der größer ist als der, den manche Erwachsene im Berufsleben aushalten müssen.
Es besteht ein sozialer Zwang. Die Kinder, die um 16 Uhr nach Hause kommen, müssen sich entscheiden, ob sie die Hausaufgaben machen, also etwa die Vokabeln lernen, oder vielleicht doch lieber zum Sportverein oder zur Musikschule gehen. Sie üben einen sozialen Zwang aus.
Diese Ministerin übt auch einen „geistigen Zwang“ gegenüber den Lehrern, Eltern und Schülern aus. Denn sie verlangt, dass die mittelalterliche Vorstellung der Schöpfungslehre im Biologieunterricht behandelt wird.
Wir werden eine Bildungspolitik realisieren, die zu mehr Freiheit in der Bildung und zu mehr Chancengleichheit führen wird. Das wird bei uns mit der frühkindlichen Bildung beginnen. Wir werden sehr viel Wert auf die frühkindliche Förderung legen. Deshalb werden wir in die ge
meinsame Fortbildung der Erzieherinnen und der Grundschullehrerinnen investieren. Denn es geht um die Kooperation der Kindertagesstätten mit den Grundschulen. Dafür werden wir zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Herr Weimar, das unterscheidet sich vom Kauf von Schlössern dadurch, dass das wirklich Investitionsmittel sind,die in die Zukunft wirken.Diese Mittel fließen in das Wissen und die Qualifikation unserer Kinder.
Wir werden in einem ersten Schritt 500 neue Schuleingangsstufen schaffen. Die Verlässlichkeit der Grundschule muss sichergestellt werden. Wir werden die Mittel für ganztägige Betreuung an den Grundschulen verdoppeln. Eine verlässliche Grundschule ist nicht nur für berufstätige Mütter und Väter von Bedeutung. Vielmehr muss die Grundschule wieder zu dem zurückkehren, was sie wirklich ist. Sie muss die Grundlage für ein gemeinsames und solidarisches Lernen darstellen.
Wir werden den Schulen mehr Verantwortung geben.Wir werden ihnen auch die Flexibilität geben, die sie notwendigerweise brauchen. Die Gelder für die sogenannte Unterrichtsgarantie plus werden wir bei den Schulen lassen. Wir werden die Klassen verkleinern. Wir werden für mehr echte Lehrer sorgen. Wir werden für mehr Psychologen und soziale Begleiter an unseren Schulen sorgen. Wir werden die Chancengleichheit und die individuelle Förderung der Kinder perfekt machen. Wir lassen kein Kind zurück.
Alle Schulen, die sich mit uns gemeinsam auf den Weg machen wollen, werden wir unterstützen. Dazu werden wir 15 Millionen c in die Hand nehmen. Auch hier werden die Menschen die Wahl zwischen einem „Weiter so“, also mit einer Bildungspolitik von gestern, und einem Aufbruch mit uns in eine moderne, sozial gerechte und chancengleiche Bildungspolitik haben.
Eingangs habe ich gesagt: Hinter den Zahlen verbergen sich gesellschaftliche Verhältnisse und politische Ideologien.– Wenn ich mir im Bildungsbereich die Mittelansätze der Hochschulen ansehe, stelle ich fest, dass diese Landesregierung aus politischer Verblendung heraus sogar Mittel in ihrem Haushaltsplan entgegen der aktuellen Rechtsprechung ausweist.
Meine Damen und Herren, Sie hätten Rückstellungen in Höhe von 120 Millionen c ausweisen müssen. Denn Sie wissen, dass die Studiengebühren verfassungswidrig sind.
Herr Weimar, das erste Gericht, das sich damit beschäftigt hat, hat unsere Position bestätigt. Das Gericht in Gießen hat die Marburger Universität angewiesen, die Studiengebühren zurückzuzahlen. Das ist unseriös.
Es ist ganz unseriös, dass Sie im Haushalt keine Vorsorge für die Rückzahlung der Studiengebühren vorgesehen haben.
Der gesellschaftliche Schaden ist aber weitaus größer. Sie wissen: In anderen OECD-Ländern liegt die Quote der Hochschulabsolventen im Durchschnitt bei 36 %. Wir kommen in Deutschland nur auf 20 %.