Protocol of the Session on November 13, 2007

Das hieße andere Autos.Das hieße bessere Autos,und vor allem hieße es Autos, die auf dem Weltmarkt nachgefragt würden, die der Weltmarkt haben will, weil es außer in der Bundesrepublik nahezu überall ein Tempolimit gibt, sodass wir mit solchen Autos einen technologischen Vorsprung hätten, zusätzliche Exportchancen und eine weitere CO2-Einsparung hätten. Ich weiß gar nicht, warum die Union gegen eine solche Maßnahme sein kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministers Volker Hoff)

Das Umweltbundesamt schreibt zu diesem Thema – Sie müssen es mir nicht glauben –:

Darüber hinaus wird es möglich sein, kleinere oder leistungsreduzierte Fahrzeuge einzusetzen und dem Gedanken des Downsizing bei Pkw Rechnung zu tragen. Eine Leistungsreduzierung um 30 % kann die CO2-Emissionen bei Otto-Pkw um 13 % bis 19 % reduzieren und bei Diesel-Pkw um 15 % verringern.

Das kommt noch einmal oben auf die 2,5 Millionen t CO2 drauf, die wir direkt durch das Tempolimit sparen. Meine Damen und Herren von der Union, insofern ist es auch technologisch eine hoch sinnvolle Maßnahme.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Sie sprechen davon, aus gesamtwirtschaftlichen Gründen sei das Tempolimit abzulehnen. Ich habe eben schon einmal gesagt: Ein Technologieschub, eine neue Entwicklung in der Automobilindustrie würde uns weitere Exportchancen eröffnen. Es ist also gesamtwirtschaftlich sinnvoll. Gesamtwirtschaftlich ist ein Tempolimit aber auch deshalb sinnvoll, weil es den Verkehrsfluss auf unseren Straßen verbessert. Das heißt, wir haben gesamtwirtschaftlich gesehen auch eine bessere Auslastung unseres Straßennetzes, sodass Sie auch Ihr Argument „gesamtwirtschaftlich“ getrost vergessen können, meine Damen und Herren von der Union.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Wir haben den Verkehrsfluss verbessert!)

Ich komme zu Ihrem Argument, dass das Tempolimit aus sicherheitsrelevanten Gründen abzulehnen sei. Das finde ich wirklich ein starkes Stück.

(Axel Wintermeyer (CDU): Autobahnen sind die sichersten Straßen Deutschlands!)

Herr Wintermeyer, wir haben laut Statistik 2005 auf deutschen Autobahnen, die Sie für so sicher halten

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie sind sicher! – Norbert Schmitt (SPD): Was nützt der Tiger im Tank, wenn der Esel am Steuer sitzt?)

er sagt auch noch: „Sie sind sicher!“ –, 20.943 schwere Unfälle gehabt. Davon waren 9.108 Unfälle wegen nicht angepasster Geschwindigkeit.Herr Kollege Wintermeyer, im Jahre 2005 gab es 662 Tote auf deutschen Autobahnen – und davon 428 auf Streckenabschnitten ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Da sagen Sie, unsere Autobahnen seien sicher. Ich sage: Jeder Verletzte, jeder Unfall, jeder Tote ist einer zu viel auf unseren Autobahnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Fortgesetzte Zu- rufe des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

70 % aller tödlichen Unfälle finden auf deutschen Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbeschränkung statt. Herr Kollege Wintermeyer, da nützt es überhaupt nichts, irgendwelche Vergleiche mit anderen Ländern zu ziehen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Doch, machen Sie Vergleiche mit Frankreich und Italien! Schauen Sie sich die Zahlen an! – Dr. Walter Lübcke (CDU): Schauen Sie sich die Zahlen an!)

Wir müssen in unserem Land alles tun, damit weniger Menschen auf unseren Straßen verunglücken, damit weniger Menschen verletzt werden, damit es weniger Tote gibt. Dafür ist das Tempolimit unbestritten eine Möglichkeit.Was Sie mit „freier Fahrt für freie Bürger“ propagieren, das fordert jedes Jahr einen blutigen Tribut auf unseren Straßen, Herr Kollege Wintermeyer.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Auch das ist eindeutig belegt.Auch hier zitiere ich wieder aus der Stellungnahme des Umweltbundesamtes vom September 2003:

Bezüglich praktischer Erfahrung mit einem Tempolimit in Deutschland sei auf die Tatsache verwiesen, dass die Anzahl der Getöteten und Schwerverletzten auf deutschen Autobahnen um rund 50 % zurückging, als es wegen der Ölkrise von November 1973 bis März 1974 ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Bundesautobahnen gab.

Wir haben auch ein hessisches Beispiel für die Wirkung von Tempolimits. Das Umweltbundesamt führt weiter aus:

Diese Zahlen wurden durch die Unfallentwicklung auf einigen Autobahnen in Hessen, auf denen von November 1984 bis Mai 1987 ein Tempolimit von 100 km/h galt, bestätigt. Die Zahl der Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten je Milliarde Fahrzeugkilometer sank auf den betroffenen Autobahnabschnitten in der Größenordnung von 25 bis 50 %.

Wir haben ein hessisches Beispiel für die positive Wirkung eines Tempolimits auf die Verkehrssicherheit. Meine Damen und Herren von der Union, Sie müssen einmal erklären, warum Sie diesen Beitrag nicht wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Jetzt sagt die Union in ihrem Entschließungsantrag: Wir brauchen kein Tempolimit, weil wir Verkehrslenkungsmaßnahmen machen. Die Verkehrslenkungsmaßnahmen sparen sehr viel mehr CO2 ein als das Tempolimit. – Wieso diskutieren Sie das eigentlich als ein Entweder-oder? Wieso können wir nicht das Tempolimit einführen, das ohne Zweifel zu CO2-Einsparungen führt, und zusätzlich Verkehrslenkungsmaßnahmen?

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Das ist doch überhaupt kein Widerspruch. Lassen Sie uns doch beides machen und die beiden positiven Maßnahmen für CO2-Einsparungen realisieren.

Sie heben auf die Verkehrslenkung ab. Man muss aber doch einmal schauen, warum diese Verkehrslenkung, die Sie so loben, so positive Einflüsse auf die Verkehrssicherheit hat und warum diese Maßnahme der Verkehrsbeeinflussung, die Sie so loben, einen so positiven Einfluss auf den Verkehrsfluss hat. Beide Male ist die Antwort eindeutig. Denn die Maßnahmen zur Verkehrslenkung, die Sie ergreifen,arbeiten mit Tempolimits.Genau aus diesem Grund, nur aus diesem Grund wird morgens auf den verkehrsgelenkten Straßen die Geschwindigkeit gesenkt: weil man dadurch eine bessere Auslastung für die Straßen erreicht. Nur weil wir eine angepasste Geschwindigkeit auf diesen Straßen haben, verunglücken auf diesen Straßen weniger Menschen.Wenn wir diese positiven Effekte doch für die Straßen belegt haben, wo es Verkehrslenkungsmaßnahmen gibt, warum können wir dann nicht sagen: „Lasst uns auch auf den Straßen, wo wir diese Maßnahmen nicht haben, ein generelles Tempolimit einführen und diese positiven Effekte realisieren“? Meine Damen und Herren von der Union, ich verstehe es wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben einen eigenen Dringlichen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir uns für Tempo 130 als Regelgeschwindigkeit auf den Autobahnen aussprechen. Wir freuen uns sehr, dass die Kollegen von den Sozialdemokraten sich diesem Antrag anschließen. Wir könnten uns als GRÜNE auch noch mehr vorstellen.

(Norbert Schmitt (SPD): Mehr oder weniger?)

Wir könnten uns auch ein Tempolimit bei 120 km/h vorstellen. – Mehr Zustimmung von den Sozialdemokraten könnten wir uns deshalb vorstellen,Herr Kollege Schmitt, weil wir beide wachsen müssen, damit es am 27. Januar klappt.

(Axel Wintermeyer (CDU):Aber ziemlich!)

Nein, wir können uns ein Tempolimit von 120 km/h vorstellen, sagen aber: Lasst uns jetzt diesen Schritt gehen, der mit den Sozialdemokraten jetzt offenbar möglich ist. Ihr hättet es auch vorher schon haben können, liebe Freundinnen und Freunde, in der gemeinsamen Bundesregierung. Da wolltet ihr es noch nicht. Aber wir sind es gewohnt: Ihr braucht uns an eurer Seite, damit es mit der Umweltpolitik klappt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hildegard Pfaff (SPD):Vorsicht!)

Diese Rolle spielen wir auch ausgesprochen gerne. Ich weiß auch, dass ihr uns dafür mögt, dass wir diese Rolle spielen. Zumindest die Ökologen bei euch in der Partei mögen uns für diese Rolle, weil sie ansonsten bei euch nicht allzu viel zu sagen hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns doch noch einmal an, wie das eigentlich in anderen Ländern mit dem Tempolimit ist: Dänemark 130, Schweden 110, Polen 130,Tschechien 130, Österreich 130, Schweiz 120, Italien 130, Spanien 120, Frankreich 130, Luxemburg 130, Belgien 120, Niederlande 120, Großbritannien 112.

(Zurufe von der CDU)

Nur in Deutschland gibt es einen verkehrspolitischen und klimapolitischen Jurassic Park,der ein Tempolimit verhindert. Dieser Jurassic Park heißt CDU. Meine Damen und Herren, so einfach ist das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Tempolimit ist gut für das Klima, gut für die Verkehrssicherheit und gut für den Verkehrsfluss. Die Union will all das nicht. Deshalb bitte ich Sie: Denken Sie noch einmal nach. Stimmen Sie unserem Antrag auf ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf unseren Straßen zu. Das wäre ein Beitrag zur Verkehrssicherheit. Das wäre ein Beitrag zum Klimaschutz.

All das will die Union nicht. Das müssen Sie dann mit sich ausmachen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Beifall außer zu der einen Passage!)

Ich erteile Herrn Abg. Posch für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass die Frage des Tempolimits nahezu wie ein Glaubensbekenntnis diskutiert wird. Gleichwohl will ich den Versuch starten, einige der Argumente, die hier genannt worden sind, vertiefend in die Diskussion einzubringen, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe,

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

dass auch diejenigen, die sich zu einem Glauben bekennen, hin und wieder rationalen Argumenten zugänglich sein müssten.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Bei den Sozialdemokraten war das bisher hin und wieder der Fall. Frau Pfaff, ich habe mit Interesse verfolgt, wie viele Ihnen zugehört haben. Die Minderheit Ihres Parteitags hat offensichtlich draußen gestanden, weil sie einer anderen Auffassung ist. Wir wissen doch, wie das bei Ihnen abgelaufen ist.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Jetzt sollten Sie einmal in die eigenen Reihen gucken! – Hildegard Pfaff (SPD): Ganze zwei Kollegen sind anwesend!)