Protocol of the Session on November 13, 2007

Hinterher kann man sich immer gut herausreden, indem man sagt: Ich habe es nicht so gemeint, das ist ja nur Ultima Ratio. – Ultima Ratio ist ja prima, aber die Leute wollen eine konkrete politische Antwort, nicht irgendetwas.

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen nicht, dass nur der Eindruck erweckt wird, mit diesem Mittel wird das adäquat verfolgt.

Meine Damen und Herren, um das noch einmal aufzugreifen und aufzuarbeiten, will ich etwas zur Preispolitik dieser Landesregierung sagen. Die Landesregierung sagt, die Nutzungsentgelte seien um 15 % überhöht.

Wir haben darüber schon häufiger diskutiert. Bei mir und für uns geht es in dieser Frage nicht nur um marktwirtschaftliche Mechanismen, sondern auch gleichzeitig um die Frage:Werden rechtsstaatliche Maßstäbe eingehalten, und wird der Rechtsstaat gewährleistet?

Meine Damen und Herren, es gibt eine Vielzahl von Unternehmen, die Preiserhöhungsanträge gestellt haben, die bis zum heutigen Tag noch nicht entschieden sind, und denen kein rechtsmittelfähiger Bescheid zugestellt wor

den ist. Der Rechtsweg ist diesen kommunalen Unternehmen versagt worden.

Herr Dr. Rhiel, es ist nicht richtig, wenn Sie sagen, dass 15 % akzeptiert worden seien. Es gibt einen Gerichtsbeschluss, nach dem genau dieser Ausgangspunkt, dass eine 15-prozentige Erhöhung eingetreten ist, gerichtlich nicht bestätigt worden ist.

(Beifall bei der FDP)

Also versuchen Sie nicht, diesen Eindruck zu erwecken. Es gibt eine gerichtliche Entscheidung. Die Ausgangssituation, dass 15 % akzeptiert worden seien, ist in dieser Weise nicht bestätigt. Herr Dr. Rhiel, wir sind uns im Ziel einig. Nur bin ich der Meinung, dass auch hier gilt: Ich kann nur das versprechen,was realistischerweise machbar ist.

Meine Damen und Herren,deswegen will ich noch einmal auf das eingehen, was ich eingangs gesagt habe. Wir streben gemeinsam eine Veränderung in der Energiepolitik an. Vor uns liegen die Erneuerung des bundesdeutschen Kraftwerkparks und die angestrebten radikalen Veränderungen der Erzeugungsstruktur mit der Integration dezentraler Erzeugungseinheiten auf der Basis regenerativer Energiequellen.

Nur, und das sage ich auch in Richtung der Sozialdemokraten und der GRÜNEN sehr bewusst –:Wenn wir in der Vergangenheit – den Verantwortungsbereich lasse ich jetzt einmal weg – eine Energiepolitik in der Weise betrieben haben, dass wir wenige Versorger und gleichzeitig auch nur wenige Netzdurchleiter hatten, und sich das heute verändert, kann dies nicht nach dem Motto geschehen: Wir drehen den Hebel um, und morgen konzentrieren wir uns ausschließlich auf eine dezentrale Energieversorgung. – Es ist die große Kunst, dezentrale Energieversorgung in zentral strukturierte Mechanismen, wie wir sie jetzt haben, einzubinden und eine Veränderung herbeizuführen. Das ist nicht von heute auf morgen möglich. Deswegen, glaube ich, ist hier mehr Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern angesagt. Wenn das die Ausgangssituation ist, muss man sagen, was machbar ist.

Meine Damen und Herren, richtig ist, dass der Liberalisierung des Strommarktes nicht der gleiche Erfolg beschieden war wie der des Telekommunikationsmarktes. Ich glaube, es wäre richtiger gewesen, wenn man auf dem Energiemarkt in gleicher Weise vorgegangen wäre. Dort hat man gewusst, dass es ein Monopol gibt und dass diese Monopolsituation auch in einer sozialen Marktwirtschaft ausschließlich über Regulierung, durch Regulierungsbehörden, verbessert werden kann. Deswegen glaube ich, es wäre richtiger gewesen, diese kartellrechtlichen bzw. Regelungsmöglichkeiten einer Regulierungsbehörde zu einem früheren Zeitpunkt einzuführen.

Herr Dr. Rhiel, nur stelle ich jetzt einmal eine Frage zum Zwangsverkauf und den Realisierungsmöglichkeiten. Hier müssen Sie sich doch mit einer Frage auseinandersetzen, die ich sehr ernst nehme und die auch die Monopolkommission gestellt hat. Ich darf einmal zitieren, was die Monopolkommission in diesem Zusammenhang gesagt hat. Sie führt aus, sie habe verschiedene Vorschläge zur eigentumsrechtlichen Entflechtung integrierter Energieversorgungsunternehmen erörtert. Grundsätzlich sieht sie eine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbssituation in der Anwendung strukturpolitischer Instrumente.

Weiter führt sie aus: Selbst wenn eine weitergehende vertikale und horizontale Entflechtung dazu beiträgt, ein

zelne wichtige Probleme zu lösen, so sind dennoch die Entflechtungsvorschläge und deren Umsetzung mit nicht unerheblichen ökonomischen Risiken und rechtlichen Problemen verbunden.

Deswegen kommt die Monopolkommission zu einem Ergebnis, das uns nachdenklich stimmt und das wir unterstützen möchten. Die Monopolkommission rät dazu, vor der weiteren Diskussion über derart weitreichende Veränderungen die Wirkung des erst 2005 in Kraft getretenen Regulierungsrahmens abzuwarten. Überdies empfiehlt sie die Suche nach milderen, aber gleichwohl wirksameren Mitteln. So spricht sie sich für die zusätzliche Einführung eines zeitlich befristeten Moratoriums für die Erweiterung von Erzeugungskapazitäten

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

durch die marktbeherrschenden Energieversorgungsunternehmen aus, damit Konkurrenten die Möglichkeit erhalten, eigene Kraftwerkskapazitäten aufzubauen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Posch gegen Staudinger!)

Verehrter Herr Al-Wazir, wenn Sie zugehört hätten,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe zugehört!)

hätten Sie zur Kenntnis genommen, dass ich gerade eben von der Umstrukturierung des Energiemarktes gesprochen habe.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

In diesem Zusammenhang hat auch – aber diese Einschränkung habe ich gemacht – die Frage der Grundlast eine große Bedeutung.Auch die technologische Entwicklung der alternativen Energien spielt dabei eine Rolle. Das muss in dieser Situation sehr wohl berücksichtigt werden. Da kann man es sich nicht so einfach machen, dass derjenige, der sich für einen Energiemix ausspricht, dies ausschließlich mit der Frage des Erhalts von Biblis in Verbindung bringt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag, glaube ich, ist im Hinblick auf die Frage des Grundrechtschutzes – es geht hier um Eigentumsrechte, Unternehmens- und Berufsfreiheit – sicherlich nicht der adäquate Weg. Deswegen will ich an dieser Stelle auch fragen: Wie sähe es denn aus, wenn wir in Hessen tatsächlich den Zwangskauf realisieren wollten?

Herr Dr. Rhiel, dabei weise ich auf Folgendes hin: Wenn Sie sagen, der Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung müsse nachgewiesen werden,dann gibt es hierfür drei Kriterien, die gar nicht so einfach nachzuweisen sind. Das fängt nämlich – um nur einmal dieses Beispiel zu nennen – beim Markt an: Ist das eigentlich der deutsche Markt? Oder ist das der europäische Markt? Manches spricht dafür, dass es der europäische Markt ist. Dann den vier Stromriesen nachzuweisen, dass sie eine marktbeherrschende Stellung haben, bedarf zumindest – ich drücke mich da sehr vorsichtig aus – einer vertieften Prüfung.

(Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Zurück zu der Frage: Wie soll das mit dem Verkauf tatsächlich erfolgen? Sie haben – in der „FAZ“ nachzulesen – gesagt, dann müssten die Konzerne darüber nachden

ken, Kern- und Kohlekraftwerke zu verkaufen. Können Sie mir einmal die Quadratur des Kreises und deren Auflösung erklären? Können Sie mir erklären,wie jemand ein Interesse an Biblis haben soll bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Ausstiegsbeschlusses?

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das will ich auch einmal wissen! Auch ohne!)

Können Sie mir einmal sagen,wie das passieren soll? Wollen Sie allen Ernstes die Hilfe des Altbundeskanzlers Schröder in Anspruch nehmen, um Gazprom zu überreden, Biblis zu übernehmen? Meine Damen und Herren, das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich nehme nur ernst, was in diesem Zusammenhang gesagt wurde: dass auch Stadtwerke das machen könnten. Meinen Sie denn im Ernst, Stadtwerke seien in der Lage, dies in Kooperation mit Dritten tatsächlich zu ermöglichen?

(Norbert Schmitt (SPD): Die Stadtwerke Biblis!)

Ganz abgesehen von den Problemen, die wir bei der Realisierung, beispielsweise bei Staudinger, im Moment haben.

Meine Damen und Herren, nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Liberalen sind auch dafür, dass die Missbrauchskontrolle ausgeführt und gegebenenfalls auch verstärkt werden soll. Aber mich stimmt es schon nachdenklich, wenn sowohl der Bundeswirtschaftsminister als auch die Monopolkommission – die Monopolkommission ist ja nicht ein Debattierklub,der von den Großkonzernen eingekauft worden ist, sondern ein Beirat beim Bundeswirtschaftsminister – zu solchen Überlegungen kommen.

Da muss man sich doch einmal die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, das zu realisieren, was Bundeswirtschaftsminister Glos in diesem Zusammenhang sagt: „Wir haben gerade erst 2005 dieses Gesetz geändert. Wir wollen jetzt abwarten, welche Möglichkeiten sich aus der Anwendung dieses Gesetzes tatsächlich realisieren lassen.“ Uns scheint das der bessere und Erfolg versprechende Weg zu sein.

Bei dieser Gelegenheit kommt mir auch etwas anderes zu kurz: Natürlich ist dieser Vorschlag damit verbunden worden, die Stromsteuer zu reduzieren. Meine Damen und Herren, das ändert nichts an der Tatsache, dass der staatliche Anteil an den Strompreisen mittlerweile bei über 40 % liegt. Die Große Koalition muss sich auch sagen lassen, dass Maßnahmen wie die Erhöhung der Abgabenund Steuerlast, wie die Mehrwertsteuererhöhung, natürlich auch ihren erklecklichen Beitrag dazu leisten,dass wir diese Situation haben.

Meine Damen und Herren, die Liberalen beklagen in gleicher Weise wie Sie,dass es nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Haushalte trifft und dies eine soziale Frage ersten Ranges ist – ganz selbstverständlich. Aber man kann doch die Lösung des Problems, dass Niedrigverdiener nicht in der Lage sind, das zu bezahlen, nicht ausschließlich im Kontext der Energiepreise sehen. Das hat etwas damit zu tun, welche Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik wir in diesem Land betreiben.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir dort Veränderungen vornähmen, müssten wir uns auch nicht so beklagen, wie Sie das hier getan haben.

Meine Damen und Herren, wir bekennen uns und – um das noch einmal zu wiederholen, ich selbst und Herr von Hunnius haben das in der Vergangenheit für die FDP gesagt – stehen zu einer strukturellen Veränderung in der Energiepolitik.Wir sagen aber auch: Der staatliche Anteil darf nicht erhöht, sondern muss reduziert werden, um insgesamt die Steuer- und Abgabenlast der Unternehmen wie der Bürger in gleicher Weise zu verändern.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle auch sagen: Ich führe verschiedene Gespräche mit Unternehmen, die sowohl Energie produzieren als auch Energiekunden sind. Ich glaube, dass es wichtig wäre, all diejenigen zusammenzubringen, die bereit und imstande sind, in der Energieproduktion in Hessen tätig zu werden. Denn Hessen war einmal ein großer Standort der Energieproduktion. 60 % kommen nach wie vor aus Biblis, 30 % kommen von Staudinger.

Gleichwohl haben wir eine Konzentration der Energieproduktion im Norden und im Süden der Bundesrepublik zu verzeichnen. Dies ist auf Dauer nicht der richtige Weg. Ich habe es immer wieder mit der Frage der Netzdurchleitungskosten zu tun, die einen nicht unerheblichen Anteil an den zu Recht kritisierten Energiepreisen haben.

Meine Damen und Herren, deswegen sagen wir Ihnen sehr deutlich: Das Ziel, das hier verfolgt wird, wird von uns uneingeschränkt geteilt.Der Weg,der hier beschritten wird, führt bei uns zu nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die an dieser Stelle geltend gemacht werden müssen.

Wir Liberale werden uns an dieser Diskussion sehr intensiv beteiligen,weil auch wir ein Interesse daran haben und weil die Energiepreise als Grundlage für den Industriestandort Hessen von besonderer Bedeutung sind und in gleicher Weise auch für die Stromkunden. Dies sagt die FDP aus Anlass dieser Regierungserklärung. Für uns hat auch – Heinrich Heidel hat darauf bereits mehrfach hingewiesen – die Biomasse einen ganz besonderen Stellenwert. Das, was zu diesen Bereichen bereits gesagt worden ist, ist in der Tat nicht ganz unerheblich.

Ein Wort will ich noch zu der Darstellung, was in der Vergangenheit alles so prima gemacht worden ist, sagen. Ich glaube, Herr Frankenberger hat es gesagt, das Institut für Solartechnik ist in der Tat 1998 gegründet worden.Wir haben zu diesem Zeitpunkt sehr wohl erkannt, dass alternative Energien eine wichtige Rolle haben, allerdings in der anwendungsbezogenen Forschung. Die FDP braucht sich nicht vorwerfen zu lassen, nicht bereits in der Vergangenheit ausreichend auf die Bedeutung der alternativen Energien hingewiesen zu haben. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Posch. – Nächster Redner ist Herr Kollege Möller für die CDU-Fraktion.