Protocol of the Session on September 26, 2007

Meine Damen und Herren, ich komme zu unseren Vorstellungen zum Zukunftshaushalt zurück. Zum Zweiten wollen wir den Investitionsbegriff neu bestimmen. Die Kopplung der zulässigen Verschuldung an Bruttoinvestitionen, wie sie in unserer Verfassung steht – mehr oder weniger in allen Verfassungen –, hat sich nicht bewährt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Besonderen sind Abschreibungen und Veräußerungen zu berücksichtigen. Ebenso müssen Mehrfachanrechnungen, beispielsweise auf der Ebene der kommunalen Finanzaufsicht, einheitlich unterbunden werden, damit es nicht immer die Diskussion um die besonders enge hessische oder die besonders großherzige – vielleicht: niedersächsische – Grenze gibt.Hier sollte man eine einheitliche Definition anstreben.

Unser dritter Vorschlag fordert, die mittelfristige Finanzplanung vor allem auf der Ausgabenseite verbindlich zu machen. Meine Damen und Herren, es muss damit Schluss sein, dass die politisch Verantwortlichen oder gar die Finanzminister von einem „Märchenbuch“ sprechen, wenn sie über die mittelfristige Finanzplanung oder den Finanzplan reden. Deshalb ist auch eine parlamentarische Kontrolle dieser Planung notwendig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies bedeutet eine ernsthafte Beratung und Beschlussfassung des Haushaltsgesetzgebers über die mittelfristige Finanzplanung, d. h. konkret über den Finanzplan des Landes für die kommenden Jahre.

Schließlich brauchen wir alle – vor allem dann, wenn die Finanzplanung verlässlicher und verbindlicher werden soll – aussagefähige Kennzahlen als Grundlage der Bewertung. Die müssen zur Haushaltsberatung vorliegen, denn zu einer seriösen Beratung und Beschlussfassung benötigen wir alle – der Landtag als Haushaltsgesetzgeber an allererster Stelle – die richtigen, geeigneten Daten.

Dazu gehören z. B. auch – und daran fehlt bisher sehr viel – die Angaben über die impliziten Verschuldungen, Stichwort: Pensionsverpflichtungen, um nur ein Beispiel zu nennen, und auch über den Umfang der Verbindlichkeiten im Rahmen der Kreditvorfinanzierung, unter anderem bei den zahlreichen, heute so gelobten und insoweit möglicherweise zukünftig noch mehr werdenden sogenannten PPP-Projekten.

Meine Damen und Herren, natürlich hat die günstige Haushaltssituation der Bundesrepublik derzeit viel mit der konjunkturellen Situation und der wirtschaftlichen

Entwicklung zu tun. Wir hätten in Hessen aber bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt höhere Einnahmen im Landeshaushalt realisieren können, wenn die CDU-Landesregierung nicht so vehement für Steuersparmodelle und Abschreibungstricks gekämpft hätte bzw. für ihre Beibehaltung eingetreten wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch des Ministers Karl- heinz Weimar)

Heute haben wir in der Rede des Finanzministers gehört, wie richtig er es findet, dass die Eigenheimzulage verändert wurde. Da dachte ich mir:Wo bin ich denn?

(Norbert Schmitt (SPD): Ich auch!)

Der Ministerpräsident höchstpersönlich hat doch an der Seite von Erwin Teufel gekämpft – wirklich wie der Teufel –, dass das beibehalten werden müsse,

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU) – Widerspruch des Ministers Karlheinz Weimar)

zu Zeiten, als Rot-Grün das längst beschlossen hatte und sich nur der Bundesrat quergelegt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Minister Karlheinz Weimar: Das ist eine grobe Geschichtsklitterung!)

Meine Damen und Herren, für eine weitere Untätigkeit der Landesregierung bei Zukunftsfragen des Haushalts gibt es keine Ausreden mehr. Es ist nicht die Aufgabe einer Landesregierung, herumzusitzen und zu warten, bis sich die generelle Lage verbessert und sich das Delta von alleine verringert. Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Grundlagen für fiskalische Nachhaltigkeit richtig zu gestalten.

Darum ist unser Antrag – Stichwort: Zukunftshaushalt in Hessen – ein Angebot an alle hier im Parlament vertretenen Fraktionen,sich auf die Debatte um eine sinnvolle gesetzliche Regelung und Gestaltung mit einzulassen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Unter dem Eindruck der Beratungen der Föderalismuskommission und unter der hohen Aufmerksamkeit, die das Thema der öffentlichen Verschuldung mittlerweile genießt, ist nun wirklich der Zeitpunkt gekommen, für eine Struktur zu sorgen,die zukünftig langfristig ausgeglichene Haushalte sichert und dadurch budgetäre Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit verwirklicht.

Meine Damen und Herren, der Zukunftshaushalt mit wirksamen Instrumenten zur Schuldenbegrenzung ist unseres Erachtens für Hessen das wichtigste Projekt zur strukturellen Gesundung der Haushaltswirtschaft – allerdings gewiss nicht das einzige. Wir GRÜNE haben durch diverse Anträge der vergangenen Monate noch mehr angestoßen.

Natürlich müssen wir konstatieren, dass wir oft von der CDU-Mehrheit, meist auch im Beiboot von der FDP, gelegentlich auch ziemlich schnöde zurückgewiesen wurden. Gender-Budgeting ist dafür nur ein relativ aktuelles Beispiel.

Meine Damen und Herren, seien Sie aber unbesorgt. Wir lassen uns dennoch nicht verdrießen und arbeiten engagiert an diesem Thema weiter.

(Axel Wintermeyer (CDU): Ist das eine Drohung?)

Allen denjenigen,die das jetzt als Drohung empfinden,sei gesagt:Auch Sie werden irgendwann mitziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will aber bei dieser Gelegenheit festhalten und mich dafür bedanken, dass wir in einigen Bereichen – so beim Thema Subventionsbericht – auf dem Kompromissweg doch einen breiten Konsens erzielen konnten. Das gibt uns GRÜNEN Zuversicht, dass es doch nicht völlig aussichtslos ist, zu versuchen, auch andere Fraktionen dazu zu bewegen, finanzwirtschaftlich an morgen zu denken und dafür brauchbare Instrumente zu etablieren.

Eine schrittweise Verbesserung der Haushaltsführung ist möglich und nötig. Die neue Verwaltungssteuerung gibt dem Haushaltsgesetzgeber verbesserte Steuerungsmöglichkeiten an die Hand. Leider muss ich einschieben: grundsätzlich. Diese müssen genutzt und umgesetzt werden.Aber genau da liegt leider noch sehr viel im Argen.

Man kann sich nämlich des Öfteren des Eindrucks nicht erwehren, dass die Landesregierung ein Verwirrspiel mit dem Haushaltsgesetzgeber – also mit uns allen hier – betreibt, vor allem dann, wenn Jahr für Jahr Produkte und Leistungen neu gemischt und immer wieder anders verteilt werden. Ein Landeshaushalt darf auch als Produkthaushalt nicht zu einer Pokerpartie werden. Deswegen sollte dieses Mischen jetzt endlich ein Ende haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Beratungen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Subventionsberichterstattung haben einiges an Potenzial aufgezeigt, das wesentliche Beiträge zur nachhaltigen Haushaltswirtschaft liefern kann. Dabei hat sich auch gezeigt, dass sich die Landesregierung bewegen kann, wenn sie denn will oder kraft guter Argumente sich immerhin ein bisschen geschupst fühlt.

Auch wenn in der Subventionsberichterstattung noch nicht alles ausgeschöpft wurde, um eine verbesserte Grundlage für die Entscheidung über weitere Gewährungen von Finanzhilfe zu treffen, werden wir weiter daran arbeiten, dass das, was noch fehlt, hinzukommt.

Erstmalig liegt dem Landtag zur Beratung und zur Beschlussfassung ein Haushalt vor, der vollständig auf der Grundlage der doppelten Buchführung erstellt worden ist. Grundsätzlich ist dieser eingeschlagene Weg aus unserer Sicht zu begrüßen. Jedoch hat die Landesregierung noch einiges an Versäumnissen aufzuholen – auch in der eigenen Bildung, wie wir vorhin gehört haben. Beispielsweise sprach der Finanzminister von den Hauptgruppen 7 und 8. Herr Finanzminister, im Haushalt der Produkte gibt es keine Hauptgruppen mehr. Daran werden wir uns alle mehr oder minder noch gewöhnen müssen.Vielleicht können wir uns gemeinsam noch ein Stück in dieser Richtung bewegen.

Die Landesregierung hat noch einiges nachzuholen. Für nahezu alle Bereiche des Haushalts fehlt es nach wie vor an aussagekräftigen Kennzahlen. Ich sprach vorhin schon davon. Das betrifft vor allem den Bereich der angestrebten Wirkungen.Auch die Führungsberichte,die den Haushaltsvollzug dokumentieren sollen, sind in ihrer Darstellung noch nicht ausreichend.Im Feld der modernen Haushalts- und Politiksteuerung hat die Landesregierung sehr viel versprochen und bislang sehr wenig gehalten. Sie hat viele bunte Bildchen malen lassen und wenig Überzeu

gendes geliefert. Es wurde viel Geld für Softwarelizenzen ausgegeben – auch für etliches, was nicht funktioniert.

Damit wir uns nicht missverstehen: Wir GRÜNE reden nicht der Rückkehr zur Kameralistik das Wort. Wir mahnen aber mit Nachdruck an, dass die versprochenen Vorteile der Verwaltungssteuerung, wie sie sich im Produkthaushalt manifestieren sollen, alsbald erkennbar werden müssen. Wir erwarten deshalb, dass das Beratungsverfahren des Haushaltsentwurfs 2008 im Landtag von der Regierung – fast hätte ich „ausnahmsweise einmal“ gesagt – engagiert und konstruktiv und nicht wie bislang leider allzu oft ignorant und restriktiv begleitet wird. Meine Damen und Herren von der Regierung und der Regierungsfraktion, Sie sollten ein eigenes Interesse daran haben, dass möglichst große Transparenz geschaffen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen derzeit auf alle mit dem Haushalt Befassten durch die neue Systematik eher deutlichen Mehraufwand zukommen, als dass Erleichterungen in der Bewertung und Budgetplanung wirklich Platz greifen. Dies gibt mir heute besonderen Anlass, mich im Rahmen der ersten Lesung bei allen Menschen,die Grips und Schweiß in die Erstellung des Haushaltsentwurfs gesteckt haben oder dies im Rahmen der parlamentarischen Beratungen noch tun werden, vorab schon einmal herzlich zu bedanken und auch schon einmal vorab um Nachsicht für sicherlich viele Fragen zu bitten. Wir haben sehr wohl im Auge, dass wir im nächsten Jahr als Regierung mit einem Haushalt werden umgehen dürfen, den eine dann abgewählte Mehrheit dieses Jahr noch beschließen will.Genau deshalb freue ich mich besonders auf die Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kaufmann. – Als Nächster hat Herr von Hunnius für die FDP-Fraktion das Wort. Herr von Hunnius, Sie haben 50 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann hat so viele Zitate gebracht. Ich war zwar nicht auf einer hessischen Gesamtschule, sondern auf einem niedersächsischen Gymnasium. Aber das ist auch nicht ganz schlecht. Ich möchte auch ein kleines Zitat bringen, das natürlich nicht so gebildet wie das Ihrige ist, aber, wie ich glaube, sachlich nicht ganz unzutreffend:

Vor diesem Hintergrund sowie zur Absicherung der bis 2011 angestrebten Konsolidierungsziele ist es unabdingbar, dass das derzeit günstige gesamtwirtschaftliche Umfeld für eine weitere Konsolidierung der öffentlichen Haushalte genutzt wird. Dies ist auch deshalb alternativlos, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die derzeit vergleichsweise günstigen mittelfristigen Einnahmenperspektiven aufgrund einer Vielzahl von Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung – wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben – als optimistisch erweisen können.

(Baulärm – Allgemeine Heiterkeit)

Dieses Zitat hätte eigentlich, wenn es von der CDU trotz des Lärms gehört worden wäre, zu Applaus führen müssen.Denn das steht im Finanzplan.Der Minister kennt das wahrscheinlich. Er wird ihn formuliert haben. Das steht im Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2007 bis 2011.

(Baulärm – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die CDU versucht mit allen Mitteln, dich zu stören! – Allgemeine Heiterkeit)

Ich muss sagen, dass das, was mit diesen Worten im Finanzplan steht, exakt das ist, was wir uns auch vorstellen.

(Baulärm)

Herr von Hunnius, wir versuchen, das abzustellen. Ich habe gerade jemanden rausgeschickt.

Mal ist es das Licht, mal ist es der Lärm. – Wenn man einmal in den Finanzplan hineinschaut und sieht, wie sich diese Worte dort widerspiegeln, dann stellt man fest, dass in den Zahlen exakt das Gegenteil von dem zu sehen ist, was hier ausgeführt worden ist.

Der Haushalt 2008 ist von einer achtstelligen Ziffernfolge gekennzeichnet.Die Ziffern lauten:27 01 2008.Das ist der Wahltag für die nächste Landtagswahl. Deshalb ist dieser Haushalt ein Wahlkampfhaushalt. Herr Minister, es gibt keinen besseren Ausdruck dafür. Es ist und bleibt ein Wahlkampfhaushalt.