Eine ruhige konsequente Entwicklung in Richtung Freiheit und Verantwortung, wie sie die FDP für die Schulen vorsieht, bringt Hessens Schulen voran, und das wird für die nächsten fünf Jahre wichtig sein.
Frau Henzler, vielen Dank. – Herr Dr. Herr hat sich für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Dr. Herr, Sie haben noch elf Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt, wie Sie auch, über längere Zeit die Diskussion verfolgt.Herr Wagner,wenn Sie davon sprechen,dass die SPD auf dem richtigen Weg sei,kann ich nur sagen:Ich habe die ganze Zeit über keinen richtigen Weg erkennen können, allenfalls ein bisschen Nebel.
Frau Habermann, was wollen Sie eigentlich? Sie sprachen vom gemeinsamen Unterricht bis zur 10. Klasse und dann doch wieder nicht, weil von oben nichts übergestülpt werden solle, eine Zwangseinheitsschule solle es nicht geben. Ich glaube Ihnen kein Wort.
Aus dem, was Sie gesagt haben, steht für mich fest, dass Sie eigentlich nichts anderes planen als eine komplette Rolle rückwärts, wenn man die einzelnen Punkte nimmt, die Sie konkret genannt haben. Die GRÜNEN sagen, es gebe viele Schnittmengen mit ihnen, das wenigstens habe ich in der Zeitung gelesen. Das will ich nicht bewerten.
Sie haben gesagt, das Sitzenbleiben soll abgeschafft werden. Ein Mensch draußen, der nicht diesem Haus angehört, wird sagen: Es wird ein Schulziel in der gleichen Zeit durch alle erreicht. – Das kann weiß Gott nicht das Ergebnis sein.Schauen wir doch einmal,wie in Finnland,von dem heute oft die Rede war, die Wirklichkeit aussieht. Es gibt sehr unterschiedliche Zeiten, in denen etwas erreicht wird.Wir waren dort mit etlichen Kolleginnen und Kollegen. Die Oberstufe dauert dort z. B. zwei bis vier Jahre. Was heißt das eigentlich? Was ist denn damit gewonnen?
Da muss ich nun wirklich nüchtern fragen – Sie haben davon gesprochen, dass das Sitzenbleiben eine Verschwendung von Ressourcen sei –:Was ist denn dann gewonnen, wenn es unterschiedliche Zeiten gibt? Der eine macht sein Abitur nach 12 Jahren und der andere nach 14 Jahren; ich beziehe mich auf eben dieses Beispiel. Dann müssen die Ressourcen doch auch eingesetzt werden, und ich frage Sie: Was ist dann eigentlich gewonnen? – Finanziell doch überhaupt nichts. Man könnte davon sprechen, dass es ein „verdecktes Sitzenbleiben“ gebe – nur wird es so nicht genannt.
Herr Wagner, wenn Sie sagen – Sie haben dies beklagt, und ich will das zunächst einmal gar nicht bewerten –,dass die Sitzenbleiberquote leider immer gleich bleibe,dann ist doch zu fragen:Warum ist das so? Ist das nicht eine Folge dessen, dass sich über Jahre die falschen Schüler an den falschen Schulformen tummeln?
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also, die Schüler sind nun schuld! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bei Ihnen sind immer andere schuld!)
Nun zum zweiten Punkt: gemeinsames Lernen/Integration.Wie sieht auch hier die Wirklichkeit in Finnland aus? – Wenn ein Schüler durch schwächere Leistungen auffällt, dann wird er sofort aus dem normalen Betrieb herausgezogen und von den sogenannten Sonderlehrern unterrichtet, die übrigens auch mehr Geld bekommen. Da frage ich Sie:Was ist denn das für ein gemeinsames Lernen? – Das ist doch gar keines. Da wird doch nur das, was Einheitssystem genannt wird, innerlich wieder auseinander montiert. Wenn ich das draußen jemandem erzählen würde, dann würde mir dieser sagen: Das ist doch so etwas wie staatlich bezahlter Nachhilfeunterricht. – Dem würde ich antworten: Ja. Ich kann das begrüßen, doch muss ich auch einmal die Realität sehen.
Ich habe mit Behinderten gesprochen. Herr Kollege Irmer war mit dabei. Ich habe mit sechs Kindern gesprochen – fast drei oder vier Lehrkräfte waren mit dabei – und die Betroffenen gefragt, wie häufig sie denn gemeinsam mit den anderen Kindern unterrichtet würden. Wissen Sie, was geantwortet wurde? – Im Sport- und Kunst
unterricht, sonst nicht. Was ist das denn für eine Integration? Wenn man hier vom gemeinsamen Lernen und von der Integration von Behinderten erzählt, dann muss man sich auch einmal die Wirklichkeit anschauen, denn diese sieht anders aus.
Dass Sie das G 8 abschaffen wollen, lasse ich einmal beiseite. Doch wären Sie damit auch innerhalb der SPD-regierten Länder alleine – so auch bei der Abschaffung der Unterrichtsgarantie.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich halte es immerhin für einen Fortschritt, in der Schule eine Verlässlichkeit zu haben.
Ich will nicht darüber streiten, dass Sie sagen, dass dies kein Unterricht und unqualifiziert sei. Das haben wir hier bereits mehrfach erörtert. Ich sage Ihnen: 86 % der eingesetzten Lehrkräfte sind qualifiziert; und die Eltern sind damit sehr zufrieden – siehe die Umfrage, demnach sind es 73 % –, dass sie eine Verlässlichkeit haben.
(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Sie leben doch in einer Parallelwelt!)
Da können Sie noch so schreien. Das wollen Sie nicht hören. Es schmeckt Ihnen nicht, dennoch ist die Wirklichkeit eine andere.
Ihnen ist wahrscheinlich entgangen, dass Finnland die schärfste Form des Zentralabiturs überhaupt hat. Dort werden die Aufgaben von einem sogenannten Reifeprüfungsausschuss ausgearbeitet; und sie werden von außen abgenommen. Das müssen Sie den Leuten auch einmal vermitteln. Dort wird die härteste Form eines Zentralabiturs, wie sie überhaupt möglich ist, umgesetzt.
Meine Damen und Herren, weiterhin habe ich in der Zeitung gelesen, dass 2.500 Lehrer eingestellt werden sollen – das ist genau auch unser Vorhaben. Ich halte das aber ein bisschen für Augenwischerei, denn Sie hätten in den vergangenen Jahren, als Sie regierten, sehr viel Zeit gehabt, dies umzusetzen.
(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Wie lange regieren Sie denn schon?)
(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Von welchem Zeitraum sprechen Sie denn?)
Sie haben die Stundentafel gekürzt. Sie haben uns erzählt, 85 % der Unterrichtsabdeckung seien gleich 100 %. Sie haben die Arbeitszeit der Kolleginnen und Kollegen erhöht – die Vorgriffsstunde, die wir jetzt zurückgeben; das ist genau das Thema dieses Jahres –, und Sie haben die
Wessen Erfindung ist denn der 10-prozentige Zuschlag? – Da muss ich Sie einmal daran erinnern, dass die 10 % plus ein Ergebnis Ihrer Regierungszeit sind. Das ist die Wahrheit.
Wir hatten, als wir die Regierungsverantwortung übernommen hatten, jede Menge damit zu tun, wieder Änderungen einzuführen. Ich will das nicht wiederholen, denn Frau Wolff und Herr Kollege Irmer haben das soeben dargestellt.
Im Übrigen – eben ist es angeklungen – ist auch in Finnland nicht alles Gold, was glänzt. Frau Henzler hat zu Recht gesagt, dass die Zufriedenheit der finnischen Schüler sehr zu wünschen übrig lasse. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt diese OECD-Studie – es sind 35 Länder untersucht worden –, und ich frage Sie: Wer war bei den Betroffenen das Schlusslicht? – Das war Finnland, es hat Platz 35 belegt.
Eines ist fast noch schlimmer. Wenn man sich den Migrantenanteil bzw. die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund genauer betrachtet – Finnland hat ohnehin einen Anteil unter 2 % –, dann stellt man fest, dass Finnland hier um 70 Prozentpunkte zurückliegt. Bei uns sind es nur 40 Prozentpunkte, das entspricht genau dem OECD-Durchschnitt. Das sind Dinge, die eigentlich nicht sehr glücklich und zufriedenstellend sind.
Das ist doch genau der Punkt, dass wir einen 20-prozentigen Schüleranteil mit Migrationshintergrund haben, der problematisch ist und der Deutsch als Voraussetzung für die Schule braucht. In diesem Zusammenhang führen wir mit großem Erfolg die Vorlaufkurse durch; und diese Kurse zeigen ihren Wert, weil die Rückstellungen prozentual erheblich zurückgegangen sind. Ich weiß noch sehr wohl, dass Sie es, als wir das diskutiert haben, als Zwangsgermanisierung bezeichnet haben.Auch dieses Wort muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Unsere Gymnasien, die von Ihnen so bekämpft werden, liegen in Bezug auf die Punktauswertung nun sogar über dem finnischen System. – Das ist Ihnen ein Dorn im Auge.
Soeben ist gesagt worden, wir hätten das ausgehöhlt. Ich frage Sie: Wer schafft denn die Querversetzung ab? Wer will denn die Grundschulempfehlung abschaffen? Wer will das Sitzenbleiben abschaffen, die Leistungsvergleiche? – Das ist das innere Aushöhlen des Gymnasiums, aus dem man dann etwas macht wie die Gesamtschule. Das kommt von Ihnen, nicht von uns.
(Gerhard Bökel (SPD): Hier steht, um 13 Uhr ist Mittagspause! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, trotz des scharfen Zentralabiturs – Frau Henzler hat das eben auch genannt – muss man einmal kritisch hinterfragen, warum in Finnland vor das Universitätsstudium ein Auswahlverfahren vorgeschaltet ist. Ich möchte Ihnen vor der Mittagspause, in die wir gleich gehen werden, noch eines auf den Weg geben: In Finnland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 26 %. Bei 26 % fragt man sich doch: Wie passt dies in die Relation hinein?
Wir waren vor wenigen Tagen mit mehreren Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz.Die Schweiz hat ein sehr restriktives System, mit einer sehr geringen Abiturientenquote und mit einer – wie Sie es bezeichnen würden – scharfen Auslese, weil dort der Eignungsgrundsatz massiv durchgesetzt wird. Dort hat aber jeder Schulabgänger bzw. jedes Kind eine Chance – selbst der Hauptschüler wird gezielt auf einen Beruf vorbereitet. Da frage ich:Wer ist am Ende denn der Glücklichere und Zufriedenere – der mit Arbeitsplatz oder der ohne? Das sollten Sie sich einmal in einer stillen Stunde – bei allem Klamauk, den wir hier betreiben – durch den Kopf gehen lassen.
Es ist also wahrlich nicht alles 1 : 1 umsetzbar – darauf will ich nun in der Fläche gar nicht eingehen.Es ist ein System, das in Finnland mit Erfolg praktiziert wird. Das will ich gar nicht abstreiten – trotz der Punkte, die genannt worden sind. Dennoch zitiere ich einmal Herrn Prof. Baumert vom Max-Planck-Institut, der für die PISA-Auswertung zuständig ist. Er sagt: „Mit dem Umstülpen der gesamten Schulstruktur sind keine Leistungsverbesserungen zu erzielen.“
Sein Kollege Herr Prof. Prenzel sagt: „Die Debatte über die Gesamtschule drängte die Themen in den Hintergrund,über die nach PISA gesprochen werden muss – den Unterricht, die Lehrerbildung, die Leseförderung.“ – Alle diese Untersuchungen, von Fend – das liegt schon viele Jahre zurück – bis hin zum Max-Planck-Institut, sind übrigens über zehn Jahre lang unter Verschluss geblieben.Warum war das eigentlich so? – Weil sie manchen in Deutschland unangenehm waren. Diese Ergebnisse sind an Ihnen spurlos vorbeigegangen, denn Sie ziehen keine Konsequenzen.