Protocol of the Session on September 18, 2003

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu einem Punkt, der uns wichtig ist und der auch in unserem Antrag noch einmal deutlich gemacht wird.Wir sehen die Videoüberwachung als ein technisches Hilfsmittel an. Ein technisches Hilfsmittel dient dazu, die optischen Einblicksmöglichkeiten der Polizeibeamtinnen und -beamten zu erweitern. Das heißt im Klartext aber auch, dass die Beamtinnen und Beamten hinter diesen Videokameras sitzen müssen und sofort eingreifen können, wenn sie kriminelle Aktivitäten wahrnehmen. Es darf aber nicht passieren – das ist unsere Kritik an dem Innenminister und an seiner Art der Politik –, dass Videobänder bespielt und erst später ausgewertet werden, dass der Versuch unternommen wird, Videoüberwachung statt Polizei einzusetzen. Das ist unsere Kritik an Ihrer Art der Innenpolitik.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir werden den CDU-Antrag ablehnen, weil er aus unserer Sicht nur den Versuch unternimmt, zu spalten, aber nicht klarmacht, wie Sie die Videoüberwachung einsetzen wollen.Wir hingegen haben diesen Punkt in unserem Antrag deutlich gemacht. Deshalb werden wir unserem Antrag zustimmen und den CDU-Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abg. Hahn für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Richtig überzeugend ist die Debatte nicht. Richtig überzeugend ist auch nicht, dass wir hier einen derartigen Antrag diskutieren. Es wäre überzeugender, wenn wir uns in einer der nächsten Sitzungen des Innenausschusses einmal einen objektiven Bericht geben ließen. Das rege ich an.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Innenminister, es war sehr hilfreich, dass in der August-Ausgabe der „Polizeirundschau“ ein informativer Artikel zu diesem Thema stand. Ich glaube, es ist sinnvoll, wenn wir das Thema Videoüberwachung noch einmal unter den Fachleuten im Innenausschuss diskutieren.

Auf der anderen Seite bringt es nichts, zu behaupten – wie es der Kollege Schaub eben getan hat –,diejenigen,die die Videoüberwachung in Hessen verwirklicht haben, hätten ein „Allheilmittel“ schaffen wollen. Ich war bei der Einführung der Videoüberwachung dabei. Wir haben vier Jahre lang mit der Union regiert und die Polizeigesetze gemeinsam verabschiedet. Ich denke, wir waren gut beraten, genau das zu tun, was wir letztlich getan haben. Wir haben auf der einen Seite der Polizei in Hessen die Möglichkeit gegeben – und über das Polizeigesetz die Rechtsgrundlage dafür geschaffen –, eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze durchzuführen.Wir Liberale haben aber auf der anderen Seite großen Wert darauf gelegt, die Videoüberwachung so zu organisieren, dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben allesamt beachtet werden. Herr von Zezschwitz hat das heute noch einmal angesprochen, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht können Sie sich erinnern: Zwischen der ersten und der zweiten Lesung gab es eine Debatte zu diesem Thema, und auf Anregung des noch amtierenden Datenschutzbeauftragten, Prof. von Zezschwitz, und der FDPFraktion ist dieser Punkt in die Beratungen eingebracht worden, sodass ich mit vollkommen gutem Gewissen als liberaler Rechtsstaatler hier stehen und sagen kann: Wir haben eine Regelung für Hessen gefunden, in der das Interesse der Bevölkerung, vor Straftaten geschützt zu werden, mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben in Einklang gebracht worden ist. Vielen Dank an Herrn Prof. von Zezschwitz.

Wir wussten genau, dass die Videoüberwachung kein „Allheilmittel“ ist. Herr Schaub, die Videoüberwachung ist eines von vielen Werkzeugen der Polizei,die notwendig sind, um die innere Sicherheit in unserem Hessenland zu organisieren.

Eines wollen wir Liberale nicht in einem Beschluss des Hessischen Landtags festgeschrieben haben: den gleichzeitigen Einsatz von Videoüberwachung und Polizeibeamten, wie es die Sozialdemokraten unter Nr. 2 ihres Antrags fordern. Sie haben zwar im Prinzip Recht, dass Polizeibeamte, wenn es irgendwie geht, die Überwachungsbänder gleich anschauen sollen. Es gibt aber eine Reihe von Beispielen,die zeigen,dass es ganz wichtig ist,dass Videoüberwachungsbänder nicht gleich gelöscht werden, wenn sie nicht sofort von Polizeibeamten ausgewertet werden können.

Ich nenne das Beispiel Fulda, und alle Eingeweihten wissen,was ich sagen will.Da hat es sich als gut erwiesen,dass es eine Löschungsfrist von mehreren Tagen gibt. Durch eine zeitlich versetzte Prüfung der Aufzeichnungen konnten in Fulda nämlich Personen identifiziert werden, die Frauen und Kinder sexuell belästigt hatten. Ich finde es vernünftig, dass es mithilfe von Videoüberwachungen möglich war – –

(Zuruf des Abg. Manfred Schaub (SPD))

Kollege Schaub, dann dürfen Sie so etwas aber nicht beantragen. Wenn wir uns darüber einig sind, dass es auch möglich sein muss, Videoaufnahmen herzustellen und über einen gewissen Zeitraum aufzubewahren, bevor sie gelöscht werden, dann dürfen Sie nicht schreiben, dass Videoaufzeichnungen nur bei einem gleichzeitigen Einsatz von Polizeibeamten gemacht werden dürfen. Die Polizeibeamten in Fulda – es gibt auch andere Beispiele – haben auf diesem Wege hervorragende Fahndungserfolge erzielen können.

Der Vorfall in Stockholm, der zur Ermordung der schwedischen Außenministerin geführt hat, macht ebenfalls deutlich, dass die Videoüberwachung bei der Aufklärung von Straftaten sehr hilfreiche Hinweise geben kann.

Das heißt, wir müssen die Videoüberwachung datenschutzrechtlich korrekt durchführen. Hierfür haben wir in Hessen einen Weg gefunden. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung und die absolute CDU-Mehrheit in diesem Hause bei dieser Rechtsgrundlage bleiben.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir begrüßen es immer und überall, wenn ein Sozialdemokrat etwas Vernünftiges zum Thema innere Sicherheit sagt. Wir können das aber leider nicht sehr häufig tun. Deshalb müssen wir Herrn Schily ganz einfach unterstützen. Dann müssen wir aber auch dem CDU-Antrag zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass dieses Verfahren bei Entschließungsanträgen nicht üblich ist, aber ich glaube, es wäre dem Thema angemessener – zumindest angemessener als der Versuch, mit dem CDU-Antrag Sozialdemokraten dazu zu bringen, CDU-Interessen zuzustimmen –, wenn man beide Anträge an den Innenausschuss überweisen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch sagen, warum das angemessener wäre. In dem Ursprungsantrag der CDU heißt es, dass man die öffentliche Äußerung des Bundesinnenministers unterstütze, eine verstärkte Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen, insbesondere von Bahnhöfen, durchzuführen. In der Begründung steht: „Als Reaktion auf den Fund einer Kofferbombe auf dem Dresdner Hauptbahnhof...“ Herr Möller, es gibt wahrscheinlich keine öffentlichen Räume, die man intensiver mit Videoanlagen überwacht,als Bahnhöfe.Wenn Sie einmal auf den Frankfurter Bahnhof gehen, dann werden Sie feststellen, dass dort unglaublich viele Kameras hängen, dass es keinen Bahnsteig gibt, der nicht kameraüberwacht ist.Außerdem gibt es am Bahnhof die so genannte SSS-Zentrale – Sicherheit, Service, Sauberkeit –, wo ein BGS-Beamter sitzt und alles beobachtet. Schon allein dieses Beispiel zeigt, dass der Bundesinnenminister etwas gefordert hat, was es schon gibt. Es tut mir Leid, aber ich könnte jetzt wieder etwas über die „Konvertierten“ erzählen, aber das lasse ich an der Stelle.

Herr Kollege, lassen Sie Zwischenfragen zu?

Bei fünf Minuten Redezeit nicht, Herr Präsident.

Erstens.Der Bundesminister hat also etwas gefordert,was es schon gibt.

Ihr Antrag zeigt mir zweitens, dass Sie, gerade was Dresden angeht, im Zweifelsfall an dem eigentlichen Problem scharf vorbeigeschrammt sind. Ich drücke es einmal vorsichtig aus. Es geht hier nur um die Frage der Aufzeichnung, nicht um die Frage der Überwachung.

Drittens. Bahnhöfe sind im Sinne des Gesetzes kein öffentlicher Raum. Das ist ein großer Unterschied und hat überhaupt nichts mit der Frage der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen zu tun, die wir bei der HSOGÄnderung diskutiert haben. Bahnhöfe sind private Räume. Es gibt die Bahn AG, die hat dort das Hausrecht. Bahnhöfe sind zwar öffentlich zugänglich – so wie Wirtshäuser und gewisse Privathäuser –, aber sie sind im Sinne des Gesetzes private Räume, in denen die Bahn AG das Hausrecht besitzt. In diesem Zusammenhang ist wirklich die Frage, ob wir uns einen Gefallen tun, wenn man zu dem konkreten Sachverhalt Dresden einen solchen Antrag stellt, der den Punkt, um den es eigentlich geht, gar nicht benennt.

Wenn Sie allerdings auf einer Abstimmung beharren, dann müssen wir Ihren Antrag, der nur zu dem Zweck ge

stellt worden ist, ein wenig Klamauk zu machen – um es vorsichtig auszudrücken –, ablehnen und würden im Zweifelsfall dem SPD-Antrag zustimmen.

Aber es wäre wirklich der Sache angemessen, wenn man beide Initiativen in den Ausschuss gäbe und sich dann ein wenig mehr mit der Sache beschäftigte. Das hilft manchmal weiter – auch im Plenum des Hessischen Landtags.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben uns über das Thema Videoüberwachung mehrfach ausgetauscht. Die Hessische Landesregierung hat, wie Sie wissen, der inneren Sicherheit eine besondere Priorität eingeräumt. Wir halten uns zugute – und Sie kennen diese Formel –, dass die Gewährung der inneren Sicherheit verschiedene Antworten braucht – nicht eine einzige, sondern unterschiedliche Maßnahmen. Erst daraus wird ein Konzept. Das Ganze nenne ich Sicherheitsarchitektur.

Lieber Herr Kollege Schaub, Ihr Redebeitrag hatte nur den einen Sinn, langsam einmal die Frontbegradigung der hessischen SPD einzuführen. Denn Sie waren immer dagegen, wenn auch nicht so fein differenzierend, wie Herr Al-Wazir das mit dem öffentlichen und dem privat-öffentlichen Raum gemacht hat. Das war schon ganz interessant. Herr Al-Wazir, Sie kriegen auch noch eine Antwort. Nur eines müssen wir einmal festhalten: Alles, was wir gemacht haben, haben wir gegen den Widerstand der SPD gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Es spielt keine Rolle, ob das die Schleierfahndung, die Möglichkeiten der Videoüberwachung, der Wachdienst, die freiwillige Polizei oder die Umorganisation der Polizei waren. Sie waren gegen alles. Jetzt holt Sie die Realität ein.Wir halten hier doch keine Parteiveranstaltung ab.

Wir können es kurz machen. Ich freue mich, dass die SPD jetzt die Kurve gekriegt hat. Ihre Kommunalpolitiker waren schon immer anderer Meinung. Nur Sie haben hier im Landtag noch Fronten verteidigt, die außer Ihnen kein Mensch mehr verteidigt hat.

(Beifall bei der CDU)

Außerdem steht die hessische SPD in vielen inhaltlichen Fragen ziemlich einsam da. Das ist nicht die SPD in Summe. Ich könnte Ihnen hier vorlesen, wie viele Kommunalpolitiker und Bürgermeister der SPD uns geschrieben und Anträge zur Einrichtung solcher Anlagen gestellt haben. Großenteils sind wir dem nicht gefolgt, wie Sie sehr genau wissen. Ich sage auch gleich, warum wir das nicht getan haben. Denn wir haben entgegen dem, was Sie hier vorgetragen haben,nie den Eindruck erweckt,Videoüberwachung sei das allein selig machende Mittel. Sie ist immer nur eine Facette.

Ich mache es jetzt einmal sehr kurz. Wenn Sie nachlesen, was in der letzten „Polizeirundschau“ steht – nicht von mir geschrieben, sondern von denen, die das bei der Polizei machen –, dann werden Sie sehr genau sehen, dass sich überall dort, wo wir Videoüberwachung haben, Erfolge

eingestellt haben: in Hofheim, in Frankfurt, in Fulda, in Gießen, in Limburg, in Kassel und in Wiesbaden. Wir behaupteten nie, dass das ein Mittel sein könnte, die Kriminalität auf null zu drücken. Aber es ist nachhaltig erfolgreich.Wir wollten auch nie dem Beispiel England nacheifern. Das war hier nie streitig. Deshalb freue ich mich, wenn Sie jetzt einmal die Fronten begradigen. Dann brauchen wir nicht mehr über die Videoüberwachung generell zu diskutieren.

Woran ich festhalten will, ist das, was auch Kollege Hahn gesagt hat.Auch die absolute Mehrheit der Union und die von ihr gestellte Landesregierung werden nichts an dem ändern, was wir gemeinsam beschlossen haben. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass diese Regelung mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten vereinbart worden ist. Er hat uns übrigens auch in der Zeitschrift für Datenschutz für diese Maßnahme gelobt, die es in der Form in keinem anderen Land gibt.

(Manfred Schaub (SPD): Ihr hättet es ja nicht gemacht!)

Es gibt also keinen Anlass zur Sorge. Aber es gibt Anlass dazu, ein paar Dinge nüchtern auszusprechen. Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Al-Wazir.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke!)

Man kann natürlich die These vom öffentlichen Raum und dem privat-öffentlichen Raum im Rechtssinne vertreten. Aber was war denn eigentlich das Erschreckende von Dresden? – Das Ganze hat doch eine Vorgeschichte. Die Vorgeschichte hängt mit Ihrer Partei zusammen. Otto Schily ist doch nicht erst seit gestern der Auffassung, dass es richtig ist, in bestimmten Bereichen Videoüberwachung einzusetzen. Er war doch im Kommunalwahlkampf in Frankfurt, hat sich das zeigen lassen und hat gesagt: Jawohl, das ist prima. – Die Einzigen, die das bisher nicht mitbekommen haben, waren die Frankfurter und die Wiesbadener SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber es geht noch weiter. Als der BGS die Aufsicht auf Flughäfen und Bahnhöfen übernommen hat – was wir alle gemeinsam beschlossen haben –, war der Bund auch für die elektronische Überwachung zuständig, die nicht ganz neu ist. Sie wissen – und ich weiß es auch –, woran die Bundesregelung gescheitert ist, nach der man dort auch Geschehnisse hätte aufzeichnen können. Genau das war das Problem in Dresden – und nicht nur in Dresden.