Protocol of the Session on September 4, 2007

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Auch Frau Beer: Ein bisschen von dieser Lockerheit würde vielen im Hause bei diesem Thema nicht schaden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das italienische Modell, das wir in unserem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, umfasst zunächst ein Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen einschließlich Gaststätten. Wir sehen allerdings auch Ausnahmen wie Raucherräume vor, sowohl in den Gaststätten als auch in privat genutzten Räumen, z. B. in Altenheimen und Gefängnissen. Ich denke, das ist eine Selbstverständlichkeit. Auch bei der Durchsetzung des Rauchverbots haben wir uns an der italienischen Lösung orientiert: Der Träger, der Verantwortliche einer Einrichtung oder der Gastwirt ist für die Umsetzung zuständig und kann im Falle der Nichtbeachtung belangt werden.Auch hierzu hat sich in Italien gezeigt, dass es ein Erfolgsmodell ist. Letztendlich gibt es dort kaum Verstöße. Ich denke, auch hierzu hat sich gezeigt, dass man mit sehr viel mehr Lockerheit an das Thema herangehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher hat es uns gefreut, dass die Landesregierung nach uns einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der unsere Eckpunkte weitgehend aufnimmt. Deswegen haben wir im Sozialpolitischen Ausschuss diesem Gesetzentwurf zustimmen können. Wir haben allerdings auch Probleme, weil wir meinen, dass einige Fragen ungelöst sind. Auf diese Fragen möchte ich jetzt noch einmal eingehen.

Meiner Meinung nach sind ein Thema – ich hatte es schon angesprochen – die Raucherräume. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung gibt es im Gegensatz zu unserem Entwurf keine Lösung für den Arbeitsschutz des Personals.Wir müssen uns bei allem, was wir hier diskutieren, auch Gedanken darüber machen, was mit den Menschen passiert, die in diesen Bereichen arbeiten. Denn es ist nicht geklärt, wie der Gesundheitsschutz des Personals in den Raucherräumen gesichert werden kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Krebsrisiko beim Rauchen am Arbeitsplatz um ca. 24 % steigt und dass in der Gastronomie das Risiko, an Krebs zu erkranken, um bis zu 50-mal höher ist als in anderen Bereichen. Meine Damen und Herren, damit ist klar, welche Bedeutung dem Rauchverbot beim Arbeitsschutz zukommt. Deswegen möchte ich hier noch einmal sagen, dass ich es für einen Skandal halte, dass eine Organisation wie die Dehoga, die Unternehmen vertritt, bisher mit keinem einzigen Wort einen Vorschlag dazu gemacht hat, wie auf diese Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie reagiert werden kann. Ich halte es für einen sozialpolitischen Skandal, dass die Dehoga hier im Hause unter dem

Schlachtruf der Freiheit Fürsprecher gefunden hat, die sich ebenfalls dazu nicht äußern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Wir schlagen deswegen in unserem Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung vor – genauso wie in Italien,wo es hervorragend funktioniert –,diese abgetrennten Räume mit Belüftungstechniken auszustatten. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass verqualmte kleine Räume auch für Raucherinnen und Raucher durchaus entwürdigend sein können.Auch diesen Aspekt sollten wir nicht ganz außer Acht lassen, wenn wir nicht Raucher diskriminieren wollen.

(Beifall der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben in den Anhörungen erfahren, dass ein wissenschaftlicher Streit über die Belüftungstechniken ausgebrochen ist. Zum einen wird infrage gestellt, ob die bisherigen Techniken wirklich wirkungsvoll vor Passivrauchen schützen können. Der TÜV Rheinland hat aber bereits Untersuchungen über die Wirksamkeit von Belüftungstechniken angestellt. Daraus resultierend haben wir feststellen können, dass es zu einer erheblichen Reduzierung der Schadstoffe kommt und damit auch zu einem signifikanten Schutz vor Passivrauch. Ich denke daher, dass man auch zum jetzigen Zeitpunkt bereits sagen kann: Ja, Belüftungstechnik ist zwar kein hundertprozentiger Schutz, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Von daher bedauere ich es, dass wir dafür im Ausschuss keine Mehrheit finden konnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, heute, im Spätsommer 2007, herrscht hier im Hause ein weitgehender Konsens darüber,

(Michael Boddenberg (CDU): Ich dachte, Sie wollten jetzt auf die Tabakernte eingehen!)

in öffentlichen Einrichtungen überhaupt nicht mehr zu rauchen. Dazu gehören Kindergärten, dazu gehören Rathäuser, dazu gehören öffentliche Räume, in denen Menschen zusammenkommen, die in den Kommunen zusammenleben. Eigentlich muss man sich fragen, wieso wir erst heute hier stehen, um solche Selbstverständlichkeiten zu beschließen,nämlich dass man auch in Kindergärten,in Schulen, in Rathäusern vor Passivrauch geschützt wird, wieso man so etwas überhaupt verabschieden muss und wieso die Durchsetzung dieser Selbstverständlichkeit so lange gedauert hat.

Deswegen bin ich mir bei der Diskussion, die wir gleich noch über den Restbereich der Gaststätten erleben werden, sicher, dass wir uns in wenigen Jahren fragen werden: Wie konnten wir damals so lange damit warten, dass wir für Restaurants, wo wir alle mit Freunden hingehen, nicht weil wir rauchen oder nicht rauchen wollen, sondern weil wir zusammen sein wollen, weil wir kommunizieren wollen, weil wir zusammen ein gemeinsames Leben führen wollen, zu einer vernünftigen Regelung gekommen sind?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden heute in der zweiten und am Donnerstag in der dritten Lesung konstruktiv mit der großen Mehrheit dieses Hauses einen Grundstein legen für einen konsequenten Nichtraucherschutz in Hessen ab dem 1. Oktober 2007, und darauf bin ich stolz. –

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke sehr, Frau Schulz-Asche. – Herr Rentsch, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion. Sie haben zehn Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Schulz-Asche, ich habe es gerade nachschauen lassen. Die Übersetzung von Hysterie ist: neurotische Störung. Ich weiß nicht genau, was Sie damit gemeint haben, als Sie von hysterischer Debatte gesprochen haben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das trifft es irgendwie gut! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich dachte an die letzte Debatte hier im Haus!)

Ich muss aber sagen, bei Ihren Äußerungen hatte ich teilweise den Eindruck, dass es in Richtung neurotisch ging. Leider haben Sie es wieder einmal versäumt, eine sachliche Auseinandersetzung mit den beiden Entwürfen herbeizuführen. Ich glaube, dass man über diese Entwürfe trefflich streiten kann, dass es zwischen unseren beiden Entwürfen auch Unterschiede gibt. Warum man das aber immer auf diese polemische Art tun muss, weiß ich nicht. Anscheinend ist es aus Ihrer Sicht der Sache dienlich.

Ich will in der Vorbemerkung zwei Punkte erwähnen.Was ich in den letzten Monaten erlebt habe, war eine Debatte zu diesem Thema, die sehr emotional geführt worden ist. Das ist richtig. Anscheinend ist Rauchen ein Thema, das die Leute in Hessen bewegt. Das Thema scheint auch die Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag zu bewegen. Man bekommt auch aus den Fraktionen unterschiedlichste Rückmeldungen, was man von dem Gesetzentwurf der eigenen Fraktion oder dem der anderen Fraktion hält. Das ist kein Thema, das man sozusagen nur einheitlich diskutieren kann.

Die Debatte und die Zuschriften, die wir in den letzten Monaten zu diesem Thema bekommen haben, zeigen, dass es viele Menschen gibt, die sagen: Ja, wir wollen Nichtraucherschutz. – Es gibt aber auch viele Menschen, die sagen:Wir wollen Nichtraucherschutz im öffentlichen Bereich, aber nehmt bitte die Kneipen davon aus.

Es gibt eine ganz große Bandbreite von Meinungen dazu. Es gibt nicht nur eine Meinung.Ich glaube,dass es gut und richtig ist, wenn man hier eine sehr breite Debatte führt, in der man versucht, diese Bandbreite wiederzugeben.

Zweite Vorbemerkung. Frau Kollegin Schulz-Asche, ich habe das Gefühl, dass Sie die Historie der Debatte vergessen haben. Wir haben als FDP vor langer Zeit, letztes Jahr, einen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht, in dem wir gesagt haben, dass wir einen Nichtraucherschutz im öffentlichen Bereich wollen.

(Beifall bei der FDP)

Das kann man negieren, das kann man bejahen. Ich glaube, dass das richtig ist. Die FDP sagt klar: Wir wollen einen Nichtraucherschutz. Wir wollen, dass im öffent

lichen Bereich nicht geraucht wird, weil der Bürger dort keine Möglichkeit hat, sich frei zu entscheiden, ob er eine Behörde betritt.Wenn jemand – das Beispiel kennen Sie – eine Zulassungsstelle betritt, um ein Auto zuzulassen, kann er sich nicht frei entscheiden. Dann soll er sich nicht Rauch aussetzen müssen. Deshalb glauben wir, dass der Staat hier eine Schutzpflicht hat.

Meine Damen und Herren, wir glauben aber nicht, dass es richtig ist, dass der Staat die Bürger bevormunden und erziehen muss.Ich muss ehrlich sagen,den Eindruck der Bevormundung und Erziehung habe ich bei Ihrer Äußerung heute wieder bekommen, den habe ich bei den Äußerungen der Frau Ministerin in den letzten Monaten bekommen und auch bei denen des Kollegen Dr. Spies.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich glaube, es ist eine Grundsatzfrage, die hier zu diskutieren ist: Was für einen Staat wollen wir? Was für eine Vorbildfunktion hat dieser Staat? Was für eine Aufgabe hat er letztendlich? Ich gebe Ihnen recht, hier unterscheiden wir uns völlig, welchen Staat wir beide wollen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Letzte Vorbemerkung, und das ist ganz interessant: Die schlimmsten Gegner in der Debatte sind ehemalige Raucher. Ich sage das als Nichtraucher, dass es nicht einfach ist, mit ehemaligen Suchtabhängigen über solch ein Thema zu diskutieren, weil sie häufig über ihr eigenes jahrelanges Verhalten enttäuscht sind und nun versuchen, eine völlig andere Position zu vertreten. Ich gebe auch zu, dass viele E-Mails, die wir von Rauchern bekommen haben, nicht immer nur freundlich waren. Aber ich sage in der Wertung: Die Schlimmsten in dieser Debatte sind die ehemaligen Raucher.

Deshalb sollte man sehr vorsichtig sein und sich genau anschauen, von wem Vorschläge kommen und für was die einzelnen Personen eintreten.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Am schlimmsten sind Arbeitgeber, die nicht an ihre Mitarbeiter denken!)

Meine Damen und Herren, die FDP hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der zwei Vorschläge enthält, zum einen das Rauchen im öffentlichen Bereich zu verbieten. Ich halte dies für eine dringend gebotene Vorgabe, weil wir, wie gesagt, klar feststellen müssen, dass die öffentliche Hand hier eine Vorbildfunktion hat und den Bürger nicht zu schädigen hat.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bevormundung!)

Auf der anderen Seite haben wir gesagt: Ja, wir wollen es in Gaststätten und Kneipen den Gastronomen überlassen, ob sie eine Raucher- oder Nichtraucherkneipe oder -gaststätte haben. Wir wollen dies durch eine Kennzeichnungspflicht machen. – Frau Kollegin Schulz-Asche hat hier mehrfach das Beispiel Italien erwähnt. Frau Kollegin Schulz-Asche,das,was wir vorschlagen,gibt es in Spanien.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Aber da funktioniert es nicht!)

Es ist eine gewagte Aussage, in Spanien funktioniere es nicht, aber in Italien funktioniere es prima. Ich muss ehrlich sagen, ich wäre sehr vorsichtig, beim Gesetzesvollzug

in Italien dieses Beispiel zu bemühen. Ich war gerade in Italien.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe selten ein Thema erlebt, wo wir Italien als Vorbild genommen haben – vielleicht beim Fußball, da gebe ich es zu.Aber ansonsten muss ich sagen, im Rahmen des Gesetzesvollzugs ist Italien sicherlich nicht unbedingt die erste Wahl.

Wir haben deshalb klar gesagt, wir wollen es den Gastronomen überlassen, ob sie eine Raucher- oder eine Nichtraucherkneipe betreiben. Warum wollen wir das? Wir wollen das aus mehreren Gründen. Zum einen glauben wir, dass wir damit Verbrauchersicherheit herstellen. Es gibt hierfür Schilder. Ich zeige sie Ihnen einmal. Das ist nicht schwierig: ein rotes Schild für ein Rauchverbot, ein grünes Schild für eine Raucherlaubnis. Ein solches Schild würde sich der Gastronom an die Tür heften, und dadurch wüsste der Kunde, ob er in eine Raucher- oder eine Nichtraucherkneipe geht und sich gegebenenfalls einer Gefahr aussetzt. Ich glaube, dies ist eine relativ einfache und unbürokratische Regelung.

(Beifall bei der FDP – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was machen Sie, wenn dann alle Kneipen ein grünes Schild haben?)

Zweites Argument.Viele Kneipen – das konnte man nicht nur in den Zeitungen in den letzten Wochen lesen – haben große Probleme,einen separaten Raucherraum auszuweisen. Gerade Kneipen, die sozusagen aus einem Raum bestehen – das sind kleine Institutionen –, haben keine Möglichkeit, diesen Raucherraum auszuweisen. Da ich in den letzten Wochen viel in diesem Bereich unterwegs war und auch Kneipen gesehen habe, in die man vor Rauch kaum hineingehen konnte, kann ich feststellen, dass diese Kneipen, wenn dort nicht mehr geraucht werden darf, mit Sicherheit ein großes wirtschaftliches Problem haben werden. Denn diese Kneipen werden zuvörderst von Rauchern frequentiert. Wer geht denn sonst noch dorthin? Glauben Sie allen Ernstes, Frau Kollegin Schulz-Asche, dass die Tausenden von Nichtrauchern, die das jetzt bemängeln, in diese Kneipen gehen und dort gerne ein Bier trinken wollen, weil nicht mehr geraucht wird? Das ist abstrus, und das hat nichts mehr mit einer sachlichen Debatte zu tun.

(Beifall bei der FDP)