Protocol of the Session on July 5, 2007

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Henzler von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach Presseberichten geht die Äußerung von Frau Wolff auf einen aktuellen Anlass zurück. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates beschäftigt sich derzeit mit einer Resolution zum Kreationismus. Ich zitiere: „Wenn wir nicht wachsam sind, kann der Kreationismus zu einer Bedrohung der Menschenrechte werden.“ Es gebe die reale Gefahr, dass Schüler nicht mehr klar unterscheiden können, was mit religiösen Überzeugungen und Glauben zu tun habe und wo es um Wissenschaft gehe.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Konsequenz aus dieser Resolution zu fordern, die Schöpfungslehre im Biologieunterricht zu behandeln, ist absolut unverständlich.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Es geht doch nicht um Schöpfungslehre, es geht um Schöpfungsgeschichte!)

Denn genau dann wird dieser klare Unterschied, der hier gefordert wird, verwischt, und dem Kreationismus wird in Hessen Tür und Tor geöffnet.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): So ist es! Genau so ist es!)

Der staatliche Bildungsauftrag der Schulen gründet sich auf christlichen und humanistischen Traditionen – nachzulesen in § 2 des Hessischen Schulgesetzes.Humanistisch bedeutet, dass in der Tradition der Aufklärung Unterricht nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erteilt werden muss.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Sehr richtig! Jawohl!)

Deshalb verstehen wir unter einem modernen Biologieunterricht, dass dieser Unterricht wie bei allen anderen Naturwissenschaften möglichst nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erteilt wird. In den naturwissenschaftlichen Fächern sollen Schülerinnen und Schüler logisches Denken lernen und erkennen, dass in der Naturwissenschaft ein Schritt begründet und folgerichtig auf den anderen folgt.

Bereits mein Chemielehrer – das war immerhin 1965 – hat uns erklärt: Der wichtigste Leitsatz ist, dass es in der Na

tur und den Naturwissenschaften keine Sprünge gibt. – In der Schöpfungsgeschichte gibt es diese Sprünge aber an jedem der sieben Tage der Entstehung der Welt.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher haben religiöse, wertende Aussagen im Biologieunterricht nichts zu suchen. In Sekundarstufe I ist eine strikte Trennung des naturwissenschaftlichen und religiösen Unterrichts erforderlich, damit Unterrichtsinhalte nicht verwässert und Schüler nicht verwirrt werden.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Also kein fächerübergreifendes Lernen.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der Sekundarstufe I müssen 11- bis 16-jährige Schüler wissen, was sie in dem jeweiligen Unterrichtsfach erwartet, sonst verlieren sie die Orientierung. Für die Biologie und für andere Naturwissenschaften bedeutet das ganz klar, dass sie einen Einblick in die Breite dieser Wissenschaften erhalten, dass sie logisches, wissenschaftliches Denken lernen und dass sie Interesse, Freude und Spaß am Forschen, am Erforschen und am naturwissenschaftlichen Experimentieren erhalten. Wir brauchen in Deutschland dringend naturwissenschaftlich interessierte und naturwissenschaftlich ausgebildete junge Menschen.

(Beifall bei der FDP)

Der Lehrplan Biologie in Sekundarstufe I im Gymnasium sieht unter anderem folgende Themen vor: Körperbau und Lebensweise der Säugetiere, der Mensch,Verhaltensforschung, Ökosystem, Lebenszyklus der Blütenpflanzen, Zellen und Gewebe. Er sieht unter anderem aber auch Folgendes vor, und zwar in der Jahrgangsstufe 5: die Sexualität des Menschen. Hier wird aufbauend auf die Grundschule genauer erläutert, wie ein Kind durch die Vereinigung von Mann und Frau entsteht und wie man dies verhindern kann.

Was sollen denn vorpubertierende Mädchen und Jungen denken, wenn ihnen gleichzeitig im selben Unterrichtsfach vom selben Lehrer erklärt wird, dass die Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen wurde?

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Un- ruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Da ist die Warnung eines katholischen Geistlichen sehr ernst zu nehmen – den ersten Teil hat Herr Al-Wazir schon zitiert –:

Die Aussagen der Bibel müssen interpretiert und eingeordnet werden. Im Biologieunterricht ist das nicht möglich. Glaube kann so Ziel von Spott und Missverständnissen werden.

Daher ist die Behandlung von Glaubensfragen in diesem Bereich völlig fehl am Platze und wirklich auch zum Schutze der Glaubensfragen zu unterlassen.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Glaubensfragen gehören in das Fach Religion;denn da wird über Glaube, über Mythos und über die Bibel gesprochen.

In Jahrgangsstufe 12 – da sind wir am richtigen Platz – sieht der Lehrplan die Behandlung des Themas Evolution

vor. Es ist auch völlig richtig, dass Kinder in der Jahrgangsstufe 12 lernen, wo es Übereinstimmungen zwischen der Evolutionstheorie und der Entstehungsgeschichte der Bibel gibt und wie man das eventuell vergleichen kann.

Frau Kollegin Henzler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bin fast fertig. – Dorthin gehört sie und nicht vorher. Die Äußerungen der Ministerin waren also ein absolutes Eigentor.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Kultusministerin, Frau Staatsministerin Wolff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich soll irdische Probleme von Schulen lösen – ich habe eher den Eindruck, dass SPD und GRÜNE mit Sorge sehen,dass die Schulen und wir gemeinsam diese irdischen Probleme außerordentlich erfolgreich lösen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob Sie das Landesabitur, den Mathematikwettbewerb, die Leistungsfähigkeit der Schüler mit Abschluss, die Lesekompetenz, die strategischen Ziele nehmen, die Osterferiencamps, die eingeschlagen haben, oder die Ganztagsschulen, die aus den Fängen der rot-grünen Blockade gelöst worden sind, überall sind wir auf dem Weg nach vorne.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD):War das jetzt Schöpfungsgeschichte, oder war das ein Scherz?)

Meine Damen und Herren, die GRÜNEN und die SPD führen uns eher auf das Problem – das ist in der Tat irdisch –, das Thema Naturwissenschaft und Religion bzw. Philosophie innerhalb von siebeneinhalb Minuten abzuhandeln. Dazu sage ich allerdings in aller Deutlichkeit: Es ist eine pure Frechheit und Unverschämtheit,

(Zurufe von der SPD: Na, na, na!)

die Positionen, die ich in der vergangenen Woche aufgegriffen habe, und zwar im Zusammenhang mit dem Europarat, in eine Verbindung zu Fundamentalismus und Kreationismus zu setzen.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Genau da passen sie hin! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich, die ich mich vom Kreationismus eindeutig distanziert habe, halte es für ausgesprochen richtig und wichtig, dass wir junge Menschen wachsam und sensibel gegenüber unwissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Positionen machen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bravo! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das brauchen wir im Unterricht!)

Meine Damen und Herren, umso wichtiger ist es, dass wir die Schotten zwischen den Fächern nicht so dicht machen, dass Schülerinnen und Schüler nicht unterscheiden können, wo sie in einem Fach dieses unterrichtet bekommen und in einem anderen etwas anderes,sondern dass sie sensibel werden, dass ihnen klar wird, wo Differenzen, wo Konvergenzen,wo unterschiedliche Ebenen wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Redens miteinander in Beziehung zu setzen sind, und dazu ihre eigenen Standpunkte entwickeln können, und zwar ihre individuellen Standpunkte.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist es, was Gesellschaft zu Recht von Schule erwartet: dass sie junge Menschen mit Wissen kundig macht und dass sie ihnen das Rüstzeug dafür gibt, dass sie mündig werden, dass sie urteilsfähig werden. Das verlangt ganz bewusst, dass Schulen, dass Fächer, dass Kolleginnen und Kollegen an einem einzigen Erziehungsauftrag von verschiedenen Seiten arbeiten und nicht an unterschiedlichen Erziehungsaufträgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen hier nicht darüber diskutieren, dass die Grundannahmen der Evolutionstheorie absolut gefestigt sind. Sie sind selbstverständlich an allen hessischen Schulen unterrichtet worden und werden gemäß Lehrplan in den Klassen 5 und 12 weiter unterrichtet. Ich habe mich aber für einen fächerverbindenden Unterricht, wie er auch im Schulgesetz vorgegeben ist, ausgesprochen. Ich habe deutlich gemacht, dass es Anknüpfungspunkte zwischen verschiedenen Fächern gibt, nicht nur zwischen Religion und Biologie, sondern etwa auch zwischen der Stammzellenbiologie und den Fächern Religion bzw. Ethik/Philosophie. Zwischen den Fächern Chemie, Politik und Wirtschaft gibt es ebenfalls Anknüpfungspunkte, weil es um naturwissenschaftliche Kenntnisse und die Bewertung der Möglichkeiten geht und weil es in anderen Fächern nicht nur um Bewertungen geht, sondern um die Bewertung auf der Grundlage von naturwissenschaftlichen Kenntnissen.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Kultusministerin beim Versuch, über Wasser zu laufen, eingebrochen!)

Das bedeutet nicht, dass in der Biologie Themen in Bezug auf Religion überhöht werden. Denn die wissenschaftlichen Ansätze beider Fächer, von Biologie und Theologie, sind absolut unterschiedlich.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein Glück!)

Aber die Naturwissenschaft erklärt am Beispiel der Evolution, wie sich die Welt entwickelt hat. Der Theologie geht es um Deutungs-, um Sinnfragen, also um eine methodisch andere Ebene des naturwissenschaftlichen Forschens.