Dazu muss ich Ihnen sagen: Das Beispiel der Staatsweingüter zur Begründung dieses Gesetzentwurfes anzuführen, führt in der Tat in die Irre.
Das, was bei den Staatsweingütern passiert ist, ist ein Rechtsverstoß.Der wäre auch nicht unterblieben,wenn es dieses Gesetz gäbe. Also versuchen Sie nicht, den Eindruck zu erwecken, mit einem solchen Gesetz zur Einhaltung der Tariftreue hätte das, was bei dem Staatsweingut passiert ist, vermieden werden können. Das ist nicht richtig.
Sie führen die Menschen in die Irre, wenn Sie meinen, mit einem solchen Gesetz zur Einhaltung der Tariftreue wäre das, was im Staatsweingut passiert war, vermieden worden. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Mit Verlaub: Ich halte es für mehr als unredlich, ein solches Beispiel – wir werden abwarten, was am Schluss herauskommt – für die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes anzuführen.
Für die Liberalen gilt zunächst einmal, die Frage zu stellen: Habe ich einen gesetzgeberischen Bedarf? – Dann frage ich: In welchen Fällen ist es denn so gewesen, dass eine Gesellschaft, die zu 100 % im Eigentum des Landes Hessen ist,Tarifbestimmungen nicht eingehalten hat? Mir ist kein Fall bekannt. Nennen Sie mir bitte die Fälle, wo so etwas passiert ist, wo eine Kommune zu 100 % Eigentümerin einer Gesellschaft ist. Mir ist kein Fall bekannt.
Deswegen frage ich noch einmal, wo der gesetzgeberische Bedarf ist. Sie haben eben expressis verbis den öffentlichen Personennahverkehr benannt. Sie stellen den Verbünden und den lokalen Nahverkehrsgesellschaften in Hessen ein schlechtes Testat aus. Mir ist nicht bekannt, dass der Rhein-Main-Verkehrsverbund oder
(Hildegard Pfaff (SPD): Sie wissen, dass die Tariftreue bei den Ausschreibungen keine Rolle gespielt hat!)
der Nordhessische Verkehrsverbund in irgendeinem Fall nicht dafür gesorgt haben, dass die entsprechenden tarifrechtlichen Bestimmungen nicht angewandt worden sind.
Tun Sie doch nicht so, als hätte es im ÖPNV in Hessen einen Verstoß gegen tarifrechtliche Bestimmungen gegeben. Ich weiß sehr genau – Ihre Kolleginnen können Ihnen das bestätigen –,dass diese Frage in den Diskussionen mit den Verbünden keine Rolle gespielt hat, weil die tarifrechtlichen Bestimmungen angewandt worden sind. Bauen Sie doch bitte nicht einen solchen Popanz auf, um eine Begründung für ein Gesetz zu haben.
Ich komme noch einmal auf Ihr Ansinnen zurück,weil wir da eine sehr differenzierte Position haben. Ein gesetzgeberischer Bedarf besteht dann, wenn es ein Fehlverhalten gegeben hat und ein Gesetz eine adäquate Lösung ist, dieses Fehlverhalten zu unterbinden. Das ist weder beim
Staatsweingut – da gilt das Entsendegesetz – noch beim ÖPNV der Fall. Mir sind auch keine Beispiele bekannt, wo entweder bei einer Teileigentümerschaft der kommunalen Körperschaften oder bei einer hundertprozentigen Eigentümerschaft der Gemeinden so etwas passiert ist.
Deswegen will ich das festhalten. Sie tun so, als gäbe es hier einen gesetzgeberischen Bedarf auf einem Gebiet, in dem wir die Gesetzgebungszuständigkeit haben. Ich stelle für die FDP fest – dem wird von Ihnen auch nicht widersprochen –, dass es ein solches Fehlverhalten weder in kommunalen Gesellschaften noch in Landesgesellschaften gibt.
Ich weiß aus eigener Anschauung: Dort, wo wir vergeben – das ist gar nicht mehr in dem Umfang der Fall –, ob das die Wohnungsbaugesellschaften sind oder wo die Landesbank Träger von Gesellschaften ist, bei der OFB oder deren Töchtern, ist mir nicht bekannt, dass die tarifrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden. Ich sage das mit allem Ernst,weil es unsere Grundüberzeugung ist: gesetzliche Regelungen da, wo ein gesetzgeberischer Bedarf besteht. – Ich sage für die FDP: Ich sehe diesen Bedarf nicht.
Dann kommen Sie auch noch auf die Idee, zu sagen, alles wird auf die Kommunen ausgeweitet, weil dort Regelungsbedarf bestehe, unabhängig davon, dass im Grunde genommen Kommunen – Herr Boddenberg hat das gesagt – diese Frage auch in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben.
Ich will gleichwohl auf das Grundanliegen zurückkommen, das Sie hier zum Ausdruck bringen. Denn mit Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie letztendlich erreichen, dass Arbeitnehmer eine tarifgerechte Entlohnung bekommen. Ziel ist also, eine schlechtere Bezahlung auszuschließen, insbesondere von einheimischen Arbeitnehmern. Deswegen sage ich Ihnen: In dem Ziel – ich sage das ausdrücklich, um als Liberaler nicht in eine bestimmt Ecke gestellt zu werden, wie das manche versuchen –,
das auskömmliche Einkommen von Arbeitnehmern zu sichern,oder anders ausgedrückt:dass ein gerechter und sozialer Staat allen Bürgern ein menschenwürdiges Leben zu garantieren hat, darin sind wir uns einig. Die Frage ist nur, ob diese Einkommenssicherung, um die es geht, mit der Einführung von Mindestlöhnen – Sie haben zu Recht die Parallele dazu gezogen – oder einem Tariftreuegesetz in der vorliegenden Art erreicht werden kann. Das wollen Sie jetzt über ein eigenständiges Landesvergaberecht erreichen. Ich sage Ihnen ganz offen:Wir halten diesen Weg für falsch.
Ich will auch versuchen, Ihnen das zu begründen. Meine Damen und Herren, was ist denn der Sinn des Vergaberechtes? – Der Sinn des Vergaberechtes, dass ausgeschrieben und vergeben wird, besteht darin, das günstigste Angebot auswählen zu können.
Nun weiß ich, dass die Frage des günstigsten Angebotes hin und wieder missverstanden und immer das preisgünstigste gesehen wird.
Herr Generalsekretär, auch dieses Problem lösen Sie mit diesem Vergaberecht nicht. Warum hat das Vergaberecht den Grundsatz, dass das günstigste Angebot vom Auftraggeber ausgewählt werden kann?
Weil dies im öffentlichen Interesse ist. Denn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge – das vergessen wir etwas – geht es um die Verwendung öffentlicher Mittel, d. h. um Steuermittel.
(Gernot Grumbach (SPD): Schrott für wenig Geld ist nicht im öffentlichen Interesse! – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))
Es ist gerade im Interesse der Bürger und richtig und sinnvoll, das günstigste Angebot auszuwählen. Gerade im öffentlichen Interesse ist es sinnvoll, das günstigste Angebot auszuwählen. Meine Damen und Herren, wenn Sie dann vergabefremde Aspekte einbeziehen, ist eben nicht mehr gewährleistet, dass das günstigste Angebot ausgewählt wird.
(Gernot Grumbach (SPD): Hungerlöhne im Interesse des Staates! – Norbert Schmitt (SPD): Als Wettbewerbspartei sollten Sie für fairen Wettbewerb sein!)
Meine Damen und Herren, das ist nicht die Auffassung der Liberalen. Die Kopplung des Vergaberechts mit tarifpolitischen und ausbildungspolitischen Kriterien lehnen wir ab.Sie sind dem Vergaberecht fremd und werden auch dem Auftrag nicht gerecht, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen.
Meine Damen und Herren,deswegen will ich noch einmal auf die Grundsatzfrage eingehen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden muss. Es geht um die Frage, in welchem Umfang und ob überhaupt sich der Staat in Fragen des Tarifrechts einmischen soll oder nicht. Das ist die Kernfrage.
Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich einen Artikel des Präsidenten der Metallarbeitgeber, Herrn Kannegiesser, der sich zu dem Thema Staatseinmischung in die Tarifpolitik, zu der Frage der Aufteilung der Zuständigkeiten von Wirtschaft und Staat vor Kurzem in der „FAZ“ geäußert hat, und zwar in sehr kritischer, wenn Sie wollen sogar selbstkritischer Weise. Zu der Öffnung von Branchentarifverträgen einerseits bzw. in einem anderen Zusammenhang zur Begrenzung der Leiharbeit und der Wochenarbeitszeit sagt er:
Für den Chef des Metallverbands ist die wachsende Einmischung des Staates auch Ausdruck schwindender Bindungsmacht der Verbände.
Da, wo die Tarifautonomie nicht mehr funktioniert, wird dieses Vakuum durch staatliche Vorgaben und Regelungen ersetzt.
Damit aber werde das wichtigste Ziel der Nachkriegsordnung verletzt, die Politik aus der unmittelbaren Gestaltung der Arbeits- und Einkommensbeziehungen herauszuhalten. Die Flucht aus der Tarifbindung könne bis zum nächsten Horizont vielleicht sogar eine vernünftige Entscheidung sein.