Protocol of the Session on July 4, 2007

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner für BÜNDNIS 90, Herr Wagner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist kein Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren. Es ist ein Gesetz zum Abbau von Bür

gerrechten und des Naturschutzes. Das ist der Wesensgehalt des vorliegenden Gesetzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon sehr merkwürdig, dass ausgerechnet eine Landesregierung, die, wenn sie selbst plant, seit acht Jahren nichts hinbekommt, jetzt als Konsequenz aus dem Nichthinbekommen ihrer eigenen Planungsvorhaben nicht etwa

(Michael Boddenberg (CDU): Das aus Ihrem Munde ist eine ziemliche Frechheit, die Sie jede Chance nutzen, Nebel zu werfen!)

Herr Kollege Boddenberg – die Konsequenz zieht, dass sie überprüft, warum man bisher bei all den großen Prestigeprojekten, die diese Landesregierung plant, Schiffbruch erlitten hat, und nicht fragt: „Was haben wir falsch gemacht, was können wir ändern,

(Michael Boddenberg (CDU): Das machen wir gerade!)

wie können wir in dem, was wir selbst verantworten, vielleicht die Verfahren beschleunigen und straffen?“, sondern wir können feststellen: Die Landesregierung kann sich nicht an die Regeln halten. Stattdessen ändert diese Landesregierung die Regeln. – Das ist der falsche Ansatz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist tatkräftig!)

Sie wollen mit diesem Gesetzentwurf und mit der Begründung den Menschen in unserem Land weismachen, für die langen Planungszeiten in unserem Land seien die Bürgerinnen und Bürger und die Umwelt- und Naturschutzverbände verantwortlich.

(Michael Boddenberg (CDU): Vor allen Dingen auch die GRÜNEN!)

Sie machen die Bürgerinnen und Bürger und die Naturschutzverbände zu Sündenböcken für Ihre eigenen gravierenden Fehlplanungen. Und das kann es nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist ein Unterschied!)

Herr Kollege Frankenberger hat, auch wenn ich ansonsten seine insgesamt eher positive Bewertung dieses Gesetzes nicht teilen kann, schon sehr viele richtige Punkte angesprochen, was die eigentlichen Gründe für lange Planungszeiten in unserem Land sind.An erster Stelle ist die Politik und leider sehr stark die Politik von SPD und CDU zu nennen.

Ein großes Infrastrukturprojekt ist halt immer schneller von den Politikern von SPD und CDU versprochen, als es tatsächlich geplant und finanziert ist. Das ist ein großer Grund dafür, dass die Zeiten zwischen erster Ankündigung und möglicher Realisierung eines Projektes so lange sind. Das ist aber etwas, was die Politik zu verantworten hat,und nichts,was die betroffenen Bürgerinnen und Bürger oder die Naturschutz- und Umweltverbände zu verantworten hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite große Grund – ich habe ihn angesprochen – für lange Planungszeiten, insbesondere in Hessen, ist entweder die Unwilligkeit oder vielleicht sogar die Unfähigkeit dieser Landesregierung, gesetzeskonform zu planen. Es liegt doch nicht an den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Interessen wahren. Es liegt doch nicht an den Natur

schutz- und Umweltverbänden, wenn Gerichte sagen: „Die Planungen dieser Landesregierung sind gesetzeswidrig“, sondern es liegt an den Planungen der Landesregierung. Herr Dr. Rhiel, also sollten Sie erst einmal dort Ihre Hausaufgaben machen, bevor Sie zu solch einschneidenden Beschneidungen von Bürgerrechten greifen, wie Sie es mit diesem Gesetzentwurf tun.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Haben wir 18 Monate ge- wartet?)

Wir warten deshalb so lange, weil es nach wie vor erhebliche Zweifel daran gibt, ob die Planungen, die Sie vorgelegt haben, mit dem geltenden Recht vereinbar sind. Das ist der Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Rhiel, die Naturschutzverbände und die Bürgerinnen und Bürger berufen sich auf Recht – ich glaube,das muss ich Ihnen nicht sagen – welches noch die schwarzgelbe Bundesregierung geschaffen hat. Wenn Sie jetzt infrage stellen wollen,dass sich Bürgerinnen und Bürger auf ihre Rechte beziehen, dann haben wir ein größeres Problem mit Ihnen, als ich eigentlich gedacht hätte, Herr Dr. Rhiel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt, warum Planungsverfahren so lange dauern, sind schlicht und ergreifend – da sind wir mitten im Thema – die Gerichtsverfahren.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Genau!)

Aber leistet dieser Gesetzentwurf, der hier vorliegt, einen Beitrag dazu, dass Streit und unterschiedliche Auffassungen im Vorfeld geschlichtet und somit Gerichtsverfahren vermieden werden? – Diesen Beitrag leistet dieses Gesetz gerade nicht, weil, wenn man die Beteiligungsmöglichkeit einschränkt, wenn man den Bürgern nicht mehr die Möglichkeit gibt, im Vorfeld eines Verfahrens ihre berechtigten Belange einzubringen, dies die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger und der Verbände zu Klagen nicht senkt,sondern erhöht.Im Ergebnis haben wir längere und nicht kürzere Verfahren. Deshalb ist das der falsche Weg, den Sie hier gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bürgerinnen und Bürger haben doch berechtigte Anliegen, wenn sie von einer Maßnahme betroffen sind. Natürlich machen sie ihre Interessen geltend. Das ist doch völlig legitim. Deshalb haben diese Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht darauf, das in einem Erörterungstermin darzustellen und vom Vorhabensträger eine Antwort zu bekommen, warum er das so oder so realisieren will, und eine Antwort zu bekommen, warum man es nicht vielleicht anders mit weniger Auswirkungen auf die betroffenen Bürgerinnen und Bürger realisieren kann.

Wenn Sie jetzt in diesem Gesetz sagen: „Der Erörterungstermin ist ins Benehmen der Behörde gestellt“,dann nehmen Sie diesen Bürgerinnen und Bürgern diese Möglichkeit. Aus einem verbrieften Recht wird behördliche Willkür. Das ist das, was in Ihrem Gesetzentwurf steht.

Zur Rolle der Natur- und Umweltverbände. Sie sollten eigentlich in Ihrem Gesetzentwurf ausdrücklich an Naturschutz- und Umweltverbände einmal einen Dank für die in aller Regel ehrenamtliche Arbeit aussprechen, die im Planungsverfahren geleistet wird, für die erhebliche Sachkompetenz,für die erhebliche örtliche Kompetenz,die die Umwelt- und Naturschutzverbände im Planungsverfah

ren einbringen und wodurch sie Planungen in unserem Land besser machen, umweltverträglicher machen, menschenverträglicher machen.

Das ist eine Leistung, die man eigentlich nicht hoch genug schätzen kann. Der Dank dieser Landesregierung ist, dass man diesen Verbänden die Arbeit schwer macht.Wir müssen sie ihnen nicht schwer machen. Wir müssen sie ihnen leichter machen, weil sie wichtige Beiträge für bessere Planung in unserem Land leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei dieser Landesregierung sind natürlich die Planungen zur A 49 als Beispiel sehr beliebt. Sie wissen, wir wollen diese Autobahn nicht. Wir halten sie für verkehrs- und umweltpolitisch unsinnig.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Das ist eine klare Aussage!)

Diese Landesregierung will sie.

(Michael Boddenberg (CDU): Außer den GRÜNEN niemand, alle anderen sehen das anders!)

Herr Boddenberg, das stimmt auch nicht. Das ist nicht unsere Debatte. Der spannende Punkt ist, dass sich in diesen Planungen die Natur- und Umweltverbände sehr konstruktiv eingebracht haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Doch, ich lade Sie ein!)

Das Ergebnis ist, dass Herr Dr. Rhiel die Planungen geändert hat und die neue Planung,die die Naturschutz- und Umweltverbände mit ihrem Hinweis auf das Kammmolchvorkommen durchgesetzt haben, jetzt sage und schreibe 40 Millionen c billiger ist. Das heißt, jeder Kammmolch hat dem Land Hessen, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, 10.000 c gespart. Das ist ein wunderbares Beispiel für die konstruktive und sinnvolle Rolle,

(Zurufe des Abg. Michael Boddenberg (CDU) und des Ministers Dr.Alois Rhiel)

die die Verbände in diesem Verfahren spielen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Rhiel, ich hatte Ihnen ja gesagt, wir finden diese Trasse verkehrspolitisch falsch. Das füge ich ausdrücklich hinzu.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Die Verbände haben ei- nen Vorschlag gemacht!)

Die Verbände haben den Vorschlag gemacht. Deshalb dürfen Sie diese Verbände auch nicht als Verhinderer denunzieren, sondern als das wahrnehmen und wertschätzen, was sie sind: als Anwalt der Umwelt.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Genau!)

Den Verbänden ist die Aufgabe zugewachsen, als Anwalt der Umwelt im Planungsverfahren zu fungieren.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Das sehe ich auch so!)