Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zurzeit befinden wir uns noch mitten in der Evaluierungsphase des Bildungs- und Erziehungsplans, aber eines steht bereits fest: Die Erprobung des Bildungs- und Erziehungsplans in einem Netz von Bildungseinrichtungen hat sich außerordentlich bewährt. Erzieher, Lehrer, Fachberater und viele, viele andere haben sich in weit über 100 Tandems in inneren und äußeren Kreisen mit riesigem Engagement und mit der Bereitschaft, Neues anzupacken, beim Bildungs- und Erziehungsplan engagiert.
Ich finde, für dieses Engagement sollten wir heute an dieser Stelle einmal herzlichen Dank sagen. Ich darf das für meine Fraktion jedenfalls sagen.
Wir halten den Ansatz des Bildungs- und Erziehungsplans für außerordentlich bedeutend. Das sage ich, obwohl wir hier in Hessen eine ganz besondere Tradition bei den Trägern freier Kindertagesstätten haben. Denn im Gegensatz zu Bayern – dort gibt es überwiegend kommunale und kirchliche Träger – haben wir in Hessen eine ganz breit gefächerte Trägerstruktur, die eine Vielfalt von Weltanschauungen und unterschiedlichen Konzepten widerspiegelt und auf die wir zu Recht stolz sein können. Obwohl sie ihre Schwerpunkte haben – ich finde es auch ganz toll, dass sie die haben – und auch Eltern die Möglichkeit bieten, verschiedene Schwerpunkte zu wählen, ist es durch den Bildungs- und Erziehungsplan gelungen, diese unterschiedlichen Mentalitäten und Weltanschauungen zusammenzubringen.
Aber ich muss auch ganz klar sagen: Es ist schon wichtig, dass die ursprünglichen Erwartungen, die wir beim Bildungs- und Erziehungsplan hatten – wir haben gesagt: immer ein Kindergarten und eine Grundschule sollen sich zusammen bewerben –, weit übertroffen worden sind. Denn neben einzelnen Schulen haben sich immer ganz viele Kindergärten und vielfältige Bildungsinstitutionen, von Tagespflege bis zu Familienbildungsstätten,an der Erprobungsphase beteiligt. Während dieser Erprobungsphase sind immer mehr Institutionen hinzugekommen. Ich finde, das ist wirklich erwähnenswert.
Es war wichtig, die unterschiedlichen Träger in diesen Prozess einzubeziehen. Aus einem Grunde ist das auch ganz besonders gut gelungen: Den Trägern wurde kein fertiger Plan übergestülpt, sondern sie alle wurden schon bei der Erstellung des Plans einbezogen. Von Anfang an haben die Ministerien Wert darauf gelegt, möglichst alle Trägergruppen bei der Erprobung in den Tandems und Kindergärten in allen Regionen Hessens einzubeziehen. Das ist ganz wichtig, und das geht auch an Herrn Rentsch: Es ist für uns ganz besonders wichtig, dass der Plan flächendeckend akzeptiert wird und sich nicht nur einige an der späteren Umsetzung beteiligen. Kindergärten – kirchliche, kommunale, Waldorfkindergärten und freie Träger wie z. B. das Rote Kreuz oder die Lebenshilfe – verfolgen alle unterschiedliche Ansätze. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte.
Aber – und das ist wichtig – die Kinder aller Träger müssen schließlich den Übergang in eine gemeinsame Grundschule schaffen. Deshalb ist es auch sehr lobenswert, dass gerade diese Übergänge in der Erprobungsphase ein wichtiger Schwerpunkt waren.
Die außerordentliche Innovation des Bildungs- und Erziehungsplans ist nämlich eine Denkweise abseits der Lernorte, hin zum Kind. Das Denken vom Kind her, von seinen Stärken und Fähigkeiten,ist zunächst losgelöst von der Bildungsinstitution.
Nun kann man denken, es ist wichtig, dass ein Kindergarten beim Bildungs- und Erziehungsplan mitmacht – das allein garantiert schon Qualität, und deshalb sollte er ein Qualitätssiegel erhalten, damit die Eltern wissen: Aha, dorthin kann ich mein Kind schicken.
Aber Sie können jetzt auf den Gedanken kommen, dass die Hessische Landesregierung an den Schulen bereits eine Inspektion durchführt, und deshalb könnte man dieses System einfach auf die Kindergärten übertragen und nach einer erfolgreichen Evaluation das Qualitätssiegel überreichen.
Meine Damen und Herren, auf den zweiten Blick stellt sich die Situation allerdings nicht ganz so einfach dar.
Zunächst ist festzuhalten: Nach dem Bildungs- und Erziehungsplan geht es nicht darum,einzelne Kindergärten isoliert zu betrachten. Vielmehr sollten wir immer auf die Netzwerke schauen, die gemeinsam die Bildung und Betreuung des einzelnen Kindes optimieren und die Übergänge möglichst ohne Brüche gestalten.Deshalb raten wir zur Vorsicht, einzelne Kitas durch Plaketten herauszuheben; denn dies entspricht nicht dem Ansatz des hessischen Bildungs- und Erziehungsplans.
Die Herausstellung von herausragenden Bildungsnetzwerken halten wir dagegen für bedenkenswert. Die haben als Tandems schon an der Erprobungsphase teilgenommen.Aber auch in diesem Sinne kommt uns der FDP-Antrag zu früh, und das will ich Ihnen begründen.
Uns geht es nicht um die einzelne Bildungsinstitution, sondern um jedes einzelne Kind. Dabei hat Prof. Fthenakis von Anfang an besonderen Wert auf die Übergänge gelegt. Deshalb ist es auch nur konsequent, auch zukünftig Bildungsnetzwerke zu gründen.
Ein weiterer Grund kommt hinzu. Dazu sollten wir uns die Kinderbetreuungslandschaft in Hessen vor Augen halten.
In Hessen haben wir den Rechtsanspruch für die Drei- bis Sechsjährigen erfüllt, aber in den meisten Kommunen haben wir noch keinesfalls ein Überangebot an Plätzen, sodass sich Eltern frei entscheiden könnten. Bei den Betreuungsangeboten für die unter Dreijährigen, die im hessischen Bildungs- und Erziehungsplan ausdrücklich mit berücksichtigt sind, befinden wir uns augenblicklich auf einem steilen Weg nach oben hinsichtlich der Platzzahl. Das diskutieren wir hier ja regelmäßig.Richtig ist aber natürlich auch, dass wir im Moment noch keine oder nur eine eingeschränkte Wahlfreiheit für Eltern haben, da die Plätze noch nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind.
Trotzdem haben die Eltern ein Recht auf Qualität. Es ist auch eine gute Möglichkeit, zu sagen, wir haben BestPractice-Beispiele, die wir als Vorbild für alle anderen auf dem Weg zu mehr Qualität herausstellen. Es kann aber nicht sein, dass wir Kindergärten mit langen Wartelisten herausheben und andere, die weniger Nachfrage aufweisen, abqualifizieren. Uns ist es wichtig, eine breite Qualität über die gesamte Kindertagesstättenlandschaft bei uns im Land Hessen aufzubauen.
Dabei sollte man berücksichtigen, dass wir in den Kindertagesstätten natürlich unterschiedliche Voraussetzungen vorfinden, beispielsweise bei der räumlichen Ausstattung, beim Alter der Tagesstätten, bei der Sozialstruktur im Stadtteil,beim Trägerkonzept,bis hin zu den Öffnungszeiten. Deshalb sollten wir auch darauf achten – das ist der springende Punkt –, dass wir in den hessischen Kindertagesstätten eine innere Qualitätsoffensive hervorrufen.
Alle, das sollten wir alle gemeinsam machen. Alle Kindertagesstätten sollten die Chance haben, beim Bildungsund Erziehungsplan mitzumachen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch mit den Trägern sprechen.Da haben Sie völlig recht, da stimme ich auch mit Ihnen überein.
Aber auch als Land wollen wir dazu unseren Beitrag leisten. Wir müssen die Erzieher und Erzieherinnen genauso wie die Fachberatung und die Kindergartenleitungen durch Aus-, Fort- und auch Weiterbildungen für die neuen
In diesem Sinne wird die Hessische Landesregierung konsequent weiterführen, was sie bereits seit Jahren bei der Qualitätsoffensive in hessischen Kindergärten durchgeführt hat.
Beispielhaft will ich hier nur zwei Qualitätsoffensiven nennen. Das sind die Modelle zur Sprachförderung, bei denen Hessen bundesweit Vorreiter ist, und die Qualitätsoffensive für die Integration von Kindern mit Behinderungen in den Tagesstätten,das gerade äußerst erfolgreich evaluierte Programm QUINT.
Noch befinden wir uns am Anfang eines Prozesses der Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans im gesamten Land. Noch stehen wir am Anfang eines Erfolg versprechenden Weges, für den das Land seinen Beitrag leisten wird, um die Fachberatungen von Kindergärten und Grundschulen, die Leitungen, die Erzieherinnen und Erzieher ebenso wie die Lehrerschaft, aber auch die Eltern und alle Beteiligten drum herum durch Unterstützung, Handreichung und Hilfestellungen bei dem Prozess zu mehr Bildung und Betreuung zu begleiten.
Die Aus- und Fortbildung ist unser Schwerpunkt, und das werden wir auch durchsetzen. Wir werden diesen Prozess begleiten, der das Kind mit seinen Stärken und Fähigkeiten von der Geburt bis zum zehnten Lebensjahr in den Mittelpunkt stellt.
Eine Qualitätsplakette kann nicht am Anfang dieses Prozesses stehen. Deshalb halten wir – das habe ich schon gesagt – die Initiative der FDP für verfrüht.
Jedoch könnte ein Qualitätszertifikat in unseren Augen durchaus eine Möglichkeit sein,zu dokumentieren,dass in einer Kommune eine hervorragende Kinderbetreuung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen angeboten wird.Transparenz für die Eltern schaffen – das ist auch unser Ziel.
Die Einführung eines Qualitätsmerkmals kann unseres Erachtens aber nur in Absprache und gemeinsam mit den Trägern erfolgen und muss auch die unterschiedlichen Ansätze der Träger berücksichtigen.
Sie fußen auf einer Umfrage der Kommunalen Spitzenverbände, aber Sie vernachlässigen, dass die Träger natürlich ein Interesse daran haben, eine möglichst große Beteiligung des Landes zu erzielen. Dafür habe ich Verständnis.
Die SPD sagt, sie kennt die Ergebnisse der Evaluation noch überhaupt nicht – gleichzeitig weiß sie aber bereits, dass sie mit den Ergebnissen nicht übereinstimmt.
Ähnlich ging es mir bei dem Antrag der GRÜNEN,ein typischer Oppositionsantrag. Sie haben alle Themen in einen Antrag hineingemixt. Ich glaube, das wird den einzelnen Themen in keinster Weise gerecht.
Meiner Fraktion war das Thema Bildungs- und Erziehungsplan so wichtig, dass wir hierzu einen eigenen An
trag gestellt haben.Wir werden den Weg zu mehr Bildung und Erziehung in unserem Land weitergehen. Wir haben die flächendeckende Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans und damit die Gespräche mit den Trägern, mit den Kommunen an den Anfang unserer Überlegungen gestellt. Diesen Weg werden wir weiterverfolgen. Als Nächstes werden wir mit ihnen über die flächendeckende Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans sprechen. Denn es geht nur mit ihnen gemeinsam. Das ist unser Weg.
Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Henzler, FDP-Fraktion, gemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Ravensburg, es wäre ganz gut, wenn man einmal einen Blick über die Ländergrenzen werfen würde. Die Kita-Qualitätsplakette ist unter der schwarz-gelben Koalition in NRW eingeführt worden, und man hat dort große Erfolge erzielt. Sie hat sich also schon bewährt. Sie können ruhig dorthin fahren und sich erkundigen, wie die CDU in NRW das gemacht hat, damit Sie hier nicht mehr behaupten, das sei nichts.
Ich habe mich aber in erster Linie wegen eines Satzes gemeldet, den Sie in Ihrem Redebeitrag geäußert haben. Er lautete: Wir können nicht einzelne Kindertagesstätten herausstellen, indem wir ihnen eine Qualitätsplakette geben; dann würden wir die anderen ja abqualifizieren.
Frau Ravensburg, was machen wir denn mit dem Hauptschulpreis? Was machen wir mit anderen Preisen? Was machen wir z. B. mit den Zertifizierungen von Alten- und Pflegeheimen? So etwas ist dazu da,damit sich Menschen, die von außen kommen, orientieren können und wissen: Das ist etwas Besonderes, da hat sich eine Einrichtung auf den Weg gemacht und sich überprüfen lassen. – Das ist keine Abqualifizierung der anderen. Vielmehr ist das ein Ansporn an die anderen, es ihnen gleichzutun und sich ebenfalls auf den Weg zu begeben.
Die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans müsse flächendeckend erfolgen, haben Sie angemahnt. Dazu kann ich Ihnen sagen:Wenn das Land weder Mittel noch Personal zur Verfügung stellt, können Sie den Bildungs- und Erziehungsplan nicht flächendeckend umsetzen. In einer Kindertagesstätte mit einem Betreuungsschlüssel von 1,5 Personen bei 25 Kindern geht das nicht.
Ich sage bewusst „heutige Kinder“. Fragen Sie einmal die Erzieherinnen. Die werden Ihnen sagen, die heutigen Kinder seien ganz anders als die Kinder vor fünf oder zehn Jahren. Sie sind viel schwieriger. Sie haben deutliche Defizite. Man muss viel nacharbeiten, um überhaupt mit der Bildung anfangen zu können. Wenn das Land kein Geld und kein Personal bereitstellt,um die Bildung in den Kindertagesstätten voranzutreiben, werden Sie Ihren Bildungs- und Erziehungsplan niemals flächendeckend umsetzen.
Vielen Dank, Frau Henzler. – Frau Ravensburg, Sie haben die Gelegenheit zu einer Antwort. Sie haben zwei Minuten Redezeit.
Frau Henzler, ich glaube, wir brauchen uns mit unserem Bildungs- und Erziehungsplan für Hessen, der von allen Gruppen sehr gelobt worden ist, nicht vor NRW zu verstecken. Mir geht es nur darum, festzustellen, dass wir im Moment noch keine Wahlfreiheit haben. Das unterscheidet die Kindertagesstättenlandschaft eben von den Schulen; dort gibt es die freie Schulwahl. Deswegen kann ich diesen Vergleich nicht akzeptieren.
Mein Ansatz war, zu sagen: Eine Qualitätsauszeichnung halten wir für einen guten Gedanken, und wir können Ihre Vorstellungen nachvollziehen. Nur halten wir den Zeitpunkt für völlig verfrüht.