Protocol of the Session on September 17, 2003

Das Wort hat Herr Milde für die CDU-Fraktion. Herr Milde, Ihnen stehen noch sieben Minuten zu.

Vielen Dank. Ich hoffe, sie nicht in Anspruch nehmen zu müssen. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will wenigstens auf den gröbsten Unfug eingehen, der hier von der Opposition gesagt wurde.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Erste betrifft das Thema Rating, das hier so gerne hochgezogen wird. Herr Kollege Schmitt war mit im Landesschuldenausschuss, wo wir das Thema Rating eigentlich besprochen hatten, welchen Vorteil und Nachteil das Rating hat,wie es zustande gekommen ist,wie Standard & Poor’s zu dem Triple-A kam.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Im Übrigen haben auch alle darauf hingewiesen, dass Hessen jetzt ein AA+ hat. AA+ ist das drittbeste Rating unter den Ländern in Deutschland. Ich stelle also fest, dass Sie immerhin anerkannt haben, dass Hessen immer noch einen Spitzenplatz in Deutschland hat.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

S & P hatte am Jahresanfang gesagt, das Triple-A stehe unter Beobachtung:Werden die Einnahmeausfälle weiter

so sein – sie haben ausdrücklich von Einnahmeausfällen gesprochen –, werden sie das zurückstufen auf AA+. Sie haben jetzt in ihrer Begründung gesagt, dass bei einem Wiederanziehen der Wirtschaft Hessen wieder ein TripleA bekommen wird. – In der Rechnung wird der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Rating so gut wie nichts ausmachen.

(Jürgen Walter (SPD): Und die Neuverschuldung?)

Lassen Sie mich kurz auf ein zweites Thema eingehen, weil Sie immer auf dieser Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten herumhacken. Was hätten Sie von der Opposition eigentlich gemacht, wenn Roland Koch als Ministerpräsident ein solches Sparpaket nicht zur Chefsache erklärt hätte, was er jetzt im Rahmen der Verfassung gemacht hat? Ich sage daher ganz deutlich: Dass der Finanzminister das Sparprogramm zusammen mit dem Ministerpräsidenten erarbeitet hat, steht völlig außer Frage. Dass die Chefgespräche vor dem Beschluss des Sparpaketes notwendig waren, um den Status quo für das Jahr 2004 festzustellen,ist doch auch klar.Insofern eiern Sie hier herum. Der Ministerpräsident hat richtig gehandelt mit seinem verfassungsmäßigen Auftrag, der Richtlinienkompetenz. Ich denke, Sie werden die Verfassung hier nicht kritisieren.

Das Dritte ist der Verkauf der Wohnstadt Kassel an die Nassauische Heimstätte.Das hat Herr Kollege Hahn eben noch einmal angesprochen. Hier wird wirklich ein unglaublicher Unfug geredet. Wir haben in drei Punkten einen genialen Zug damit getroffen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kaufmann und Herr Walter, weil Sie so schön lachen: Es ist ein Riesenunterschied, ob ich Telekom-Aktien, die ich im Bestand habe und verkaufen will, bei einer Tochtergesellschaft parke, die mit dem Thema Telekom nichts zu tun hat, oder ob ich zwei Gesellschaften, die ohnehin das Gleiche machen, wo ich Synergien heben kann, wo ich Effizienzen schaffe und wo ich vor allem stille Reserven heben kann, zusammenführe.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Also stelle ich fest: Zwei Gesellschaften wurden zusammengeführt, die ohnehin zusammengehören.

Zweitens stelle ich fest: Wir haben 250 Millionen c erwirtschaftet. Logischerweise werden bei einem späteren Verkauf der Nassauischen Heimstätte, wenn so etwas einmal anstehen sollte, die 250 Millionen c nicht noch einmal ausbezahlt. Aber der Wert der Nassauischen Heimstätte sinkt doch nicht. Er steigt doch insgesamt, weil die Effizienzen gehoben werden.

Drittens haben wir – das an all die Genossen, die bei bisherigen Aktivitäten zum Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften gemeckert haben – hier die sozialverträglichste Lösung beim Verkauf einer Wohnungsbaugesellschaft gefunden.

Ich komme zum Thema Straßenbau. Es ist ein Witz, wenn ausgerechnet die GRÜNEN sich darüber beklagen, dass wir jetzt beim Straßenbau kürzen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und die SPD. Es war der Kollege Walter. Dann nehme ich das zurück. – Sie haben diesen Bereich 1991 mit fast

140 Millionen DM übernommen und haben ihn, mit knapp 40 Millionen DM ausgestattet, wieder abgegeben. Sie haben 100 Millionen DM gestrichen. Wir werden sicherstellen, dass auch im nächsten Jahr mehr als doppelt so viel Geld für den Straßenbau ausgegeben wird, als Sie, zuletzt 1998, ausgegeben haben.

Die Entfernungspauschale muss ich mit einem Wort noch ansprechen, weil Sie immer sagen, das sei doch eine so tolle Gegenfinanzierung. Die Regelung hinsichtlich der Entfernungspauschale war das Ergebnis der Verhandlungen von Rot-Grün, um die Ökosteuer zu rechtfertigen. Als Gegenzug zur Ökosteuer wurde festgelegt, die Entfernungspauschale zu erhöhen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsch!)

Die Pauschale wollen Sie jetzt streichen, ohne die Ökosteuer zurückzunehmen.Das nenne ich einen Wahlbetrug.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auf zwei, drei kleine Punkte noch eingehen. Sie tun immer so, als würde in Hessen die Sozialarbeit eingestellt. Sie haben das anhand einiger Beispiele zu bestimmten Haushaltstiteln zu belegen versucht. Ich will zunächst auf die Schuldnerberatung eingehen. Das Land übernimmt in der Regel einen Anteil zwischen 5 und 20 % an den einzelnen Schuldnerberatungsstellen. Es ist auch vom Ministerpräsidenten klar gesagt worden, dass dieser Standard nicht gehalten werden kann. Aber zu behaupten, dass deshalb die Schuldnerberatung in Hessen zusammenbricht – wo auch die Amtsgerichte und andere Einheiten eingebunden sind –, ist einfach grober Unfug.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben einfach überhaupt keine Ahnung, Herr Kollege!)

Das Gleiche gilt für die Vertriebenenarbeit. Bei der Vertriebenenarbeit wurde um insgesamt 30 % gekürzt. Den Vertriebenenverbänden zu unterstellen, sie würden keine Integrationsarbeit und keine Sozialarbeit leisten, ist schlichtweg eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt viele Leute, die uns nicht immer nur wohl gesonnen sind und unsere Arbeit kritisch begleiten. Ich möchte Ihnen zum Abschluss ein Zitat bringen, das vom 12. September stammt. Der Mann, den ich zitieren will, wusste also, was auf ihn zukommen würde, und er hat unsere Arbeit in den letzten Jahren sehr kritisch begleitet. Er kommt übrigens aus dem Wahlkreis unseres Präsidenten Norbert Kartmann, und er wird dort offensichtlich sehr gut betreut. Er schreibt zum Schluss: „Ich danke Ihnen für Ihre gute Arbeit und wünsche, dass dies lange Zeit so erfolgreich weitergeht.“ Dem kann ich nichts hinzufügen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich darf deshalb feststellen, dass die Regierungserklärung des Hessischen Ministerpräsidenten betreffend „Operation sichere Zukunft in Hessen – entscheiden, durchsetzen, handeln!“ abgegeben wurde. Die Aussprache darüber hat stattgefunden und ist beendet.

Wir haben eine verbundene Debatte mit vier Anträgen geführt. Ich rufe die Anträge in der Reihenfolge der Tagesordnung auf, weil wir über sie zu befinden haben.

Ich komme zunächst zu Tagesordnungspunkt 33, dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Entlassung des Ministers der Finanzen, Drucks. 16/484. Wer ist für die Annahme dieses Antrags? – Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen diesen Antrag der SPD-Fraktion? – Die Fraktionen der CDU und der FDP. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 35, dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend „Haushaltspolitischer Marathonlauf statt 100-m-Sprint für Hessen nötig“, Drucks. 16/486. Wer ist für die Annahme des Antrags der FDP? – Die Fraktion der FDP.Wer ist gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Wer enthält sich? – Die Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 37, dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen steigt ab – größter Wahlbetrug in der Geschichte Hessens, Drucks. 16/488. Wer ist für die Annahme dieses Antrags? – Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen die Annahme? – Die Fraktionen der CDU und der FDP. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 41, dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend „Operation sichere Zukunft“, Drucks. 16/494. Wer ist für die Annahme des Entschließungsantrags der CDU? – Die Fraktion der CDU. Wer ist gegen die Annahme? – Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die Fraktion der FDP enthält sich. Damit ist der Entschließungsantrag der CDU mehrheitlich angenommen.

Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat entschieden, dass die Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an dieser Stelle mit einer Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion behandelt werden. Ich rufe daher Tagesordnungspunkt 71:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 92 HV, § 54 GOHLT – Drucks. 16/540 –

und Tagesordnungspunkt 74 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend Erweiterung zum Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 92 HV, § 54 GOHLT – Drucks. 16/543 –

Für die SPD-Fraktion spricht Norbert Schmitt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorwurf ist in der Welt, dass Hessen zu einer Steueroase geworden ist. Der Vorwurf ist in der Welt, dass durch Amtsverfügungen und durch gängige Praxis in Hessen Steuerhinterzieher nicht mit strafrechtlicher oder steuerrechtlicher Verfolgung rechnen müssen. Ich glaube, dass ein Landesparlament gerade nach der Debatte, die wir eben geführt haben, diesen Vorwürfen, die am Ende auch dazu führen, dass in Hessen zig Millionen Euro nicht eingenommen werden konnten, nachgehen muss. Deshalb haben wir ei

nen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Der „Spiegel“ berichtet, dass Steuerfahnder durch eine Amtsverfügung in ihrer Arbeit behindert wurden. 70 Frankfurter Steuerfahnder haben sich zusammengetan und gesagt: Es kommt zu erheblichen Steuerausfällen, weil wir als Steuerfahnder Anhaltspunkten für Steuerverkürzung nicht mehr im gebotenen Umfang nachgehen können und damit Steuerhinterzieher in Hessen geschont werden. – Das ist also nicht allein das Empfinden der Opposition, der SPD-Fraktion, der GRÜNEN, sondern auch die Meinung hessischer Steuerfahnder beim Finanzamt Frankfurt V. Diesem Vorwurf muss ein Parlament nachgehen, gerade nach der Debatte, wo wir über Kürzungen in Milliardenhöhe gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen auch dem Vorwurf nachgehen, dass Belege über Konten bei der Verwaltungs- und Privatbank Vaduz, die im Rahmen der Beschlagnahme im Verfahren gegen die Deutsche Bank auffällig geworden sind, überhaupt nicht erfasst und ausgewertet worden sind. Es gibt den Verdacht, dass damit insbesondere Menschen geschont worden sind, die über hohe Vermögen verfügen und diese ins Ausland gebracht haben. Damit muss sich unser Landesparlament auseinander setzen.

(Beifall bei der SPD)

Mindestens genauso schlimm sind die Berichte im „Spiegel“ über Einzelfälle, wo es um Beträge von über 400.000 DM ging und es einen Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung gab. Obwohl Steuerfahnder gesagt haben: „Wir sind dem nachgegangen und haben einen Anfangsverdacht, weil hier 400.000 DM wieder zurückgeholt worden sind“, wurden keine steuerrechtlichen und strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet. Diesem Vorwurf muss das Parlament nachgehen.