Protocol of the Session on March 29, 2007

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan ist wegweisend in seiner Orientierung am einzelnen Kind und an seinen Stärken unabhängig von der Institution, in der sich das Kind gerade befindet. Das hat auch die Erprobungsphase, die jetzt anderthalb Jahre gedauert hat und im Januar zu Ende gegangen ist, gezeigt.

120 Tandems,bestehend aus Kindergärten,Grundschulen, aber auch weiteren Institutionen wie Mütterzentren, Tagespflege, aber auch Fachschulen und Universitäten, haben sich an der Erprobung beteiligt. An dieser Stelle möchte ich für meine Fraktion den Dank an alle beteiligten Tandems im inneren und im äußeren Kreis und alle diejenigen richten, die die Tandems begleitet haben.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Die brauchen Unterstützung und keine leeren Worte!)

Frau Hartmann, hier wird nichts verordnet. Wie sehr der Bildungs- und Erziehungsplan überzeugt hat, zeigt allein schon die große Anzahl der Tandems,die weit über die Erwartungen hinausging, die sich daran beteiligt haben, und auch das riesige Engagement in den Teams, bei den Verantwortlichen und bei der Erarbeitung der Konzepte in der Umsetzungsphase während der Erprobung.

Lassen Sie mich einige Ergebnisse nennen,die ich aus Gesprächen mit Tandems festhalten kann. Das Konzept und auch die Inhalte des Bildungs- und Erziehungsplans haben sich außerordentlich bewährt und werden einhellig von allen Beteiligten als äußerst positiv beurteilt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Es ist noch nicht einmal die zuständige Ministerin da!)

Eine umfassende Fachberatung und Begleitung ist notwendig und sinnvoll,aber die Tandems haben das auch bekommen. Die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch der beteiligten Tandems mit anderen Tandems wurde von den Teilnehmern als sehr wichtig eingeschätzt, und die durchgeführten Regionalkonferenzen und Fachforen wurden sehr begrüßt. Ihnen kam eine große Bedeutung zu.

Praxisbeispiele und Handlungsempfehlungen für die Erzieher, für die Lehrer, für die Tagespflege, aber auch die Eltern wird gewünscht. Das ist sinnvoll und wird auch erstellt. Deshalb möchte ich gerade auch für alle Eltern noch einmal sagen: Ihrer Beteiligung, ihrer Einbeziehung in den Bildungsprozess kommt nach wie vor eine sehr große Bedeutung zu,und dazu brauchen sie unsere Unterstützung.

Ich möchte begrüßen, dass das Sozialministerium in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen bereits eine mehrsprachige Ausgabe eines Elternratgebers erstellt hat, der in sehr anschaulicher Weise den Eltern wertvolle Hinweise zu den wichtigen Fragen der Bildung und Erziehung gibt.

Meine Damen und Herren, das ist der richtige Weg. Natürlich besteht ein großer Fortbildungsbedarf sowohl in den Kindertagesstätten als auch in den Schulen. Deshalb haben wir bereits im Haushalt 2007 Mittel im Sozial- und auch im Kultusetat bereitgestellt.

Natürlich müssen die Lehrpläne der Erzieherausbildung ebenso wie die Lehrpläne der Lehrerausbildung den Erfordernissen der Bildungs- und Erziehungspläne gerecht werden. Frau Hartmann, Sie haben aber nur von den Kindertagsstätten gesprochen. Sie als Bildungspolitikerin ha

ben die Grundschulen völlig außen vor gelassen. Das enttäuscht mich sehr.

Zur Ausbildung des Personals in den Kindertagesstätten möchte ich abschließend noch eine Bemerkung machen. Wir wollen den Beruf der Erzieherin und des Erziehers weiterhin für unsere Realschüler und Realschülerinnen in Hessen offen halten. In unseren Augen ist es wenig sinnvoll, das bewährte mehrstufige Ausbildungssystem an den Fachschulen aufzugeben und nur noch Abiturienten nach erfolgreichem Studium den Weg in die Kindertagesstätten zu eröffnen.

Über Fachabitur und Anerkennung der Ausbildungsinhalte der Erzieherausbildung an den Fachschulen durch die Fachhochschulen können die Erzieherinnen künftig aber ein Studium anschließen und sich z. B. für Leitungsaufgaben weiterqualifizieren.

Meine Damen und Herren, der Weg, den Hessen mit dem Bildungs- und Erziehungsplan geht, ist nicht umkehrbar. Aufbauend auf der engagierten Arbeit der beteiligten Tandems aus freien Trägern, kirchlichen und kommunalen Kindergärten sowie den Grundschulen wollen wir den Bildungs- und Erziehungsplan in Hessen flächendeckend als umfassendes Förderkonzept für alle Kinder etablieren.Wir sagen Ja zur individuellen Förderung eines jeden Kindes in Hessen, und wir sagen Ja zu einer umfassenden Unterstützung und fachlichen Begleitung der Erzieher, Tageseltern und Lehrer.

(Petra Fuhrmann (SPD):Wo denn? – Heike Habermann (SPD):Virtuell!)

Wir wollen die Auswertungsphase, die jetzt folgt, abwarten und werden dann Entscheidungen treffen. Wir befürworten den breiten Dialog mit den Eltern genauso wie mit den Fachleuten der Wissenschaft zur Weiterentwicklung eines gemeinsamen Konzeptes der Bildung und Erziehung von Anfang an. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie finanzieren Sie das?)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Wagner, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Rede ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die sich an der Erprobungsphase des Bildungs- und Erziehungsplans in den Einrichtungen beteiligt haben. Hier wurde eine hervorragende Arbeit geleistet.Hier wurde sich weit über das normale Maß hinaus engagiert. Deshalb können wir heute über die Große Anfrage und über die Erfahrungen mit diesem Bildungs- und Erziehungsplan in der Erprobungsphase reden. Ein ganz herzliches Dankeschön an die Menschen in diesen Einrichtungen, die sehr engagiert gearbeitet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil in diesen Einrichtungen so engagiert gearbeitet wurde, wäre es wichtig, dass dieses Engagement nicht ins Leere läuft. Jetzt wäre die Landesregierung am Zuge, zu sagen, welche Konsequenzen sie aus der engagierten Ar

beit dieser Einrichtungen zieht. Hier ist leider Fehlanzeige.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin Wolff, was ist das eigentlich für ein Zustand, dass die Erprobungsphase des Bildungs- und Erziehungsplans im Januar ausläuft, und zwar sang- und klanglos ausläuft? Wir hören von dieser Landesregierung nicht, welche Konsequenzen sie im Anschluss an diese Erprobungsphase zieht, was sie machen will. Frau Ministerin Wolff, es ist sogar noch viel schlimmer. Denn meine Fraktion und die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben Ihnen bereits zu den Beratungen des Haushalts 2007 sehr konkrete Vorschläge gemacht, um für die Zeit nach der Erprobungsphase gerüstet zu sein. Aber Sie haben alle diese Vorschläge abgelehnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Niedergestimmt!)

So kann man mit dem Engagement in den Einrichtungen nicht umgehen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, eine sogenannte Kindergarteneingangsuntersuchung einzuführen,bei der die Eltern,wenn die Kinder drei Jahre alt sind, über den Entwicklungsstand ihres Kindes beraten werden und Empfehlungen für den weiteren Erziehungs- und Bildungsweg ihres Kindes bekommen. Das haben Sie abgelehnt.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, weitere Mittel für die stärkere Einführung der flexiblen Eingangsstufe an der Grundschule in den Haushalt einzustellen. Das haben Sie abgelehnt.Wir haben Ihnen vorgeschlagen, das Ganztagsschulprogramm des Landes viel stärker auch auf die Grundschulen auszuweiten, die das wollen. Sie haben das abgelehnt. Wir haben Ihnen ein Programm für die gemeinsame Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern und Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern vorgeschlagen. Sie haben das abgelehnt.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Das gibt es schon!)

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Eltern- und Erziehungsberatung weiter auszuweiten. Sie haben nicht nur diesen Vorschlag abgelehnt, sondern Sie haben diese Angebote sogar im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ gekürzt.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Wir haben Ihnen weiterhin vorgeschlagen, dass Sie endlich organisatorische Klarheit in der Landesregierung schaffen und die verschiedenen Abteilungen, die im Haus von Frau Lautenschläger und im Haus von Frau Wolff für dieses Thema zuständig sind,endlich zusammenfassen.Sie haben das abgelehnt, und Sie machen es bis heute nicht.

So kann man wirklich nicht mit den Einrichtungen umgehen, die zwei Jahre lang eine hervorragende Arbeit geleistet haben, dass die Landesregierung dann ihren Job nicht macht. So geht es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es erinnert alles fatal an ein früheres familienpolitisches Papier, das sich die Landesregierung hat schreiben lassen. Frau Wolff, Frau Lautenschläger, erinnern Sie sich noch an Herrn Prof. Borchert? Herr Prof. Borchert wurde von der Landesregierung beauftragt, einen Wiesbadener Ent

wurf einer familiengerechten Strukturreform des Sozialstaats zu schreiben. Herr Prof. Borchert hat es getan.

(Florian Rentsch (FDP): Dr. Borchert! Jetzt reicht es aber!)

Herr Kollege Rentsch, vielen Dank, dass Sie sich mit dem Streit um akademische Titel in diese Debatte einbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er hat ja keinen!)

Herr Borchert hat diese Vorschläge im Jahr 2002 vorgelegt, und im Jahr 2005 stellt Herr Borchert resigniert fest, er sei von der Landesregierung zum Hofnarren gemacht worden, weil keiner seiner Vorschläge sinnvoll umgesetzt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen Ministerinnen, das erinnert fatal an den Bildungs- und Erziehungsplan, über den wir heute reden. Auch hier wurde ein hervorragendes Konzept von Herrn Prof. Fthenakis vorgelegt. Das ist im Jahr 2005 geschehen. Jetzt haben wir zwei Jahre später, und wie bei Herrn Borchert müssen wir auch bei Herrn Prof. Fthenakis feststellen: Papier ist geduldig, Folgerungen zieht die Landesregierung nicht.Aber das ist bei diesem Thema sehr bedauerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat die Kultusministerin, Frau Staatsministerin Wolff.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr viel näher an der Realität als die Wahrnehmungen von Frau Hartmann und Herrn Wagner ist das,was uns aus einem Tandem geschrieben worden ist. Ich zitiere: „Der Bildungs- und Erziehungsplan hat uns eine Initialzündung gegeben.“

(Petra Fuhrmann (SPD): Man nennt es auch Fehlzündung!)

Ich glaube, das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was in den Tandems und in den Einrichtungen diskutiert, was dort gearbeitet und was von den Vorschlägen des Bildung- und Erziehungsplans aufgenommen und weiterentwickelt wird.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Ihnen überhaupt noch jemand schreibt!)

Es gibt eine Neubewertung der frühen Bildung.Wir haben einen Bildungs- und Erziehungsplan, der das Kind und nicht Institutionen in den Mittelpunkt stellt, der Verzahnungen ermöglicht und Bildungsorte zueinander führt, der den Erwachsenen, die mit diesen Kindern zu tun haben, Orientierung gibt. Hessen hat übrigens als erstes Land einen solchen Bildungs- und Erziehungsplan bis zum zehnten Lebensjahr integriert vorgelegt und wird ihn auch weiterentwickeln.

Der Bildungs- und Erziehungsplan ist eine Möglichkeit der Kooperation zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Ministerien und den entsprechenden Behörden vor Ort im kommunalen Bereich, mit der Wissenschaft, und zwar mit Prof. Fthenakis, der uns als einer von fünf Frühpädagogen in Deutschland in beachtlicher Weise zur Seite steht. Es gibt die Kooperation in einer Fachkommission zwischen den Ministerien und den Praktikern beider Seiten, eine Kooperation im Entwicklungsprozess der Entwürfe, eine Kooperation im Rahmen von Anhörungen in der Erprobungsphase von August 2005 bis zum Januar dieses Jahres und der wissenschaftlichen Begleitung.

Meine Damen und Herren, Kooperation liegt auch insofern vor, als in Tandems bis zu zehn Einrichtungen die Dinge miteinander entwickeln und beobachten. Kooperation und Unterstützung gibt es insoweit – da widerspreche ich allen, die behaupten, das sei nicht der Fall –, dass wir Auftaktveranstaltungen organisiert, Fachberatung vor Ort angeboten, Fortbildungen sowohl für die Einrichtungen als auch für die Fachberatungen durchgeführt und diese damit qualifiziert haben, Regionalkonferenzen und Fachforen gestaltet haben, die wissenschaftliche Begleitung zur Verfügung stand und die Tandems einzeln besucht und von beiden Ministerien begleitet worden sind.