Protocol of the Session on March 28, 2007

Meine Damen und Herren, weder der Präsident des Bundes der Steuerzahler noch das Mitglied der Redaktionsleitung von „Bild“, „FAZ“, „Neuer Presse“ und anderen Organen, noch der Intendant des Hessischen Rundfunks oder ein leitender Mitarbeiter des HR, noch der Geschäftsführer eines Verlages, geschweige denn, der leitende Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Bank – um nur einige Beispiele zu nennen –, würden für eine vergleichbare Versorgung auch nur morgens aufstehen,

(Beifall bei der CDU und der SPD – Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

von den aktiven Gehältern ganz zu schweigen.

Vorwurf Nummer drei:Abgeordnete sind gierig und können nicht genug kriegen. – Dieser Vorwurf ist bösartig, und dieser Vorwurf ist falsch. Nach der Neufassung des

Hessischen Abgeordnetengesetzes Ende der Achtzigerjahre unter Beteiligung des Bundes der Steuerzahler und vieler unabhängiger Experten und Gutachter, die alle zugestimmt haben, war das Gehalt der Landtagsabgeordneten eingeordnet und vergleichbar der Besoldungsgruppe B 5 der Beamten. Heute – 2007 – entspricht die Entschädigung der Abgeordneten der Besoldungsgruppe B 3.

Ich kenne keinen Beamten, keinen hauptamtlichen Wahlbeamten in den Städten und Gemeinden, keinen Ministerialbeamten in Wiesbaden, der 1989 B 5 hatte und heute – im Jahr 2007 – B 3.Ich kenne aber sehr viele,die 1989 nach B 3 besoldet wurden und heute bei B 4, B 5, B 6 oder B 7 liegen.

Meine Damen und Herren, all das ist die Wahrheit und stets zu belegen, wie auch die vielen Nullrunden und reduzierten Anpassungen in den letzten 16 Jahren. Andere Behauptungen in veröffentlichter Meinung sind Zerrbilder, sind Verunglimpfung, sind Diffamierung, ja, sie sind ehrenrührig.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich bin nicht bereit, dies zu akzeptieren. Die 110 Abgeordneten des Hessischen Landtags sind Mitglieder des höchsten Verfassungsorgans unseres Landes. Sie sind nach Rang und Protokoll die 110 höchsten Repräsentanten unseres Bundeslandes Hessen. Es gibt keine andere Gruppe mit ähnlicher Verfassungsstellung, Aufgabe und Verantwortung. Vor allem sind sie nicht mit Arbeitnehmern mit einer 36-, 40- oder 42-Stunden-Woche zu vergleichen.

Abgeordnete werden auch abends und vor allem an den Wochenenden nachgefragt und angefordert. Sie kommen auf eine 50- oder 60-Stunden-Woche. Wer, wie ich, in diesem Jahr 25 Jahre dem Hessischen Landtag angehört und die Funktion eines Vizepräsidenten ausübt, kann dies für alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause beurteilen.

Meine Damen und Herren,wenn man überhaupt den Versuch eines Vergleichs unternimmt, dann gehören Abgeordnete in die Kategorie Bürgermeister großer Städte oder Landräte,Vorstandsmitglieder öffentlich-rechtlicher Sparkassen,Abteilungsleiter in Ministerien oder Staatssekretäre, Geschäftsführer von Unternehmen, die in öffentlichem Eigentum sind – Energie- oder Verkehrsunternehmen –,Direktoren von öffentlich-rechtlichen Banken,Regierungspräsidenten, Geschäftsführer von Kommunalen Spitzenverbänden, Hauptgeschäftsführer von Verbänden und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, die mehrheitlich im öffentlichen Eigentum sind. Alle Angehörigen dieser sogenannten Vergleichsgruppen erhalten eine bedeutend höhere Vergütung und eine weitaus bessere Versorgung, teilweise vor dem 55. Lebensjahr.

Die Unabhängigkeit der Abgeordneten nach dem Urteil und die Möglichkeit für jeden, in den Landtag gewählt zu werden und das Mandat ungehindert und ohne Nachteil auszuüben – laut Art. 76 unserer Hessischen Verfassung –, haben für uns alle eine sehr elementare Bedeutung. Es muss deshalb auch in der Zukunft sichergestellt sein, dass Abgeordnete aus allen Schichten in den Landtag gewählt werden können und nicht nur diejenigen, die es sich leisten können.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Lassen Sie mich dies etwas in meiner Art sagen: Wie hat nun der ideale Abgeordnete nach dem Anspruch der ver

öffentlichten Meinung und dem Zerrbild der haltlosen Kritiker zu funktionieren?

Er ist rund um die Uhr im Einsatz und Fachmann auf allen Gebieten. Er hat sich stets um die privaten Interessen und Belange der Bürger zu kümmern; gleichzeitig kontrolliert er ständig das Regierungshandeln – möglichst ohne Mitarbeiter und unter Verzicht auf die Mittagspause.

Er arbeitet ehrenamtlich. Er bringt monatlich einen Kostenbeitrag für die Funktionsfähigkeit des Landtagsgebäudes auf. Er hat im Winter einen Heizkostenzuschuss zu leisten und verzichtet auf jeglichen Urlaub.

Meine Damen und Herren, er soll sämtliche Veranstaltungen von Städten und Gemeinden, Vereinen und Verbänden mit seiner Anwesenheit schmücken. Er soll ständig Spenden überreichen und sich für seine Arbeit andauernd entschuldigen.Von ihm wird erwartet, dass er gleichzeitig im Wahlkreis, in Wiesbaden und in Berlin ist. Er hat bei jedem Fest die Runden zu werfen, und jedes Bier, das man ihm hinhält, muss er trinken, ohne blau zu werden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, er muss in der Zeit von 22 bis 6 Uhr morgens telefonisch erreichbar sein, dabei immer freundlich, zuvorkommend und verbindlich. Sein Familienleben sollte er eigentlich abschreiben. Er sollte überall Vorbild sein und jedem Recht geben.

Dafür erhält er im Alter überhaupt keine Versorgung, sondern finanziert ab dem 60. Lebensjahr mit Pflichtbeiträgen die Versorgung der hessischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Meine Damen und Herren, das ist das Idealbild, das Zerrbild, das in der Presse, in der veröffentlichten Meinung dargestellt wird. Man kann und darf dies nicht so stehen lassen.

Es ist nun einmal so: Nahezu jeder Hesse möchte die Besoldung und Versorgung eines Landrats, aber kaum einer wäre bereit – auch kein Journalist –, die entsprechende Funktion, Verantwortung und vor allem Arbeitszeit zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Der von CDU und SPD vorgelegte Gesetzentwurf wird durch die Wirkung seiner Änderungen und Anpassungen ab der kommenden Legislaturperiode zu Einsparungen um bis zu 20 % für das Land führen. Die Einzelheiten kann ich mir hier ersparen. Sie sind in den letzten Tagen ständig publiziert worden,und darauf wird sicherlich auch noch eingegangen.

Ich trage diesen Gesetzentwurf, der in meiner und in der SPD-Fraktion mit großer Mehrheit genehmigt wurde,mit, aber ich will Ihnen meine ganz persönliche Meinung hier in aller Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Ich habe diese Meinung schon immer vertreten.

Nach meiner festen Überzeugung sind die Besoldung der hessischen Abgeordneten zu niedrig,die Versorgung nicht angemessen, die personelle Zuarbeit unzureichend und die räumlichen Arbeitsmöglichkeiten im Landtagsgebäude größtenteils unzumutbar.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich würde es sehr begrüßen, wenn eine sachliche Beratung dieses Gesetzentwurfes in

den nächsten Wochen auch dazu führen würde, die Bedeutung des höchsten Verfassungsorgans unseres Landes dabei in den Mittelpunkt zu rücken. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei Abge- ordneten der SPD)

Nächste Rednerin ist für die FDP Frau Kollegin Nicola Beer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Ausführungen des Kollegen Lortz, insbesondere zu den Leistungen von Abgeordneten, aber auch zu der Wertigkeit, die diese Arbeit von Abgeordneten aller Ebenen haben sollte, der getragenen Verantwortung für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft, die wir alle auf uns lasten spüren, kann ich unterschreiben.

Ich pflichte Ihnen in der Diskussion bei, wenn es um die Aktivbesoldung der Landtagsabgeordneten, aber auch der Abgeordneten aller anderen Ebenen geht, und meine, dass sie dieser Verantwortung, dieser Leistung, aber auch dieser Arbeitsbelastung momentan nicht angemessen ist. Ich pflichte Ihnen auch bei, dass wir noch viel stärker in eine Diskussion über die sachliche Ausstattung für unsere Arbeit an dieser Gesellschaft, für unsere Demokratie sprechen sollten.

Sehr geehrter Herr Lortz,ich bin Ihnen sehr dankbar,dass Sie auch gesagt haben, dass keines der vorgelegten Modelle ehrenrührig ist. Ich komme nämlich zu einer völlig anderen Einschätzung als Sie, wenn es um die Abgeordnetenversorgung beim Eintritt in das Rentenalter geht.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube nämlich – und da müssen wir auch in der Diskussion mit der Bevölkerung fair sein, mit unseren Wählerinnen und Wählern –, dass es einer Gesellschaft nicht klargemacht werden kann, wenn wir auf der einen Seite politisch von jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin, von jedem Selbstständigen und jedem Beamten verlangen, er möge weit stärker als in der Vergangenheit Eigenvorsorge betreiben, sich um seine eigene Altersvorsorge bemühen, dann aber derartige Modelle für uns als Abgeordnete ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Daher bleiben wir als Liberale bei dem Modell: Privat geht vor Staat.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Kollege Wagner, wir haben dieses Modell mit als Erste nicht nur in die Diskussion im Hessischen Landtag, sondern auch in die bundesweite Diskussion eingebracht.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Herr Dr. Wagner, vielleicht können wir da ein bisschen Ruhe finden; denn ich fand es sehr schön, auf welcher sachlichen Ebene der Kollege Lortz die Diskussion gerade eröffnet hat.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich glaube, an dieser Stelle rächt es sich, dass die CDUFraktion die Forderung der FDP abgelehnt hat, eine externe Expertenkommission mit der Erarbeitung eines solchen Systemwechsels hin zu einer privaten Altersvorsorge für Abgeordnete zu beauftragen.

(Clemens Reif (CDU):Wieso können wir das nicht selbst?)

Denn was ist das Ergebnis?

Der Antrag der FDP-Fraktion, damals noch gemeinsam mit der SPD-Fraktion, datiert vom Mai 2003.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Seitdem sind vier Jahre einer internen, mit Abgeordneten besetzten Kommission ins Land gegangen; vier Jahre, in denen wir – geben wir es doch zu – im eigenen Saft geschmort haben; vier Jahre, in denen immer wieder einmal gesagt wurde, jetzt müssen wir diese oder jene Entwicklung abwarten. Wir haben auf Nordrhein-Westfalen geschaut, auf Schleswig-Holstein – aber getan haben wir nichts.

Es wäre wesentlich besser gewesen, in einen Systemwechsel einzusteigen, wie es beispielsweise die Kollegen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gemacht haben, statt jetzt, nach vier Jahren der Diskussion, lediglich kosmetische Korrekturen am bestehenden System vorzunehmen. Diese Korrekturen sind acht Jahre statt sechs Jahre für den Erwerb des Anspruchs – –