Protocol of the Session on March 28, 2007

Herr Kollege Posch, denken Sie an die Redezeit. Bitte, ich habe Sie zweimal auf die Redezeit hingewiesen. Sind Sie nun fertig?

Ja. – Wir werden dies im Ausschuss beraten. – Herr Präsident, vielen herzlichen Dank.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP)

Herr Posch, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Boddenberg für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Posch, auch wenn ich das formal nicht mehr zur Kenntnis nehmen müsste, weil Sie außerhalb der Redezeit gesprochen haben, sage ich Ihnen: Wir kommen auf Ihre Punkte zurück, und wir werden sie im Ausschuss beraten. Sind Sie damit einverstanden?

Lieber Herr Posch, ich will zunächst einmal Folgendes sagen: Ich glaube, dass Ihnen bei dem, was Sie eingangs in Ihrer Rede angesprochen haben, nämlich der Frage, ob dieses Land weitere Veränderungen braucht – Sie haben dies mit dem klassischen Begriff der „Reform“ überschrieben –, niemand widersprechen wird.

Ich gebe zu, auch ich gehöre zu denen, und das gilt für die CDU insgesamt, die mit ein wenig Sorge sehen, dass erste Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt – Herr Posch, diese sollten auch Sie nicht wegreden, weil sie nachweislich stattfinden – bei dem einen oder anderen dazu führen, zu sagen: „Lass uns doch einmal pausieren!“ Sind Sie damit einverstanden, dass wir das nicht tun und dass wir angesichts der Tatsache, dass sich viele andere Gesellschaften sehr schnell verändern, parteiübergreifend dafür sorgen müssen, dass sich unser Land dort verändert, wo Mehrheiten glauben, dass dies notwendig sei?

Herr Posch,ich will Ihnen auch sagen – es ist zunächst einmal das gute Recht einer Oppositionsfraktion –, dass zu einer zunehmenden Erkenntnis gehört, dass man bestimmte Dinge nicht überstrapazieren darf – wie die Analyse und die Kritik.

Wenn Sie dies am Beispiel der Mehrwertsteuer und dem, was gerade in jüngster Vergangenheit passiert ist, festmachen, dann will ich es ebenfalls als Beispiel anführen. Ich sage Ihnen, dass es nach meiner Erinnerung so war, dass die Berliner Oppositionsfraktionen wie FDP, GRÜNE und andere mit den schlimmsten Szenarien aufgewartet haben in Bezug darauf, was die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung sein würden.

Meine Damen und Herren, damit sage ich Ihnen ausdrücklich, dass die Erhöhung einer Steuer, auch die der Mehrwertsteuer, zunächst einmal nicht nur unpopulär, sondern sicherlich auch fiskalisch und wirtschaftspolitisch nicht wachstumsförderlich ist. Das wird niemand bestreiten.

Ich halte diesen Schritt aber für vertretbar, wenn man die Erhöhung zum richtigen Zeitpunkt macht, am Ende also das tut, was diese Bundesregierung unter der Verantwortung der CDU getan hat, indem sie die Steuererhöhung dazu verwandt hat, dort zu entlasten, wo wir alle miteinander immer sagen, dass Entlastungen stattfinden müssten, nämlich bei den Arbeitskosten.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, über das Ergebnis, welches Sie angesprochen haben, dass die deutsche Konjunktur zunächst einmal nicht gelitten habe, sollten wir uns eher freuen, statt es zu beklagen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Meine Damen und Herren, Herr Posch und Herr Hahn, Sie gehören auch zu denen, die aus der Situation, wie wir sie in Berlin nun mal haben, Kapital schlagen. Herr Hahn, das ist ebenfalls Ihr gutes Recht. Herr Posch, wenn Sie aber das Wort „Doppelstrategie“ in den Mund nehmen, und Herr Hahn,wenn andere Liberale vom Bruch von Sozialversprechen reden,dann muss ich Ihnen immer wieder in Erinnerung rufen – das sage ich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich in Richtung FDP –: Diejenige Fraktion, die von ihren Wahlversprechen nichts umgesetzt hat, war die FDP,und natürlich waren das auch die GRÜNEN, weil sie an dieser Bundesregierung nicht beteiligt sind.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn und Herr Posch, in einer Koalition ist es auf der einen Seite so, dass man einen Weg der Kompromisse suchen muss. Es ist auf der anderen Seite aber auch notwendig – das hat unser Ministerpräsident als stellvertretender Bundesvorsitzender in der Vergangenheit getan –, darauf hinzuweisen, dass bei einer anderen Mehrheitskonstellation und unter unserer Verantwortung viele Dinge anders laufen würden. Das ist doch völlig unbestritten. Ich weiß nicht, weshalb Sie dann von einer „Doppelstrategie“ reden. Wir sind der Meinung, dass man dies den Menschen sagen muss.

(Beifall bei der CDU)

Herr Posch, ich will auf einige Punkte Ihres Antrags eingehen. Ich will etwas zu dem Kündigungsschutz sagen, denn in diesem Zusammenhang wird immer wieder das Land Dänemark angeführt. Ich glaube, Sie sind in Dänemark auch dabei gewesen. Dort haben wir uns durchaus fasziniert angeschaut, wie diese im Vergleich zur Bundesrepublik allerdings relativ kleine Volkswirtschaft mit dem Thema „Flexibilität des Managements am Arbeitsmarkt“ umgeht. Da können wir uns vieles abschauen.

Herr Posch, es gibt auch in der CDU-Fraktion die Idee, zu sagen: Lasst uns, wenn wir schon einen Schritt machen, einen richtigen gehen, nämlich den in Richtung mehr Flexibilität,aber unter Beteiligung der Betroffenen.– Wenn Sie an dieser Stelle Dänemark ansprechen, dann muss man weiterhin feststellen, dass uns von diesem Land etwas massiv unterscheidet, nämlich dass dort der Kündigungsschutz mehr oder weniger bei den Tarifpartnern verankert ist.

Dänemark hat auch allein dadurch eine sehr viel größere Flexibilität als Deutschland, dass dort unterschiedliche Branchenlösungen verabschiedet werden. Auch das gehört zu diesem Vergleich dazu. Ich widerspreche an dieser Stelle übrigens ausdrücklich Herrn Sinn, der behauptet hat, es gebe dort keinen Kündigungsschutz. Das stimmt so

nicht. Der Kündigungsschutz ist nicht gesetzlich verankert, sondern wird zwischen den Tarifpartnern verabredet. Ich glaube, das ist ein Weg, über den wir diskutieren und den wir auch gehen sollten.

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Wir sind im Moment nicht in der Situation, dass wir mit unseren Partnern in Berlin in diese Richtung marschieren könnten. Darüber könnten wir jetzt weiter lamentieren, oder wir können es einfach zur Kenntnis nahmen und am Ende zugeben, Herr Posch, dass die Mehrheiten für einen solchen Wechsel in Deutschland – jedenfalls zu dem damaligen Zeitpunkt – nicht vorhanden waren.

Herr Posch, ich will nun einen anderen Punkt ansprechen, und zwar komme ich zur Landespolitik sowie zur „Doppelstrategie“. Ich sage Ihnen, was ich Ihnen soeben per Zwischenruf angedroht habe, dass ich nämlich noch einmal zitiere werde, was aus meiner Sicht nicht zusammenpasst: dass Sie in Ihrem Antrag davon reden, dass Sie ein grundsätzliches Verbot der Neuverschuldung haben wollen, dann aber gleichzeitig keine Gelegenheit auslassen – das haben wir heute Morgen am Beispiel des ÖPNV gesehen –, die Folgen, die mit ganz konkreten Einsparungen verbunden wären, im Hessischen Landtag zu beklagen. Das nenne ich wahrlich eine Doppelstrategie, Herr Posch.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang bitte ich darum, zu akzeptieren, dass wir das auch den Menschen sagen, denn gerade heute Morgen haben Sie dafür den Beweis angetreten.Ich sage an dieser Stelle aber gleich dazu, Folgendes stimmt mitnichten, bevor das nachher vielleicht zu einer Kurzintervention führt, nach dem Motto: „Boddenberg spricht sich auf der einen Seite für Steuererhöhungen bzw.die Erhöhung der Mehrwertsteuer aus; auf der anderen Seite ist er aber dagegen, dass die Neuverschuldung abgebaut wird.“

Herr Posch, meine Damen und Herren, das ist auch unsere Position. Man muss aber auch eines feststellen – gerade, wenn man immer wieder hört, dass sich Politik im Grunde genommen marktgerecht verhalten sollte bzw. so, wie es viele Unternehmen in der Wirtschaft tun –: Ein Neuverschuldungsverbot, wie es an mancher Stelle diskutiert wird, mit einer sehr apodiktischen Formulierung, die da lautet: „Keinen Euro neue Schulden, weder für konsumtive noch für investive Ausgaben des Staates“, hielte ich tatsächlich für falsch, weil sich kein Untenehmen dieser Welt etwas Ähnliches auferlegen und damit seine Handlungsspielräume beispielsweise in schwierigen Konjunkturzyklen nahezu auf null senken würde. Davon rate ich dringend ab; dennoch glaube ich, dass wir uns in der Tendenz durchaus einig sind.

Herr Posch,ich will einen letzten Punkt Ihres Antrags aufgreifen, den Bürokratieabbau. Wir haben gestern Abend wieder mit Vertretern der Wirtschaft diskutiert. Das Wort „Bürokratieabbau“ führt nun wirklich jeder im Munde, gerade auch die mittelständische Wirtschaft. Ich sage das hier noch einmal sehr konkret – ich glaube, wir haben schon einmal über die Mittelstandsförderung gesprochen –: Wir diskutieren zurzeit mit den hessischen Kammern, der Wirtschaft und den Verbänden über die Mittelstandsförderung. Ich komme am Ende zur Erkenntnis – das bestätigen uns auch die entsprechenden Vertreter bei jeder Gelegenheit –, dass jeder einzelne Punkt, den wir machen, aus ihrer Sicht in Ordnung ist, sei es nun beim Vergaberecht oder der Befristung von Gesetzen, was von

Ihnen ebenfalls angesprochen worden ist, und viele Punkte mehr.

Da ich mit der hessischen Wirtschaft mehrere Gesprächsrunden geführt und darüber geredet habe, was wir aus deren Sicht noch ins Mittelstandsförderungsgesetz schreiben sollten, weiß ich, dass im Grunde genommen nur die Dinge genannt werden, die schon woanders geregelt worden sind. Ich komme somit zur Erkenntnis:Wir brauchen fürs Schaufenster kein Gesetz mehr.Wenn Dinge geregelt sind,dann sind sie geregelt,und dann sollten wir auch dort Bürokratieabbau praktizieren und nicht nur darüber reden. Das sage ich auch gerade den Vertretern des hessischen Handwerks.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nun komme ich zum allerletzten Punkt. Da will ich – wie auch Sie, Herr Posch – auf einige hessische Probleme eingehen. Ich will auf die von Ihnen beschriebene Situation auf dem Arbeitsmarkt und damit auf die Situation der Konjunktur eingehen.Ich glaube, gerade auch für Hessen sagen zu können, dass wir auf einem guten Wege sind. Damit sage ich nicht, dass wir nicht auch noch eine Reihe Dinge ändern müssten, so z. B. auf dem Arbeitsmarkt und damit auch auf dem hessischen Arbeitsmarkt. Schauen Sie sich aber bitte die Wirtschaftsdaten und deren Entwicklung einmal an.

(Norbert Schmitt (SPD): Das schauen wir uns an!)

Schauen Sie sich das Bruttoinlandsprodukt an – mit dem hessischen Durchschnitt liegen wir über dem nationalen Vergleich. Wir liegen aber auch deutlich über internationalen Wettbewerbern wie Japans oder Großbritannien, um einmal zwei wesentliche Wettbewerber zu nennen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das sind 2,1 %!)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich an, was diese Landesregierung in den letzten Jahren zunächst zusammen mit der FDP, aber auch unverändert unter alleiniger Verantwortung fortgeführt und weiterentwickelt hat.

Das betrifft nicht nur den Ausbau des Flughafens in Frankfurt. Wir haben gerade gestern darüber reden können, dass es erfreulicherweise gelungen ist, das Unternehmen Ticona am Standort zu halten, was auch für den Standort spricht.Es glaube niemand,dass die das machen, um uns einen Gefallen zu tun. Das ist knallhart kalkulierte Standortpolitik des Unternehmens gewesen.

Das betrifft auch die Entwicklung des Flughafens in Kassel-Calden. Unmittelbar an diesem Flughafen werden definitiv 1.000 und noch sicherlich noch viele weitere Arbeitsplätze entstehen. Außerdem werden auch Arbeitsplätze in der nordhessischen Wirtschaft entstehen. Das ist allein deswegen der Fall, weil wir die Umwegfinanzierung gewählt haben. Weitere viele Zehntausende Menschen in der Region werden davon etwas haben.Herr Jürgens,darüber sollten auch Sie sich als Nordhesse freuen.

Nicht nur die Nordhessen, sondern alle Bürger dieses Bundeslandes sollten sich darüber freuen, dass diese Landesregierung sowohl in das Straßennetz wie auch in den öffentlichen Personennahverkehr unvermindert investiert. Damit gestaltet sie die Verkehrsinfrastruktur maßgeblich und entwickelt sie weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte jetzt auf einen ganz anderen wichtigen Punkt zu sprechen kommen, um den es gehen muss, wenn wir über Infrastruktur reden.Herr Posch,in dem Antrag Ihrer

Fraktion, in dem es um den Finanzplatz Frankfurt geht, ist zu lesen, dass er ein Synonym für das ist, wofür Hessen steht, und zwar national wie international. Es ist ein Dienstleistungsstandort, gerade für die Finanzwissenschaften und für die Finanzdienstleistungen.

Auch das sollten wir uns bitte anschauen. Kein anderes Bundesland hat wie Hessen in die Hochschulen investiert. Das betrifft die Entwicklung der Investitionen der letzten acht Jahre. Kein anderes Bundesland ist hinsichtlich der Autonomie der Hochschulen so mutig gewesen.Auch darüber haben wir heute schon diskutiert.

Kein anderes Bundesland hat ein so klares Profil in einzelnen Bereichen, wie es Hessen mittlerweile hat. Das betrifft insbesondere eine für uns wichtige Technologie oder, besser gesagt, Wissenschaft, nämlich alle Fragen, die mit der Finanzdienstleistungswirtschaft zusammenhängen. Das betrifft etwa das Promotionsrecht an der Hochschule für Bankwirtschaft. So hieß sie früher. Heute heißt sie Frankfurt School of Finance & Management. Das betrifft auch das House of Finance. Wenn Sie dort hinschauen, werden Sie sehen, dass wir eines erreicht haben: Wir sind für qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser für uns so wichtigen Branche ein attraktiver Standort.

(Beifall bei der CDU)

An diesem Standort kann man 300 Banken zählen. Darunter befinden sich 200 ausländische Institute. Mehr als 100 der 500 größten Kreditinstitute der Welt haben sich in Frankfurt angesiedelt. In dieser Branche finden allein in Frankfurt und rund um Frankfurt 85.000 Menschen Arbeit. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat ein Umsatzvolumen an Aktien in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar.An dieser Börse werden 90 % des Umsatzes an deutschen Börsen getätigt. Mit Eurex befindet sich hier die umsatzstärkste Terminbörse der Welt.

Ich wollte nur einige wenige wichtige Kennziffern dieses Standorts nennen. Es ist wichtig, dass wir in eines investieren, nämlich im wahrsten Sinne des Wortes in Mobilität.Wir müssen aber auch in die Qualifikation der Menschen investieren, die in dieser so wichtigen Branche arbeiten. Das ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Standortpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Wirtschaftskraft Hessens ist aber auch natürlich die Tatsache verbunden, dass wir ein wenig unter unserem Erfolg leiden. Damit will ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der auch zu dieser Debatte gehört. Wir müssen uns, zu Recht, immer wieder mit den anderen Bundesländern vergleichen. Ich spreche damit das Thema Länderfinanzausgleich an.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was sonst?)

Lieber Herr Kaufmann, ich finde, es ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines jeden hessischen Politikers,also eines für die Landespolitik verantwortlichen Politikers, über dieses Thema zu reden. Denn die heutige Struktur des Länderfinanzausgleichs, nach dem das also berechnet wird, erzeugt bei denjenigen, die ihre Haushalte nicht in Ordnung gebracht haben,wenig Motivation, das zu ändern. Bei denjenigen, die ihre Haushalte in Ordnung bringen, wie das bei uns der Fall ist,