Protocol of the Session on March 27, 2007

Sie bewachen – wie zuletzt erwähnt – auch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Archive sind nicht zuletzt als Aufbewahrungsorte originaler Dokumente eine maßgebliche Anlaufstelle für alle, die sich mit Orts- und Regionalgeschichte beschäftigen. Eine gesetzliche Absicherung und Regelung ist daher durchaus von großer Bedeutung, auch wenn es aktuelle oder kontroverse politische Themen geben mag, die dem Hohen Hause sicherlich stärker unter den Nägeln brennen dürften als das vorliegende.

Ich denke, es besteht fraktionsübergreifend kein Zweifel daran, dass sich das bisherige Gesetz bewährt hat und die Zustimmung zur Wiederinkraftsetzung problemlos ist.

Der Minister hat schon darauf hingewiesen, dass mit der Vorlage eine Teilnovellierung verbunden werden soll. Diese wird aufgrund der Reformprozesse innerhalb der öffentlichen Verwaltung sowie aufgrund der Anforderun

gen der Praxis in den Archiven erforderlich. Zum einen sieht die Vorlage die Einbeziehung der Filmaufzeichnungen neben den bisher im Gesetz bereits genannten Bildaufzeichnungen vor. Diese Maßnahme dient lediglich der sprachlichen Klarstellung, also der Vermeidung von Missverständnissen.

Als wesentlichen Inhalt sieht die Gesetzesnovelle das sogenannte Recht zur Nachkassation vor, das in anderen Bundesländern bereits besteht. Damit sollen die Archive zukünftig die Möglichkeit erhalten, Dokumente z. B. zu verfilmen oder zu digitalisieren und die Originalunterlagen anschließend zu vernichten. Dies darf natürlich nur geschehen, wenn das Interesse an der Aufbewahrung der originalen Datenträger gering ist und die Aufbewahrung aus der fachlichen Sicht des Archivs heraus entfallen kann, da die Unterlagen für die Wahrung des Rechts oder die wissenschaftliche Forschung keine Bedeutung mehr haben.

Ein weiterer Komplex umfasst Regelungen zur Pflicht der frühzeitigen Beteiligung der Verwaltung bei der Einführung und Änderung insbesondere elektronischer Systeme zur Erstellung und Speicherung der Verwaltungsunterlagen. Mit dieser Neuregelung wird eine hinreichende Abstimmung zwischen der Verwaltung und den Archiven gewährleistet werden.

Der vierte und letzte Komplex regelt die Sicherstellung der Archivierung der Unterlagen der Stiftungen, die dem Privatrecht unterliegen und vom Land Hessen errichtet wurden oder überwiegend finanziert werden. Einbezogen werden sollen auch die Stiftungen, die dem Privatrecht unterliegen, die nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und bei denen das Land mehr als die Hälfte der Anteile hält oder ihm mehr als die Hälfte der Stimmen im Aufsichtsgremium zustehen.

In den letzten Jahren hat Hessen zunehmend privatrechtliche Einrichtungen zur Erledigung öffentlicher Aufgaben geschaffen. Zur Vermeidung von Überlieferungslücken ist es daher notwendig, dass auch die Dokumente dieser Träger öffentlicher Aufgaben zukünftig verbindlichen Regelungen der Archivierung unterliegen. Zukünftig sollen diese quasi öffentlichen Stellen des Landes ihre Unterlagen dem jeweiligen Staatsarchiv anbieten, damit sie auf diese Weise sicher verwahrt und nutzbar gemacht werden.

Die in der Novelle vorgesehenen Änderungen sind, insgesamt gesehen,notwendige Verbesserungen.Damit soll das bisher schon erfolgreich wirkende Hessische Archivgesetz für die Herausforderungen fit gemacht werden, die in Zukunft an eine moderne und effiziente Archivierung gestellt werden.

Ich bedanke mich, dass Sie mir zugehört haben. Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf selbstverständlich unsere Zustimmung geben. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Aloys Lenz, vielen Dank. – Das Wort erhält nun Frau Kollegin Gottschalck für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich gerne den Worten des Herrn Ministers anschlie

ßen und mich auch bei den ehrenamtlich tätigen Archivaren bedanken,die in unserem Lande sehr gute Arbeit leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich schließe mich auch gerne den Aussagen hinsichtlich der Wichtigkeit an, die die Archive haben.

Die in den Archiven verwahrten Unterlagen sind wichtige Quellen aus der Vergangenheit.Zu Recht werden Archive deshalb als Gedächtnis der Verwaltung, des Staates und der Gesellschaft bezeichnet. Das in den Archiven verwahrte Gut stellt ein bedeutsames Kulturgut dar, das der Pflege und des Schutzes des Staates bedarf. Unsere Aufgabe besteht darin, sorgfältige Regelungen zu treffen, damit die archivierten Unterlagen auch bleibenden Wert haben.

Wir haben es eben schon gehört: Das Hessische Archivgesetz, das sich insgesamt bewährt hat, läuft zum 31. Dezember 2007 aus. Deswegen muss ein neues her, bzw. es muss novelliert werden. Das neue Gesetz wird dann ab dem Jahr 2008 gültig sein.

Das Gesetz sollte dabei natürlich den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Das ist folgerichtig.

Die uns heute von der Landesregierung vorgelegten rein technischen Änderungen an dem Gesetz erscheinen logisch und nachvollziehbar. Natürlich ist es sinnvoll, Filme zu archivieren oder Stiftungen, die dem Privatrecht unterliegen, aufzunehmen.

Einzig die mit § 13 Abs. 3 vorgesehene Regelung bereitet mir persönlich noch etwas Probleme. Ich denke, das können wir im Ausschuss noch einmal vertieft behandeln. Ich darf die vorgesehene Regelung kurz zitieren:

Soweit es unter archivfachlichen Gesichtspunkten gerechtfertig ist, können die öffentlichen Archive die im Archivgut enthaltenen Informationen ausnahmsweise auch in anderer Form archivieren und die Originalunterlagen vernichten....

Darüber würde ich gerne im Ausschuss noch einmal diskutieren. Denn die Vernichtung der Originalunterlagen hat doch etwas Erschreckendes. Aufgabe der Archive ist unter anderem die Gewährleistung der dauerhaften Benutzbarkeit des Archivguts. Die Betonung liegt dabei auf „dauerhaft“.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Nicht nur das Papier, sondern auch elektronische Datenträger weisen jeweils spezifische Probleme auf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, dass es sich nicht um ein so reißerisches Thema handelt, wie es bei dem Gesetzentwurf der Fall war, bei dem es um die Wildtiere ging.

(Michael Boddenberg (CDU): Das würde ich nicht sagen!)

Ich denke aber, dass wir auch die Behandlung des Entwurfs zur Novellierung des Archivgesetzes noch hinbekommen.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie einfach noch einmal einen Moment lang um Aufmerksamkeit bitten. Es geht mir jetzt wirklich um die Frage der digitalen Daten

sicherung. Das ist etwas, bei dem man abwägen muss. Die Archivare sind da sensibilisiert. Sie kennen den Verfall des Papiers und den Tintenfraß. Damit haben sie schlechte Erfahrungen gemacht.

Es gibt noch keine abschließenden Untersuchungen, wie lange die neuen Datenträger halten. Zurzeit geht man aber davon aus, dass die CDs und die Disketten höchstens 30 Jahre lang halten.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Papiere halten meistens länger!)

Genau. – Das stimmt dann eher skeptisch.Andererseits ist die digitalisierte Aufbewahrung natürlich die zeitgemäße Form. Vermutlich wird es in 20 Jahren Möglichkeiten geben, den Inhalt dieser digitalisierten Datenträger zu übertragen. Da sollte man einfach abwägen. Ich denke, das sollten wir im Ausschuss tun.Auch die Fachleute können dazu etwas beitragen. Ich freue mich auf die weitere Diskussion. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Gottschalck, vielen Dank. – Das Wort erhält nun Frau Kollegin Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Michael Siebel (SPD): Die GRÜNEN gibt es noch nicht so lange! – Gegenruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber wir haben ein grünes Gedächtnis!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von einigen wurde es bereits angesprochen. Einer der Hauptgründe dieses Gesetzentwurfs besteht darin, die Geltungsdauer des Hessischen Archivgesetzes zu verlängern. Es wird nämlich zum 31. Dezember 2007 auslaufen. Das ist im Prinzip aus unserer Sicht auch unstrittig. Ich finde aber schon, dass dieses Gesetzesvorhaben Anlass geben sollte, noch einmal dringend über die Sinnhaftigkeit der Befristung aller Gesetze nachzudenken. Auch wenn es hier noch zu kleinen Änderungen kommen soll, finde ich schon, dass man ein Gesetz ändern sollte, wenn man Änderungsbedarf sieht, aber nicht einfach nur deshalb, weil die Geltungsdauer bald um sein wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens geht es um die Regelung der Archivierung der Unterlagen von Stiftungen und anderen juristischen Personen, die dem Privatrecht unterliegen und vom Land errichtet wurden oder überwiegend finanziert werden.Auch das ist aus unserer Sicht weitgehend unproblematisch. Denn es wird nicht damit gerechnet, dass die Erweiterung des Adressatenkreises auf Stiftungen und andere juristische Personen, die dem Privatrecht unterliegen, dazu führt, dass die Archive mehr Unterlagen als bisher übernehmen müssen. Ob das allerdings tatsächlich so sein wird, kann ich im Moment noch nicht bewerten.Vielleicht machen wir es so, wie wir es auch bei der Beratung diverser anderer Gesetzentwürfe gemacht haben, nämlich dass Sie uns die Unterlagen der Anhörung der Regierung zur Verfügung stellen.

(Michael Siebel (SPD):Aber nicht nur in elektronischer Form!)

Wir werden dann sehen, ob die Archivare das auch so sehen oder ob sie der Auffassung sind, dass damit auf sie mehr Arbeit und damit höhere Kosten zukommen.

Drittens soll das Gesetz um Regelungen zur Archivierung elektronischer Unterlagen ergänzt werden. Das klingt zunächst sinnvoll und unproblematisch.Bei der Frage,ob digitalisiert oder verfilmt werden soll, ist aber immer auch zu bedenken, dass sich die technischen Speichermedien ändern und die Daten auf neue Systeme migriert werden müssen, damit sie weiterhin verfügbar bleiben. Der personelle und finanzielle Aufwand dafür ist in dem Gesetzentwurf noch nicht berücksichtigt.Dabei kommt es aber auch zu technischen Pannen, die bedacht werden müssen. So konnten wir vor ein paar Tagen erst in einem Artikel der „Frankfurter Rundschau“ lesen,dass eine CD-ROM nicht mehr lesbar war. Zu so etwas wird es dann öfter kommen. Wir müssen uns also Gedanken machen, wie wir das in den Griff bekommen können.

Viertens geht es um die Einführung der Berechtigung zur Vernichtung der Originalunterlagen nach Weiterverarbeitung der Unterlagen beispielsweise durch Verfilmung oder Digitalisierung. Diesen Passus des Gesetzesvorhabens finde ich allerdings problematisch. Einige haben dazu schon die entsprechenden Argumente genannt. Die Archive erfüllen wichtige Funktionen für die Wissensgesellschaft und die Gesellschaft insgesamt. Sie erhalten das Wissen der Vergangenheit. Gleichzeitig erlauben sie uns, dieses Wissen zu vergessen, bis es wieder gebraucht wird. Deswegen wird es archiviert.

Archive ermöglichen es, Erfahrungen der Vergangenheit und vor allem aus derjenigen, die gerade noch als Gegenwart präsent war, für die Erklärung aktueller Zustände und für die Prognosen nutzbar zu machen. Frau Kollegin Gottschalck hat gerade eben schon darauf hingewiesen: Archive sind ein unersetzliches Kulturgut. Sie haben als Quelle der Überlieferung aus der Geschichte jeden Schutz verdient.

Zu bedenken ist dabei, dass die Frage, was überlieferungswürdig ist, zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet wird. Was z. B. heute noch überflüssig erscheinen mag, kann Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern späterer Zeiten als wertvolle Quelle und wertvolles Material dienen.

Eines wollen wir nicht. Das Gesetzesvorhaben erweckt aber den entsprechenden Eindruck.Wir wollen nicht,dass Geld- oder Platzmangel, oder der Versuch, teure Restaurierungsmaßnahmen zu vermeiden,das Schicksal wertvoller Archivunterlagen bestimmt. Nicht finanzielle, sondern allein fachliche Gesichtspunkte dürfen für eine solche Entscheidung ausschlaggebend sein.

(Beifall der Abg. Frank-Peter Kaufmann, Dr. An- dreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Nicola Beer und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das Beispiel Sachsens sollte uns nachdenklich und vor allem wachsam machen. In seinem Jahresbericht 2003 hat der Sächsische Rechnungshof gefordert, Archivgut solle grundsätzlich verfilmt oder digital gespeichert und nur noch in Ausnahmefällen stofflich aufbewahrt werden. Laut der „Sächsischen Zeitung“ vom 20. November 2003 hat der Sächsische Rechnungshof mit der Forderung – ich zitiere –,

das Archivgut des Freistaats Sachsen aus Kostengründen weitgehend zu vernichten, einen Protest

sturm von Historikerinnen und Historikern, von Archivaren und auch von Politikern hervorgerufen.