Protocol of the Session on March 27, 2007

(Dieter Posch (FDP): Das tut richtig weh!)

Die Landesregierung nimmt es bekannterweise mit der Wahrheit nicht immer so fürchterlich genau. Das stellt sie immer wieder gern unter Beweis.Aber in den vier Jahren, die ich jetzt in diesem Parlament bin, habe ich keinen Gesetzentwurf erlebt, in dem bewusst und vorsätzlich so nachlässig mit der Wahrheit umgegangen wurde,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Frank Lortz (CDU))

und zwar sowohl vonseiten des Ministers als auch vonseiten der CDU-Fraktion.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

Ehe sich hier jemand künstlich aufregt,

(Frank Lortz (CDU): Nicht künstlich!)

kann ich nur empfehlen, die Anhörungsunterlagen zu lesen, denn die haben genau das, was ich jetzt zitieren werde, bestätigt. Genau das steht darin. Die Anzuhörenden zum Sparkassengesetz sind nicht die Einzigen, die sich fragen, warum sie überhaupt zur Anhörung eingeladen werden. Die fragen sich, warum sie überhaupt Stellungnahmen abgeben, wenn sich diese Landesregierung als völlig unbelehrbar erweist. Das, was die Hessische Landesregierung macht, ist keine Sachpolitik. Das ist reine Machtpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Lortz (CDU): Unerhört!)

Ich darf – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus der Rede des Ministers zur Gesetzeseinbringung zitieren. Es handelt sich um die erste der Unwahrheiten. Da wird nämlich gesagt:Wenn wir die Ertragskraft der Sparkassen stärken wollen und das Eigenkapital der Sparkassen im Sinne von Basel II stärken wollen, dann brauchen wir dieses Gesetz.

Das ist völligster Humbug.Anders kann man das nicht sagen. Natürlich wird die Eigenkapitalbasis der Sparkasse geschwächt. Wenn die Sparkassen Geld an die Kommunen zahlen, weil sie Sparkassen kaufen, dann haben sie hinterher weniger Geld, und damit ist die Ertrags-,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja was denn?)

die Eigenkapitalkraft der Sparkassen natürlich insgesamt geschwächt.

(Frank Lortz (CDU): Wo steht das? – Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist Punkt eins.

(Dr.Walter Lübcke (CDU):Lesen Sie das noch einmal vor!)

Wir kommen zum zweiten Punkt.

(Michael Boddenberg (CDU):Wir haben noch Klärungsbedarf beim ersten!)

Zum Klärungsbedarf kann ich Ihnen gerne nachher im persönlichen Gespräch etwas erläutern. Wenn Sie meine Rede nicht verstehen und da Bedarf haben, immer gerne.

(Zurufe von der CDU)

Es gehe darum, sagte der Minister, dass die regionale Verwurzelung und damit die Kundennähe erhalten blieben. Das ist der zweite Punkt. Jetzt erklären Sie einmal, wenn in Zukunft die Sparkasse Kassel die Sparkasse Offenbach kaufen kann, was dann mit Kundennähe ist. Erklären Sie einmal, was dann mit regionaler Verwurzelung ist. Erklären Sie einmal, was mit Kenntnissen über den regionalen Wirtschaftsprozess ist.

Es ist die Unwahrheit, was er da gesagt hat, weil dieses Gesetz diesem Zweck überhaupt nicht dient.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Dritten sagte er,dass die Funktion der Sparkasse zur Kreditfinanzierung der mittelständischen Wirtschaft nicht geschwächt, sondern ausgebaut werde.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Das ist die nächste Unwahrheit. Denn wie wollen Sie das machen, wenn das Netz ausgedünnt wird, wenn die Kenntnis weniger wird und wenn letztendlich ein Institut aufgebaut wird,

(Michael Boddenberg (CDU): Von Ihnen und Herrn Böhmer – wer sagt das?)

das dann, wie die großen Banken, wieder Interesse an den großen und nicht mehr an den kleinen Kunden hat? Richtig ist, dass wir momentan im mittleren Segment durchaus eine Lücke haben, dass wir zwischen den relativ kleinen und den großen Kreditinstituten eine Lücke z. B.zwischen der Helaba, den Großbanken und den Sparkassen haben. Diese Lücke füllen Sie damit nicht, reißen aber eine neue.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Mär, die verbreitet wurde, ist die Mär der Europafestigkeit. Es wird glatt behauptet, dieses Gesetz sei europafest, nur weil Kommissar McCreevy einen Brief an den Wirtschaftsminister geschrieben hat. Das zeugt von einer Naivität, die ohnegleichen ist. Jeder weiß, wenn vor dem Europäischen Gerichtshof gegen dieses Gesetz geklagt wird, interessiert es die Bohne, was ein Kommissar McCreevy dazu einmal einem wahrscheinlich dann nicht mehr im Amt befindlichen Wirtschaftsminister Rhiel geschrieben hat.

(Michael Boddenberg (CDU): Was ist, wenn gegen den Status quo geklagt wird? Haben Sie da eine Idee?)

Dann kommen wir zum fünften Punkt, der nicht stimmt. Sie sagen nämlich, die Kommunalaufsicht könne keinen Druck auf die Eigentümer der Sparkassen ausüben, zum Zweck der Haushaltskonsolidierung Stammkapitalanteile zu übertragen. Natürlich, so direkt werden sie das nicht machen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das steht doch im Gesetz!)

Aber wenn es Druck von der Landesregierung auf Kommunen gibt, die pleite sind, Druck vom Regierungspräsidium – das steht im Gesetz –, dann wissen Sie selbst, dass es genug Umwege gibt.Es wird den Kommunen nicht vorgeschrieben, was sie verkaufen. Aber es wird klar sein, wenn dann noch Tafelsilber in Form von Sparkassenkapitalanteilen vorhanden ist, dass das durchaus zur Disposition steht. Tun Sie also nicht so naiv, als ob es reichen würde, wenn das im Gesetzestext steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, es macht schon misstrauisch, wenn im Vorfeld und in der Einbringung des Gesetzes so viel Nebel geworfen wird, wenn Sie, Herr Rhiel – ich habe Sie oft gefragt –, nie wirklich Stellung dazu genommen haben, was dieses Gesetz bewirken soll. Das, was Sie vorgeben – auch Sie kennen die Anhörung und die Unterlagen, auch Sie waren dabei –, stimmt überhaupt nicht. Das, was Sie da dargestellt haben, entspricht nicht der Wahrheit.

Es wird noch ergänzt durch so etwas wie von Herrn Reif, der – nicht nur er alleine, sondern es gibt auch andere – behauptet hat, das Gleiche würde in Rheinland-Pfalz gemacht.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es! Das stimmt überhaupt nicht!)

Das ist völligster Unsinn.Auch das habe ich öfter hier erklärt. Das werde ich noch einmal für Sie tun, indem ich sage: In Rheinland-Pfalz gibt es nur die vertikale Vergabe und nicht die horizontale Vergabe. Die vertikale Vergabe wollen Sie haben, damit Sie Ihren Einfluss auf die Geldinstitute stärken können. Keine Rede im gesamten Gesetzesentwurf über die Personalvertretungen und darüber,

wie das zukünftig gehandhabt werden soll – über solche Punkte geht man hinweg.

(Michael Boddenberg (CDU):Es ist alles geregelt!)

Weil Sie nicht an die Überzeugungskraft Ihrer eigenen Argumente glauben, müssen die Geldinstitute letztendlich noch gelockt werden, indem mit höheren Ausschüttungssätzen für Sparkassen geworben wird, die Stammkapital ausweisen. Sie glauben also selbst nicht daran, dass das in irgendeinem Sinne ein attraktives Angebot an die Sparkassen sei.

Die Zukunft der Sparkassen liegt in Ihren Händen. Ich wende mich dabei bewusst an die rechte Seite, denn bedauerlicherweise haben Sie nun einmal noch die absolute Mehrheit. Die Verantwortung für das hessische Sparkassenwesen liegt in Ihren Händen,und Sie können hinterher nicht sagen, Sie hätten nichts gewusst. Die Warnungen in der Anhörung waren einhellig, quer durch alle Verbände und alle Ebenen. Sie wollen sich an dieser Stelle als unbelehrbar erweisen und Ihre Interessen durchdrücken.

An dieser Stelle kann ich nur warnen.Das wird der mittelständischen Wirtschaft schaden, der Versorgung mit Bankleistungen im ländlichen Raum und damit der Struktur in Hessen insgesamt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Lortz (CDU):Wie kommst du denn darauf?)

Vielen Dank, Frau Hölldobler-Heumüller. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Lortz gemeldet.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das Gewissen der Sparkassen! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich denke, du bist für die Versorgung zuständig? Macht ihr das über die Sparkassen?)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich ist es nicht meine Art, mich hier in diese Sachdebatte einzumengen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann lass es doch auch!)

Ich habe mich auch in den Ausschüssen nicht an diesen Debatten beteiligt. Sie wissen, ich bin Verwaltungsratsvorsitzender einer Sparkasse.Aber ich muss der Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller doch Folgendes sagen.

(Dieter Posch (FDP): Das hilft nichts! – Heiterkeit bei der FDP)