Protocol of the Session on March 8, 2007

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann, CDU, hat angedroht, dass sein Land eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Ausländer im Bundesrat ablehnen wird, sollte es nicht noch Änderungen zum derzeitigen Entwurf der Bundesregierung geben.

Wir dürfen sehr gespannt sein, wie sich dieser Kompromiss der Neufassung des Aufenthaltsgesetzes in Zukunft entwickeln wird. Ein weiteres Zitat aus der „Welt“ vom 6. März:

In Niedersachsen und Hessen wird bald gewählt.

Wem sagen sie das? Den Ländern,die ebenfalls gegen den ausgehandelten Bleiberechtskompromiss protestieren, hält Innenminister Stegner vor, „einen Ausländerwahlkampf in ihren Ländern für 2008“ vorzubereiten.

(Zurufe von der SPD)

Da könnte er recht haben. Denken wir nur an die unsägliche Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 1999.

Ein Wort noch zum Kollegen Lennert und seinem Anspruch, qualifizierte, gut ausgebildete Menschen zu uns nach Hessen bzw. nach Deutschland zu holen, weil wir das nötig haben. Wir haben das auch erst kürzlich von der Wirtschaft wieder ins Stammbuch geschrieben bekommen,Herr Kollege.Ich möchte Sie nur daran erinnern,wie lange die Verhandlungen zum Aufenthaltsgesetz auf Bundesebene gedauert haben und wie die CDU in allen Bereichen blockiert hat. Es war ein Vorschlag der rot-grünen Fraktionen, dass es ein Punktesystem gibt und dass wir ähnlich wie Australien, das Sie als Beispiel angeführt haben, dieses Punktesystem im Gesetz festschreiben, um gut ausgebildete und qualifizierte Ausländer zu bekommen. Sie haben das verhindert. Jetzt mahnen Sie das hier an. Das finde ich besonders lustig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das scheint die Politik der CDU hier in Hessen zu sein. Deswegen auch heute dieser uns vorgelegte Antrag zum Sprachtest im Herkunftsland. Das ist nichts anderes als ein Schaufensterantrag.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Pa- pierkorbantrag!)

Es entspricht genau dem Bild, das wir von der hessischen CDU im Bereich Migrationspolitik erwarten:Generalverdacht,Angstbilder,Ausgrenzung,Abschottung.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Ruth Wagner für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich vor allen Dingen auf den Antrag konzentrieren. Aber natürlich möchte ich auch das Umfeld noch einmal beleuchten, in dem er gestellt wurde.

Wir haben nach unsäglich langen Jahren ein Zuwanderungsgesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet, dem eine Fülle von anderen Maßnahmen, die nicht gesetzlich geregelt waren, vorausgingen – nämlich denjenigen, die in unser Land eingewandert waren oder zumindest geduldet waren, wie man so schön im Amtsdeutsch sagt, und die Absicht hatten,in diesem Land auf Dauer zu bleiben,eine Fülle von Maßnahmen anzubieten, die sozusagen die Integration erleichtern sollten. Dazu gehörte nach Übereinstimmung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag auch die Kompetenz der Sprachbeherrschung. – Das ist keine deutsche Erfindung,sondern es gehört sozusagen zur Einwanderungskultur in allen Ländern der Erde.

Wer in ein Einwanderungsland wie Kanada, ein klassisches Einwanderungsland, die USA oder Australien einwandert, der lernt meist schon im Herkunftsland die dortige Sprache, damit er sich besser in das Land integrieren kann, das er als Einwanderungsland wünscht und in dem er bleiben möchte.

Ich erinnere daran – und darauf sind wir stolz –, dass die erste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik, die es je gab, Frau Liselotte Funcke war. Liselotte Funcke hat angemahnt – ich sage das auch gegen die CDU/FDP-Regierung –, dass für eine wirklich erfolgreiche Integration verpflichtende Sprachkurse die Voraussetzung sind. Das ist

leider 20 Jahre lang nicht geschehen. Das ist ein großes Versäumnis, das wir alle zu verantworten haben, weil in dieser Zeit, Frau Kollegin von der SPD, in der Tat zu Teilen Parallelgesellschaften entstanden sind. So lang ist das her. Die sind nicht vom Himmel gefallen, sondern wir haben sie mit zu verantworten, weil wir auf unterschiedliche Art und Weise mit sehr unterschiedlichen Begründungen – auch die GRÜNEN – in großen Städten in bestimmten Stadtteilen im Grunde zugelassen haben, dass es wirklich Abschottungen gibt, die bis hin zu einer Parallelgesellschaft reichen können. Sie sind es noch nicht, aber das kann passieren.

Ich erinnere an den Kollegen Klee, der das hier einmal deutlich gemacht hat. Ich fand das sehr beeindruckend. Jahrelang hat er sich dafür eingesetzt, dass über den Sport Integration stattfindet. Bei Sport – und das gilt übrigens auch für Musik – kann man etwas machen, was Integrationsmöglichkeiten fördert, weil man nämlich dabei die Sprache nicht beherrschen muss. Es gibt eine Reihe von Kommunikationsformen, die das erleichtern. Aber wenn in den letzten zwei bis drei Jahren, wie Herr Klee hier einmal eindrucksvoll dargestellt hat, in einer Stadt wie Wiesbaden plötzlich wieder eigene italienische, spanische und griechische nationale Sportvereine entstehen, und das in einer Einwanderungssituation, von der man doch glauben müsste, dass die dritte Generation integriert ist, dann müssten eigentlich bei uns schon Alarmglocken angehen. Wir müssten uns fragen, warum das eigentlich passiert.

Die Sprache ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, um sich in einem neuen Land,in dem man mit seinen Kindern und vielleicht auch mit seinen Enkelkindern bleiben will, zu integrieren,ohne die eigene Identität aufgeben zu müssen. Das ist eine der wichtigsten Herausforderungen.

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ist zugleich, was ich persönlich für außerordentlich gut halte,beschlossen worden, eine Firma – Rambol Management heißt sie – mit der Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz zu beauftragen. Im Rahmen dieser Evaluation – den Evaluationsbericht empfehle ich Ihnen sehr – hat man ein Jahr lang,vom Januar 2006 bis zum Dezember 2006, die Möglichkeiten, die wir jetzt haben, untersucht. Zu Beginn einer politischen Bewertung möchte ich Ihnen ein paar Ergebnisse daraus vortragen.

Als erster Punkt ist festgehalten worden, dass von den etwa 108.000 Personen, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zum Besuch eines Integrationskurses verpflichtet worden waren – das sind rund 33 % der Teilnahmeberechtigten –, am Ende nur die Hälfte den eigentlichen Sprachkurs bewältigt hat. Noch einmal: Etwa ein Drittel aller Teilnahmeberechtigten ist verpflichtet worden.Von etwa 300.000 Berechtigten sind also 100.000 verpflichtet worden. Von denjenigen, die teilgenommen haben, hat nur die Hälfte diesen Kurs bestanden. Ich sage vorsichtig: Das ist ein bescheidenes Ergebnis, das auf jeden Fall zu optimieren ist. Das ist auch die Feststellung dieser Evaluationsgruppe.

Zweitens wird gesagt,der Erfolg der Gesamtgruppe sei eigentlich nicht eindeutig festzustellen, weil es keinen verpflichtenden Abschlusstest gebe. Ich halte die Empfehlung der Evaluationsgruppe für richtig, dass man sich, wenn man schon das Geld dafür ausgibt, fragt: Wie sieht das eigentlich mit dem Sprachtest aus? Das würde auch den Probanden helfen, weil sie sich mit einem Abschlusszeugnis bewerben können. Sie können nachweisen, dass sie über Sprachkenntnisse verfügen. – Ich glaube, das

müssen wir sehr ernst nehmen. Das muss überarbeitet werden.

Dritter Punkt. Die Hälfte derjenigen, die diese Kurse besucht haben,hat nur das sogenannte Anspruchsniveau B 1 erreicht. Auch das ist, wie wir in unserer wunderbaren Sprache sagen würden, suboptimal. Das kann optimiert werden.Auf diesem Niveau geht es um die einfachste Verständigung. So wird das definiert. Das ist noch nicht einmal von allen erreicht worden.

Den nächsten Punkt halte ich für sehr interessant. Alle, die das untersucht haben, sagen, die 600 Stunden Unterricht, die vorgeschrieben sind, reichen nicht aus. Ich habe vorhin ausgerechnet, wie viele Deutschstunden deutsche Kinder z. B. von der Klasse 5 bis zur Klasse 10 erhalten. Wenn Sie von vier Wochenstunden ausgehen, können Sie sich ausrechnen, dass das etwa 1.200 Stunden sind. So viele Unterrichtsstunden erhalten deutsche Kinder, um sozusagen ihre Deutschkenntnisse bis zur 10. Klasse zu optimieren.

Wieso reichen dann die 600 Unterrichtsstunden – ich weiß, das kostet Geld –, die ein Türke, ein Grieche oder ein Asiate erhält, damit er lernt, die deutsche Sprache zu beherrschen,die von der Grammatik her wirklich eine der schwierigsten ist? Das reicht nicht aus. In dem Bericht wird empfohlen, mindestens 800 Unterrichtsstunden zu erteilen.

Letzter Punkt. Die Erfolgskontrolle selbst und die Steuerung der Kurse bedürfen einer Verbesserung. Das ist, wie die Beobachter sagen, die zentrale Erkenntnis der Evaluation.

Ich wollte Ihnen das noch einmal vor Augen führen:Selbst die Deutschkurse in Deutschland, die nach unserem endlich zustande gekommenen Zuwanderungsgesetz eingerichtet worden sind, bedürfen einer Verbesserung, einer Optimierung und einer Verstärkung.

Unter diesem Gesichtspunkt ist z. B. auch die Integration der Spätaussiedler, die ebenfalls darunter fällt, nicht gelungen. Die hessischen Zahlen zeigen, dass 30 % der verpflichtenden Angebote von den Berechtigten in Hessen angenommen worden sind.Allerdings erreicht Hessen bei den Neuzuwanderern, die verpflichtet worden sind, den Spitzenwert von 83 %, während sie bei allen anderen stark darunter liegen. Aber bei den Altzuwanderern sind es 23,7 und bei den Spätaussiedlern sogar nur 12,6 %.

Sie alle wissen – wir haben uns in einem anderen Zusammenhang schon einmal darüber unterhalten –, welche mentalen Probleme z. B. jugendliche Spätaussiedler aus Russland haben, deren Muttersprache Russisch ist. Das sind gerade diejenigen – denken Sie an den Landkreis Offenbach –, die sich auch mental verweigern und es ablehnen, die deutsche Sprache anzunehmen.

Ich möchte noch einmal eine meiner Erfahrungen schildern. Am Ende meiner Amtszeit habe ich, wie alle meine Kollegen aus dem Kabinett, zu Beginn des Schuljahres eine Schule besucht, in der in Zusammenarbeit mit dem Landkreis viele sozialpolitische Maßnahmen durchgeführt werden, um einer Parallelisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Man hat mir folgende Szene beschrieben.

Der Sohn eines Imams hat wochenlang nicht die Schule besucht. Als ein Brief an den Vater, in deutscher Sprache geschrieben, zu keinem Erfolg führte, wurde der Sohn aufgefordert, mit dem Vater in die Schule zu kommen – was auch geschehen ist. Dann musste der Sohn, der nur

gebrochen Deutsch sprach, seinem Vater übersetzen, dass der Schulleiter wünscht, dass er – der Sohn – wieder am Schulunterricht teilnimmt und Deutsch lernt. Daraufhin hat der Vater, der Imam, gesagt, er wisse nicht, warum sein Sohn überhaupt Deutsch lernen solle.

Das ist ein Beispiel – es ist in unserem Land passiert –, das zeigt, was für Aufgaben wir noch vor uns haben, wenn wir deutlich machen wollen, welche Integrationsmöglichkeiten sich über die Sprache eröffnen und dass wir als Mehrheitsbevölkerung in unserem eigenen Land erwarten, dass sich diejenigen, die zu uns kommen, auch tatsächlich integrieren und Sprachkenntnisse erwerben.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, ich muss noch einen Satz sagen können. – Ich halte es für richtig, dass man schon im Herkunftsland mit dem Lernen der Sprache beginnt.Herr Innenminister, das ist jetzt auch an Sie und an die Kollegen von der CDU gerichtet:Welche Institute im Ausland machen das denn? Das sind nach meiner Kenntnis allenfalls die Goethe-Institute, die aber in den letzten Jahren die Zahl ihrer Deutschkurse verringert haben. Insbesondere Außenminister Fischer hat die Zahl der Sprachkurse erheblich reduzieren lassen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist keine Schärfe, sondern eine Tatsache. – Wir müssten dann im Ausland viel Geld für willige Zuwanderer ausgeben. Ich möchte wissen, wer das macht.

Wir können dem Antrag zustimmen, was die Sprachkompetenz angeht. Wir werden nicht zustimmen, wenn die CDU meint, darin ein Instrument zur Verhinderung der Zwangsehe zu sehen. Die Kollegin hat an diesem Punkt einen Novellierungsbedarf des Zuwanderungsgesetzes erkannt. Ich bin dezidiert der Meinung, Sie können nicht ernsthaft glauben, dass Sprachkurse das Zustandekommen einer Zwangsehe verhindern.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da geht es um Mentalitäten sowie um die Anerkennung unserer Wertesysteme und des Grundgesetzes.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem geht es schlicht um Gesetze und Strafverfolgung, wenn die Würde einer jungen Frau verletzt ist.

Frau Kollegin.

Das geht nicht mit einem Sprachkurs, der in der Türkei einem achtjährigen Mädchen angeboten wird.

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Sie hat schon wie der zwei Minuten mehr bekommen! Ich habe mich bereits schriftlich beschwert!)

Lieber Herr Kollege Kaufmann, Entschuldigung, bei Ihrer Beschwerde ging es um eine ganz andere Fragestellung. Wenn es ein bisschen länger dauert, die Gedankengänge auszudrücken,gleiche ich das bei den anderen Rednern aus. Das habe ich immer gemacht; das ist ganz klar. Für Frau Wagner gibt es noch eine Sympathieminute dazu, okay.

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Frömmrich. Sie können sich darauf einstellen, dass ich Sie am Ende Ihrer Rede Ihren Satz ausführen lasse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Michael Siebel (SPD): Wenn er das alles vorliest, was er in der Akte hat!)