Noch nie hatten die Kommunen so viel Geld zur Verfügung, um die Betreuung der Kinder zu finanzieren.
Eines will ich zum Ende auf jeden Fall noch sagen. Wenn es Ihnen ernst damit ist, dass diese beiden Lebensentwürfe gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden sollen, dann brauchen wir auf jeden Fall in Deutschland bessere Betreuungsangebote. Das ist keine Frage. Man muss sich in Ruhe darüber Gedanken machen, wie man das finanziert.
Ich bitte Sie, dass wir uns dann aber auch Gedanken darüber machen, wie wir auf der anderen Seite die gesellschaftliche Anerkennung und die Funktion der Mutter oder des Vaters, die oder der zu Hause bleibt, und deren oder dessen Finanzierung sicherstellen, damit es überhaupt möglich ist, dass diejenigen, die zu Hause bleiben wollen, sich das leisten und es tun können.
Herr Milde, ich habe es bereits gesagt: Wahlfreiheit einzuräumen ist richtig. Aber nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass für die meisten Frauen und Männer überhaupt keine Wahlfreiheit herrscht. Denn sie sind dazu finanziell nicht in der Lage.
Sie hätten zu Recht nach vorne kommen und mir einen Vorwurf hinsichtlich des Finanzierungsvorschlags machen können, wenn Sie einen besseren gehabt hätten. Aber Sie kommen mit nichts hierher und machen uns Vorwürfe. Sie kommen mit nichts.
Sie haben auf Bundesebene festgestellt, dass es diesen Finanzierungsbedarf gibt. In den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene haben Sie aber genauso festgestellt, dass Sie nicht wissen, woher das Geld kommen soll.
Ich habe einen Vorschlag gemacht. Wir können über die Reform der Unternehmensbesteuerung reden. Was haben Sie denn im hessischen Haushalt an Rückstellungen für die Reform der Unternehmensbesteuerung gemacht? Ich bin kein Mitglied des Haushaltsausschusses, aber soweit ich mich erinnere, sind das 250 Millionen c. Stellen Sie sich hierher und sagen: „Wir machen das anders, wir stecken das Geld in die Betreuung der Kinder“, dann reden wir weiter. Sich aber einfach hierhin zu stellen und nichts zu sagen, das geht nicht.
Frau Ypsilanti, vielen Dank. – Als Nächste erhält Frau Kollegin Schulz-Asche für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Glücklicherweise ist der Kopf rund. Das ist er, damit sich die Gedanken in verschiedene Richtungen bewegen können. Sie können also ab und zu die Richtung wechseln. Wir hatten deswegen gehofft, dass Frau von der Leyen in der Lage ist, bei der CDU einen Sinneswandel auszulösen.
Allerdings wurde sie heute Morgen bzw. gestern Abend zurückgepfiffen. Damit zeigt sich, dass die CDU auf das Familienbild der Fünfzigerjahre zurückgefallen ist.
Deswegen fordere ich von dieser Stelle ausdrücklich sowohl Frau Lautenschläger als auch Ministerpräsident Koch auf: Stellen Sie heute klar, ob Sie hinter Frau von der Leyen und ihrer Familienpolitik stehen
oder ob Sie sich dem Kauderwelsch anschließen wollen, das aus der CDU-Fraktion in Berlin kommt, und das Modell der Fünfzigerjahre weiterverfolgen wollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Machen Sie sich einmal keine Sorgen!)
Dank der rot-grünen Regierung im Bund gibt es in der Bundesrepublik das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Damit gibt es seit dem Jahr 2005 die Möglichkeit, Bildung, Betreuung und Erziehung in guter Qualität zu erreichen.
Ich möchte jetzt meine Eingangsgedanken wieder aufnehmen. Ich freue mich, die SPD auch im Klub begrüßen zu dürfen.
Frau Ypsilanti, wir begrüßen, dass auch Sie jetzt den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz fordern. Wir freuen uns, dass Sie sich da unserer Position endlich angeschlossen haben.
Wir GRÜNEN wollten dies bereits im Zusammenhang mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz machen. Die SPD hat das leider erfolgreich verhindert.
Es ist wirklich fraglich, wie ernst die ehemaligen Volksparteien ihre plötzlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Betreuung der Kleinkinder wirklich nehmen. Allein schon die Diskussion über die Wahlfreiheit der Familien – Frau Ypsilanti hat es gerade angesprochen –, mit der sich ein paar konservative Herren kurz vor ihrer Pensionierung beschäftigen, ist doch zynisch. Wann hat denn für junge Eltern in Deutschland jemals Wahlfreiheit bestanden? Diese Frage muss man stellen, wenn man sich anschaut, auf welchem Stand der Kleinkindbetreuung wir uns befinden.
Die professionelle Betreuung der Kinder galt und gilt einigen auch immer noch als Teufelswerk. Je weiter man sich von der Lebensrealität junger Familien entfernt, umso reaktionärer werden die Einstellungen.
Die Folgen dieser Ideologie sehen wir in allen Bereichen. Wir haben ganze Jahrgangsgruppen Jugendlicher, die in unserem Schulsystem nicht mehr mithalten können. Sie werden ausgegrenzt. Wir müssen heutzutage zum Teil hohe Kosten in Kauf nehmen, um diesen Jugendlichen zu Schulabschlüssen, zu Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen zu verhelfen.
Die Veränderungen im Leben der Familien wurden nicht zur Kenntnis genommen. Die Hausfrauenehe wünschten sich in den letzten Jahrzehnten immer weniger junge Menschen. Trotzdem haben wir das Ehegattensplitting, das die Dequalifizierung der Frauen sozusagen auch noch subventioniert.
Uns fehlen Betreuungsmöglichkeiten. Wir haben eine staatlich subventionierte Verdrängung der Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Das hat zum Ergebnis, dass wir in Europa eine der niedrigsten Erwerbsquoten bei Frauen haben. Das ist die Folge konservativer Familienpolitik.
Ich möchte einmal bei den Folgen bleiben. Wenn wir davon ausgehen, dass Frauen und Männer die gleichen beruflichen Fähigkeiten und die gleichen Führungsqualitäten haben, dann muss man sich doch fragen, warum in den Vorständen der 100 größten Unternehmen in Deutschland lediglich eine Frau sitzt. Das heißt doch, dass zumindest die Hälfte dieser Vorstände mit zweitklassigen Männern besetzt ist. Das ist die Realität in Deutschland.
Deswegen gilt es, schnell und wirkungsvoll zu handeln. Wir brauchen endlich mehr Betreuungsplätze von guter Qualität, und wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Betreuung auch für unter dreijährige Kinder in diesem Land.
Um dieses Ziel zu erreichen, hilft uns die Schönfärberei der hessischen CDU mit ihren angeblich einzigartigen Erfolgen nicht. Zu dieser Schönfärberei gehört eine wundersame Vermehrung um 5.000 Plätze. Vielleicht können Sie Wasser in Wein verwandeln. Aber wie Sie 5.000 Plätze ohne zusätzliche Finanzmittel geschaffen haben wollen, das können Sie gleich – das erwarte ich auch von Ihnen – hier erklären.
Wir verfügen überhaupt erst dank des Tagesbetreuungsausbaugesetzes seit 2006 über eine einigermaßen vernünftige Datenlage. Lassen Sie uns deswegen mit vernünftigen und allgemein zugänglichen Daten argumentieren, oder legen Sie neue vor. Natürlich hat sich in den letzten Jahren einiges – auch in anderen Bundesländern – geändert. Deswegen arbeite ich im Moment mit den Daten, die vorliegen: 1. März 2006, Statistisches Bundesamt. Danach liegt Hessen, wenn man sich den Bundesdurchschnitt von 13,5 % anschaut, auf Platz 10 aller Bundesländer.
Meine Damen und Herren, wenn man etwas ehrlicher ist: Es gibt ein Gefälle zwischen Ost und West. Wir betrachten nur die westdeutschen Bundesländer, von denen wir wissen, dass die Betreuungsquote bisher sehr viel geringer ist, nämlich etwa 7,8 %. Dann liegt Hessen auf Platz 4 und nicht auf Platz 1.
Meine Damen und Herren, das ist die Datenlage vom 15. März 2006. Wenn Sie neue Daten zum 15. März 2007 haben, dann legen Sie sie vor. Es ist noch nicht der 15. März 2007, aber vielleicht sind Sie Ihrer Zeit genauso voraus wie Frau Ypsilanti.
(Heiterkeit bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Ei, darüber lacht noch nicht einmal die eigene Truppe!)
Wir brauchen hier keinen Streit darüber, ob es nun 500 oder 600 mehr sind. Wir brauchen eine für die Planung verbindliche Grundlage in den Zahlen. Natürlich hat der Anteil der betreuten Kinder zugenommen. Wir haben auch einen Rückgang der Zahl der Kinder dieser Altersgruppe. Wir haben auch eine Zunahme an Betreuungsplätzen. Aber auch das ist in allen Bundesländern passiert.