Protocol of the Session on February 1, 2007

Die Flucht in das Privatrecht befreit nicht von öffentlichrechtlichen Bindungen, hebt die unmittelbare Geltung der Grundrechte nicht auf und bringt meine Zuständigkeit hinsichtlich der Kontrolle nicht zum Erlöschen.

So viel wollte ich zum Grundsätzlichen sagen. Ich danke, dass Sie das so lange ertragen haben. Gestatten Sie mir jetzt noch ein paar Bemerkungen zu weiteren Kernpunkten.

Als Hüter des Datenschutzes verstand sich auch im Jahr 2005 das Bundesverfassungsgericht. Über das Urteil zur präventiven Telekommunikationsüberwachung habe ich näher berichtet. In diesen Sachzusammenhang gehört auch der Beschluss hinsichtlich der Beschlagnahme von Datenträgern in einer Anwaltskanzlei. Die Entscheidungen dazu liegen auf der Linie der Rechtsprechung zum Kernbereich privater Lebensgestaltung.Weil dieser absolut geschützt ist, kann hier nicht zwischen präventiver und repressiver Staatstätigkeit unterschieden werden, wie man das ansonsten gerne macht. Der Kernbereich ist entweder geschützt, oder er ist es nicht.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist, das muss man eingestehen, einigermaßen blauäugig. Den praktischen Belangen lässt sich deshalb nur Rechnung tragen, wenn man unter Zugrundelegung der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts die Kernbereichslehre flexibel handhabt. Das Liebesgeflüster im Auto ist also überwachungsresistent, das Bombenbasteln im Schlafzimmer ist es nicht.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das habe ich letztes Jahr schon vorgetragen. Ich werde empfehlen, ähnliche Überlegungen bei einer Novellierung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzustellen.

Bei der Fußballweltmeisterschaft wurde einiges datenschutzrechtlich Relevantes flexibel gehandelt.Ob die vielfältigen Datenerhebungen angesichts der vielen Kontrollen wirklich erforderlich waren, erscheint zweifelhaft. Ich bin immer noch lieber der hessischen Staatsregierung als der FIFA unterworfen.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Die Intensität der Datenzugriffe wurde mit der Singularität des Ereignisses gerechtfertigt. Dadurch ließen sich die Bedenkenträger unter den in der Wolle gefärbten Datenschützern beruhigen. Das heißt allerdings nicht, dass bei vergleichbaren Gefährdungslagen nicht auch flexibel reagiert werden könnte. Allerdings gelten die Maßstäbe der Fußballweltmeisterschaft nicht jedes Mal, wenn etwa Eintracht Frankfurt oder gar die Offenbacher Kickers spielen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na! – Weitere Zurufe)

Bei den Offenbacher Kickern ist a majore ad minus eine besondere Situation gegeben.

Hinsichtlich der Verwendung der Schülerdaten zur Verbesserung der individuellen Betreuung befinde ich mich in einem regen Meinungsaustausch mit der Kultusminis

terin und dem Kultusministerium. Über die Ergebnisse werde ich voraussichtlich im nächsten Tätigkeitsbericht Mitteilung machen können.

Ein regelmäßiger und intensiver Austausch findet auch mit dem CIO, Herrn Staatssekretär Lemke, statt. Ich rege erneut an, dass wir beide in absehbarer Zeit gemeinsam auf einer Sondersitzung oder einer Sonderveranstaltung dieses Haus über den Stand des E-Government-Konzeptes der Landesregierung einschließlich der Bewältigung der Probleme aus datenschutzrechtlicher Sicht Rede und Antwort stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Diese kurzen Bemerkungen sollen nicht den Eindruck erwecken, beim Datenschutz in Hessen sei alles Friede, Freude, Eierkuchen. Wir hatten manchen Strauß mit uneinsichtigen Bediensteten der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung und den Staatsanwaltschaften auszufechten. Ich will aber nicht in den alten Anwaltsgrundsatz abgleiten:Lerne klagen,ohne zu leiden.In allen Fällen konnten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich uns letztlich durchsetzen. Das stimmt mich hinsichtlich der Situation für den Datenschutz in Hessen optimistisch.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Ich erwähnte eingangs das Dreiecksverhältnis zwischen der Landesregierung, dem Landtag und dem Datenschutzbeauftragten. Im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform sprach sich 1999 Frau Göring-Eckardt im Bundesrat für ein kreatives Dreiecksverhältnis aus, wobei sie einräumte, dass das in einer Liebesbeziehung meistens nicht funktioniere.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Hinsichtlich der Liebesbeziehung kann ich versichern, dass ich niemanden dieses Hohen Hauses anbaggern werde.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch die Mitglieder der Landesregierung können sich beruhigt zurücklehnen. An einem kreativen Dreiecksverhältnis zwischen diesen drei Instanzen ist mir aber gelegen. Deswegen habe ich meinen 35.Tätigkeitsbericht, der das Jahr 2006 betrifft, schon fertiggestellt. Er steht der Landesregierung für eine rasche Stellungnahme unmittelbar zur Verfügung. Ich wäre froh, wenn ich Ihnen zeitnah, vielleicht noch in diesem Jahr, Bericht erstatten könnte. – Ich danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Prof. Ronellenfitsch, ganz herzlichen Dank. Ich danke Ihnen nicht nur für Ihre Redefähigkeit und -fertigkeit, die Sie besitzen. Sie sagen dabei immer wieder Bedenkenswertes und zu Belachendes. An Ihrer Redefähigkeit kann man sich erfreuen. Ich danke Ihnen auch für Ihre guten Ratschläge.

Ich hoffe nicht, dass Sie kreative Dreiecksverhältnisse für die Zeit nach dem Januar 2008 angedacht haben.

(Heiterkeit des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – JörgUwe Hahn (FDP): Frau Präsidentin!)

Ich hoffe auch nicht, dass Sie mit Ihrer Bemerkung hinsichtlich der Eintracht Frankfurt und der Offenbacher Kickers den Versuch unternommen haben, die Mitglieder des Hessischen Landtags auseinanderzubringen.

Nochmals herzlichen Dank für diese wunderbare Rede.

Wir treten jetzt in die Aussprache darüber ein.Herr Beuth ist für die CDU-Fraktion der erste Redner. – Herr Kollege, Sie haben zehn Minuten Redezeit.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er redet jetzt bestimmt zur Dreierkoalition im Rheingau-Taunus-Kreis!)

Frau Präsidentin,Herr Datenschutzbeauftragter Prof.Ronellenfitsch, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hahn erwartet von mir, etwas zum Rheingau-TaunusKreis zu sagen. Ich kann sagen, dass ich außerordentlich froh bin, dass Eintracht Frankfurt und die Offenbacher Kickers und nicht der SV Wehen – in Klammern:Wiesbaden – Gegenstand der Debatte war. Dafür bin ich dankbar.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Okay. Das ist unerhört. Ich weise das mit Abscheu und Empörung zurück.

Ich möchte zum ernsthaften Teil der Debatte zurückkehren. Herr Prof. Ronellenfitsch, Sie haben vorhin gesagt, es sei leichtsinnig gewesen, dass der Hessische Landtag Sie, einen Hochschulprofessor, zum Datenschutzbeauftragten bestellt hat. – Ich glaube nicht, dass das leichtsinnig war. Vielmehr war das klug. Denn es gelingt Ihnen immer wieder, die Inhalte des Datenschutzes, die doch eine nicht so richtig zugängliche Materie sind, für alle unterhaltsam, aber auch inhaltsreich vorzutragen. In dieser Form gestalten Sie Ihre Rede.

Ich finde es gut,dass Sie etwas selbst angesprochen haben. In dem Kapitel, in dem Sie sich mit der Fußballweltmeisterschaft des Jahres 2006 beschäftigen, finde ich Ihren Schlusssatz bemerkenswert. Ich finde, da kommt etwas zur Philosophie des Datenschutzes im Lande Hessen und auch hinsichtlich des Datenschutzbeauftragten mit seiner Behörde zum Ausdruck, was ich als gut befinden möchte.

Dort steht geschrieben:

Abschließend möchte ich betonen, dass die datenschutzrechtlich pragmatische Vorgehensweise allein durch die Einmaligkeit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland begründet ist und nicht als Präzedenzfall für künftige Großveranstaltungen gesehen werden kann.

Das drückt zum einen aus, dass der Datenschutzbeauftragte und seine Behörde auch in diesen Sondersituationen vernünftigen Regelungen nicht im Wege stehen,wenn es sich um eine derartig bedeutende oder herausragende Veranstaltung handelt, aber gleichwohl den Finger da in die Wunde legt, wo es sein muss und notwendig ist. Ich denke, dass gerade mit diesem Satz zumindest sehr schön ausgedrückt wurde, welche positive Datenschutzphilosophie Sie hier in diesem Hause vorgetragen haben.

Damit und mit dem Datenschutzbericht können wir feststellen, dass das Stammland des Datenschutzes Hessen nicht infrage steht – im Gegenteil. Herr Prof. Ronellenfitsch, Ihnen ganz persönlich ein herzliches Dankeschön im Namen der CDU-Fraktion für Ihre Arbeit und Ihren

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit an diesem Tätigkeitsbericht,aber auch für die Arbeit im Bereich des Datenschutzes über das ganze Jahr hinweg.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das trifft zum einen die im Bericht dargestellte Arbeit im Einzelnen. Sie haben vorhin die Einzelfälle angesprochen. Darüber hinaus ist die Beratungsleistung, die der Hessische Datenschutzbeauftragte dem Gesetzgeber und der Landesregierung über das Jahr hinweg ansonsten zuteil werden lässt, à la bonne heure. Dafür möchte ich mich im Namen der CDU-Fraktion sehr herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben vorhin das Beispiel E-Government angesprochen. Ich erinnere mich daran, wie wir im vergangenen Jahr doch sehr heftig – nicht Sie, aber zumindest wir Abgeordnete – miteinander im Ausschuss gestritten haben. Nach einem Jahr ist die Frage des Verhältnisses von E-Government-Strategie und Datenschutz noch nicht endgültig geklärt. Das haben Sie vorhin angesprochen. Aber die Probleme, die dort aufgetreten sind, haben sich nicht nur ein wenig normalisiert, sondern diese heftige Diskussion scheint zumindest überwunden zu sein.

Der Arbeitsumfang bei E-Government könnte vielfältiger nicht sein. Er betrifft alle Bereiche der Landesverwaltung – ob das E-Beihilfe oder SAP/R3 ist, also eine breite Spanne, die dort zu bearbeiten ist.

Meine Damen und Herren, die Bearbeitungszeit, die die Landesregierung für die Beratung des 34. Datenschutzberichtes benötigt hat, will ich ansprechen, weil sie in der Vergangenheit immer freundlich kritisiert worden ist.Das hat der Opposition zu lange gedauert. In diesem Falle waren es wir Abgeordnete selbst, die wir es nach schneller Beratung im Ausschuss im Plenum nicht ganz hinbekommen haben. Ich möchte erwähnen, dass die Landesregierung ihre Ankündigung wahr gemacht hat, den Tätigkeitsbericht sehr flott und zügig zu bearbeiten.

Lassen Sie mich vielleicht zwei Punkte herausgreifen, die Sie eher grundsätzlich angesprochen haben. Ich finde es klug und richtig, dass offensichtlich ein Einvernehmen erzielt worden ist, wie ich dem Bericht der Landesregierung habe entnehmen können. Es ist ein Einvernehmen erzielt worden, und das Thema Fraport, das Sie vorhin angesprochen haben, ist geklärt worden. Sie haben die Zuständigkeit für den Bereich des Unternehmens, das sich mit der Daseinsvorsorge beschäftigt, übernommen. Es ist richtig und vernünftig, dass hier das Einvernehmen gefunden wurde.Auch das möchte ich hier kurz angedeutet haben.

Es ist richtig – das hat die Landesregierung in ihrer Stellungnahme dazu deutlich gemacht –, dass sie wie auch Sie, Herr Prof. Ronellenfitsch, darauf achten muss, dass alle Datenschutzgesetze korrekt angewandt werden. Das gilt für den öffentlichen und für den nicht öffentlichen Bereich gleichermaßen, wobei ich Ihnen Recht geben möchte, dass es nicht darauf ankommen kann, in welchem Kleid eine Aufgabe – ob in privater Form oder anders – daherkommen kann, sondern dass natürlich die Aufgabe dafür entscheidend ist,wer am Ende die Zuständigkeit für den Datenschutz hat.

Lassen Sie mich noch das Informationsfreiheitsgesetz ansprechen.Wir hatten bereits im Innenausschuss die Gelegenheit, uns darüber auszutauschen. Sie wissen, dass wir zurzeit einen Gesetzentwurf der GRÜNEN in der Beratung haben und demnächst eine Anhörung dazu haben

werden. Wir haben schlicht und ergreifend eine unterschiedliche inhaltliche Auffassung.

Die CDU-Fraktion ist bisher noch nicht davon überzeugt, dass wir ein solches Informationsfreiheitsgesetz brauchen. Wir haben Sorge, dass mit einem solchen Gesetz eher die Funktionsfähigkeit der Verwaltung infrage gestellt wird. Wir glauben, dass die Verwaltung insgesamt – insofern teilen wir das hier gelegentlich vorgetragene Misstrauen gegenüber staatlichem Handeln nicht sosehr – ihre Aufgabe nach Recht und Gesetz ordentlich erfüllt und dass wir rechtsstaatliche Überprüfungsmöglichkeiten in ausreichendem Maße zur Verfügung haben, um die Arbeit der Verwaltung am Ende auch zu kontrollieren. Der Datenschutzbeauftragte höchstselbst nimmt in einem Bereich eine solche Aufgabe mit wahr.

Meine Damen und Herren, es gibt in den Fachgesetzen bereits umfänglich die Möglichkeit, auf Informationen der Verwaltung zurückzugreifen, und zwar dort, wo derjenige, der um die Information nachsucht, ein berechtigtes Interesse begründen kann. Wir sind der Auffassung, dass das ausreichend ist. Deswegen sehen wir zumindest im Moment die Not, ein Informationsfreiheitsgesetz zu etablieren, noch nicht.