Protocol of the Session on February 1, 2007

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung des Landtags fort.

Ich möchte Ihnen zunächst mitteilen: Auf Ihren Tischen liegt ein Dringlicher Antrag – –

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei Dringliche Anträge!)

Richtig. – Erstens ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Unterstützung der hessischen Forschungslandschaft – Chance für Hessens Zukunft, Drucks. 16/6854. Er wird im Zusammenhang mit dem Block aufgerufen, der sich mit Forschung beschäftigt, falls Sie die Dringlichkeit bejahen. Ich frage also: Gibt es Widerspruch gegen die Dringlichkeit dieses Antrags? – Das ist nicht der Fall. Dann wird er Tagesordnungspunkt 66, und ich schlage vor, dass er mit den Punkten 29, 64 und 65 aufgerufen wird. – Kein Widerspruch, dann machen wir das so.

Zweitens liegt ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Flucht eines Gefangenen aus der JVA Darmstadt, Drucks. 16/6860, vor. Zunächst lasse ich über die Dringlichkeit abstimmen. Wer für die Dringlichkeit dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entschuldigung, so geht es nicht!)

Was ist denn? Ich habe gefragt, ob die Dringlichkeit bejaht wird.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen fragen, ob die Dringlichkeit in Zweifel gezogen wird!)

Das kann man so oder so machen.– Wenn Sie lieber wollen, dass ich negativ frage: Wird die Dringlichkeit bestritten?

(Axel Wintermeyer (CDU): Ja!)

Sie wird bestritten. Dann schlage ich vor, dass wir der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geschäftsordnungsmäßig die Gelegenheit geben, zu erklären, warum sie diesen Antrag für dringlich hält.– Herr Dr.Jürgens,Sie haben das Wort für drei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion nicht nur die Dringlichkeit dieses Antrags, sondern auch die Behandlung noch in der heutigen Plenarsitzung, und zwar nach dem kommenden Tagesordnungspunkt.

Für uns liegt die Dringlichkeit auf der Hand. Wir müssen dies noch heute behandelt.Am Dienstag haben wir in der Sondersitzung des Unterausschusses Justizvollzug einen Bericht des Justizministers über die Flucht des Gefangenen aus der JVA Darmstadt gehört. Heute erfahren wir aus der Presse und einigen anderen Informationen, dass er uns am Dienstag offenbar nur die halbe Wahrheit gesagt hat,

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

höchstens die halbe Wahrheit. Das muss heute noch aufgeklärt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Justizminister hat uns am Dienstag erklärt, der Werkbedienstete sei in der Aufsicht für 22 oder 23 Gefangene zuständig gewesen. Heute erfahren wir aus der Presse, dass er für 45 Gefangene in vier verschiedenen Werkbereichen zuständig war. Da er nicht wie ein Chamäleon gu

cken kann, ist es doch mit Händen zu greifen, dass das einen Unterschied macht für die Verantwortlichkeit dafür, ob ausreichend Personal eingesetzt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Am Dienstag erklärte uns der Minister, es gebe eine Anweisung, vor dem Verlassen des Lkw alle Gefangenen im Werkbereich zu zählen.

(Axel Wintermeyer und Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Zur Dringlichkeit!)

Heute erfahren wir, dass es angeblich üblich war, nur die unmittelbar beim Be- und Entladen des Lkw beteiligten zwei oder drei Gefangenen zu zählen, die zu überblicken einfach ist und was zu bescheinigen auch keinen großen Aufwand macht. Die Frage ist:War die Anweisung falsch, oder hat ein Bediensteter falsch gehandelt? Das müssen wir heute erfahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Alles, was ich hier von den Behauptungen des Ministers darstelle, ist in öffentlicher Sitzung gefallen. Ich verrate also nichts, was nicht schon in der Öffentlichkeit war.

Am Dienstag wurde behauptet, der Bedienstete habe etwa eine Stunde verstreichen lassen, bevor er das Verschwinden des Gefangenen gemeldet habe. Heute erfahren wir, dass er nach zehn Minuten seinen Vorgesetzten informiert haben will.Am Dienstag wurde kein Wort darüber verloren, dass genau dieser Bedienstete, wie wir seit heute wissen, bereits am 5. Januar den Anstaltsleiter und offenbar – davon gehe ich aus – auch den Justizminister darüber informiert hat,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das hat mit der Dringlichkeit nichts zu tun!)

dass es Sicherheitsmängel im Werkbereich gibt. Dieser Landtag und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, noch heute zu erfahren, wo die Verantwortlichkeiten für diese Flucht liegen. Der Minister darf sich nicht hinter seinen Bediensteten verstecken, sondern muss hier Rede und Antwort stehen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Wintermeyer von der CDU das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie haben weniger zur Dringlichkeit als zum Inhalt gesprochen. Wir könnten den Antrag also schon für erledigt erklären.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Mein lieber Herr Dr. Jürgens, ich will Ihnen Folgendes sagen.Es geht hier nicht um Dringlichkeit,sondern Sie wollten hier Klamauk machen. Etwas anderes ist es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Der Justizminister hat – Frau Präsidentin, das erlauben Sie mir bitte, weil Sie meinem Vorredner auch erlaubt ha

ben, etwas zur Sache zu sagen – in der Sitzung des Unterausschusses Justizvollzug Rede und Antwort gestanden. Der Justizminister hat auch dafür gesorgt, dass in der Sache sofort Konsequenzen gezogen werden, sodass das vom Prinzip her unstreitig ist.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat falsch unterrichtet! Genau darum geht es!)

Meine Damen und Herren, es ist keine Dringlichkeit gegeben. Wohin kämen wir denn im Hessischen Landtag, wenn über Presseberichte sofort ein Berichtsantrag – etwas anderes ist es nicht – im Parlament verhandelt werden würde?

(Lebhafte Zurufe der Abg. Norbert Schmitt und Petra Fuhrmann (SPD))

Solch ein Berichtsantrag, wie Sie ihn heute gestellt haben und den Sie für so dringlich halten, gehört in den Unterausschuss Justizvollzug. Sie können den Unterausschuss innerhalb gewisser Fristen, die Sie alle kennen, einberufen. Das ist kein Problem.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wovor haben Sie eigentlich Angst? – Norbert Schmitt (SPD): Der Gefangene gehört in die JVA! Dort ist er aber nicht mehr!)

Wenn der Unterausschuss am Montag oder Dienstag tagt, kann man dort diese Fragen stellen. Ich bin sehr sicher, dass Justizminister Banzer die Fragen sehr gut beantworten kann.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum tut er es nicht?)

Meine Damen und Herren, wir widersprechen der Dringlichkeit. Wir dürfen den Antragstellern empfehlen, den Antrag direkt dort zu stellen, wo er hingehört, nämlich im Unterausschuss. Die entsprechenden Fristen kennen Sie auch. Damit können Sie zeitnahe Beantwortung verlangen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt schlägt es aber 13!)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Beer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als FDP-Fraktion halten es für dringlich, dass die Widersprüche, die sich heute ergeben haben, aufgeklärt werden.

(Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber ich bin der Meinung – Herr Kollege Al-Wazir, Sie applaudieren jetzt schon –, dass dies der falsche Ort dafür ist. Ich glaube nicht, dass wir die Widersprüche hier klären können, zumal es meistens Nachfragen bedarf, um Widersprüche aufzuklären. Mit den Frontalkämpfen, die Sie jetzt wieder angefangen haben, können wir das nicht klären. Der richtige Ort ist der Unterausschuss Justizvollzug. Der richtige Weg ist, unverzüglich eine Sondersitzung einzuberufen. Dort ist der Ort, wo man den Minister entsprechend deutlich durch Nachfragen zur Aufklärung auffordern kann. Es muss aufgeklärt werden, ja, aber bitte im zuständigen Ausschuss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Faeser das Wort.

(Zurufe von der CDU)