Protocol of the Session on January 31, 2007

Gute Ärzte werden in Zukunft besser bezahlt werden. Nicht Abrechnungskünstler, sondern gute Ärzte werden besser bezahlt werden.

In einem kurzen Schlenker möchte ich auf die Position der GRÜNEN zu sprechen kommen. Das ist ein am Patienten orientierter Reformansatz. Was soll es denn sonst sein? Durch eine Änderung der Honorarordnung der Ärzte wird es zu einer Pauschalierung kommen. Damit wird es das erste Mal geschafft werden, dass ganzheitliche Ansätze genauso wie Methoden der technischen Medizin bezahlt werden. In dem Ungleichgewicht lag doch in diesem angeblich so maroden System die Ursache dafür, dass dem Patienten keiner zugehört hat. Die Patienten haben sich unverstanden oder unbeachtet gefühlt. Genau an der Stelle wird nun angesetzt. Zum ersten Mal wird das Reden in der Medizin, die Zuwendung zum Patienten, ihm Aufmerksamkeit zu schenken, gestärkt. Das ist der wirkliche Fortschritt dieser Reform.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Kassen und die Leistungserbringer werden von unnötiger Bürokratie befreit. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Verfahrensabläufe werden vereinfacht, damit die Ärzte mehr Zeit für die Patienten haben und weniger Zeit für die Papiere aufwenden müssen. Auch das ist ein substanzieller Fortschritt, der sich aufgrund dieser Reform ergeben wird.

Natürlich wird nicht alles Papier verschwinden.Wer Wettbewerb haben will, muss hinnehmen, dass es unterschiedliche Formulare gibt. Wettbewerb schafft an dieser Stelle mehr Bürokratie. Denn wenn jede Krankenkasse im Wettbewerb ihr eigenes Akupunkturprogramm anbieten darf, dann hat auch jede Krankenkasse ihr eigenes Formular für die Akupunktur. Das ist das Ergebnis von mehr Wettbewerb.

Der von Herrn Kauder vorgeschlagene Fonds wird zu einem positiven Ergebnis führen. Es wird zu einer Verbesserung des Risikostrukturausgleichs kommen. Darauf kommt es an.

Ich will gerne zugeben, dass wir diesen Fonds nicht bräuchten.Aber der CDU war die Umbenennung des Risikostrukturausgleichs in diesen Fonds sehr wichtig. Sie brauchten das, um ihr Gesicht zu wahren. Das ist völlig okay.

Im Zusammenhang mit der Verbesserung des Risikostrukturausgleichs gibt es allerdings noch eine andere Tatsache. Das ist das Einzige, was sich ändert. Herr Rentsch, Sie haben uns vorhin einiges über doppelte Einzugsstrukturen erzählt. Sie sollten einmal in den Gesetzentwurf schauen.Davon findet sich nämlich nichts.Der Einzug der Beiträge wird von genau denselben Stellen erfolgen. Es wird also da zu keinem zusätzlichen Aufwand kommen.

Es wird aber einen zielgenaueren Risikostrukturausgleich geben. Leider wird der nicht auch mit den privaten Krankenversicherungen erfolgen. Die bleiben unter ihrer Käseglocke.Denn die sind ja so überaus empfindlich.Es wird aber trotzdem zu einem zielgenaueren Risikoausgleich kommen, bei dem das Alter, das Geschlecht und die Krankheitsfaktoren der Versicherten berücksichtigt werden. Damit rücken wiederum die Kranken und nicht die Gesunden in das Zentrum der Aufmerksamkeit der Krankenkassen.Auch das ist richtig.

Das erste Mal werden aufgrund einer Reform zusätzliche Leistungen gewährt werden. Auch das muss man anerkennen. Leistungen hinsichtlich der Palliation und der Rehabilitation sowie Leistungen in Hospizen und das Impfprogramm sind völlig zu Recht aufgenommen worden. Herr Rentsch, Sie müssten doch angesichts dieser Entscheidung geradezu jubilieren. Sie waren doch derjenige, der sich mit großem Engagement dafür eingesetzt hat, dass sich der Sozialpolitische Ausschuss dieses Hauses mit der Palliativmedizin und ihrer unzureichenden Finanzierung beschäftigt hat. Jetzt soll das ordentlich bezahlt werden. Das ist Ihnen nun auch nicht recht.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Mein lieber Mann, wollen Sie denn wirklich, dass Palliation wieder eine freiwillige Leistung ist, vor deren Bezahlung sich die Krankenkassen drücken können, weil es deren Auffassung nach mehr Geld kostet, als es an Nutzen erbringt? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

Der Hausarzttarif und die integrierte Medizin werden gestärkt werden.Auch das ist ein Fortschritt, dem sich unser Partner in der Koalition lange verweigert hat.

Die Arzneimittelpreise werden weiter sinken. Das Arzneimittelverordnungswirtschaftlichkeitsgesetz hat schon zu Erfolgen geführt. Nunmehr sollen die Kassen auch noch direkt Preise mit den Anbietern aushandeln können. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Das konnten wir bereits bei den Analoginsulinen sehen.

Für mehr Geld muss auch mehr Leistung erbracht werden. Wer auf einen Polo einen Mercedes-Stern klebt und meint, er könne ihn zum Preis der S-Klasse verkaufen, der wird an dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss scheitern. Das ist auch richtig so.

Wir werden mit dieser Reform das leistungsstarke und solidarische Gesundheitswesen erhalten. Ich glaube, man muss sich hin und wieder einmal klarmachen, dass das doch das Wichtigste ist.

Das deutsche Gesundheitswesen schneidet im internationalen Vergleich sehr gut ab. Es schneidet da sehr gut ab. Wer den Leuten Angst einjagt, tut Unrecht.

Mit dieser Reform werden nicht alle Probleme gelöst werden. Das wird wahrlich nicht der Fall sein. Diese Reform basiert auf solidem Handwerk.

(Lachen der Abg. Nicola Beer (FDP))

Denn trotz der aktuellen Herausforderungen erhält sie unser hervorragendes Gesundheitswesen leistungsfähig und finanzierbar. Außerdem bleibt es solidarisch. Wer nichts anderes beizutragen hat als ahnungslose und undifferenzierte Miesmacherei,wie wir sie von den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen des Deutschen Bundestages ständig zu hören bekommen, der gefährdet das Vertrauen der Menschen in ihre Versorgung mit gesundheitlichen Diensten.Wer so etwas tut, treibt kleinlichen Schindluder

mit der Angst der Menschen, die krank sind,Angst haben und unsere Hilfe verdienen. Sie können so etwas nicht gebrauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ja,die Gesundheitsreform basiert auf einem Kompromiss. Sie ist nicht die Utopie der Verwirklichung der schönen Welt mit einem Schlag. Es gibt noch sehr viel zu tun. Mehr war mit der Union nicht drin.

Wer jetzt laut „Stopp“ ruft, gefährdet die unbestreitbaren Erfolge.Was dann passiert, haben wir im Zusammenhang mit dem Entwurf des Präventionsgesetzes gesehen. Alles war fertig. Dann haben die Ministerpräsidenten der CDU das Vorhaben gestoppt. Zwei Jahre später sind wir keinen Millimeter weiter. So soll es den vielen positiven Aspekten dieser Reform nicht ergehen.

Gesundheitsreformen vorzunehmen ist eine Daueraufgabe. Das wird auch so bleiben. Das kann nicht anders sein.

Das Ziel von uns Sozialdemokraten ist allerdings die von uns entwickelte und vorgeschlagene solidarische Bürgerversicherung. Auf Dauer wird nur mit ihr eine gerechte Verteilung der Lasten möglich sein. Bei der Bürgerversicherung geht es nicht nur um die Frage des Geldes.

(Florian Rentsch (FDP): Es ist eine Frage hinsichtlich der Gerechtigkeit!)

Sie steht synonym für das Wohl aller Beteiligten. Das betrifft also die Leistungserbringer, die Organisatoren und vor allem die Patienten. An ihnen soll sich die Gesundheitspolitik orientieren.

(Florian Rentsch (FDP): Das hat in der DDR ganz hervorragend funktioniert!)

Damit hätten wir dann eine Gesundheitspolitik, die nicht das kranke Organ, die Honorare, die Privilegien Einzelner oder die Gewinne der Versicherungen oder der pharmazeutischen Industrie, sondern den Patienten in den Mittelpunkt stellt. Mit einer Mehrheit der Sozialdemokraten in Hessen und Niedersachsen ab dem Jahr 2008 und einer im Bund ab dem Jahr 2009 wird das auch klappen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Kollegin Schulz-Asche von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Landesregierung auf, den Gesetzentwurf im Bundesrat in Gänze abzulehnen; und wir fordern die Abgeordneten von CDU und SPD hier in diesem Hause auf,sich bei ihren Kollegen im Bundestag dafür einzusetzen, das Gleiche im Bundestag zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Da sind wir uns einig!)

Bis dahin, Florian, sind wir uns einig.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist doch schon einmal okay, besser als gar nichts!)

Zwei Hauptgründe sind es,dass die absurde Trennung von zwei miteinander konkurrierenden Finanzierungssystemen dieses Gesundheitswesens,

(Florian Rentsch (FDP): Jetzt wird es schwierig!)

nämlich der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung, nicht aufgehoben wird. In allen europäischen Ländern sind in den letzten Jahren Reformprozesse der Finanzierungssysteme durchgeführt worden, und zwar alle mit dem Ziel, zu vereinheitlichen, d. h. diese absurde Trennung aufzuheben. Inzwischen ist diese absurde Trennung nur noch in Belgien und in Deutschland vorhanden. Sie fahren dieses Gesundheitssystem an die Wand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist,dass Sie erneut,was die Reform von Strukturproblemen angeht, die wir natürlich im Gesundheitswesen haben, vor den Lobbys eingeknickt sind, dass Sie erneut eine ganze Reihe von Strukturproblemen nicht angegangen sind. Deswegen halten wir diesen Gesetzentwurf grundsätzlich für falsch. Ziehen Sie ihn zurück, und fangen Sie von vorne an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, welche Mehrheitskonstellation, wenn nicht eine Große Koalition in Berlin, erwarten Sie denn in Zukunft? Sie haben nur eine einzige Existenzberechtigung, nämlich die für solche Grundsatzfragen, die wesentlich für die nachhaltige Finanzierung über die nächsten Jahrzehnte sind. Wenn Sie das nicht auf die Reihe bekommen, dann gibt es keine weitere Existenzberechtigung für eine Große Koalition in Berlin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Welche Konstellation soll es denn sonst schaffen? Unter Umständen mit einer knappen Mehrheit? – Meine Damen und Herren, Sie haben sich Ihrer Verantwortung entzogen. Deswegen fordern wir Sie auf, grundsätzlich gegen diesen Entwurf zu stimmen.

Wir fordern – ich denke, so muss ein Neubeginn aussehen –, dass es endlich darum geht, eine Reform hinzubekommen, die sich an den Interessen der Versicherten und an den Patienten orientiert und diese auch in den Vordergrund stellt, und nicht die der Lobbys.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt gerade im Leistungsangebot einige wenige Verbesserungen. Aber wir haben zum ersten Mal die Ausgrenzung von bestimmten Krankheitsrisiken aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir haben – darauf ist Kollege Rentsch eingegangen – eine Erhöhung der Beiträge und damit der Lohnnebenkosten, völlig absurd und sozusagen entgegen allen Intentionen im wirtschaftspolitischen Bereich. Und wir haben durch die Mehrwertsteuererhöhung weitere Belastungen zu erwarten. Ein Gesundheitssystem und eine Gesundheitsversorgung, die sich an den Menschen, an den Versicherten und Patienten ausrichten, müssen einfach anders aussehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es hier – ich glaube, das ist das Hauptproblem – mit einem Riesenmarkt zu tun. Die Ausgaben im Gesundheitswesen liegen ungefähr bei 245 Milliarden c.Das entspricht ungefähr der Größenordnung des gesamten Bundeshaushaltes mit 270 Milliarden c. Wir haben von 1995 bis 2004 einen Zuwachs um 25,5 % der Ausgaben gehabt. Das zeigt, welche Dynamik sich in diesem Markt be

findet. Das zeigt, welche großen Interessen dahinterstehen, sich an diesem Zuwachs zu beteiligen, um ein möglichst großes Stück vom Kuchen mitnehmen zu dürfen.