Protocol of the Session on January 31, 2007

In Südhessen besteht daher auch in mittelfristiger Perspektive anhaltender Handlungsbedarf. Die Wohnungsförderung des Landes setzt entsprechende, vor allem familienfreundliche Akzente.

Meine Damen und Herren, das ist die Antwort dieser Landesregierung auf die Frage,wie dauerhaft bezahlbarer Wohnraum in einem Ballungsraum zur Verfügung gestellt werden kann.Was kann eine Familie in Südhessen mit dieser Aussage anfangen? Ist es eine Versicherung, dass sie wirklich einen günstigen Wohnraum bekommen, oder was? – Solche Antworten zeigen, dass Sie sich darum drücken, mit konkreten Maßnahmen Familien unterstützend zu helfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiteres Beispiel. Sie führen die familiengerechte Hochschule an. Ich gebe Ihnen Recht – das ist eine sehr gute Initiative. Ich danke ausdrücklich den Universitäten, die sich daran beteiligen. Es sind immer mehr. Das ist auch gut so. Wir sehen, dass gerade im Bereich der Wissenschaft unter den Hochschulen der Frauenanteil mit 9 % der Professoren relativ gering ist. Damit sind wir wissenschaftlich international nicht konkurrenzfähig. Von daher sind das gute Maßnahmen.

Aber – Frau Ypsilanti hat es schon angesprochen – man muss, was die unterschiedlichen Signale angeht, auch darauf sehen, dass viele junge Frauen, viele jungen Männer

gerade in einer Zeit studieren, in der sie genauso gut eine Familie gründen könnten. Ich muss Ihnen sagen, dann ist die Einführung von Studiengebühren eine der familienfeindlichsten Maßnahmen, eine der offensichtlichsten Maßnahmen, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dies sind nur einige Beispiele dafür,dass man,wenn man sich die Realität von Familie in Hessen anschaut, sagen muss: Die Familien schlagen sich recht und schlecht durch.Von dieser Landesregierung erhalten sie wenig Unterstützung. Sie erhalten vor allem keine Unterstützung dabei, ihre eigenen Lebensentwürfe so zu gestalten, wie sie es wünschen. Wir haben nach wie vor Situationen, wo wir sagen müssen, dass die Gestaltung von Leben, von Arbeit und Familienleben nicht zusammenpassen. Wir haben die Herausforderung an die Landespolitik, genau diese Rahmenbedingungen zu verbessern.

Schauen wir uns noch einen Punkt an, z. B. die beantragten Elternzeiten. Praktisch ohne Veränderung in den letzten Jahren wurde die Elternzeit von sehr vielen Frauen, aber praktisch kaum von Männern in Anspruch genommen. Ich nenne nur eine Zahl. Im Jahre 2005 haben rund 17.000 Familien die Elternzeit beantragt. Davon waren 1,3 % Männer. Meine Damen und Herren, Familienpolitik ist auch Politik der Geschlechtergerechtigkeit. Davon, das zeigt dieses Beispiel, ist Hessen weit entfernt. Dafür ist auch diese Landesregierung verantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir über Perspektiven reden, die es für die Familienpolitik in Hessen gibt, dann sehen wir, dass sich bereits in der freien Wirtschaft einiges tut, nicht zuletzt aus einem ganz klaren eigenen Interesse – das ist ja nichts Schlechtes. Man versucht zunehmend, qualifizierte Beschäftigte, vor allem qualifizierte Frauen zu halten und zu fördern. Es gibt eine ganze Reihe von Ansätzen sowohl in kleineren als auch in größeren Unternehmen, wo man versucht, familiengerecht und kinderfreundlich zu agieren.

Deswegen muss sich das Land genau überlegen, wo die Handlungsfelder sind. Wir sehen, dass von diesen ganzen Maßnahmen gering Qualifizierte kaum profitieren können, Menschen mit geringem Einkommen kaum profitieren können, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen nicht profitieren können, Menschen, die arbeitslos sind, nicht profitieren können. Ich denke, da ist es die Aufgabe von Sozialpolitik, zu handeln und diese Familien deutlicher als bisher zu unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen aber auch Maßnahmen, die nicht nur einzelnen Gruppen, sondern allen Familien zur Verfügung stehen, die die freie Entscheidung der Lebensform, die Entfaltung des Lebens unterstützen. Wir brauchen – das hat Frau Ypsilanti schon angesprochen – endlich eine vernünftige Armuts- und Reichtumsberichterstattung, um nachvollziehen und evaluieren zu können, welche Maßnahmen tatsächlich zum immer wachsenden Anteil von armen Kindern in unserem Land beitragen. Dass Sie diesen Armuts- und Reichtumsbericht hier seit Jahren verweigern, zeigt, wie wenig Interesse Sie tatsächlich daran haben, Familien in diesem Land zu unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,ein weiterer Punkt.Ich bin der Auffassung, dass Eltern einen Rechtsanspruch darauf haben, dass die Betreuungsangebote, die sie brauchen, auch zur Verfügung stehen – nicht nur für die Kinder im Vorschulalter, sondern von Anfang an. Wenn Eltern Betreuung brauchen, weil es der Gestaltung ihres Lebens, ihrer Berufstätigkeit und ihren Wünschen entspricht, dann hat das Land dafür zu sorgen, dass sie einen Rechtsanspruch für jedes Kind haben, und zwar von klein an,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

nicht nur Aufbewahrung, nicht nur in der Form, dass alle gleichzeitig auf dem Töpfchen sitzen, wie wir es von Bildern aus der DDR-Kinderbetreuung kennen, sondern von hoher Qualität mit tatsächlicher Förderung; denn wir wissen auch, dass frühkindliche Bildung einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leistet, Kindern einen gerechten und guten Start in diese Gesellschaft zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Netz durch die sich verändernden Familienstrukturen, durch den Wegfall von Großfamilien und von unterstützenden Familiennetzwerken. Wir brauchen mehr Unterstützung für alle Eltern. Im Bereich der Elternkompetenz hat meine Fraktion ein Landesprogramm vorgelegt.

Aber ich möchte auf einen Punkt eingehen, weil auch dieser zeigt, wie wenig Ihnen die Familien tatsächlich am Herzen liegen. Der Bereich der Familienbildung ist im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ um 4 Millionen c auf null gestrichen worden. Wer wirklich darüber redet, Familien zu unterstützen, muss in der Lage sein, auch Geld, Finanzmittel und Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen, dass Familien in ihrer Elternkompetenz gestärkt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Punkt, der meines Erachtens in der Fragestellung der Großen Anfrage fehlt, ist die Stärkung von Kinderrechten.Wenn wir darüber reden, dass wir starke Familien, Familien mit Zukunft wollen, dann heißt das auch, dass Kinder mehr einklagbare Rechte haben, auf denen sie bestehen können.

Was leider in der Beantwortung völlig fehlt, ist der Bereich Pflege: die Frage der Infrastruktur, das Verhältnis von ambulanter und stationärer Pflege, Anreize zur verbesserten Pflege und letztendlich die Frage nach alternativen Wohnformen; denn auch im Alter gilt für uns, dass die Vielfalt der Lebensformen gewährleistet sein muss.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss.

Meine Damen und Herren, eine moderne Kinder- und Familienpolitik hat die Kinder und Pflegebedürftigen im Mittelpunkt. Sie redet mit Eltern und Familien und nicht über sie. Sie versucht, die freie Wahl der Lebensform sicherzustellen.Und sie versucht,eine Landespolitik zu machen, die den Familien dabei hilft. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Florian Rentsch, FDP-Fraktion.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! – Vielen Dank, das ist nett. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kollegen der GRÜNEN heute so freundlich sind.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Na, na, na!)

Meine Damen und Herren,wir diskutieren die Große Anfrage der SPD zur Familienpolitik, die Situation von Familien in unserem Bundesland.Frau Schulz-Asche hat der Verwaltung gedankt, dass sie dieses Mammutwerk ausgearbeitet hat. Dieser Verwaltung gilt unser Dank, denn das war erheblich viel Arbeit. Frau Kollegin Ypsilanti, sicherlich wäre es nicht schlecht gewesen, wir hätten uns einmal in der Debatte mit diesen Zahlen auseinandergesetzt. Ich habe von Ihnen zu den Aussagen dieser Anfrage relativ wenig gehört. Ich hatte das Gefühl, Sie wollten das Thema Familienpolitik gerne in die politische Debatte bringen. Das ist gut und richtig und sicherlich für Sie als Spitzenkandidatin der hessischen SPD notwendig. Sie haben ja angekündigt, es sei Ihr Thema. Aber dann braucht man nicht unbedingt die Verwaltung damit zu quälen, so eine Anfrage zu beantworten.

Mich hätte auch der Punkt interessiert, der ganz wesentlich ist: Was sind die Perspektiven der hessischen SPD? Wo soll die Familienpolitik hingehen? Sie haben eine Zustandsbeschreibung gegeben. Ich will nicht verhehlen: Das kann man alles differenziert betrachten. Einiges von dem, was Sie gesagt haben, teile ich. Anderes sehe ich nicht so.Aber wo sind denn Ihre Vorschläge? Sie haben 15 Minuten Redezeit gehabt, und wir haben keine Vorstellung von der hessischen SPD gehört. Das ist natürlich absolut indiskutabel.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was können wir aus der Anfrage entnehmen? Es gibt in der Familienpolitik positive Merkmale. Die Zahl der Familien in Hessen ist leicht gestiegen.

Das zeigt ein wenig,dass das Modell der Familie kein Auslaufmodell ist. Ich will jetzt nicht über die Frage diskutieren, ob die Ehe ein Auslaufmodell ist. Familie, in der sich Menschen zusammentun und in der sie Kinder bekommen, ist offensichtlich ein Modell, das die Menschen immer noch gut finden. Das zeigen die Zahlen.

Die Zahlen zeigen aber auch, dass die Zahl der Alleinerziehenden erheblich gestiegen ist.Allein in Hessen gibt es rund 180.000 Frauen, die alleinerziehend sind, aber auch etwa 42.000 Männer. Das ist ein Thema, mit dem sich Politik beschäftigen sollte. Das werden wir auch tun. Das gilt meines Erachtens aber auch für die Landesregierung. Es ist natürlich nicht einfach, immer staatliche Antworten auf diese Problemlagen zu geben.

Wir diskutieren alle immer wieder, dass wir zu hohe Belastungen haben, dass Familien zu hohe Abgaben und Steuern tragen müssen und dass insgesamt zu viel Bürokratie besteht. Jedes staatliche Programm und jedes staatliche Instrumentarium bedeutet aber auch, dass man es irgendwie bezahlen und refinanzieren muss.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb muss unserer Ansicht nach sehr genau überlegt werden, in welchen Bereichen staatliche Programme aufgelegt werden, was der Staat begleitend unternehmen kann, um die Situation für Familien zu verbessern, was er tun und was er unterlassen sollte. Frau Ypsilanti, Fakt ist, dass Kinder nicht im Landtag produziert werden. Kinder werden zu Hause bei den Menschen produziert.

(Heiterkeit und Zurufe)

Jetzt stelle ich Unruhe bei den Kollegen fest. Theoretisch sollte es so sein, dass Kinder nicht im Landtag produziert werden; denn das ist die Privatsache der Menschen.

Herr Kollege Rentsch, es ist schon alles vorgekommen.

Herr Präsident, in diesem Bereich haben Sie deutlich mehr Erfahrung. Deshalb würde ich mir nie erlauben – –

(Heiterkeit und Unruhe)

Da Sie noch etwas jünger sind, möchte ich das an Sie weitergeben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist die Lebensweisheit des Präsidenten!)

Ihre fürsorgliche Art schätze ich sehr.

Meine Damen und Herren, es ist Privatsache der Familien in Hessen, ob sie sich dafür entscheiden, ein Kind zu bekommen. Wir werden Paare nicht staatlich damit beauftragen können, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Diesen Eindruck sollten wir auch nicht erwecken. Frau Ypsilanti, bei Ihren Reden tun Sie immer so, als ob der Staat jedes Problem lösen könnte. Er kann es aber nicht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir können anhand der Antwort auf die Große Anfrage erkennen, dass wir in Hessen ein völlig unnachvollziehbares und unkoordiniertes Fördersystem der einzelnen Kommunen haben. Das ist erstaunlich. Wenn Sie sich die Antwort auf die Große Anfrage anschauen, dann stellen Sie fest, dass es Städte gibt, die eine Landesförderung bekommen, und Städte, die überhaupt keine Landesförderung bekommen. Ich bin sehr gespannt darauf, zu erfahren, nach welchen Kriterien diese Förderung stattfinden soll. Deshalb halte ich die Große Anfrage der SPD in diesem Punkt auch für gut, weil sie uns nämlich auf einen Punkt gestoßen hat,den wir hinterfragen werden.Es kann nicht sein,dass es keine eindeutigen Kriterien gibt, welche hessischen Kommunen einerseits gefördert werden und welche hessischen Kommunen andererseits nicht gefördert werden. Das werden wir hinterfragen.