Protocol of the Session on December 14, 2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dank steigender Staatseinnahmen braucht Hessen nicht so viele neue Schulden aufzunehmen wie geplant. Die Freude darüber ist verständlich und begründet.

Die Reaktion nach dem Motto: „Es ist wieder Suppe da“, ist es dagegen überhaupt nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es auch nicht begründet – ich sage es zum ich weiß nicht wievielten Male im Laufe dieses Plenums –, dass die Landesregierung jeden Beamten mit 250 c Einmalzahlung in diesem und im kommenden Jahr beglückt. Das ist eine Aktion, die dem einzelnen Beamten wenig bringt – ca. 15 c netto pro Monat, das ist immerhin ein Symbol –, aber den Steuerzahler zusätzlich Schulden in Höhe von 58 Millionen c kostet.

Vor lauter Eifer hat das Land die erste Zahlung bereits geleistet, und dies im Vorgriff auf das Gesetz, das erst heute verabschiedet worden ist. Die zweite Zahlung erfolgt pünktlich acht Wochen vor der nächsten Landtagswahl. „Honi soit qui mal y pense“ – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht aber auf dem Orden, wie Sie wissen! Zeig doch mal dein Hosenband!)

So darf eine Regierung, die ihren Bürgerinnen und Bürgern 33 Milliarden c Schulden angesammelt hat, nicht wirtschaften. Nun will ich gern zugeben, und dessen müssen wir uns alle bewusst sein, dass wir alle nicht mehr im Zustand der Unschuld sind – nicht die CDU, nicht die SPD, nicht die FDP und schon gar nicht die GRÜNEN, Herr Kollege Kaufmann.

(Hartmut Holzapfel (SPD):Was?)

Alle haben aus ihrer Regierungszeit einen Anteil an dem Schuldenberg von 33 Milliarden c.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie sehr viel mehr als wir, das wollen wir festhalten!)

Das zu leugnen wäre absolut verfehlt. Das gehört zur Ursachenanalyse. Entscheidend ist aber nicht, dass wir uns gegenseitig ritualmäßig beschimpfen,sondern dass wir bereit und in der Lage sind, die Konsequenz daraus zu ziehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Konsequenz heißt Umkehr. Umkehr ist leicht gesagt und schwer zu realisieren. Da machen wir uns überhaupt nichts vor. Nur, bei dieser Landesregierung spüre ich von Umkehr überhaupt nichts.

(Beifall bei der FDP)

Täuschen wir uns doch nicht über die Situation hinweg.So schnell und so umfangreich kann das Wachstum der Steuereinnahmen, kann das Wachstum der Wirtschaft überhaupt nicht sein, dass es ausreichen würde, die Konsolidierung zu bewerkstelligen. Nur über strukturelle Ausgabensenkungen und nicht über den von SPD und GRÜNEN bevorzugten Weg von Steuererhöhungen, von neuen Steuern und neuen Abgaben, von neuem Quälen der Bürgerinnen und Bürger – nur über Ausgabensenkungen lässt sich der Haushalt konsolidieren.

(Beifall bei der FDP)

An dieser bitteren Wahrheit führt bedauerlicherweise kein Weg vorbei. Machen wir uns klar, was es bedeuten würde, wenn wir über Haushaltsüberschüsse den Schuldenberg abbauen wollten. Wenn ich einmal das völlig irreale Bild unterstelle, dass wir pro Jahr 1 Milliarde c Haushaltsüberschuss hätten – wir haben weiß Gott keinen Überschuss –, dann würde es irgendetwas zwischen einer und zwei Generationen brauchen, in denen Jahr für Jahr 1 Milliarde c Überschuss erwirtschaftet werden muss, um die 33 Milliarden c Schulden abzubauen. Daran können Sie erkennen, wie ernst die Situation ist und dass es niemand verantworten kann, diesen Berg noch weiter wachsen zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

Verehrter Herr Kollege Milde, da ist es mit Schönrederei weiß Gott nicht getan. Als Hessens Einnahmen sanken, wurden die Ausgaben trotzdem fast vollständig um den Preis steigender Schulden aufrechterhalten. Ich konzediere, wie jedes Mal an dieser Stelle, dass man beim Personalausgabenblock einen ernsthaften Ansatz gemacht hat.Das war aber das Einzige.Schon die Kürzung der freiwilligen Ausgaben ist zum Teil ein Jahr darauf wieder wettgemacht worden. In einem Punkt hat man sich im wahrsten Sinne des Wortes völlig vertan, hat die Straßenbaumittel gekürzt und anschließend wieder hochgefahren. Das war der falsche Ansatz. – Und das war es schon.

Das strukturelle Defizit im Landeshaushalt – dazu gehören auch die Verkäufe, weil sie dazu dienen, kurzfristig Geld hereinzuholen, ohne dass das strukturelle Defizit damit beseitigt werden kann – wurde nicht gesenkt, sondern es wird zurzeit vorübergehend durch den Geldsegen bei den Finanzämtern verdeckt. Zeitweise werden etwas weniger neue Schulden aufgenommen. Dies heißt aber keineswegs, dass nur ein einziger Cent des bestehenden Schuldenbergs getilgt worden wäre.

(Beifall bei der FDP)

Es gehört dazu,dass das alle bei aller Freude über die steigenden Einnahmen einsehen. Ich zitiere wieder aus dem Brief des Bürgers. Der schreibt Folgendes, und das finde ich zutreffend, das macht uns Mut, weil es zeigt, dass auch langfristig angelegte Politik, eine auf Nachhaltigkeit zielende Finanzpolitik bei den Bürgerinnen und Bürgern verstanden und akzeptiert wird, dass das plumpe Geldausgeben als schnelles Befriedigen von Konsumwünschen schon längst nicht mehr von den meisten Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Zitat lautet:

Auf was warten Sie eigentlich?

Sie, die Politiker, wir alle.

Das mögliche 2-prozentige Wirtschaftswachstum für dieses Jahr ist hoffentlich keine Eintagsfliege, wird aber in den nächsten Jahren aufgrund unserer Überbürokratisierung auf Dauer kaum anhalten bzw. noch überboten werden.

(Beifall bei der FDP)

Auf was warten wir denn? Wir haben nicht oder nicht genug konsolidiert, als das Geld fehlte. Wir konsolidieren nicht, wenn das Geld da ist. Wann wollen wir es denn jemals tun? – Kein Konjunkturaufschwung dauert ewig.Das haben wir weiß Gott gerade mit dem Abschwung exerziert.Wenn nichts Grundlegendes passiert, ist im nächsten Abschwung die Situation exakt die alte. Die Ausgaben bleiben unverändert, und um sie zu finanzieren, muss die Nettokreditaufnahme wieder heraufgefahren werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wer sich in Zeiten klammer Kassen um die Konsolidierung drückt und in Zeiten steigender Einnahmen so töricht ist, die Ausgaben zu erhöhen, statt endlich mit der Sanierung zu beginnen, der handelt unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP)

Der vergeht sich an den Gestaltungs- und Freiheitsrechten unserer Nachkommen, denen nichts anderes übrig bleibt, als den überzogenen Konsum ihrer Vorfahren mit Zins und Tilgung zu bezahlen. Ich sage es noch einmal – kein Weg führt an der Erkenntnis vorbei: Einen Haushalt kann man nur strukturell durch Ausgabensenkung konsolidieren.

Dazu gehört natürlich Umstrukturierung,weil sonst keine Schwerpunkte zu bilden wären. Dazu gehört Mut, und dazu gehört ein Konzept – Mut, den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit zu sagen, und ein Konzept dafür, welche Aufgaben der Staat künftig wie und auf welchem Niveau erledigen muss. Das ist die entscheidende Frage, vor der wir stehen: Wie ist die Aufgabenverteilung zwischen dem Staat als Gesamtheit der Bürgerinnen und

Bürger auf der einen Seite und dem einzelnen Bürger auf der anderen Seite zu realisieren? Was ist die beste Verteilung?

Sie kann auf jeden Fall nicht so bleiben. Denn es wäre Illusion, den Menschen vormachen zu wollen, es kann alles so bleiben, wie es ist, aber wir machen es billiger. Oder ihnen vorzumachen:Es kann alles so bleiben,wie es ist,aber es ist gerade einmal genug gespart. Es kann alles so bleiben, wie es ist, und wir werden für die kommenden Jahre die große Hoffnung erleben, dass wieder Geld in Massen eingeht und ausgegeben werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Hier sagt der Bürger,und das zeigt wieder,wie klar die Erkenntnis bei unseren Wählerinnen und Wählern vorhanden ist, Folgendes:

Alle Politiker reden immer davon,die Bürger müssten mehr eigene Verantwortung übernehmen.Richtig. Doch dann sollte sich der Staat zurücknehmen und den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr finanziellen Spielraum lassen. Beides geht nicht. Mehr Eigenverantwortung einerseits zu verlangen und den Bürgerinnen und Bürgern vonseiten des Staates immer tiefer in die Tasche zu greifen, das funktioniert nicht.

(Beifall bei der FDP)

Was ist also die Antwort? – Ist es das, was wir von einem normalerweise angesichts der Steuereinnahmen freudestrahlenden Finanzminister erwarten – Augen fest zukneifen, damit der Aufschwung möglichst lange hält? Dann merken die Bürger erst nach der nächsten Wahl, welche bitteren Pillen sie eigentlich schlucken müssen, und dann können wir uns wieder einmal hinwegretten bis zur nächsten Situation ähnlicher Art. – Nein, das kann es unseres Erachtens nicht sein.

Der Haushalt 2007 ist leider kein Umsteuer- und Einsparhaushalt. Jetzt sind wir darauf gespannt, wie es mit dem Haushalt 2008 ist. Aber ich muss Ihnen leider sagen, unsere Hoffnung, dass er besser wird, ist ausgesprochen gering. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Weimar das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte die dritte Lesung dazu nutzen, in allem Ernst einmal ein paar Dinge vorzutragen, die hier stereotyp, insbesondere von Herrn Schmitt, wiederholt werden und die keiner Überprüfung standhalten. Gelegentlich ist es so, dass man sagt:Na ja,lass ihn reden.– Aber irgendwann wird es Zeit, dass man das eine oder andere ein bisschen richtigstellt.

Das Erste ist die Frage der Verschuldung. Bei Rot-Grün war also alles klasse. – Jetzt sage ich Ihnen Folgendes.Von 1991 bis 1998 haben Sie – Herr Schmitt,jetzt hören Sie gut zu – 8,2 Milliarden Schulden gemacht.

(Michael Boddenberg (CDU): D-Mark oder Euro?)

Das war gegenüber dem ganzen Zeitraum vorher eine Steigerung von 40 %. Ich will Ihnen noch einmal sagen, was die Zahlen waren: 1994 1,25 Milliarden neue Schulden, 1995 1,1 Milliarden, 1996 1,1 Milliarden und 1997 1,5 Milliarden.Wir reden übrigens über Euro und nicht DMark. Wir reden im Moment über einen Haushaltsansatz von 825 Millionen c. Ich finde, Sie haben keinen Anlass, sich aufzuregen.

(Norbert Schmitt (SPD): Doch!)

Zweiter Punkt. In den acht Jahren, die als gleicher Zeitraum nachfolgen, inklusive dem Jahr 2006 mit den Kürzungen, die Sie einrechnen müssten, ist ziemlich genau dieselbe Summe von 8,2 Milliarden c angefallen.Aber es gab drei, vier Jahre Steuerrückgänge, wie wir sie in diesem Lande noch nie hatten,mit dem Ergebnis,dass wir z.B.bei der Körperschaftsteuer zwei Jahre ein Minus hatten und mehr zurückgezahlt als eingenommen haben. Wir haben es trotzdem geschafft,es auf dem Level zu halten,und sind 2003 bei dem Ergebnis 776 Millionen c.Das Ergebnis,das ich dieses Jahr erwarte, ist wahrscheinlich so, dass wir alle Verschuldungen seit 1989 – hören Sie bitte genau zu, das war ein Jahr unter Kanther, in dem wir 340 Millionen c gemacht haben, und dann wieder rückwirkend bis 1980, da waren Sie auch an der Regierung – unterschreiten. So, und jetzt kommen Sie.