Die Landesregierung weiß also nicht, wohin sie führen will. Wir, die Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben eine Alternative vorgelegt. Sie ist konzeptionell und finanzwirtschaftlich ihrem planlosen Umherirren eindeutig und klar überlegen. Ich werde darauf zurückkommen, will aber noch einen Augenblick bei ihrem schwarzen haushaltstechnischen Herumgestochere verbleiben.
Ein weiterer Schwachpunkt bleibt die nach Verfassungsrecht dringend gebotene Wahrung des Budgetrechts des Parlaments. Wie aber soll ein Haushaltsgesetzgeber eine vernünftige Entscheidung treffen, wenn ihm die dazu notwendigen Informationen nicht vorgelegt werden?
Herr Finanzminister, Sie selbst haben von dieser Stelle aus einmal bestritten, dass der Landtag bei den Zielvorgaben des Haushalts entsprechende Einflussmöglichkeiten habe. Das haben wir mittlerweile, denke ich, anders geklärt.Aber dass Sie diese Position vertreten, erklärt vieles von dem ungenügenden und holprigen Umsetzen. Deshalb erneut Seneca:„Nicht wollen ist der Grund,nicht können ist nur der Vorwand.“ Sie behaupten immer, Sie könnten es nicht. Wir nehmen es Ihnen nicht mehr ab. Deswegen haben wir in unserem Antrag, der zur Debatte steht, konkrete Punkte zur Umsetzung der neuen Verwaltungssteuerung benannt. Darüber können wir, denke ich, im Ausschuss weiter diskutieren.
Meine Damen und Herren, mit einer Gesamtverschuldung von über 33 Milliarden c hat das Land den höchsten Schuldenstand seit seiner Gründung vor über 60 Jahren erreicht. Verantwortlich dafür ist niemand anderes als diese Landesregierung, die es vollbracht hat, innerhalb von neun Jahren die Verschuldung um 33 % zu erhöhen. Dabei rede ich nicht von der Verantwortung für wegbrechende Steuereinnahmen oder Steuerausfälle durch ver
änderte gesetzliche Grundlagen. Ich rede von der Konzeptionslosigkeit dieser Landesregierung, dieser Herausforderung im Finanzierungssaldo zu begegnen.
Meine Damen und Herren, es ist für das Land ausdrücklich zu begrüßen, dass sich die Steuereinnahmen im Jahr 2007 – und auch schon 2006 – weitaus positiver entwickelt haben als ursprünglich vorhergesehen und vom Arbeitskreis Steuerschätzungen ermittelt. Ich weiß, dass das auch den Finanzminister freut. Er verhält sich so – jetzt kommt ein neues Zitat, ausnahmsweise nicht von Seneca –, wie Wilhelm Busch es sehr schön und trefflich beschrieben hat:„Er fühlte sich wie neu gestärkt,als er so viel Geld bemerkt’.“
Meine Damen und Herren, aber wenn man das bemerkt, erwächst aus dieser Situation auch die besondere Verantwortung, aus den verbesserten Rahmenbedingungen heraus in der Finanzpolitik auf einen Pfad der Nachhaltigkeit einzuschwenken.
Das mahnen wir an, und wir sagen Ihnen: Wer das nicht tut, der begeht nicht nur einen Fehler, sondern unterliegt auch einem großen Irrtum. Deswegen Seneca zum Dritten:
„Die Zeit wird kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern, dass wir so offenbare Dinge nicht gewusst haben.“ Herr Finanzminister, das richtet sich an Sie, der Sie bei deutlich erhöhten Steuereinnahmen nicht endlich den Weg zur Nachhaltigkeit einschlagen,sondern weiter in die Verschuldung hineinstürzen.
Herr Finanzminister, wir fragen Sie erneut:Warum halten Sie an einem Finanzplan fest, der nach wie vor eine jährliche Neuverschuldung in Milliardenhöhe enthält? Warum verweigern Sie sich dem, was alle für dringend notwendig halten, nämlich die Neuverschuldung zu reduzieren? Wann wird in Hessen ein Haushalt endlich einmal ohne Neuverschuldung aufgestellt werden?
Herr Finanzminister, warum sind Sie ohne Ehrgeiz, Haushaltskonsolidierung zu erreichen? Packen Sie es endlich an, und sagen Sie uns hier und heute, wann wir mit Ihren Aktivitäten rechnen können.
Zu diesen Aktivitäten gehört als Erstes, vernünftig und ehrlich zu rechnen und nicht einen Regierungsentwurf für den Haushalt vorzulegen, in dem mit einem Federstrich die Investitionen des kommunalen Bereichs als Investitionen des Landes verbucht werden, wodurch der Haushalt scheinbar in die Lage versetzt wird, verfassungskonform weitere 400 Millionen c Kredite aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich führe ein weiteres Zitat an – ich sagte ja schon, Herr Kollege von Hunnius hat mich dazu ermuntert –, diesmal von Jean Paul Getty: „Pro
Das ist das Motto des Finanzministers bei der sogenannten Verschuldungsgrenze nach Haushaltslage, um die enge hessische Selbstbindung umzudefinieren.
Meine Damen und Herren, dank der verbesserten Konjunkturlage kommt Weimar nun in die glückliche Situation, davon keinen Gebrauch machen zu müssen. Dies war aber nichts anderes als ein Taschenspielertrick und das genaue Gegenteil einer nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik.Deshalb wollen wir Nachhaltigkeit als Prinzip der Finanzpolitik festgeschrieben wissen.
Meine Damen und Herren,wenn man einen vernünftigen, nachhaltigen Haushalt aufstellen will, gehört als Zweites dazu, dass man eine Vorstellung darüber entwickelt, wie man einer negativen Haushaltssituation entgegenwirken kann und nicht immer von einer Ahnungslosigkeit in die nächste fällt. Deswegen bedarf es dringend einer Neudefinition des Investitionsbegriffs. Nicht so – wenn Herr von Hunnius nun voller Spannung schaut –, wie Sie das Anfang des Jahres versucht haben, sondern es geht um eine ernst gemeinte Definition, auch im Hinblick auf Verschuldungssituationen.Der entscheidende Punkt ist,wie ich bei der Nachtragsdebatte schon erwähnt habe: Man kann nicht Vermögen abgeben und gleichzeitig sagen, alles, was man für die Anschaffung von Vermögen ausgeben wolle, sei kreditfähig. An dieser Stelle muss man vielmehr den Nettovermögenszuwachs betrachten.
Wenn Sie für rund 770 Millionen c - 768 Millionen c waren es genau – Vermögen verkaufen, dann müssen Sie diesen Betrag von der Kreditsumme, die Sie aufnehmen dürfen, abziehen. Nur das nämlich ist bei einer vernünftigen, richtigen Rechnung der mit Schulden finanzierbare Investitionsbetrag, der übrig bleibt.
Meine Damen und Herren, Sie müssen sich einmal klarmachen: Wir verkaufen Vermögen, das langfristig gebundene Schulden produziert, für den kurzfristigen Einsatz im Haushalt, aber die Schulden bleiben in diesem Fall bestehen.Also ist die Bilanz,die Herr Weimar uns vormacht, falsch.
Ich fordere Sie deshalb auf: Schwenken Sie in der Haushaltspolitik auf einen Pfad der Nachhaltigkeit ein. Das heißt, es geht nicht nur um Kürzen und Kahlschlag, sondern darum, sinnvoll zu investieren und inhaltlich Sinnvolles zu machen. Stichwörter wären hier „erneuerbare Energien“ und „soziale Infrastruktur“, aber vor allem auch „Investitionen in die Köpfe“. In diesem Zusammenhang müssten wir uns noch einmal über den Investitionsbegriff unterhalten.
Meine Damen und Herren, wie das geht, wie man einen solideren, mit weniger Verschuldung auskommenden, aber auch politisch profilierten Haushalt aufstellen könnte, haben wir GRÜNEN Ihnen mit unseren Änderungsanträgen gezeigt, die Sie – da geht es uns nicht ganz so gut wie der SPD, bei der einer genehmigt wurde – alle abgelehnt haben. Das ehrt uns. Das zeigt uns nämlich sehr
deutlich, dass die CDU nicht die richtige Konzeption für die Haushalts- und damit auch für die allgemeine Politik in den inhaltlichen Schwerpunkten hat.
Aber nicht nur inhaltlich, sondern auch finanzwirtschaftlich ist dieser Haushalt aus unserer Sicht konzeptionslos und inkonsequent. Ich nenne dafür noch ein Beispiel. Die Neuregelung der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen ist überfällig; denn in der Ausgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs liegt eine Chance, die Finanzbeziehungen transparenter und gerechter zu gestalten. Herr Finanzminister, diese Chance darf nicht länger ungenutzt auf die lange Bank geschoben werden. Wir haben unseren Antrag zur Änderung des Finanzausgleichsänderungsgesetzes gestellt, damit wenigstens ein kleiner Schritt in Richtung Gerechtigkeit getan werden kann, nämlich durch Abschaffung der Mindestzuweisung für die abundanten Gemeinden im Kommunalen Finanzausgleich.Die Mehrheit hat ihn abgelehnt,obwohl es ein Vorschlag ist, der von Herrn Weimar selbst stammt.
Meine Damen und Herren, da kann man nur noch den Kopf schütteln und sich fragen: Wohin will er mit seiner Finanzpolitik eigentlich? – Wenn man die Historie der letzten Jahre betrachtet, dann kennt man die Einstellung: „Die Ausgaben haben wir im Griff, für die Einnahmen können wir nichts, und ansonsten wird das Delta am Ende finanziert.“ In den ersten Jahren wurde es durch Kreditaufnahme finanziert, im Augenblick wird es durch Steuermehreinnahmen finanziert. Mal sehen, was in den nächsten Jahren hinsichtlich des Deltas ansteht. So kann man keine solide Haushaltspolitik machen.
Zusammenfassend stelle ich zum schwarzen hessischen Haushalt aus grüner Sicht fest:Das in Haushaltszahlen gegossene Arbeitsprogramm der Landesregierung für das kommende Jahr bemüht sich im Vorwahljahr um Klientelbedienung und um Festigung struktureller Verkrustungen, es vernachlässigt wichtige aktuelle Herausforderungen – Stichwort: Klimaschutz, um nur eines zu nennen – und setzt seinen Kurs immer weiter steigender Verschuldung unverdrossen fort. Es ist das Gegenteil von nachhaltig und zukunftsorientiert. Es ist der Haushalt einer Regierung und einer Mehrheit, die gemeinsam abgewirtschaftet haben.Es wird Sie nicht wundern,dass wir ihn ablehnen.
Wir wollen und wir werden es ab dem Nachtragshaushalt 2008 wieder sehr viel besser machen. – Vielen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann, lassen Sie auch mich mit einem Zitat anfangen. Es stammt nicht von Seneca und leider auch nicht von Wilhelm Busch, dafür ist es nicht lustig genug. Es lautet: „Wann wachen unsere verantwortlichen Politiker endlich auf und machen sich Gedanken darüber, wie angesichts der beachtlichen Steuermehreinnahmen und der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 % im Jahr 2007 die Schuldenaufnahme beendet werden kann?“
Das Zitat stammt von einem besorgten Bürger aus Oberursel. Ich muss sagen: Es charakterisiert die Situation haargenau so, wie sie ist. Die Menschen wundern sich, wie es sein kann, dass auf der einen Seite die Steuereinnahmen sprudeln, auf der anderen Seite eine Besserung, eine wirkliche Trendumkehr in Sachen Schulden nicht absehbar ist. Die Konjunktur ist in Schwung gekommen. Nach dem Export ist endlich auch die Binnennachfrage angesprungen. Die Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen – von den Kommunen über das Land bis zum Bund – steigen wieder. Es sind unterschiedliche Steigerungsraten; wir haben gehört, dass Sachsen-Anhalt die größte Rate zu verzeichnen hat.
Auf die Ursachenanalyse sollten wir jedoch nicht allzu viel Mühe verwenden. Die Trendwende hat sicher nichts mit der Landesregierung in Wiesbaden und kaum etwas mit der sogenannten Großen Koalition in Berlin zu tun, dagegen viel mit der steigenden Produktivität der deutschen Wirtschaft, mit aufgelaufenem Nachfragestau, mit dem gebremsten Wachstum der Lohnzusatzkosten und nicht zuletzt mit dem Verlauf des Konjunkturzyklus. Das sind die Ursachen für die steigenden Steuereinnahmen. Im Ergebnis ist das ausgesprochen erfreulich, aber – das ist überhaupt keine Kritik an der Landesregierung – sicherlich kein Erfolg der Landesregierung.