Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes – Drucks. 16/500 zu Drucks. 16/177 –
Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 16/496 in zweiter Lesung anzunehmen.
Der Gesetzentwurf war dem Innenausschuss in der 6. Plenarsitzung am 3. Juni 2003 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden. Der Änderungsantrag Drucks. 16/496 wurde dem Innen
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seinen Sitzungen am 2.Juni und am 10.September 2003 beraten und mit den Stimmen der CDU, der SPD und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die oben wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst. Zuvor war der Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU, der SPD und der FDP bei Stimmenthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.
Herr Beuth, vielen Dank. Sie hören einstimmiges Lob für den Vortrag, selbst vom Kollegen Weinmeister. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ausdrücklich. Das wird Sie garantiert nicht wundern.
Insbesondere möchte ich zwei Neuregelungen hervorheben, die für meine Fraktion von besonderer Bedeutung sind. Wir betrachten sie als Kernstücke der Novelle. Die bisherigen Regelungen rufen geradezu danach, dass man sie ändert.
Das ist zum einen die Übertragung der Vollstreckungsbefugnis für kirchliche Friedhofs- und Bestattungsgebühren – mein Kollege Weinmeister hat gelacht, als er das gelesen hat; das ist aber eine ernste Sache – auf kommunale Vollstreckungsbehörden. Der neu zu schaffende § 64a des Gesetzes sieht dies vor.
Der Grund für diese Neuregelung ist verhältnismäßig einleuchtend: In einigen Gemeinden unterhalten und betreiben Religionsgemeinschaften kirchliche Friedhöfe. Sie nehmen dann natürlich auch Friedhofs- und Bestattungsgebühren. Diese können sie per Leistungsbescheid geltend machen.
In Hessen haben wir die Situation, dass es keine staatsgesetzliche Ermächtigung zur Vollstreckung gibt, und daher können die Kirchen ihre Gebühren am Ende nur noch durch eine Leistungsklage beim Verwaltungsgericht geltend machen. Das ist ein unglaublich kostenintensiver Umweg. Das ist im Sinne der Verfahrensökonomie völlig unsinnig, und es belastet dazu unsere Gerichte – die sowieso übermäßig belastet sind – noch unnötigerweise.
Deswegen treten wir für die genannte Änderung ein. Wir wollen auch, dass den kommunalen Vollstreckungsbehörden die entstandenen Kosten erstatten werden. Die evangelische und die katholische Kirche unterstützt dies, ebenso der Städtetag,der Städte- und Gemeindebund,der Landkreistag. Auch der Fachverband der kommunalen Kassenverwalter sowie der Vollziehungsbeamtenverband begrüßen diese Änderung. Deswegen: Seien auch Sie dabei.
Der zweite Kernpunkt findet sich in der Änderung von § 8. Es geht hier um ein, wie ich finde, ernstes Thema: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Wir betrachten mit Sorge, dass das Gewaltpotenzial bei Zahlungspflichtigen stetig steigt und damit Vollziehungs
beamte bei der Erfüllung ihrer nicht immer erfreulichen Tätigkeit und Aufgabe einem erheblichem Risiko für Leib und Leben ausgesetzt sind.
Ganz plastisch hat das eine Stellungnahme des Hessischen Vollziehungsbeamtenverbandes gemacht. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich daraus:
Seit einiger Zeit müssen wir feststellen, dass die Schuldner aggressiver geworden sind. Und in einigen Bereichen leben Schuldner, bei denen ein großes Gewaltpotenzial gegeben ist und die die Vollziehungsbeamten mit der Waffe bedrohen.
Ich kann das aus der Praxis nur bestätigen. Es gibt da wirklich Probleme. Ich habe den Anfängerfehler begangen, als ich bei Strafverteidigungen nicht von vornherein einen Vorschuss genommen, sondern darauf vertraut habe, dass meine Freunde – die Mandanten – das Geld irgendwann abliefern, wenn die Verteidigung beendet ist. Das war nicht der Fall. Ich habe dann nachdrücklicher darauf hingewiesen, dass es doch eine gesetzliche Verpflichtung gibt, dieses Geld abzuliefern.Auch das ist dann nicht geschehen – aber die standen dann bei mir vor der Tür. Und so manches Mal hätte ich mir dann gewünscht, Pfefferspray im Haushalt zu haben, nicht nur einen 13 Jahre alten Schäferhund, der blind und taub ist; das ist das Problem an der Sache.
Ich glaube, wir haben deswegen schon alleine aus Gründen der Vorsorge für diejenigen, die im Außendienst Vollstreckungshandlungen vornehmen, geradezu eine gesetzgeberische Verpflichtung, aktiv zu werden. Daher unterstützen wir die Gesetzesänderung, mit der Vollziehungsbeamten erlaubt werden soll, im Falle des Widerstandes diesen Widerstand durch körperliche Gewalt mit und ohne Hilfsmittel zu brechen.
Dabei betone ich ausdrücklich,dass hier lediglich der Einsatz von Hilfsmitteln – also nach dem HSOG beispielsweise Reiz- oder Betäubungsstoffe – gemeint ist und legalisiert wird, nicht jedoch der Einsatz von Waffen.Wenn ein so erheblicher Widerstand zu erwarten ist, dass der Einsatz von Waffen erforderlich wird, bleibt es auch nach der Neuregelung dabei, dass die Polizei um Hilfe ersucht werden muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, insbesondere hier bitte ich Sie, Ihr Nein zu überprüfen, zu überdenken und dabei zu sein, wenn es darum geht,mehr Sicherheit für Vollziehungsbeamte zu schaffen.
Und wenn Sie es mir nicht glauben – was ich mir durchaus vorstellen kann –, dass das der richtige Weg ist, dann glauben Sie es doch Ihren Kollegen in den wenigen Ländern, in denen noch Rot-Grün regiert, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Dort ist es so geregelt, wie wir es hier vorhaben. Ebenso haben die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz das Problem gelöst. Springen Sie also über Ihren Schatten, und seien Sie dabei.
Zum Abschluss noch einige wenige Bemerkungen zu der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Bei der Aufforderung, zu regeln, dass der Pflichtige vor seiner Einwilligung zur Durchsuchung seiner Wohnung hinreichend über seine Rechte aufgeklärt werden muss, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Selbstverständlichkeit. Auch der Vollziehungsbeamte hat keinerlei Interesse an einer unwirksamen Einwilligung und wird daher den Pflichtigen immer über die Rechtslage und dessen Rechte
Der zweite Punkt ist die Forderung des Datenschutzbeauftragten nach zeitnaher Löschung nach Erledigung der Vollstreckung durch die speichernden Stellen. Das unterstützen wir selbstverständlich vollinhaltlich: das ist aber in Wirklichkeit auch schon gesetzliche Realität, nämlich in § 19 Abs. 3 des Hessischen Datenschutzgesetzes, das auch auf Vollstreckungsverfahren Anwendung findet.
Der dritte Punkt ist: Es ist ebenso wenig erforderlich, die Pflicht zur Begründung des Auskunftsverlangens bei Dritten im Gesetz zu regeln. Das gebietet sich nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die Stichworte sind Rechtsschutzgarantie und Begründungszwang für Verwaltungsakte.
Meine Damen und Herren, die vorgeschlagenen Änderungen beschleunigen und vereinfachen das Vollstreckungsverfahren. Sie gewähren den Vollziehungsbeamten mehr Sicherheit, ohne dass dadurch die berechtigten Interessen der Pflichtigen beeinträchtigt werden.
Ich wiederhole meine Einladung an Sie: Machen Sie mit bei dieser begründeten Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes.
Vielen Dank, Herr Rhein. – Im Moment liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, aber jetzt kommt ein heftiges Signal. Das Wort hat Herr Al-Wazir für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Fangen wir vielleicht einmal mit den Punkten an, in denen wir uns einig sein könnten oder in denen wir uns sogar einig sind.
Das bisherige Gesetz ist ein wenig kompliziert und schwerfällig, auch ein wenig unübersichtlich. Einer der Gründe für diese Novelle war es,dass man gesagt hat:Erstens wollen wir eine gewisse Verwaltungsvereinfachung erreichen. Zweitens wollen wir die Vorschriften hinsichtlich der ZPO und der Abgabenordnung harmonisieren. Drittens sollen Vollstreckungsbeamte in jedem Stand des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken. Schließlich soll man Mindest- und Höchstbeträge festlegen.
So weit, so gut. In diesen Punkten sind wir uns einig, und hier gibt es keinen Grund für uns, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen – ungeachtet Ihres 13-jährigen blinden und tauben Schäferhundes, Herr Rhein.
Allerdings gibt es einen oder zwei Punkte, die uns schließlich dazu gebracht haben, diesen Gesetzentwurf im Aus
schuss abzulehnen, und dies werden wir heute auch hier tun – ungeachtet der Regelungen in anderen Ländern.
Es geht um die Tatsache,dass Sie in diesem Gesetzentwurf jetzt den Vollstreckungsbeamten die Möglichkeit geben, durch die Anwendung körperlicher Gewalt oder ihrer Hilfsmittel – so heißt es, glaube ich, im Gesetz – Widerstand zu brechen, sofern sie bei Vollstreckungshandlungen auf solchen Widerstand stoßen. Meine Damen und Herren, das finden wir nicht richtig.
Natürlich wissen wir, dass – wie der Bund der Vollstreckungsbeamten geschrieben hat – die Klientel in den letzten Jahren teilweise schwieriger geworden ist. Das ist uns bekannt. Wir wissen auch, dass Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsbeamte manchmal auf schwierige Situationen stoßen. Ich kann mich an einen Fall erinnern – ich glaube, es war vor einigen Jahren in Mittelhessen –, als es sogar zu einem tödlichen Ausgang kam, als ein Gerichtsvollzieher beschossen wurde, als er pfänden wollte.
Allerdings sind wir der Meinung, dass es immer noch so sein sollte, dass – falls ein Vollstreckungsbeamter auf Widerstand stößt – er sich dann zurückzieht und die Polizei zu Hilfe holt. Die ist dafür besser ausgebildet und ausgerüstet, und die weiß in einem solchen Falle, wie man mit einer derartigen Situation umgeht – besser, als dies die Vollstreckungsbeamten tun könnten. Das ist der Hauptpunkt, der uns dazu bringt, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang einen letzten Punkt, der zwar nicht zu einer Ablehnung geführt hätte, den wir aber auch bedauern. Es ist so, dass die Löschungsfristen und die Frage des Datenpools, d. h. wie man mit solchen Daten umzugehen hat, in anderen Gesetzen schon geregelt sind. Trotzdem hätten wir es besser gefunden, auch in diesem Gesetz zeitnahe Löschungsverpflichtungen für Datenpools zu regeln, weil die Beamten in der Regel ihr Gesetz und nicht auch noch das Hessische Datenschutzgesetz unter dem Arm tragen. Wir hätten es gut gefunden, wenn auch das noch aufgenommen worden wäre. Den Vorstellungen des Datenschutzbeauftragten ist ebenfalls nicht gefolgt worden.
Aber der Hauptpunkt ist die Frage der körperlichen Gewalt und ihrer Hilfsmittel. Das wird dazu führen, dass wir dieses Gesetz in letzter Konsequenz ablehnen werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir hier einen Gesetzentwurf haben, den wir in weiten Teilen gemeinsam tragen. Wir haben ihn im Ausschuss miteinander erörtert. Ich will mich auf die zwei Punkte beziehen, die Sie, Herr Kollege AlWazir, angesprochen haben.
Erster Punkt. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, ob Ihre Position am Schluss wirklich weiter trägt. Dazu will ich das Beispiel Datenschutz nennen. Sie haben selbst eingeräumt, dass in allen Gesetzen, um die es hier geht, dezidierte, bereichsspezifische Datenschutzregelungen enthalten sind. Sie sind also nicht nur im Hessischen
Datenschutzgesetz, das einen allgemeinen Rahmen bildet, sondern auch in der Abgabenordnung, in der Vollstreckungsordnung usw. enthalten. Überall steht, wie das mit dem Datenschutz konkret funktionieren soll.
Jetzt sagen Sie: „Macht doch, bitte schön, auch in dem Gesetz noch einmal Datenschutzregelungen“, obwohl diese notabene wortgleich wären. Etwas materiell Neues fällt einem ja nicht ein. Halten Sie es wirklich für klug, dass wir das so aufblähen, wenn wir gleichzeitig darüber diskutieren, dass heute kaum noch jemand imstande ist, ein Gesetz beim ersten oder zweiten Durchlesen zu verstehen? Wissen Sie, was ich glaube? Je mehr Sie über Datenschutz hineinschreiben, desto weniger lesen es die Leute.