Protocol of the Session on December 12, 2006

Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz.Wer diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der CDU.Wer ist dagegen? – Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die Fraktion der FDP. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen und zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Zusammenführung und Änderung von Vorschriften der Kinder- und Jugendhilfe – Drucks. 16/6655 zu Drucks. 16/6059 –

Hierzu werden aufgerufen: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/6687, und Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 16/6689.

Ich darf zunächst um Berichterstattung durch die Kollegin Eckhardt bitten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 16/6650 in zweiter Lesung anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Sozialpolitischen Ausschuss in der 113. Plenarsitzung am 5. Oktober 2006 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Sozialpolitische Ausschuss hat am 30.November 2006 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt.

Der Sozialpolitische Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 7. Dezember 2006 behandelt und ist mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu dem oben genannten Votum gelangt.

Zuvor war der Änderungsantrag Drucks. 16/6567 mit Blick auf die für den 12.Dezember 2006 vorgesehene Ausschussberatung zurückgezogen worden.

Der Änderungsantrag Drucks.16/6650 wurde zu Nr.1 und 3 einstimmig, zu Nr. 2 mit den Stimmen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD,zu Nr.4 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Nichtbeteiligung der SPD, zu Nr. 5 mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, zu Nr. 6 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zu Nr. 7 mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der SPD und der FDP angenommen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank,Frau Eckhardt.– Ich darf die Aussprache eröffnen und erteile Frau Schulz-Asche für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Frau Schulz-Asche, es sind zehn Minuten Redezeit vereinbart.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßen wir GRÜNEN die Zusammenführung von sechs Gesetzen der Kinder- und Jugendhilfe. Aber ich möchte gleich vorausschicken: Die Zusammenfassung allein bedeutet noch keinen Bürokratieabbau, wie es Frau Oppermann neulich behauptet hat.Wir haben es hier mit einer Aneinanderreihung von Gesetzen zu tun, die keinen roten Faden hat. Dieser rote Faden müsste in letzter Konsequenz heißen, dass der hessische Bildungs- und Erziehungsplan hier seinen Niederschlag findet. Meine Damen und Herren, das ist leider nicht der Fall.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind der Auffassung, dass es endlich an der Zeit ist, die Betreuung von Kindern im Alter von null bis zehn Jahren aufzuwerten und eine Betreuung aus einem Guss anzubieten.Denn wir sind nicht nur der Meinung, dass Kinder in Betreuungseinrichtungen endlich ein altersgerechtes Bildungsangebot und eine individuelle Förderung erhalten müssen, sondern wir sind auch der Meinung, dass Eltern ein Recht auf die Verlässlichkeit von Kinderbetreuung haben, sowohl was den Umfang als auch endlich was die Qualität angeht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, deswegen hat meine Fraktion umfangreiche Änderungsanträge vorgeschlagen. Das beginnt mit dem gesamten Bereich der Jugendhilfe. Es geht nicht nur darum, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern, sondern es geht auch darum, Kindern und Jugendlichen Unterstützung dabei zu geben, ein eigenständiges Leben zu führen, die Kompetenzen dafür zu entwickeln, ein solidarisches Miteinander zu erleben und ein ökologisches Bewusstsein und Nachhaltigkeit zu erfahren.All das sind Aufgaben, für die die Jugendhilfe in Zukunft sehr viel stärker in Frage kommen muss. Leider haben Sie sich in diesem Bereich eher zurückentwickelt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt – gerade nach dem Getöse von Frau Lautenschläger auch auf Bundesebene – ist für uns der Schutz von Kindern. Wir sind der Meinung, dass die Kinderrechte sehr viel ausführlicher in diesem Gesetz verankert werden müssen, als das bisher der Fall ist. Wenn wir wirklich davon ausgehen, dass das Kindeswohl in Hessen an erster Stelle steht, dann reicht eine solch lapidare Formulierung, wie sie die Landesregierung hier vorgesehen hat, bei Weitem nicht aus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Drittens. Wir sind auch der Meinung, dass das Thema Gender-Mainstreaming in der Jugendhilfe endlich einen adäquaten Platz bekommen muss. Ich denke, dass in der Anhörung noch einmal sehr deutlich gesagt worden ist, dass die Landesregierung das Konzept offensichtlich nicht verstanden hat, dass hier überhaupt nicht nachgeprüft wurde, inwieweit in den einzelnen Bereichen die angestrebte Gleichstellung der Entwicklung von Jungen und Mädchen oder jungen Frauen und Männern umgesetzt ist. Ebenfalls kritisiert worden ist, dass die Mädchen- und Frauenförderung im Gesetz praktisch überhaupt keine Rolle mehr spielt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Rafael Reißer (CDU): § 1 Abs. 2! Nachlesen!)

Zum Thema Rauchen werden wir, so denke ich, in diesem Hause noch genug Gelegenheit haben, zu diskutieren. Ich denke aber, dass die Regelung, dass Sie nur in Kindergärten und nicht in Einrichtungen der Jugendhilfe Rauchverbote aussprechen wollen, ein Zeichen dafür ist, wie inkonsequent diese Landesregierung mit Nichtraucherschutz umgeht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ein weiterer Punkt, wo wir Änderungen vorschlagen:Wir sind der Meinung,dass gerade auch für behinderte Kinder und Jugendliche endlich ein Rechtsanspruch auf barrierenfreien Zugang zu Einrichtungen der Jugendhilfe hergestellt werden muss. Meine Damen und Herren, die Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen ist ein Punkt, wo es der Landesregierung gut angestanden hätte, deutlicher zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, die schwersten Versäumnisse, die wir Ihnen vorzuwerfen haben, die Sie begangen haben, als Sie diese sechs Gesetze zusammengefasst haben, sind, dass wir feststellen müssen, dass nach monate- und jahrelangen Ankündigungen, hier den ganz großen Wurf in der Kinderbetreuung zu machen, am Ende nichts weiter herausgekommen ist als ein Armutszeugnis. Es fehlen ganze Bereiche von Betreuung. Einige ganz schlimme Fehler vom Anfang, wie das Fehlen der Hortbetreuung, sind glücklicherweise noch rückgängig gemacht worden. Aber es fehlen nach wie vor Krabbelgruppen und betreuende Grundschulen. Wenn wir tatsächlich davon reden, Kinderbetreuung und Bildung aus einem Guss anzubieten, dann heißt das auch, dass alle Formen von Betreuung und auch die betreuende Grundschule einbezogen werden müssen. Sie begehen hier wirklich ein Versäumnis. Da hat Ihr Bildungs- und Erziehungsplan uns wieder etwas vorgegaukelt. Wenn es um die Umsetzung geht, darum,

was im Einzelnen geschehen soll und wie es organisiert werden soll, dann versagen Sie kläglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Alles, was mit Qualitätskriterien zu tun hat, wird in Rechtsverordnungen geregelt, wenn überhaupt. Aber auf der anderen Seite werden gewerbliche Träger zugelassen. Meine Damen und Herren, das Missverhältnis zwischen dem Setzen von Qualitätsstandards und unter Umständen der Zulassung von Gewinnen in gewerblichen Einrichtungen ist in diesem Gesetzentwurf einer der Punkte, zu denen Sie in der Anhörung von allen gesagt bekommen haben,dass das nicht sein kann,sondern dass es darauf ankommt, endlich die Qualität aller Betreuungsformen zu verbessern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir uns Ihren § 26 angucken – das ist sozusagen der entscheidende Paragraf –, bei dem es um die Frage geht: „Was sind die Aufgaben von Betreuungseinrichtungen?“, dann stellen wir fest: Einen eigenständigen Auftrag der Tagesbetreuung, der Tageseinrichtungen, der gesamten Kinder- und Jugendhilfe, einen eigenständigen Bildungsund Betreuungsauftrag gibt es bei Ihnen nicht. Deswegen haben wir einen umfassenden Antrag eingebracht, um § 26 aufzuwerten. Sie haben keine Idee, Sie haben kein Konzept, und Sie haben keine Vision, was man tun muss, um Kinder von klein auf so zu fördern, dass sie tatsächlich eine gute Chance auf eine Bildungskarriere in unserem Land haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist das viel propagierte und immer vernachlässigte Stiefkind der Familientagespflege. Dieser Gesetzentwurf, der angeblich dazu beitragen muss, mit großem BAMBINI-Getöse die Familientagespflege aufzuwerten, enthält keine Vorgaben zu einer wirklichen Qualifikation und Fortbildung bei der Familientagespflege.

Meine Damen und Herren, das ist einer der größten Vorwürfe, den ich Ihnen mache. Sie tun nämlich mit Ihrem BAMBINI-Programm so, als wollten Sie gerade in diesem Bereich handeln. In Wirklichkeit, so stellt es sich heraus, gibt es aber bei der Kleinkinderbetreuung wieder keine Qualitätsverbesserung.Wir können nur hoffen, dass es einige zusätzliche Plätze gibt. Aber die Qualifikation, die Fortbildung und die Qualität der Angebote spielen für Sie keine Rolle. Das ist durch diesen Gesetzentwurf deutlich geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Einige Kritiken haben Sie glücklicherweise aufgenommen. Aber allein auf die Idee zu kommen, die Qualitätsstandards in der Familienpflege so abzusenken, dass sie unterhalb dessen liegen, was für Krippen und Krabbelstuben verlangt werden kann: Ich bin wirklich froh, dass wir das abgewendet haben und dass Sie das letztendlich aus Ihrer ersten Vorlage herausgestrichen haben.Aber auf die Idee muss man erst einmal kommen.Auch dies ist ein Beweis dafür, wie wenig Ihnen an der Qualitätsverbesserung tatsächlich liegt. Sonst käme man überhaupt nicht auf die Idee, die Familientagespflege zu nutzen, um die Zahl der Plätze auszubauen, ohne auf die Qualität zu achten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich denke, es ist wirklich an der Zeit. Wir alle reden über die Notwendigkeit, die Qualität der Bildung zu verbessern. Seit Jahren reden wir darüber. Deswegen ist es umso wichtiger, genau zu diesem Zeitpunkt hinzusehen und sich zu fragen:Was ist jetzt notwendig?

Wir haben in Hessen einen Bildungs- und Erziehungsplan. Er muss noch evaluiert werden.Aber wir alle gehen davon aus – wir wissen das aus den Gesprächen mit Leuten aus der Praxis –, dass er eine gute Grundlage dafür ist, die Kinder tatsächlich zu fördern. Daher fordere ich Sie jetzt auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans – mit der frühen Förderung kleiner Kinder – tatsächlich angeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Inzwischen ist, auch im Zusammenhang mit der Sprachförderung, völlig unumstritten, dass die Schwächen der Kinder beseitigt und ihre Stärken gestärkt werden können, je früher altersgerechte Angebote gemacht werden. Wir alle sollten uns das zum Ziel setzen.

Aber dafür brauchen wir Methoden und Ansätze. Daher schlagen wir für alle Kinder im Alter von drei Jahren eine obligatorische Kindergartenuntersuchung vor. Dabei sollen alle Eltern das Recht haben, sich für ihre Kinder eine Gesundheits- und Entwicklungsberatung zu holen. Sie sollen dann auch das Recht haben, eine Kinderbetreuungseinrichtung zu suchen, die den Fähigkeiten oder auch Problemen ihrer Kinder entspricht. Ich denke, dass dies eine Möglichkeit wäre,dafür zu sorgen,dass das erste Kindergartenjahr gerade von den Kindern viel stärker in Anspruch genommen wird, die die meiste Förderung nötig haben.

Frau Schulz-Asche, Ihre Redezeit ist um.

Ich komme zum Schluss. – Der jetzige Zustand des Gesetzentwurfs der Landesregierung erfordert eine dritte Lesung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Frau Eckhardt, Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Minimalkonsens ist, dass es durchaus sinnvoll ist, Einzelgesetze zu bündeln und zu einem hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch zusammenzufassen. Das ist jedoch lediglich ein formaler Aspekt,wobei über die Gesetzesinhalte noch nichts ausgesagt wird.

Da die Landesregierung nach der ersten Lesung und trotz der Anhörung die Mangelhaftigkeit dieses Gesetzentwurfs nicht erkannt hat – oder nicht wahrhaben will –,