Instrument war der verbindliche Frauenförderplan, bis heute das Fanal für die hessische CDU. Er sollte sicherstellen, dass auch aus dem Bewerberinnenpotenzial gut ausgebildeter Frauen und Seiteneinsteigerinnen – siehe öffentliche Ausschreibung – geschöpft wird. Bilden Sie sich deshalb nichts darauf ein, wenn Ihnen der eine oder andere Seilschafter gegen Frauengleichstellung beipflichtet. Gleichheitspolitik im Geiste der europäischen Verfassung und im Geiste des materialen Sozialstaatsverständnisses will die gerechte Umverteilung von Teilhabechancen.
Meine Damen und Herren, damals, 1994, haben Sie gegen das Gleichberechtigungsgesetz geklagt; heute wollen Sie seine Potenziale nicht fortentwickeln, sondern weiter minimalisieren.
Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion fordert Sie in der zweiten Lesung zur Novelle des HGlG noch einmal auf, Ihren Entwurf zurückzuziehen. Gehen Sie in sich,und überprüfen Sie,ob Sie noch zeitgemäß sind mit Ihren Weltbildern und der daraus resultierenden frauenpolitischen Halbherzigkeit.
Wir wissen: In den Reihen der CDU gibt es nach wie vor Stimmen, die übrigens auch in den Parlamentsausschüssen hörbar sind – ich hatte gerade Gelegenheit, bei einer Anhörung im Innen- und Sozialpolitischen Ausschuss zuzuhören –, wenn auch nicht ganz so laut wie am Biertisch und eher als launiger Zwischenruf, doch immerhin: Die Frauen dürften schon genug, irgendwo sei auch mal Schluss.
Aber, meine Damen und Herren in den Reihen der CDU, es geht schon längst nicht mehr nur um Ihre persönlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Arbeitsteilung zwischen dem vollerwerbstätigen Mann ohne nennenswerte Familienpflichten und der hinzuverdienenden Frau, die in alle häusliche Lücken springt und dem Ehemann, wenn es kalt ist, morgens den Schal und die Handschuhe reicht, damit er nicht friert, falls er eine Panne hat,
und ihm noch schnell die Hustenbonbons gibt, damit das mit der Rede im hessischen Parlament schön flüssig klappt.
Meine Damen und Herren, die Frauengleichstellung kommt weltweit voran. Frauenförderrecht wird mit den deutschen Stimmen in Europa immer dichter gewoben, und im Deutschen Bundestag kommt es zu interfraktionell verabschiedeten Gesetzen. Die Frauenförderung, von der deutschen Frauenbewegung als Menschenrechtsfrage nach vorne gebracht, ist mittlerweile in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion unbestritten.In der Wissenschaft ist sie Bestandteil der Exzellenzinitiative,
kultur, im Konkurrenzverhältnis der nationalen Volkswirtschaften Schlüsselthema zur Erschließung des ganzen Arbeitsmarktes und beim Fruchtbarmachen aller Potenziale.
Im Prinzip kommt es auf die hessische CDU und ihre konservativen Weltbilder überhaupt nicht mehr an. Zum Glück hat die Politik – das ist für mich als Bürgerin sehr tröstlich – einen höchst relativen Einflussbereich in diesen Punkten.Trotzdem wollen wir es Ihnen nicht durchgehen lassen, wenn Sie sich Ihren staatlichen Pflichten entziehen, Arm in Arm mit den Status-quo-Begünstigten. Sie gibt es vielerorts, auch in allen Parteien. Die Verantwortung tragen allerdings diejenigen politisch Verantwortlichen, die diese bündeln und bedienen. Gerade darin sehen Sie Ihre Mission in Hessen.
Meine Damen und Herren, internationales, europäisches und deutsches Verfassungsrecht wollen es so, dass sich auch die Regionalregierungen der Bundesländer endlich aufmachen, die Hürden für die gleichgestellte Erwerbsbeteiligung von Frauen einzureißen.
Noch ein Satz an die FDP: Es geht um den Sozialstaatsauftrag für materiale Rechtsgleichheit. Der Staat soll und muss kompensatorisch eingreifen. Wer hier deregulieren will, handelt außerhalb unserer Verfassungsordnung und macht sich überall dort lächerlich, wo auf Niveau über die Themen europäischer Beschäftigungspakt, Diversity als Mobilisierungsstrategie aller Beschäftigungspotenziale und Gender-Mainstreaming als Nachhilfestrategie für die versteinerten, bequem gewordenen Sozialstaaten der alten Industrienationen gesprochen wird.
Gehen Sie einmal zu Mercedes-Benz, wo man in jüngster Zeit eine Frauenquote verabschiedet hat. Sprechen Sie mit den transnational etablierten Anwaltskanzleien, die die Frauenförderung als Exzellenzbaustein profilieren. Sprechen Sie mit den Großfunktionären der Wissenschaftsszene. Sprechen Sie mit den neuen europäischen Mitgliedstaaten wie den Portugiesen, oder sprechen Sie mit den Norwegern. Das Polemisieren gegen Frauenquoten, das Lachen über Frauenpolitik,
(Michael Boddenberg (CDU): Wir lachen nicht über Frauenpolitik, wir lachen über Ihren Vortrag, Frau Kollegin! Das müssen Sie schon unterscheiden!)
die Ablehnung von Durchsetzungssanktionen, das Nichtvorlegen von Evaluationsberichten, das Lachen und Keifen und das Dazwischenreden sind Bestandteile einer reaktionären Bewegung. Das weiß ich sehr wohl, Herr Boddenberg.
All das zeugt von Zukunftsblindheit. Was sie uns volkswirtschaftlich kostet, Herr Minister Bouffier, das Verschleudern des ganzen Bildungs- und Energiepotenzials der Frauen und Mädchen,
muss leider nicht von denen erstattet werden, die die Frauengleichstellung bis in die Gegenwart systematisch behindern.
Meine Damen und Herren,auch das sollte nicht vergessen sein: Es zeugt von einem grundlegend gestörten Demokratieverständnis, dass diese Landesregierung dem Parlament – das ist ja die Basis Ihres vermeintlichen Lachen
Könnens – den gesetzlich vorgeschriebenen Evaluationsbericht zur Frauenförderung im Lande vorenthält.
Offenbar – ich komme zum Schluss, Herr Präsident – soll die Öffentlichkeit nicht erfahren, wie skandalös unterrepräsentiert die Frauen in wichtigen Gremien sind, wie wenig sie in ihren Karrierewegen im öffentlichen Dienst vorankommen und wie gering die Mittel der Frauenbeauftragten sind, die sich um diese grundlegenden Bereiche der Frauenförderung im Lande Hessen kümmern.
Wir fordern Sie auf, die Novelle zurückzuziehen. Wir haben einen umfangreichen Forderungskatalog, den wir Ihnen heute in Änderungsanträgen vorlegen, von denen wir hoffen, dass Sie diesen zustimmen, weil es nämlich Beispiele dafür sind, dass andere Bundestagsfraktionen, andere Länderfraktionen der CDU bei der Frauenförderung besser dastehen als Sie.
Vielen Dank, Frau Dr. Pauly-Bender. – Ich darf für die CDU-Fraktion Frau Ravensburg das Wort erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Pauly-Bender, wir wollen heute keine Verfassungsdebatte führen.Wir wollen heute auch keine gesellschaftspolitische Debatte führen und schon gar keine Ideologiediskussion. Wir sprechen heute hier über das Hessische Gleichberechtigungsgesetz, ein Gesetz, das wir mit den Männern für die Frauen in unserem Lande machen wollen,
(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, wir auch! – Dr.Thomas Spies (SPD): Sie machen Gesetze ohne Gesellschaft!)
für Chancengleichheit, für Frauenförderung und vor allen Dingen auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unserer berufstätigen Frauen und Männer.
In einer ganztägigen Anhörung hat sich der Sozialpolitische Ausschuss mit dem Entwurf des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes beschäftigt.
Wie erwartet, gab es seitens der Anzuhörenden sehr kontroverse Auffassungen über die Ausgestaltung der Gesetzesnovelle mit den Kommunalen Spitzenverbänden auf der einen Seite und den Frauenverbänden auf der anderen Seite. Unübersehbar war aber, dass den Kollegen und Kolleginnen von der SPD und den GRÜNEN die Meinungsäußerungen der Kommunalen Spitzenverbände nicht gefallen haben.
Selbstverständlich stimmen auch wir nicht mit jeder der in der Anhörung geäußerten Auffassungen überein. Aber
Die SPD hat die Meinungen und Forderungen der Kommunalen Spitzenverbände nach Abschaffung der Frauenförderpläne und Eingliederung der Frauenbeauftragten in das HPVG als unqualifiziert und nicht diskussionswürdig abgetan. Das ist nicht nur undemokratisch, meine Damen und Herren von der SPD; damit ignorieren Sie auch, dass die Verbände für immerhin sämtliche Städte und Kommunen und die Landkreise in unserem Lande sprechen – sie sprechen also auch für die von der SPD regierten Landkreise und Kommunen –, bis auf einen Landrat, der eine abweichende Meinung geäußert hat; das will ich Ihnen gerne konstatieren.
Wir haben diese Anhörung sorgfältig ausgewertet und haben in der vergangenen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses einen Änderungsantrag zum Gesetz eingebracht, dessen Punkte ich Ihnen an dieser Stelle auch erläutern möchte.
Wir sprechen uns dafür aus, dass die Modellvorhaben im Sozialministerium ausgewertet werden. Der Grund dafür ist ganz einfach:Wir sind davon überzeugt, dass die Frauenbeauftragten in Zusammenarbeit mit den Personalabteilungen, Personalvertretungen und der Verwaltungsleitung in der Zukunft noch äußerst kreative Ansätze in der Frauenförderung liefern werden. Eine Auswertung dieser neuen Lösungsmodelle moderner Frauenförderung ist in unseren Augen sinnvoll; denn dadurch haben auch andere Verwaltungen die Chance, von den ausgewerteten Modellen im Sinne von Best-Practice-Modellen zu profitieren. Eine Evaluierung sollte deshalb alle zweieinhalb Jahre und damit zeitnah und umfassend erfolgen.
Sehr geehrte Damen und Herren,ein gutes Beispiel ist die Umsetzung der Experimentierklausel beim RP Kassel. Das will ich auch heute noch einmal ausdrücklich hervorheben; denn die positiven Erfahrungen, die dort gemacht worden sind, sind ein Beispiel dafür, dass die Experimentierklausel auch in Zeiten notwendigen Personalabbaus eingesetzt werden kann. Klar ist auch, dass die erfolgreiche Umsetzung nicht vom Landtag einfach per Gesetz verordnet werden kann.
Kassel ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass eine engagierte Frauenbeauftragte viel erreichen kann, aber immer nur zusammen mit einer aufgeschlossenen Verwaltungsleitung, die die Vorteile der Modellvorhaben anerkennt und den Willen zur Umsetzung mitbringt. Da