Protocol of the Session on November 23, 2006

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine Wortmeldungen. Dann rufe ich, nachdem der Punkt 49 abgehandelt ist, den Tagesordnungspunkt 50 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Unternehmensteuerreform – Hessens SPD- Spitze wieder einmal im Abseits) – Drucks. 16/6360 –

Das Wort hat der Kollege Boddenberg, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geplante Unternehmensteuerreform, über die wir lange Zeit diskutiert haben, ist für die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere für die mittelständische Wirtschaft und damit für viele Hunderttausende und Millionen von Arbeitsplätzen von großer Bedeutung.Wir danken zunächst allen Beteiligten – dem Bundesfinanzminister und insbesondere dem Hessischen Ministerpräsidenten – für dieses erfolgreiche Ergebnis der Beratung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Wenn wir in den vergangenen Jahren über Steuerreform diskutiert haben, ging es zum einen darum, dass wir die großen internationalen Unternehmen hinsichtlich der nominalen bzw. zunächst einmal faktischen Steuerbelastung wettbewerbsfähig halten.

Es geht zum Zweiten darum, dass wir eine Steuerreform hinbekommen, die die Eigenkapitalquote in den Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, fördert und sich stärker entwickeln lässt.

Es geht zum Dritten darum, dass wir endlich die Ungleichgewichte zwischen den Körperschaften und den Personengesellschaften wegbekommen. Und es geht darum, dass wir zukünftig erreichen, dass mehr Unterneh

men ihre Gewinne in Deutschland versteuern, als das in der Vergangenheit der Fall war. Ich glaube, dass die jetzt vorgelegten Beschlüsse und die Folgen der Gesetzgebung am Ende wesentliche Punkte dieser Ziele werden erreichen können.

Meine Damen und Herren, eine erste Konkretisierung zeichnet sich ab. Wir werden es schaffen, dass wir mit der neuen Steuerbelastung in eine Größenordnung kommen, die inklusive Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer mit einem Steuersatz unter 30 % international wettbewerbsfähig ist. Wir werden, was die Rechtsformneutralität anbelangt, dadurch, dass Personenunternehmen zukünftig ihre thesaurierten Gewinne unter ähnlich günstigen steuerlichen Voraussetzungen versteuern können, erreichen, dass zunehmend Unternehmen dazu übergehen,Gewinne einzubehalten und ihre Eigenkapitalquote nicht mehr über Fremdfinanzierung, die an anderer Stelle im Steuersystem belohnt worden ist, zu schwächen.

Vor allen Dingen wird es gelingen, dass wir die Gestaltungsspielräume von Unternehmen einschränken, wo sie ausdrücklich nicht gewünscht sind. Wenn wir vom Bundesfinanzminister als Beispiel ein hessisches Unternehmen benannt bekommen, ohne dass es da Zunahmen gibt, wonach es heißt, dass ein großes internationales Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 44 % ihre Fremdfinanzierungskosten mit 94 % in Deutschland geltend macht,aber nur 23 % ihres Gewinnes in Deutschland versteuert, dann sind das Schieflagen, die wir nicht länger dulden können.

Wir haben weiterhin im Gewerbesteuerrecht Vereinfachungen zu erwarten. Es wird ebenfalls weniger Gestaltungsspielräume dadurch geben, dass man von der 50-%Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen übergeht zu einer 25-%-Hinzurechnung aller Fremdkapitalkosten im weiteren Sinne von Zinsen über Leasinggebühren bis zur Lizenz und anderem mehr allesamt Spielräume, die in der Vergangenheit unternehmensteuerwirksam zum Schaden des Standortes Deutschland, der öffentlichen Hand und auch zum Schaden derjenigen genutzt wurden, die ihre Steuern brav in Deutschland entrichtet haben. Das heißt, diese Steuerreform ist mittelstandsfreundlich. Umso weniger verständlich ist es, dass die Landesvorsitzende der SPD hergeht und wieder einmal versucht, über die Neiddebatte zu thematisieren:

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Neiddebatte?)

5 Milliarden c Entlastung für die deutschen Unternehmen, und das in Zeiten, wo wir über Gesundheitsreform und anderes reden. – Ich muss einfach sagen: Frau Landesvorsitzende Ypsilanti, entweder haben Sie keine Ahnung oder sagen bewusst die Unwahrheit.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn Sie genau hinschauen würden, dann würden Sie feststellen, dass genau dieser Betrag der Betrag ist, der durch die Ungleichbehandlung entsteht,die wir bisher haben, und es durch die deutliche Besserstellung von mittelständischen Großen um mittelständische Personengesellschaften und nicht um die großen Unternehmen geht, wie Sie hier suggerieren wollen. Bei der Deutschen Bank haben Sie sich immer mit der Frage beschäftigt: Wie kriege ich möglichst einen Stachel ins Fleisch der Deutschen Bank bei der Beurteilung des Verhaltens solcher Unternehmen? Um die geht es ausdrücklich nicht. Wir gehen davon aus, dass gerade die großen Aktiengesellschaften, die international aufgestellten Unternehmen zukünftig

mehr Steuern in Deutschland dadurch zahlen werden, dass sie größere Anteile ihrer Gewinne dem deutschen Fiskus zur Besteuerung anheim stellen.

(Norbert Schmitt (SPD): Welche Belege haben Sie dafür?)

Noch einmal: Völlig unverständlich ist die Reaktion der SPD-Vorsitzenden. Aber sie passt ins Bild der vergangenen Jahre.Wir wollen heute wissen, ob sie – die SPD Hessen – hinter dem steht, was der Bundesfinanzminister ihrer Partei gemeinsam mit Roland Koch und vielen Fachleuten beschlossen hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir stehen dazu, was die SPD beschlossen hat!)

Wir werden Ihrem Dringlichen Antrag in den ersten Punkten zustimmen.Wir werden – das liegt Ihnen von unserem parlamentarischen Geschäftsführer gerade vor – für zwei Änderungsanträge für die Punkte 4 und 5 votieren, indem wir zum einen – zu Punkt 4 – sagen:Wir gehen davon aus, dass sich mittelfristig ein höheres Steueraufkommen dadurch ergeben wird,obwohl wir zukünftig niedrigere nominale Steuersätze haben werden,

(Norbert Schmitt (SPD): Wissen wird durch Hoffnung ersetzt!)

weil diese Unternehmen mehr steuerliche Veranlagung in Deutschland haben werden. Zu Punkt 5, was die Erbschaftsteuer anbelangt, haben wir formuliert, dass wir zeitnah zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwarten, dass eine Erbschaftsteuerreform insgesamt stattfindet, die insbesondere die Betriebsübernahme bei mittelständischen und kleinen Unternehmen erleichtert. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege von Hunnius für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich in der absoluten Mehrheit befindet, dann neigt man schnell dazu, die Heldenpose einzunehmen – Herr Kollege Boddenberg ebenfalls. Wir wollen einmal schauen, ob das Einnehmen der Heldenpose berechtigt ist. Nachdem wir gestern festgestellt haben, dass Herr Finanzminister Weimar durch persönlichen Einsatz erreicht hat, dass die Steuereinnahmen steigen, sehen wir nun, dass der Herr Ministerpräsident das Finanzsystem insgesamt in Ordnung bringt. Das ist alles sehr erfreulich. Wir sehen uns das nüchtern an und messen es an den Fakten, die sich ergeben werden.

Lassen Sie mich nun – ohne die steuerpolitischen Einzelheiten aufzugreifen – Licht und Schatten betrachten, und zwar ohne Schaum vor dem Mund, aber auch ohne vorzeitiges Jubeln. Zu den Lichtseiten gehört sicherlich, dass die Abgeltungsteuer kommen soll. Dies entspricht einer uralten Forderung der FDP.

(Beifall bei der FDP)

Das ist insbesondere deshalb uneingeschränkt positiv zu bewerten, weil dadurch die unsinnige Kontenschnüffelei ein Ende haben kann und hoffentlich auch ein Ende ha

ben wird. Das heißt, wir haben dann wieder ein Stück Bankgeheimnis zurückerlangt.

Positiv ist natürlich auch zu bewerten, dass die Gewinnbesteuerung unter 30 % sinkt und die Rechtsformneutralität zumindest ein Stück vorangetrieben wird.

(Beifall bei der FDP)

Auf der Schattenseite ist festzustellen, dass die Kraft gefehlt hat, die völlig antiquierte und in Europa einmalige Gewerbesteuer endlich abzuschaffen; denn als Ersatz gibt es bessere Modelle.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Kollege Schmitt, Sie kennen sie offenbar noch nicht. Sie können sie sich aber gern einmal anschauen.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir kennen den Einkommensteuerzuschlag!)

Auf der Schattenseite steht außerdem die Tatsache, dass wir keine europarechtsfähige Gruppenbesteuerung hinbekommen haben. So sieht es derzeit zumindest aus. Das ist immer noch ein Manko. Dies bedeutet eine weitere Komplizierung des Systems. Die Zinsschrankenregelung in Tateinheit mit den Freigrenzen, die für Mittelständler geschaffen werden, ist sicherlich in der Lage, den Beruf des Steuerberaters langfristig abzusichern.Dies erschwert aber andererseits dem Steuerzahler den Durchblick.

(Beifall bei der FDP – Nicola Beer (FDP): Wohl wahr!)

Die FDP hat dieses Problem lange vor der Bundestagswahl erkannt. Deshalb hat sie einen Entwurf für die Unternehmensbesteuerung erarbeitet. Daran kann man das Ganze messen. Soweit zur steuerpolitischen Seite.

Meine Damen und Herren, fraglich ist, ob das Ganze das Licht des Tages erblickt.

(Beifall bei der FDP)

Die beiden Andreas – Andrea Nahles und Andrea Ypsilanti – sind offensichtlich der Meinung, die geplante Unternehmensteuerreform solle nicht kommen, und eine angepeilte Entlastungswirkung von 5 Milliarden c sei viel zu viel. Wenn überhaupt entlastet werde, dann solle nur vorübergehend entlastet werden. Verehrte Frau Kollegin Ypsilanti, jetzt frage ich mich, wie Sie in Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs feststellen wollen, welcher Teil des Steuermehraufkommens tatsächlich auf diese Reform zurückzuführen ist und welcher Teil des Steuermehraufkommens auch ohne die Reform erzielt worden wäre. Bei der Faktorenanalyse wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. Wie Sie das im Vorhinein berechnen wollen, ist ein Geheimnis der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das ist alles verdammt spannend.

Kommen wir zur Finanzierung. Zur Finanzierung soll beispielsweise die degressive Abschreibung entfallen. Herr Kollege Boddenberg wird bestätigen, dass die meisten Wirtschaftsgüter zu Beginn ihrer Nutzung einem größeren Wertverlust unterliegen als später. Die degressive Abschreibung entspricht also dem tatsächlichen Wertverschleiß,wie es im Übrigen auch Herr Prof.Dr.Sinn gegenüber der „Wirtschaftswoche“ ausgeführt hat.

Meine Damen und Herren, insofern gibt es Plus und Minus. Die Frage ist nur, ob es sich lohnt, zu gackern, bevor das Ei gelegt ist.

(Beifall bei der FDP)

Wir beurteilen einen Gesetzentwurf, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt, aber nicht nach den Absichten einer Koalitionsrunde; denn die Erfahrung mit der Großen Koalition in Berlin lehrt,dass Absprachen noch lange keine Gesetze sind. Das sehen wir bei der Gesundheitsreform und an anderer Stelle.

(Beifall bei der FDP)

Legen Sie also erst einmal das Ei.Dann werden wir sehen, ob es ein Windei war.Wenn es kein Windei war, dann dürfen Sie gern gackern. Dann sind wir auch gern bereit, Hurra zu schreien. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Ei, ei, ei!)

Vielen Dank, Herr Kollege von Hunnius. – Das Wort hat Frau Kollegin Erfurth für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Boddenberg, in der Analyse der Probleme sind wir uns weitgehend einig. Was aber das berühmt-berüchtigte Duo Koch/Steinbrück aus den Ansätzen der Unternehmensteuerreform gemacht hat, findet nur in Teilen unsere Zustimmung. Unsere Zustimmung findet die Abgeltungsteuer. Darüber haben wir bereits im Haushaltsausschuss diskutiert. Der größte Kritikpunkt ist aus unserer Sicht die Gegenfinanzierung. Bei diesem Punkt sind wir mit Frau Ypsilanti durchaus einer Meinung.