Protocol of the Session on November 23, 2006

Wenn man beobachtet, welche Mühe sich die privaten Krankenversicherer machen, um generalstabsmäßig geplant Massenbriefe unter die Leute zu bringen, wie zum Teil von Mitarbeitern der privaten Krankenversicherer Briefe mit gefälschten Absendern an Bundestagsabgeordnete geschickt werden, um politisch Druck zu machen, dann weiß man, dass es um viel Geld geht. Die privaten Krankenversicherer haben etwas abzugeben. Das können sie auch tun.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf darum bitten, dem Redner etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Sie unbedingt Gespräche führen wollen – Frau Beer, das gilt auch für Sie –,dann bitte ich Sie,den Saal zu verlassen. – Danke schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe vorhin ohnehin mit Interesse zur Kenntnis genommen, auf welches Interesse die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland bei einem Teil dieses Hauses stößt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist eine Unverschämtheit!)

Meine Damen und Herren, es gibt eine deutliche Verbesserung bei der integrierten Versorgung, im Bereich der Hausarztmodelle und durch Fusionen von Krankenkassen. Außerdem wird der Risikostrukturausgleich ein Stück weit verbessert. Er ist noch nicht gut, aber er wird verbessert. Es ist das dritte Mal, dass die CDU den Risikostrukturausgleich zu umgehen versucht hat. Jetzt bekommen wir ihn wenigstens zur Hälfte. Dieses Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll. Die Verbesserung des Risikostrukturausgleichs ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung.

Herr Hahn, an dieser Stelle nehme ich mit Interesse zur Kenntnis, wie wenig Ahnung Liberale von Wettbewerb haben. Sie wollen uns erzählen, der Risikostrukturausgleich behindere den Wettbewerb.Das ist das einzig denkbare Instrument, mit dem der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen überhaupt möglich wird; es sei denn, Sie wollen einen Wettbewerb um Gesunde; es sei denn, Sie wollen, dass Krankenkassen Kranke herausekeln und dafür sorgen, dass nur noch Gesunde bei ihnen versichert sind.Wenn Sie das nicht wollen, wenn Sie Wettbewerb um Qualität wollen, wenn Sie wollen, dass die Menschen ordentlich versorgt werden, dann benötigen Sie einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Das allein reicht sicherlich noch nicht aus. Der Unterschied in den Zuzahlungen wird sich ausschließlich an den Fehlern des Risikostrukturausgleichs, aber nicht an der Leistungsfähigkeit der Krankenkassen bemessen. Auf die zusätzlichen Leistungen hat Frau Oppermann verwiesen.

Was allerdings noch fehlt, ist ein Präventionsgesetz. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch die Landesregierung irgendwann dahinter kommt, dass ein Präventionsgesetz notwendig ist, und es auf den Weg bringt.

(Unruhe)

Herr Kollege, ich möchte Sie noch einmal ganz kurz unterbrechen. Es ist immer noch nicht ruhiger im Saal geworden. Ich möchte Sie deshalb noch einmal eindringlich bitten, Ihre Gespräche im Saal einzustellen und dem Redner zuzuhören. Der Redner erhält nun von mir weitere Redezeit.Wenn sich die Lautstärke nicht ändert, dann bekommt er noch mehr Redezeit.Vielleicht hilft das.

Vielen Dank für die großzügige Geste, Frau Präsidentin. Ich bin mir aber nicht sicher, ob noch mehr Redezeit den Erkenntnisgewinn in manchen Teilen dieses Hauses verbessert.

Meine Damen und Herren, diese Reform ist ganz sicher keine Revolution. Gesundheitsreformen stellen aber nie Revolutionen dar.

Das Gesundheitswesen beschäftigt etwa 4 Millionen Menschen, und es setzt 240 Milliarden c pro Jahr um.Wir reden über die Organisation von einem Zehntel der Volkswirtschaft. Sie muss so organisiert sein, dass sie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden pro Tag funktioniert.

Deshalb ist jede Gesundheitsreform nichts anderes, als an zwei bis drei von dreißig großen Schwungrädern drehen, um den Tanker ein Stückchen besser auf Kurs zu bringen. Das klappt nicht immer sofort, es dauert eine gewisse Zeit, bis man wieder auf Kurs ist. Und in der Regel ist das keine fundamentale Umwälzung.

Meine Damen und Herren, das ist aber auch gut so. Das Gesundheitswesen und die Menschen, die es versorgt, sind viel zu sensibel und irritierbar, wenn diese Versorgung plötzlich infrage gestellt würde. Deshalb tut man gut daran, Gesundheitsreformen schrittweise durchzuführen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sind Jahrhundertreformen!)

Herr Hahn, ausnahmsweise stimme ich Ihnen an dieser Stelle einmal zu. Auch das soll vorkommen. – Man sollte auch davon Abstand nehmen, von Gesundheitsreformen als großen Umwälzungen zu reden. Denn das sind sie nicht, und es ist gut, dass sie es nicht sind.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ulla Schmidt hat das vor zwei Jahren anders gesagt!)

Gesundheitspolitik ist das kontinuierliche Bohren dicker Bretter mit viel Feingefühl und Augenmaß.

Allerdings bringt diese Reform auf der Seite der Struktur spürbare Vorteile. Auf der Einnahmenseite ist die Abkopplung von den reinen Lohnkosten an der Union gescheitert. Ich bedauere das außerordentlich. Man muss es aber noch einmal sagen: Dieser Fonds bringt an dieser Stelle nichts.

Meines Erachtens müssen die Kürzungen bei den Krankenhäusern im Interesse unserer hessischen Krankenversorgung wieder raus, und die Einführung eines Schuldprinzips ist obsolet.

Damit wäre diese Gesundheitsreform dann richtig. Nötig ist sie allerdings an ganz vielen der von mir aufgezählten Punkte.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Eine kategorische Ablehnung, wie sie uns zwei Fraktionen in unserem Hause vortragen – die das Pech haben, daran in Berlin nicht mitwirken zu dürfen –, ist ganz sicherlich falsch.

Wenn man auf der Zuschauertribüne sitzt, in der kleinen Loge, wie die beiden allseits bekannten älteren Herren, dann mag man meinen, mit solchen Spielen komme man weiter.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Du meinst jetzt aber nicht mich!)

Nein, niemals. – Meine Damen und Herren, aber einmal ernsthaft.

Herr Kollege Dr. Spies, jetzt darf ich Sie doch bitten langsam, zum Schluss zu kommen – auch wenn die Lautstärke hier im Saal nach wie vor noch nicht geringer geworden ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Frau Präsidentin, ich wäre schon fertig, wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten.

Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem Lande haben es verdient, dass man sich um ihre gesundheitliche Versorgung so ernsthaft bemüht, wie es diese Koalition an den Stellen, an denen es Große Koalitionen nun einmal können, getan hat. Deshalb empfehle ich Ihnen, beide Anträge abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Bravo, bravo, bravo!)

Meine Damen und Herren, als Nächste hat Frau Ministerin Lautenschläger das Wort.

Ich bitte Sie aber jetzt nochmals eindringlich, Ihre Gespräche einzustellen,und ich bitte die Ministerin,mit ihrer Rede erst dann anzufangen, wenn es hier ruhig ist.

(Zurufe der Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Gerhard Bökel (SPD))

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, man muss jetzt erst einmal sortieren, wo man bei dem Thema Gesundheitspolitik anfangen muss.

(Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Kollege Hahn, das geht Ihnen an manchen Stellen sicher ähnlich.

Wenn Herr Spies gerade zum Thema Staatsmedizin vorgetragen hat, was man dazu von Schweden lernen konnte, dann erinnere ich mich an unsere Fahrt nach Schweden und daran, dass uns dort vorgetragen wurde, dass sie ganz große Probleme mit den Wartezeiten in den Krankenhäusern und auch in den Arztpraxen haben. Genau das haben und wollen wir in Deutschland nicht. Ich erinnere mich aber auch daran, dass dort große Behörden aufgebaut wurden, die alles Mögliche kontrollieren, deswegen aber noch längst nicht genügend Ärzte vor Ort und auch nicht genügend ambulant niedergelassene Ärzte vorhanden waren.Zwar funktioniert dort manch andere Verzahnung, aber das waren genau die Schwachstellen, an denen zentral gesteuert wurde.

Lieber Kollege Spies, die Landesregierung wird die Gesundheitsreform natürlich auch im Bundesrat jetzt sehr intensiv prüfen und sicher dort einige Änderungen einbringen.Herr Kollege Hahn,Sie haben völlig zu Recht ge

sagt,ich habe mir ein anderes Modell gewünscht und habe auch andere Vorstellungen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja!)

Trotzdem müssen wir versuchen, für einige Probleme im Gesundheitswesen Lösungen zu finden. In manchen Bereichen ist das gelungen, in anderen weniger. Auch das konzediere ich hier gerne. Das ist einfach so, und das muss man sehen. Denn mit den Kollegen von der SPD waren die Vorstellungen, die wir von einem Gesundheitssystem haben, das von mehr Wettbewerb lebt, so nicht umzusetzen.

(Gernot Grumbach (SPD): Das ist gut so!)

Herr Kollege Spies, ganz spannend sind aber zwei Punkte, die Sie angesprochen haben. Der eine ist das, was Sie „Schuldprinzip“ nennen. Ich bin gespannt, ob es hierzu noch eine Einigung gibt und derjenige nicht mehr zahlen muss, der eine Vorsorge vergessen hat.

Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen Prof. Lauterbach darüber unterhalten, woher dieser Vorschlag gekommen ist und wer ihn in die Gesundheitsreform eingebracht hat.An Ihrer Stelle wäre ich da sehr vorsichtig.

(Zuruf des Abg. Christoph René Holler (CDU))

Deswegen werden wir in den Ausschüssen viele dieser Themen noch beraten.

Zu einem zweiten Punkt will ich auch sehr schnell Stellung nehmen: zu den Kürzungen bei den Krankenhäusern. Auch dort sollten sich zumindest die Kollegen von der SPD-Fraktion sehr genau erkundigen, wer die Vorschläge eingebracht hat und wer noch in dem Moment, in dem sie eingebracht wurden, remonstriert hat. Das waren CDU-geführte Länder.

Herr Kollege Dr. Spies, ich bin sehr gespannt, was Ihre Fraktion unternehmen wird, um den Kollegen Beck von der anderen Rheinseite dazu zu bekommen, im Gesundheitsausschuss des Bundesrates unseren Vorschlägen zuzustimmen. Denn wir werden zu genau diesem Punkt weitere Vorschläge und Änderungen einbringen.Wir haben – auch das will ich hier sehr deutlich sagen – schon die 1-%Kürzung in den Vorgesprächen abmildern können. Wenn Sie Interesse daran haben: Die hessischen Krankenhäuser wissen sehr wohl, wer sich dafür eingesetzt hat. Ich kann Ihnen gerne einige Briefe dazu zur Verfügung stellen. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie Herrn Kollegen Beck von der anderen Rheinseite auch davon überzeugen können, dass er den entsprechenden Anträgen im Gesundheitsausschuss des Bundesrates zustimmt und sich mit uns dafür einsetzen wird, dass es dort zu Änderungen kommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPDFraktion, das liegt dann aber in Ihrer Hand.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))