dass Sie hier aber selbstverständlich abstimmen und Ihren eigenen Leuten Beifall geben können. Aber sei es drum, ich halte das durch. Das ist nicht mein Problem.
Ich sprach gerade von der Prärogative für die Politik bei der Nutzungskonkurrenz. Das Planungsrecht versucht, das in den Griff zu bekommen.Wenn die Politik klug und begründet entscheidet – und nicht wie Roland Koch im Jahr 2000, ohne auch nur ansatzweise ausreichende, geschweige denn gesicherte Informationen gehabt zu haben, eine Ausbauvariante vorzuschreiben –, dann hätten Sie die Probleme nicht.
Herr Kollege Boddenberg, das ist doch Legendenbildung. Sie haben es doch deutlich gemacht. Denken Sie einmal darüber nach. Sie haben gesagt, dass die Gutachten vom Raumordnungsverfahren zum Teil Grundlage der Entscheidung der CDU unter Führung des Ministerpräsidenten in seiner Rolle als Parteivorsitzender im August 2000 waren. Da hatte das Raumordnungsverfahren noch überhaupt nicht begonnen. Wie kann denn dann ein Gutachten aus dem Verfahren die Grundlage gewesen sein?
Meine Damen und Herren, die damalige Fehlentscheidung war nicht sachlich, sondern höchstens mental begründbar. Auch heute hat der Kollege Boddenberg über alles Mögliche geredet, was nicht geht. Aber was ist mit der Variante Nordost, die auch darin stand? Da müssten Sie weder Zeppelinheim noch die Firma Ticona umsiedeln, sondern möglicherweise die Frankfurter Oberbürgermeisterin.Aber das ist ein anderes Thema. Diese Variante nennen Sie gar nicht. Damit kein Irrtum entsteht: Ich propagiere hier überhaupt keine Variante.Aber eine sorgfältige vergleichende Betrachtung müsste alle Varianten, die Ergebnis des angeblich so guten Raumordnungsverfahrens waren, einbeziehen. Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, mit der Vorgabe des Ministerpräsidenten war das Raumordnungsverfahren unzulässigerweise schon determiniert. Damit kam merkwürdigerweise am Ende heraus, was natürlich das Richtige sein musste. Dass Sie dabei Fehler über Fehler gemacht haben – ich erinnere nur an das Flächenparadoxon und andere Dinge –, ist Ihnen egal. Das wird einer Nachprüfung nicht standhalten. Es nimmt deshalb natürlich auch nicht wunder, dass die jetzt anstehende LEP-Änderung diese Konflikte wiederum nicht bewältigt, sondern notfalls zu hoheitlichen Maßnahmen greifen muss,um sie zu beseitigen.
Ein Beispiel dafür ist auch in dem wunderbaren,3.300 Seiten starken Konvolut enthalten, das wir erhalten haben. Herr Kollege Boddenberg, schlagen Sie die Seite 1.178 auf. Dort können Sie nachlesen:
Die Reduzierung von sieben Hindernissen auf dem Gelände der Firma Ticona zur Gewährleistung eines im Rahmen des ICAO-Standards sicheren
Flugbetriebs der geplanten Landebahn Nordwest bedeutet nach derzeitigem Kenntnisstand keine Beeinträchtigung der Betriebsabläufe,
Das ist doch eigentlich sehr nett von der Landesregierung, dass der Weiterbetrieb einer genehmigten und ordnungsgemäß arbeitenden Anlage nicht ausgeschlossen wird. Ob allerdings das Kraftwerk des Chemiebetriebs nach Einkürzung des Schornsteins – denn das ist eines der sieben Hindernisse, die dort beschrieben sind – weiterhin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhalten kann und damit überhaupt betrieben werden dürfte, das bleibt offen. Die Argumentation zur Begründung der LEP-Änderung betrachtet deshalb einseitig nur die Belange des Flugverkehrs und ist damit meilenweit von dem einst versprochenen transparenten und fairen Verfahren entfernt. Die Konflikte, die das Planungsrecht lösen soll, löst es nicht.
Gerade in der Frage des Ausbaus des Flughafens sollte dies aufgrund der leidvollen Erfahrung der Vergangenheit niemand tun. Die Eskalation zu betreiben, wäre in höchstem Maße verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, man fragt sich doch obendrein, was ein solches Vorgehen unter Anwendung der Staatsmacht der Landesregierung eigentlich nützen könnte. Jetzt sind wir beim Schönefeld-Urteil. Denn dort steht auch – ich zitiere –:
erschöpft sich in der Pflicht der Planfeststellungsbehörde, die Zielaussage, der ausgewiesene Standort sei aus raumordnerischer Sicht geeignet und vorzugswürdig, als solche hinzunehmen. Die Beachtenspflicht verlangt nicht, eine auf Erfordernissen der Raumordnung gestützte Standortentscheidung umzusetzen, wenn sich bei der anschließenden Detailplanung zeigt, dass das Vorhaben an Ort und Stelle technisch oder rechtlich nicht realisierbar wäre, der vorgesehene Standort sich aus anderen Gründen als ungeeignet erweist oder mit unverhältnismäßigen Eingriffen in private, kommunale oder öffentliche Belange verbunden wäre.
Wenn Sie es schon auf der Ebene der Landesplanung lösen, müssen Sie auf dieser Ebene auch die Frage klären, ob es ein unverhältnismäßiger oder ein verhältnismäßiger Eingriff in den privaten Bereich wäre. Genau das tun Sie nicht, denn Sie sagen: Lassen wir das offen, und schauen wir einmal. – In diesen Fällen, das hebt das Bundesverwaltungsgericht hervor, wäre am Ende der Antrag des Vorhabensträgers abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich erwarte nicht, dass der Staatsminister Rhiel seine eigene Entlassung riskieren will und als zuständige Planfeststellungsbehörde das Pro
jekt seines Chefs ablehnt.Aber um die Faktenlage und die von mir geschilderten Beispiele – das ist ja nur ein winziger Ausschnitt aus der Sammlung der ungelösten Probleme – kommen Sie nicht herum.
Meine Damen und Herren, wir haben gehört, dass wir die Vorlage noch sehr eingehend beraten werden. Deshalb brauche ich hier keine weiteren Details anzusprechen. Aber eines ist aufzugreifen – die Vorredner haben es auch alle getan –: das hoch und heilig gegebene Versprechen der Landesregierung, es gebe den Flughafenausbau nur mit Nachtflugverbot. Wie wir wissen, gibt es den einstimmigen Beschluss des Landtags zu genau diesem Punkt, dass es eine Conditio sine qua non ist.Ja,wo ist das Nachtflugverbot denn geblieben?
In der Vorlage kommt es nicht vor. Sie meinen mit „Nachtflugverbot“ doch nicht etwa den gegenüber dem ersten Entwurf neu in den Text aufgenommenen Grundsatz? Denn dort steht – der Staatsminister hat es, glaube ich, auch schon zitiert –:
In den Verfahren nach dem Luftverkehrsgesetz ist aus Rücksichtnahme auf die besonders schutzwürdige Nachtruhe der Bevölkerung ein umfassender Lärmschutz in den Kernstunden der Nacht von herausragender Bedeutung.
Erstens steht diese Aussage bereits in § 29b Luftverkehrsgesetz. Es bedürfte also keiner weiteren Erwähnung als Grundsatz. Zweitens entspricht sie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In dem von Ihnen gerne angesprochenen Urteil kommt es genau so vor.Allerdings verwendet der LEP – das ist neu – jetzt erstmals den Begriff „Kernstunden der Nacht“. Ich frage mich, und ich frage Sie, Herr Minister: Was soll das heißen? Das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls versteht darunter die Stunden von 0 bis 5 Uhr, also wieder weniger als die sogenannte Mediationsnacht von 23 bis 5 Uhr,gar nicht zu reden von der „normalen“ Nacht in der allgemeinen Definition von 22 bis 6 Uhr.
Meine Damen und Herren, warum steht das Nachtflugverbot nicht klipp und klar als planerisches Ziel, d. h. als beachtungspflichtige Vorgabe im LEP-Entwurf? Wir haben heute von vielen gehört, man dürfe das nicht.
Ich bin doch nicht blöd. – Wir haben heute mehrere Male gehört, man dürfe es nicht, obwohl die SPD in der Vergangenheit in vielen Anträgen – ich glaube, es waren mindestens drei im Plenum – immer wieder beantragt hat, es in den LEP hineinzuschreiben. Ich finde die Anträge nach wie vor richtig, und ich hoffe, dass auch Sie sie weiterhin richtig finden. Das scheint nach den Äußerungen des Kollegen Walter leider nicht mehr der Fall zu sein.
Meine Damen und Herren, das Regionale Dialogforum, also ein Gremium, das sich nach seinem eigenen Selbstverständnis daran misst, die Ergebnisse der Mediation hochzuhalten,hat ein Gutachten erarbeiten lassen.Dieses kommt zu folgendem Ergebnis – ich zitiere –:
Der Standortentscheidung zugunsten der Variante Nordwest... liegt als „Planungsvoraussetzung“ die Annahme zugrunde, dass planmäßige Flugbewegungen innerhalb des Zeitraums von 23 bis 5 Uhr nicht stattfinden... Allerdings wird diese „Pla
nungsvoraussetzung“ nicht mit der gleichen Verbindlichkeit ausgestattet (Ziel der Raumordnung) wie die Standortentscheidung, obwohl diese Standortentscheidung und das Nachtflugverbot als funktionale Äquivalente bei der Bewältigung des Lärmproblems in einem untrennbaren planerischen Zusammenhang stehen. Diese Diskrepanz zwischen der Abwägung und dem Inhalt der Festlegung ist rechtlich als Abwägungsmangel einzustufen (Ver- stoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung).
So heißt es in einem Rechtsgutachten,erstattet gegenüber dem Regionalen Dialogforum von Prof. Hermes. Das Gutachten heißt „Rechtsfragen der Verankerung verbindlicher Ziele im Landesentwicklungsplan“ und stammt aus dem Mai 2006. Jetzt frage ich:Warum weigert sich die Landesregierung dennoch, das Nachtflugverbot als Ziel aufzunehmen? Schließlich ist dieser Punkt auch als Bedenken und Anregung von diversen Kommunen in dem Verfahren vorgebracht worden, und zwar von Bürgermeistern unterschiedlicher Couleur, schwarz wie rot, aus Bad Homburg,Kelsterbach,Raunheim und Neu-Isenburg, um nur einige zu nennen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das Nachtflugverbot entspräche nicht dem Grundsatz planerischer Zurückhaltung, so schreibt es die Regierung in die Vorlage. Meine Damen und Herren, diese Art von Zurückhaltung sollte sie auch – ich sprach vom Beispiel Ticona – in anderen Bereichen zeigen. Wenn es um die Belange der Menschen geht, dann zeigt sie sich schamlos zurückhaltend. Das sollten und müssen wir an dieser Stelle kritisieren.
Es zeichnet sich doch ab, dass das Nachtflugverbot, das hier einst gemeinsam beschworen wurde, immer mehr durchlöchert wird und am Ende eine betriebliche Regelung sein wird.Wir werden eingeladen und mit Argumenten bombardiert, es möglichst ganz bleiben zu lassen.Am Mittwoch, also vor zwei Tagen, war das so.
Ja, ich habe alles gehört, aber Sie schreiben es nicht in den Landesentwicklungsplan hinein. Das kritisiere ich.
Ich fasse zusammen: Nach unserer Auffassung kommen Sie auch mit dieser Vorlage Ihrem Vorhaben, den Flughafen Frankfurt an Ort und Stelle immer größer werden zu lassen, nicht näher. Wir werden das Verfahren gerne weiter begleiten und Sie auf Ihre Widersprüche und ungelösten Probleme in der Planung hinweisen. Herr Kollege Boddenberg, trotz etlicher Rückschläge haben wir GRÜNEN bisher bei niemandem den Glauben an die Einsichtsfähigkeit und die Vernunft aufgegeben. Wir werden auch nicht müde, für unser Konzept zu werben, nämlich den nachhaltigen Erfolg des Flughafens und der Fraport AG in einer engen Kooperation mit anderen bestehenden Flughäfen zu sichern. Deshalb wünschen wir auch dem Flughafensystem alles Gute und unterstützen das. Denn
nur mit der Kooperation sichern wir die Lebensqualität in der Region und fördern Arbeitsplätze innerhalb und außerhalb des Flughafens.