Herr Wirtschaftsminister, ich möchte mit einem variantenunabhängigen Problem beginnen und dann auf das variantenabhängige Problem zu sprechen kommen, nämlich den Bau der Nordwestbahn. Da besteht ein Zusammenhang mit dem Chemiewerk Ticona.
Sie hatten bei der Diskussion um das absolute Nachtflugverbot schon von Anfang an gesagt, dass man das Nachtflugverbot im Landesentwicklungsplan nicht wird verfügen können. Nach dem von Ihnen zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts teilen wir diese Auffassung. Ich denke, das ist relativ eindeutig. Die Aufnahme des absoluten Nachtflugverbots in den Landesentwicklungsplan würde einen rechtlichen Fehler darstellen, der möglicherweise dazu führen würde, dass der gesamte Plan nichtig wäre.
Ich komme allerdings jetzt auf einen Punkt zu sprechen, der zeigt, wie es nicht geht. Mit dem Ende des Mediationsverfahrens haben wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes etwas versprochen. Dieses Versprechen gilt für drei Fraktionen dieses Hauses, nämlich für die Fraktionen der SPD, der FDP und der CDU. Das gilt auch für die Landesregierung.Wir haben versprochen, dass der Flughafen nur ausgebaut wird, wenn es in dem nächtlichen Zeitraum, den die Mediation vorgesehen hat, also in der Zeit zwischen 23 Uhr abends und 5 Uhr morgens, keine geplanten Flüge gibt. Dieses Versprechen ist mittlerweile sieben Jahre alt. Es stammt aus dem Jahr 1999.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt relativiert auch er schon! Es war einmal vom Nachtflugverbot die Rede! Jetzt geht es um geplante Flüge!)
Herr Kollege Kaufmann, Sie werden nachher Gelegenheit haben, Ihre Position darzustellen. – Das Ergebnis der Mediation war das, was wir als Mediationsnacht bezeichnen.
Mein Ansinnen dabei ist etwas, was Sie eigentlich unterstützen müssten. Dieses Versprechen ist sieben Jahre alt. Bisher wissen die Menschen in der Region aber nur, wie das Nachtflugverbot nicht umgesetzt werden kann. Herr Wirtschaftsminister, ich glaube, die Menschen haben nach sieben Jahren schlichtweg einen Anspruch darauf, zu erfahren,wie das Nachtflugverbot denn nun eingeführt werden soll.
Deswegen haben wir in unserem Dringlichen Antrag auch nicht verlangt, das Nachtflugverbot jetzt in rechtlich unzulässiger Weise im Landesentwicklungsplan zu verankern.Vielmehr würden wir von Ihnen gerne erfahren, wie der Fahrplan hin zum Nachtflugverbot aussieht. Darüber haben Sie mit Ausnahme Ihres sehr kurzen Hinweises auf das Planungsverfahren nach dem Luftverkehrsrecht, also das entsprechende Planfeststellungsverfahren, geschwiegen.
Meine Damen und Herren, das Nachtflugverbot hat in diesem Land eine gewisse Geschichte. Es gab die Überlegung – Herr Ministerpräsident, Sie kennen das Gutachten und haben es selbst mehrfach in Ihrer Argumentation benutzt –, ein Flughafensystem Frankfurt Main und Frankfurt-Hahn zu gründen und es so auszugestalten, dass Frankfurt-Hahn in der Nacht die fünfte Bahn des Flughafens wird,auf der die Flugzeuge landen können,die nachts landen wollen.
Herr Wirtschaftsminister, analog zu dem, was Sie eben vorgetragen haben, schreiben Sie in Ihrem Landesentwicklungsplan über dieses Flughafensystem am 26. September, dass ein solches Flughafensystem denselben Ballungsraum bedienen müsse.Dann wäre die Zustimmungsfähigkeit bei der EU gefährdet.
Herr Wirtschaftsminister, Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass es einerseits bereits beim Besuch des Herrn Ministerpräsidenten in Brüssel im März die relativ klare Aussage gab, dieses Flughafensystem Frankfurt Main – Frankfurt-Hahn sei nicht zustimmungsfähig, dass andererseits im allerbesten Falle eine Genehmigung nicht erteilt werde – eine Absage allerdings auch nicht erfolge. Mittlerweile sind wir weiter – Sie wissen, was als Nächstes kommt –, denn dieses Thema ist am 22. September dieses Jahres bereits im Bundesrat verhandelt worden.
Ich wiederhole den zeitlichen Ablauf: Am 26. September ist der Landesentwicklungsplan beschlossen worden. Am 22. September hat sich der Bundesrat mit der Frage der Flughafensysteme beschäftigt. Das Land Hessen in Person des Herrn Hoff, der nicht mehr in diesem Saal ist, hat in einer Erklärung im Bundesrat die geplante Regelung der EU-Kommission heftig kritisiert. Mit Erlaubnis zitiere ich aus dem Wortprotokoll:
soll nunmehr durch ein einstufiges Verfahren ersetzt werden, bei dem das Konzept eines „Flughafensystems“ aufgegeben wird. Die jeweiligen Mitgliedstaaten können Regeln für die Verkehrsaufteilung für Flughäfen, die dieselbe Stadt oder denselben Ballungsraum bedienen, einführen, benötigen dafür jedoch die vorherige Genehmigung der Kommission. Gemäß dem vorliegenden Vorschlag sollen die betreffenden Flughäfen über eine angemessene Verkehrsinfrastruktur sowie über häufige, zuverläs
sige und effiziente öffentliche Verkehrsverbindungen mit der Stadt oder dem Ballungsgebiet, das sie bedienen, verfügen.
Dieses Konzept führt bei der Anwendung eindeutig zu einer Benachteiligung der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff „Ballungsgebiet“ wird ausdrücklich definiert als ein „städtisch besiedeltes Gebiet mit einer Zahl von Städten, die aufgrund ihres Bevölkerungs- und Flächenwachstums zu einem zusammenhängend bebauten Gebiet zusammengewachsen sind“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir von Frankfurt Main nach Frankfurt-Hahn fahren, haben wir es nicht mit einem städtebaulich zusammengewachsenen Gebiet zu tun. Deshalb hat Herr Kollege Hoff am 22. September im Bundesrat eine Rede gegen die Vorlage der EU-Kommission gehalten. Herr Wirtschaftsminister, Sie müssen sich nun fragen lassen, warum Sie vier Tage später in dem LEP die Vorgaben der EU mit dem Ballungsraum zitieren und in dieser LEP-Begründung vorspielen, eine Genehmigungsfähigkeit sei gegeben.
Sie hätten in dem LEP schreiben müssen, dass nach den Anforderungen der Europäischen Kommission Ballungsraum anders verstanden wird als der, mit dem wir es zwischen Frankfurt Main und Frankfurt-Hahn zu tun haben. Das, was Sie hier vorlegen, ist eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben Gelegenheit, dies darzustellen. Ich bin der Auffassung, dass wir die Geschäftsgrundlage klären sollten. Die von mir zitierte Rede des Kollegen Hoff im Bundesrat ist sicherlich richtig und unstreitig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir ein Flughafensystem Frankfurt – Frankfurt-Hahn nicht bekommen werden. Es gibt die Möglichkeit, das Nachtflugverbot in den Planfeststellungsbeschluss hineinzuschreiben.Was passiert dann?
Viele Fluggesellschaften – nicht nur die Lufthansa – haben am Frankfurter Flughafen Millionen Euro investiert. Diese Investitionen sind im Vertrauen darauf erfolgt, dass dieser Flughafen, wie es bei einem internationalen Verkehrsflughafen üblich ist, rund um die Uhr geöffnet ist. Wenn wir diesen Fluggesellschaften das Fliegen in der Nacht verbieten, werden Schadenersatzforderungen auf Sie zukommen, Herr Wirtschaftsminister. Dann wird möglicherweise genau das, was Sie für den LEP befürchten, im Planfeststellungsverfahren ebenfalls passieren, nämlich dass der Planfeststellungsbeschluss an dieser Stelle gekippt wird. Klagen sind angedeutet.
Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist, dass das, was ich Ihnen eben vorgetragen habe, in Ihrem Ministerium gänzlich unbekannt ist und dass Sie an die Möglichkeit einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht gedacht haben. Das glaube ich nicht, weil so fahrlässig noch nicht einmal das hessische Ministerium arbeitet.
Deshalb bin ich relativ sicher, dass diese Fragen in Ihrem Ministerium geklärt oder geprüft sind. Wir als Parlamentarier möchten gern wissen, welchen Stand Ihre Überlegungen im Ministerium haben. Für wie sicher rechtlich durchsetzbar halten Sie ein Nachtflugverbot im Planfeststellungsbeschluss? Wie ist Ihre momentane Einschätzung der rechtlichen Durchsetzbarkeit eines absoluten Nachtflugverbots in der Mediationsnacht im Planfeststellungsbeschluss?
Herr Wirtschaftsminister, wir sind keine Verwaltungsbeamten, sondern wir sind die Abgeordneten dieses Landes, die über diese Frage zu entscheiden haben. Wir haben einen Anspruch, zu erfahren – –
Wir haben nicht den Anspruch, zu erfahren? Der Herr Ministerpräsident sagt Ja, wir haben einen Anspruch; der Herr Wirtschaftsminister sagt Nein, wir hätten keinen Anspruch.
Vielleicht könnten wir eine Art „Regierungsältestenrat“ einberufen, damit eine Klärung zwischen Ministerium und Kabinett herbeigeführt wird und wir die Fragen klären können.
Sie können zwar sagen, wir hätten diesen Anspruch nicht, aber ich glaube, Sie merken, dass Sie damit nicht durchkommen. Das geht nicht. Da ist Ihr Ministerpräsident politisch ein bisschen erfahrener. Wir wollen wissen, wie die Überlegungen und Prüfungen in Ihrem Ministerium momentan aussehen.
Der nächste Punkt betrifft die Frage Ticona. Herr Wirtschaftsminister,das ist eine ganz spannende Frage.Wir haben mit dem Chemiewerk Ticona nun schon allerhand Interessantes erlebt. Zunächst einmal gab es eine große Überraschung,dass dieses Chemiewerk Ticona überhaupt existiert. So ein Chemiewerk mit 1.000 Beschäftigten ist ja auch relativ leicht zu übersehen, wenn man daran vorbeifährt. Leider ist das nicht lustig. Die Frage Ticona wurde wie andere Fragen bei der Festlegung auf die Nordwestvariante schlicht nicht berücksichtigt, weil Sie, Herr Ministerpräsident, sich Ende 2000/Anfang 2001 aus politischen Gründen – aus nachvollziehbaren politischen Gründen – auf diese Nordwestvariante festgelegt hatten. Das Problem mit dieser Vorfestlegung auf eine Bahnvariante besteht darin – nicht aus juristischen, sondern aus rein politischen Gründen –, dass man das Abwägungsergebnis in gewisser Weise vorgegeben hat. In der Jurisprudenz nennt man das Ergebnisjurisprudenz. Das heißt, wir geben als Allererstes den Urteilstenor vor und suchen als Nächstes eine Begründung, die halbwegs tragfähig ist.
Die Nichtdurchführung dieser Sicherheitsüberprüfung ist ein wesentlicher Mangel des Raumordnungsverfahrens 2003. Wir alle kennen das. Das führte dazu, dass diese Sicherheitsabwägung in den Landesentwicklungsplan verla
Herr Wirtschaftsminister, Sie reden über die Frage des Absturzrisikos. Diese Frage ist momentan beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel anhängig.
Schade um die Redezeit. – Ich möchte darauf hinweisen, dass das Absturzrisiko nicht das eigentliche Problem ist. Das eigentliche Problem ist die Frage, ob man ein Chemiewerk 24 Stunden am Tag betreiben kann, das in einer so geringen Höhe überflogen wird.
Wie sollen Mitarbeiter dieses Chemiewerks an Schornsteinen arbeiten? Wie sollen Mitarbeiter das Chemiewerk bedienen, wenn sie so nah überflogen werden? Deshalb mein letzter Satz, Frau Präsidentin.
Dann fliege ich. – Herr Wirtschaftsminister, wir bitten Sie um Auskunft über den aktuellen Stand, wie Ihr Ministerium die Frage des gleichzeitigen Betriebs – nicht Absturzrisiko – von Ticona und der Nordwestbahn sieht. Wenn das nicht geht, werden wir Ticona möglicherweise wirklich an Fraport übereignen müssen. Dann allerdings hätten wir es mit einer Summe in dreistelliger – –
Das würde das Ganze betriebswirtschaftlich unwirksam machen. Das wären mindestens 600 Millionen c, die dieser Ministerpräsident mit seiner politisch falschen Vorfestlegung zu verantworten hätte.