Protocol of the Session on October 6, 2006

In unserem gestuften Planungssystem ist es rechtlich verpflichtend, die Entscheidungsgrundlage unter intensiver Ermittlung aller planerischen Umstände und im förmlichen Verfahren unter umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. So wurden der Umfang der tatsächlichen Eingriffe in Natur und Landschaft, die Auswirkungen der Lärmbetroffenheit, aber auch die Risikosituation stufenweise weiter konkretisiert. Dies ermöglichte die Vervollständigung der landesplanerischen Beurtei

lungsgrundlagen und führte schließlich zu der heute hier eingebrachten Änderung des Landesentwicklungsplans 2000.

Meine Damen und Herren, wir haben in dem Verfahren Wert darauf gelegt, dass es transparent und fair erfolgt und Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen muss.

(Beifall bei der CDU)

Sicherlich war es für manche erklärungsbedürftig,dass die Vervollständigung und der Abschluss der landesplanerischen Festlegungen erfolgt, während bereits das beantragte Planfeststellungsverfahren begonnen hat und nun auch zu Ende geführt wird. Dennoch gab es keine Vorfestlegungen auf die von der Vorhabensträgerin gewählten Variante im landesplanerischen Verfahren. Eine sorgfältige und nachvollziehbare Abwägung aller planungsrechtlichen Belange hat am Ende dazu geführt, dass im Variantenvergleich die Nordwestbahn als die landesplanerisch geeignetste Möglichkeit bestimmt werden konnte.

Bei aller grundsätzlicher Erwägung will ich hervorheben, dass wir zum Teil über das gesetzlich geforderte Maß hinaus insbesondere den Belangen des Umweltschutzes in detaillierter Art und Weise Rechnung getragen haben. Selbstverständlich wurde in diesem Planungsprozess erneut geprüft, ob es konzeptionell andere Lösungen gibt und ob nicht auch ein Verzicht auf eine bauliche Erweiterung der Landebahnkapazitäten ein vertretbares Planungsergebnis sein kann. Bei der Abwägung aller planerischen Belange, insbesondere des Schutzes der Bevölkerung vor Lärm, des Schutzes der Natur und Landschaft, der Sicherheit von Wohnbevölkerung und Beschäftigten und der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Bedeutung eines Ausbaus des Flughafens,hat sich schließlich herausgestellt, dass eine Erweiterung erforderlich und vertretbar ist.

Im LEP sind die notwendigen und hinreichenden raumordnerischen und landesplanerischen Voraussetzungen geschaffen, um hinsichtlich der Realisierung des Projekts zu einer endgültigen Entscheidung im Rahmen der Planfeststellung kommen zu können.

Wichtig ist: Die landesplanerischen Voraussetzungen hat die Landesregierung geschaffen und Ihnen jetzt zur Zustimmung vorgelegt. Ob und vor allem zu welchen Bedingungen das Projekt genehmigt werden kann, wird erst im Rahmen der Planfeststellung entschieden. Die Planfeststellungsbehörde hat dabei weitere wesentliche Gesichtspunkte im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit zu prüfen, bevor sie eine endgültige Genehmigung, gegebenenfalls mit Auflagen, erteilen kann. Sie wissen, dass wir diesen Genehmigungsprozess gründlich,intensiv und sehr transparent gestaltet haben und weiter gestalten werden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bitte? Warum geben Sie die Stellungnahme nicht bekannt?)

Herr Kollege Kaufmann, wir wollen ihn zum Ende des nächsten Jahres abschließen.

Lassen Sie mich jetzt noch auf zwei Punkte vertieft eingehen.

Erstens. Innerhalb des Variantenvergleichs kommt es entscheidend darauf an, ob für die Nordwestbahn im Verhältnis zum Störfallbetrieb Ticona ein nicht vertretbares Risiko besteht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist falsch, nicht ein hohes Risiko!)

Herr Kaufmann, deshalb war es besonders wichtig, intensiv nachzuprüfen, ob sich das Risiko beim Bau einer Nordwestbahn gegenüber der bestehenden Situation erhöht.Bereits im Entwurf aus dem Jahr 2005 zur Änderung des Landesentwicklungsplans 2000 wurde eingehend gutachterlich nachgewiesen, dass sich der Planungsfall Nordwestbahn unter Risikogesichtspunkten nicht wesentlich von der jetzigen Situation unterscheidet.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darüber kann man streiten!)

Von der noch für diesen Monat angekündigten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Sachen Ticona – wir haben gestern das Gerichtsverfahren verfolgt – erwarte ich eindeutige Klarheit zu der Frage,welche Anforderungen zur Bewertung des Risikos von Flugzeugabstürzen auf Störfallbetriebe beim Erlass von Rechtsverordnungen und mittelbar auch von Planfeststellungsbeschlüssen zu beachten sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir können aus der Sicht von heute nach der Bewertung der gestrigen Verhandlung feststellen, dass wir im vorgelegten Landesentwicklungsplan das Risikothema und damit die grundsätzliche Vereinbarkeit einer neuen Landebahn mit dem Störfallbetrieb Ticona rechtssicher abgearbeitet haben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So sicher sind Sie sich nicht!)

Meine Damen und Herren, Herr Kaufmann, gegenüber dem Entwurf aus dem Jahr 2005 hat sich auch in der aktuellen Vorlage nichts geändert,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich!)

obwohl, wie Sie wissen, die Auswirkungen der Luftverkehrsprognose bis zum Jahr 2020 mit ca. 700.000 Flugbewegungen in die Bewertung neu einbezogen wurden.

Es wurde auch durch Rechtsgutachten geklärt, dass in der Abwägung der gesamtgesellschaftliche Nutzen, den der Flughafen für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Standortentwicklung des Rhein-Main-Gebiets in Hessen und über Hessen hinaus insgesamt hat, im Zweifel höher zu bewerten ist als die betriebswirtschaftlichen Interessen einzelner betroffener Firmen. Diese Einschätzung beruht auf einer fachlichen und politischen Bewertung aller zusammengetragenen Fakten. Sie wird aufgrund der Novelle des Hessischen Landesplanungsgesetzes durch Ihre Zustimmung auch die Legitimation des Hessischen Landtags erfahren.

Nun möchte ich zum zweiten Punkt kommen, den ich vertieft ansprechen möchte. Von Anfang an waren und sind die Nachtruhe der Bevölkerung und die verbindliche Festlegung der Nachtflugbeschränkungen Bestandteil des immer wieder zitierten Mediationspakets.Wir haben dem Rechnung getragen,indem in den vorgelegten Landesentwicklungsplan der entsprechende Grundsatz aufgenommen wurde. Nicht nur die Rechtsgutachter, sondern vor allem auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit seiner Entscheidung im März dieses Jahres zum Flughafen Berlin-Schönefeld etwas klipp und klar festgestellt. Es lohnt sich, sich das noch einmal vor Augen zu führen, das zu interpretieren und dann daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist in der Tat so, denn man kann das auch anders sehen!)

Es hat klipp und klar festgestellt, dass eine verbindliche Festlegung der Nachtflugbeschränkungen nur in einem Genehmigungsverfahren nach Luftverkehrsrecht und in einem Planfeststellungsverfahren erfolgen kann.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt überhaupt nicht!)

Das wollte ich zu der aktuellen Diskussion sagen, die um die Frage geht, wie intensiv dieses Ziel im Landesentwicklungsplan formuliert sein muss.Wir halten uns daran. Deshalb beabsichtigen wir auch, so zu verfahren.

Wir könnten allerdings bereits jetzt, sozusagen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ignorierend, eine verbindliche den Betrieb regelnde Zustimmung erteilen.Wenn wir dies täten, wenn wir die Zielfestlegung also jetzt schon im Landesentwicklungsplan vornehmen würden, dann wäre das Scheitern des Landesentwicklungsplans vor Gericht vorprogrammiert. Herr Kaufmann, ich glaube nicht, dass Sie das wollen.

Da wir das nicht wollen, will ich ein Verfahren gewährleisten, das für Rechtssicherheit sorgt und dessen Ergebnisse Bestand haben.Wie ich der Presseerklärung entnehmen konnte, sieht das offenbar auch die SPD so.

Meine Damen und Herren der SPD,Herr Walter,ich muss Ihnen allerdings sagen, dass Ihre Mutmaßungen über eine Entscheidung der Kommission der Europäischen Union zu einem Flughafensystem Frankfurt Main und Frankfurt Main-Hahn reine Spekulation sind. Die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen haben zusammen mit der Bundesregierung den entsprechenden Antrag in Brüssel gestellt. Das wissen Sie.Wir erwarten, dass diesem Antrag nach Recht und Gesetz zügig entsprochen wird. Das ist der Sachstand.

Die Landesregierung hat in diesem Landesentwicklungsplan alle landesplanerischen Fragen aufgegriffen und beantwortet. Ich bin davon überzeugt, dass die Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Beteiligung vieler Fachdienststellen, Gutachter und schließlich auch der Öffentlichkeit am Ende zu einem sorgfältig ermittelten und abgewogenen Planungsergebnis geführt hat. Ich bin mir sicher, dass das nunmehr in den Ausschüssen dieses Parlaments diskutiert werden wird. Ich denke, wir werden genug Zeit haben,alles zu erörtern.Aber auch in der Öffentlichkeit und in den entsprechenden Fachkreisen wird das weiterhin diskutiert werden.Gegebenenfalls wird vor Gericht geklärt werden müssen, dass das, was wir mit dem Landesentwicklungsplan formuliert haben, am Ende bestehen kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Erster Redner in der Aussprache ist Herr Walter. Er spricht für die SPD-Fraktion und ist deren Vorsitzender.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wirtschaftsminister,zunächst einmal möchte ich eine Vorbemerkung machen. Die SPD ist nach wie vor der Auffassung, dass das Verfahren, in das wir heute mit der Einbringung des Landesentwicklungsplans durch den Herrn Wirtschaftsminister eingetreten sind, das richtige ist.

Es handelt sich um ein neues Verfahren. Bisher war es so, dass der Landesentwicklungsplan ausschließlich von der Landesregierung beschlossen wurde.Wir haben im letzten Jahr bei der Novellierung des Hessischen Landesplanungsgesetzes festgelegt, dass der Landtag zustimmen soll. Das zu tun war richtig. Denn das erhöht natürlich die Qualität eines solchen Beschlusses.Es ist ein Unterschied, ob das nur von der Verwaltung und der Landesregierung beschlossen wird oder ob die Mehrheit der Abgeordneten eines Landes hinter einem solchen Beschluss steht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Herr Minister, wir haben im Vorfeld Fragen gestellt. Wir halten die Beantwortung dieser Fragen für zentral und wichtig. Wir stellen diese Fragen nicht, weil wir nach Gründen suchen, warum der Ausbau nicht erfolgen kann. Vielmehr stellen wir die Fragen, weil wir deren Beantwortung als konstitutiv für den Ausbau erachten.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die beiden Fragen, um die es im Wesentlichen geht, angesprochen. Das betrifft das Nachtflugverbot und Ticona. Das sind die beiden Themenkomplexe, die momentan im Vordergrund stehen.

Natürlich ist das Themenfeld, das wir dabei zu behandeln haben, weitaus größer. Dabei geht es insbesondere auch um die Infrastruktur des Verkehrs in der Region.Das wird ein großes Thema in der Anhörung zum Landesentwicklungsplan sein.

Ich möchte zunächst einmal auf die Bedeutung des Ausbaus zu sprechen kommen. Die SPD-Fraktion erachtet den Ausbau des Frankfurter Flughafens als das mit Abstand wichtigste Infrastrukturprojekt unseres Landes. Herr Wirtschaftsminister, Sie haben in dem Landesentwicklungsplan eine Prognose aufgestellt, der zufolge es mit dem Ausbau insgesamt 95.000 zusätzliche Arbeitsplätze geben wird.Diese Zahl wird natürlich von den Ausbaugegnern bestritten. Es gibt dazu ein aktuelles Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung, das sich, wie ich finde, sehr kritisch mit der Frage beschäftigt, wie viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden. Trotzdem kommt auch sie zu dem Ergebnis, dass über 60.000 Arbeitsplätze entstehen werden. Um genau zu sein, will ich sagen, dass sie von 66.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ausgeht. Unabhängig davon, ob das nun 95.000 oder 66.000 zusätzliche Arbeitsplätze sein werden – es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Arbeitsplätze in unserem Land entstehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch etwas zu der Bedeutung dieses Ausbaus sagen. Das ergibt sich, wenn man das mit dem vergleicht, was wir die Nullvariante nennen. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass in der Argumentation verkannt wird, dass wir für den Fall, dass wir den Flughafen nicht ausbauen, nicht nur auf das verzichten müssen, was wir durch den Ausbau gewinnen würden. Vielmehr müssten wir im Vergleich zu dem, was wir jetzt haben, deutliche Verluste hinnehmen.

Nach den Prognosen, die Sie vorgelegt haben und die sicherlich nicht ganz falsch sind, wird der Anteil derjenigen, die auf dem Flughafen Frankfurt umsteigen, 42,5 % betragen, wenn der Flughafen ausgebaut werden wird. Dieser Anteil würde auf 24,8 % zurückgehen, wenn der Flughafen nicht ausgebaut wird. Das hat etwas damit zu tun,

dass die Hubfunktion des Frankfurter Flughafens in Gefahr ist.

Hier reden wir nicht über etwas,was in fünf oder zehn Jahren eintreten wird. Vielmehr reden wir über etwas, was schon momentan geschieht. Schon jetzt muss die Lufthansa das Umsteigen bei wichtigen Flugverbindungen von dem Flughafen Frankfurt auf den Flughafen München oder andere Hubs verlagern, weil der Frankfurter Flughafen in den Hauptverkehrszeiten schlichtweg keine Kapazitäten mehr hat,also keine weiteren Slots verfügbar sind.

Wir kämpfen also bereits heute um die Hubfunktion. Der weitere Verlust von Jahren, bis es zum Ausbau kommt, wird die Bedeutung des Frankfurter Flughafens schwächen. Auf die zeitliche Schiene werde ich noch einmal zu sprechen kommen.Es ist nicht nur Polemik,zu sagen,dass wir, wenn es mit dem Ausbau des Flughafens nicht klappt, in unserem Bundesland keinen internationalen Weltflughafen mehr haben werden, sondern einen relativ bedeutenden Regionalflughafen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Blödsinn!)

Welche Bedeutung dieser Flughafen hat, wird jedenfalls von einem großen Teil dieses Hauses nicht bestritten.

Ich möchte nun auf den Landesentwicklungsplan zu sprechen kommen. Er muss der großen Bedeutung dieses Flughafens, die ich dargestellt habe, entsprechen.

Herr Wirtschaftsminister, ich möchte mit einem variantenunabhängigen Problem beginnen und dann auf das variantenabhängige Problem zu sprechen kommen, nämlich den Bau der Nordwestbahn. Da besteht ein Zusammenhang mit dem Chemiewerk Ticona.