Protocol of the Session on October 6, 2006

Herr Kollege Kahl hat es völlig zu Recht gesagt:Die dritte Lesung ist nicht dafür da,etwas zu reparieren,was man im normalen Verfahren schon hätte machen können,sondern die dritte Lesung ist dafür da, zusätzliche Aspekte einzubauen, die später hinzugekommen sind. Meine Bitte an Sie ist: Was soll denn schiefgehen, wenn wir es vernünftig vorbereiten und den Ausschuss vernünftig auswerten lassen, damit er uns Vorschläge unterbreiten kann, und wir dann in die zweite Lesung eintreten, um hier den Gesetzentwurf entsprechend geordnet weiter zu beraten?

Sie schaden dem Ansehen des Landtags insgesamt, wenn Sie sagen:Wir machen jetzt weiter, hopp, hopp. – Diejenigen, die wir angehört haben, fühlen sich, gelinde gesagt, etwas verschaukelt,weil sie sich Mühe gegeben haben,wir aber diese Mühe nicht würdigen. Das sollten wir wahrlich nicht tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abg. Beer erhält für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der einen Seite kann ich die Verärgerung darüber verstehen, dass Gesetzentwürfe derart zügig beraten werden, wie es bei dem Gesetzentwurf zu den Studiengebühren der Fall war und wie es jetzt beim Gesetzentwurf zur Reform des Naturschutzrechts der Fall ist. Das ist nachzuvollziehen, weil es schön wäre, wenn wir das in zeitlicher Hinsicht anders machen könnten. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass Sie, Herr Kollege Kahl, hier mit zweierlei Maß messen. Wenn ich bedenke, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Änderungsanträge und die dazugehörenden Unterlagen zur Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Beratungen der Föderalismusreform 24 Stunden vor der dritten Lesung erhalten haben – Sie werden sicherlich nicht behaupten wollen, dass die Änderungen unseres Grundgesetzes weit weniger schwer wiegen als die Änderungen im Naturschutzrecht –, glaube ich, dass bei Ihnen in dieser Frage das Sein das Bewusstsein bestimmt.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich halte den Schluss, wir würden die Angehörten nicht ernst nehmen, nicht für wirklich berechtigt. Wir haben es bei der Beratung des Gesetzentwurfs über die Studiengebühren gesehen, über den wir eine neunstündige Anhörung durchgeführt haben; wir sehen es jetzt auch: Bei uns in der Fraktion ist zu dem Ergebnis der Anhörung bereits vorgetragen worden. Wir haben uns dort auch mit den Änderungsnotwendigkeiten beschäftigt. Es geht jetzt lediglich darum, zu beschließen, zu welchem Zeitpunkt die Änderungsanträge gestellt werden.

Daher empfehle ich ein bisschen weniger Aufregung. Außerdem empfehle ich, zügig in den Beratungen fortzufahren. Das zügigste Fortfahren in den Beratungen ist möglich, wenn wir den Gesetzentwurf heute an den Ausschuss überweisen, damit dort die Änderungen eingearbeitet werden, die in einer dritten Lesung behandelt werden können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich lasse nun über den Antrag von Herrn Abg. Kahl zur Geschäftsordnung abstimmen, den Gesetzentwurf ohne Beratung an den Ausschuss zur Vorbereitung einer zweiten Lesung zurückzuüberweisen.Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Antrag bei Gegenstimmen der Fraktionen von CDU und FDP und bei Zustimmung der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden ist.

Damit treten wir in die Beratung ein. Herr Berichterstatter Bender, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in der

durch die Drucks. 16/6021 geänderten Fassung anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz in der 101. Plenarsitzung am 17. Mai 2006 überwiesen worden.

(Unruhe)

Herr Kollege Bender, einen Augenblick bitte.Wir warten, bis jeder sitzt, der hier sitzen darf, und bis Ruhe herrscht. – Bitte schön, Herr Bender.

Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 6. September 2006 eine öffentliche mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt.

Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am 20. September 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Nichtbeteiligung der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Abstimmung die eben wiedergegebene Beschlussempfehlung an das Plenum ausgesprochen.

Zuvor war der Änderungsantrag Drucks. 16/6021 mit den Stimmen der Fraktion der CDU bei Enthaltung der Fraktion der FDP und Nichtbeteiligung der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Abstimmung angenommen worden.

Vielen Dank, Herr Abg. Bender. – Meine Damen und Herren, wir beginnen die Aussprache. Redezeit: 15 Minuten. Ich erteile Frau Abg. Apel für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich kurz auf den Geschäftsordnungsantrag der SPD und vor allen Dingen auf die Begründung durch den Kollegen Kaufmann eingehe. Kollege Kaufmann ist momentan nicht da. Er hat kritisiert, dass mit der heutigen Sitzung in zweiter Lesung ein Gesetzentwurf beraten wird, zu dem bis heute keine Auswertung der Anhörung vorliegt. Ich darf daran erinnern, dass wir gerade gestern Abend den Gesetzentwurf der GRÜNEN zum Forstgesetz in zweiter Lesung beraten haben. Unserer Fraktion liegt jedenfalls bis zum heutigen Tag keine Auswertung der Anhörung vor.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur so viel dazu, wenn man meint, man müsse bei den einen Gesetzgebungsvorhaben so argumentieren und bei den anderen andersherum.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der heutigen zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes würdigen wir die zahlreichen Anregungen, die in der ausführlichen An

hörung am 6. September von Sachverständigen und Verbänden vorgetragen wurden. Neben durchaus auch kritischen Anmerkungen lobte beispielsweise der Sachverständige Dr. Giesen den Gesetzentwurf als grundsätzlich begrüßenswerten Beitrag zur notwendigen Reform des Naturschutzrechts.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einen habt ihr gefunden!)

Er füge sich in Reformüberlegungen auf nationaler und europäischer Ebene ein. – Herr Kollege Al-Wazir, jetzt kommt der zweite.

Der Sachverständige Dr. Glatzel attestierte dem Gesetzentwurf, er gehe mit der Zielsetzung und den Vorschriften für eine Verstärkung des kooperativen Naturschutzes in der Praxis in die richtige Richtung. Die geplante Aufhebung großflächiger Landschaftsschutzgebiete sei ein bedeutender Schritt zur Vereinfachung des Vollzugs im Naturschutzrecht. Die Vielzahl der Naturschutzkategorien müsse transparenter und die Eingriffsregelung unter den europäischen Vorgaben noch schlanker gestaltet werden. Die Eröffnung der Freiräume hierzu durch bundesrechtliche Verordnungen sollte daher nicht nur passiv abgewartet, sondern es sollten dazu eigene Initiativen des Landes im Bundesrat ergriffen werden. Angesichts der Personalund Kostenintensität des von der Landesregierung verfolgten kooperativen Naturschutzansatzes seien die Vorschläge des Gesetzentwurfs zur Entbürokratisierung und zur Kosteneinsparung notwendig und unumgänglich.

In der Anhörung wurde unsere Sicht nachdrücklich unterstützt, dass die historisch entstandenen herkömmlichen Schutzkategorien wie Naturschutzgebiet, Nationalpark, Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiete, Naturparke, geschützte Landschaftsbestandteile, Geoparke und neuerdings FFH- und Vogelschutz- und Natura-2000-Gebiete für die Betroffenen kaum noch zu durchschauen sind.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns einmal selbstkritisch fragen, wer von uns konkrete Fragen betroffener Bürger hinsichtlich der Notwendigkeit dieser einzelnen Schutzgebietskategorien in einem bestimmten Gebiet beantworten kann, warum auf ein und derselben Fläche mehrere dieser Schutzkategorien gelten müssen und was das Ganze konkret für den Schutz von Natur und Umwelt bringt.

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Angesichts der Tatsache, dass die bestehenden Landschaftsschutzgebiete auf insgesamt 942.000 ha bisher schon 45 % der gesamten Landesfläche ausmachen und mit den Natura-2000-Gebieten weitere 440.000 ha auf 21 % der Landesfläche dazukommen, könnte man meinen, 65 % der gesamten Landesfläche stünden unter dem Schutzregime von Landschaftsschutz oder Natura-2000Gebieten – wohlgemerkt: ohne Naturparke, ohne Biosphärenreservat und ohne den Nationalpark.

Durch viele Überlagerungen unterschiedlichster Schutzkategorien auf derselben Fläche kann man sicher unterstellen, dass weit mehr als die Hälfte der gesamten Landesfläche Hessens mindestens eine der zahlreichen Schutzkategorien erfüllt – wohlgemerkt: immer hinterlegt mit separaten Verordnungen,wovon jede einzelne separat von der gleichen Behörde abgeprüft werden muss. Der Verwaltungsaufwand,der hinter diesem Wust von Verordnungen, Vorschriften, Ausnahmegenehmigungen und Auflagen steht, ist schier unvorstellbar, nur noch in den

seltensten Fällen transparent und für die Betroffenen überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.

(Beifall bei der CDU)

Neben unnötiger Ressourcenverschwendung von Geld und Personal kosten Doppel- und Dreifachregelungen auf ein und derselben Fläche wertvolle Zeit und bringen dem eigentlichen Schutz von Natur und Umwelt überhaupt nichts. Kein Baum, kein Strauch, keine einzige bedrohte Art erfährt einen höheren Schutz, wenn Schutzbelange aufgrund mehrerer Verordnungen auf derselben Fläche mehrfach abgeprüft werden müssen.

Während die Bevölkerung selbstverständlich mehr Schutz von Natur und Umwelt will, lehnt sie gleichzeitig ein Mehr an Naturschutzbürokratie ab. Genau von diesem Grundsatz lassen wir uns leiten, wenn wir nach Auswertung der Anhörung und vieler dort vorgetragener guter Anregungen von Sachverständigen und Verbänden noch die eine oder andere Veränderung des Gesetzentwurfs dem Landtag vorschlagen werden.

Wir werden weitestgehend eine 1 : 1-Umsetzung europaund bundesrechtlicher Gesetze vornehmen und konsequent Doppel- und Dreifachregelungen abschaffen. Wir sehen im Einklang mit europa- und bundesrechtlichen Vorgaben den notwendigen Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 als neues zentrales Element unseres hessischen Naturschutzrechts an, mit dem die entscheidende künftige Entwicklung im Naturschutz verbunden ist.

Die Erfüllung europarechtlicher Vorgaben im Naturschutz ist von elementarer Bedeutung für die Entwicklung von Natur und Wirtschaft in unserem Land – Natur und Wirtschaft daher, weil kein Quadratmeter Industriegebiet mehr erschlossen und kein Meter Autobahn mehr gebaut werden darf, wenn nicht bis in die kleinste Verästelung FFH- und Vogelschutzkriterien eingehalten worden sind. Die Erfüllung dieser umfangreichen Aufgaben wird uns dauerhaft jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge kosten, die wir über die im letzten Jahr in Kraft getretene Kompensationsverordnung zu finanzieren erwarten, die in allen Bundesländern Deutschlands als der Hit in den Naturschutzverwaltungen angesehen wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden in dem neuen Hessischen Naturschutzgesetz die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auf derselben Fläche entweder die notwendigen Natura-2000-Regelungen in bestehende Landschaftsschutzgebietsverordnungen integriert oder aber bestehende Landschaftsschutzverordnungen durch Natura-2000-Regelungen ersetzt werden, nicht aber neue Regelungen einfach alten Vorschriften hinzuaddiert werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch Quatsch!)

Darüber hinaus werden wir eventuellen Pflegeplänen von Schutzgebieten nur noch Zielsetzungen und gutachterliche Hinweise für die Entwicklung der Gebiete anfügen, nicht aber mehr Einzelmaßnahmen beschreiben, damit wir uns bei der gewünschten Lenkung von Kompensationsmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten nicht selbst fesseln. Das A-380-Urteil hat uns hierzu entscheidende Hinweise für die künftige Ausgestaltung von Pflegeplänen in Schutzgebieten gegeben.

Mit der Stärkung des Vertragsnaturschutzes, dem Aufbau des europäischen Schutzgebietsnetzes und der Aus

gleichsverpflichtung auch bei hoheitlichen Maßnahmen macht der Gesetzentwurf einen großen Schritt nach vorne in die richtige Richtung. Führen Sie sich einmal die Entwicklung der Naturschutzausgaben in Hessen vor Augen. Während rot-grüner Regierungsverantwortung wurden die bereitgestellten Mittel kontinuierlich um 50 % auf zuletzt noch gut 10 Millionen c im Jahre 1997 reduziert. Im Jahre 2006 werden unter unserer Regierungsverantwortung mehr als 21 Millionen c, d. h. mehr als das Doppelte als unter Rot-Grün, für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ein anderer Aspekt: die Entwicklung der Vertragsnaturschutzmaßnahmen.Während Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, im Jahre 1994 für gerade einmal 1.378 Verträge auf einer Fläche von 2.382 ha 650.000 c bereitstellten, hat sich im Jahre 2006 die Zahl der Verträge versechsfacht, die Fläche ist um das Fünfzehnfache auf über 31.000 ha gestiegen, und die Mittel sind um das Dreizehnfache auf nahezu 9 Millionen c angestiegen. Darüber hinaus stehen wir klar und eindeutig für den Schutz unserer Streuobstbestände als landschaftsprägende Lieferanten des hochwertigen Rohstoffes für unser hessisches Nationalgetränk.

(Gernot Grumbach (SPD): Dann schützen Sie sie doch!)

Wir werden nicht zulassen, dass durch Fehleinschätzungen und fehlerhafte Entscheidungen von Naturschutzbehörden vergreiste Apfelbäume nicht mehr durch junge ersetzt werden können,

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)