Protocol of the Session on October 5, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so etwas weiß, wer wenigstens versucht, es zur Kenntnis zu nehmen, kann nicht das Gegenszenario zum Szenario der FDP aufbauen.

(Beifall bei der FDP)

Das Szenario der FDP ist: Solange der Kernkraftwerksblock Biblis A und der Block Biblis B weiterhin sicher sind, müssen sie am Netz bleiben, damit wir eine Versorgungssicherheit haben, eine Bezahlbarkeit des Stroms und eine umweltschonende Produktion von Energie. Das Gegenszenario haben wir in einer lauten Debatte kurz

vor den Sommerferien debattiert, Herr Al-Wazir: Biblis A wird abgestellt. Die Menschen, die dort arbeiten, haben noch ein bisschen Beschäftigung, aber beim Abbau einer Industrie und nicht beim Nutzen einer Industrie. Wir haben in Deutschland bis zum Jahre 2020 keine Energie aus alternativen Energiequellen, sondern wir kaufen den Atomstrom z. B. aus Osteuropa.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn! Wir sind doch Exporteur von Strom!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wollen wir Liberalen aber nicht.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb zum Abschluss unsere dringende Forderung auch an den Ministerpräsidenten. Roland Koch mischt sich gerne in Bundespolitik ein, wenn es darum geht, hessische Interessen zu vertreten und durchzusetzen. Deshalb fordere ich von dieser Stelle aus den Ministerpräsidenten ausdrücklich auf, dass er sich gerade in Bezug auf den Weiterbetrieb von Biblis A für den Standort Hessen, für einen Weiterbetrieb und damit für über 1.000 sichere Arbeitsplätze und eine vernünftige Stromversorgung in Hessen einsetzt. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Hahn, was Sie hier tun, ist eine offene Unterstützung von RWE Power, einen Vertragsbruch gegen die Bundesrepublik Deutschland zu betreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn nichts anderes stellt Ihre Unterstützung der Übertragung der Strommengen von Mülheim-Kärlich auf Biblis A dar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie bewegen sich nicht auf dem Parkett der Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Ich habe hier einen Auszug aus dem Atomgesetz.Ich finde es schon beeindruckend, wenn Sie das Ganze ins Lächerliche ziehen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie wissen, wie es ist? Da steht alles drin?)

Ich kann es Ihnen vorlesen. Ich hatte gedacht, Sie wüssten es, Herr Kollege Hahn. Es tut mir wirklich sehr leid. Sie führen hier eine große Rede und wissen noch nicht einmal, von was Sie reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Anhang des Atomgesetzes steht ganz deutlich:

Die für das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich aufgeführte Elektrizitätsmenge von 107,25 TWh kann auf die Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Gundremmingen B und C sowie bis zu einer Elektrizitätsmenge von 21,45 TWh auf das Kernkraftwerk Biblis B übertragen werden.

Hier ist mit keinem Wort die Rede von Biblis A.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Hammann, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich würde gerne erst meine Ausführungen zu Ende bringen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau, da kann Herr Boddenberg etwas lernen!)

Ich halte es für eine reine Provokation, die hier betrieben wird, und zwar nicht nur von Ihnen, Herr Hahn, sondern auch vonseiten der CDU, die in das gleiche Horn stößt, indem sie fordert,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

dass die Mengen von Mülheim-Kärlich auf den alten Atomreaktor Biblis A übertragen werden sollen. Es ist eine reine Provokation. Meine Damen und Herren, zum einen gehen Sie gegen den Atomausstiegskonsens vor,der von den vier großen Stromversorgungsunternehmen getragen wurde. Tun Sie nicht so, als ob es von denen nicht mitgetragen worden wäre. Das waren EnBW, Vattenfall, E.ON und RWE. Ich will keinen vergessen, das ist mir besonders wichtig.Diese Vereinbarung wurde am 14.06.2000 geschlossen.

Meine Damen und Herren, Ihr Handeln geht gegen das Atomausstiegsprogramm der Bundesrepublik Deutschland und damit auch gegen das Atomausstiegsgesetz. Es ist auch so, dass die Landesregierung selbst, die wirklich nicht als atomfeindlich zu bezeichnen ist, mir auf meine Große Anfrage geantwortet hat, als ich gefragt habe, wie es im Hinblick auf Strommengenübertragungen aussieht – man höre und staune –:

Eine Übertragung von Strommengen aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich ist für Biblis A nicht erlaubt.

Meine Damen und Herren, das ist die Aussage der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich habe es fünfmal gehört! Aber stimmt alles, was Herr Dietzel sagt?)

Meine Damen und Herren, CDU und FDP versuchen mit allen Mitteln, den Atomausstieg rückgängig zu machen, und verlangen daher den Weiterbetrieb der alten, problematischen Atomkraftwerke in Biblis. Sie schrecken dabei noch nicht einmal vor einem Vertragsbruch zurück.

Nun muss man aber auch feststellen, dass die Vorgehensweise der hessischen CDU für eine Laufzeitverlängerung offensichtlich nicht von allen CDU-Bundestagsabgeordneten mitgetragen wird. Ich habe im „Wiesbadener Kurier“ eine Presseerklärung lesen können. Dort steht unter der Überschrift „Union auf Distanz zu Biblis-Betreiber RWE“, dass sich die Union ausdrücklich nicht hinter die Forderungen des Betreibers RWE stelle. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katherina Reiche, traf darin die Aussage:

„Wir werden von Unionsseite nicht versuchen, das durch Druck zu befördern.“ Es werde darüber keinen Konflikt mit dem Koalitionspartner SPD geben.

Meine Damen und Herren, die atomfreundliche Haltung von CDU und FDP fördert nicht die Versorgungssicherheit mit Elektrizität, sondern erhöht die Gefahr eines atomaren Unfalls und fördert den Profit von RWE.Allein die 1,2 Milliarden c, die RWE zusätzlich in die Kasse gelangen würden, wenn es zu einer Verlängerung der Laufzeit von Biblis A kommen würde, zeigen es ganz deutlich.

CDU und FDP verschweigen auch, dass die Stromkonzerne durch diese Vereinbarung einen Nutzen hatten. Die Stromkonzerne haben einen hohen Preis verlangt, einen politisch und wirtschaftlich hohen Preis, und sie haben ihn auch erhalten.

Eine der politischen Gegenleistungen war, dass die Praxis der steuerfreien Rückstellung für die atomare Entsorgung und Endlagerung beibehalten werden konnte. Dies bedeutet aber doch auch – das muss man heute feststellen –, dass ca. 30 Milliarden c von den Atomkraftwerksbetreibern beliebig verwendet werden können. Diese 30 Milliarden c wirken wie steuerfreie Gewinne und führen zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung zulasten der kommunalen Energieversorger, aber auch alternativer Wettbewerber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was mit diesem Geld geschieht,sehen wir doch zurzeit bei E.ON.Der Energiekonzern hat sein Angebot für die Übernahme des spanischen Unternehmens Endesa von bisher 27 Milliarden c um 10 Milliarden auf 37 Milliarden c erhöht. Das Ziel ist klar. Jetzt sollen auch mögliche europäische Konkurrenten ausgeschaltet werden. Das von CDU und FDP unterstützte Oligopol der vier großen Stromversorgungsunternehmen führt eben nicht zu einer Reduzierung der Strompreise – das will ich einmal ganz deutlich machen –, sondern es führt zu einer weiteren Marktbeherrschung. Dagegen werden die erneuerbaren Energien diese Marktbeherrschung durchbrechen. Ihr Vorteil liegt eben darin, dass sie dezentral erzeugt werden. Jedes Bürgersolarkraftwerk, jede private Biogasanlage führt zu einer Verringerung des Einflusses der Stromkonzerne.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Umso unglaubwürdiger ist es daher, dass der jüngste Vorstoß von Wirtschaftsminister Rhiel in die Richtung geht.

(Zuruf von der CDU: Super-Rhiel!)

Super-Rhiel, schön wäre es. – Notfalls müsse der Staat, so die Aussage von Minister Rhiel – ich zitiere wörtlich –, „das Oligopol der Stromerzeuger zerschlagen und RWE, E.ON,Vattenfall und EnBW zwingen, Kraftwerke zu verkaufen“. Diese Vorgehensweise von Minister Rhiel steht

doch im absoluten Widerspruch zur Forderung der CDU auf Laufzeitverlängerung der alten Atomkraftwerke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen doch auch, dass dadurch den vier großen Atomkraftwerkskonzernen weitere satte Monopolgewinne zugeschustert werden. Sollte es Herrn Minister Rhiel wirklich um einen Kampf gegen die Oligopole gehen,dann muss er endlich seinen Ministerpräsidenten Roland Koch sowie Umweltminister Dietzel bei der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Biblis stoppen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Herr Minister Rhiel, dies wird für Sie zu einem Glaubwürdigkeitstest. Kommen wir zum Hauptargument der Atomkraftwerksbetreiber und der CDU- und FDPAtomkraftgläubigen. Für sie sind doch die Atomkraftwerke der Retter des Klimas. Aber hier möchte ich auch noch einmal die Warnung des Präsidenten des Umweltamtes Andreas Troge weitergeben. Er ist CDU-Mitglied. Der Präsident traf in der „Frankfurter Rundschau“ am 14.06. folgende Aussage: