Protocol of the Session on October 4, 2006

Herr Minister, das ist keine Trendwende. Letztes Jahr sprachen Sie noch von einer Trendwende. Heute waren Sie etwas bescheidener. Sie haben davon gesprochen, dass in dem Buch ein neues Blatt aufgeschlagen werde.Von einer Trendwende haben Sie nicht mehr gesprochen. Das ist auch richtig. Denn es handelt sich nicht um eine Trendwende, sondern um das Beschreiten der Wendeltreppe in die Verschuldung. Damit setzen Sie Ihre Politik auf dem Rücken kommender Generationen fort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Ausgaben sollen wiederum um 272 Millionen c und damit um 1,6 % steigen. Das wäre erneut ein Verstoß gegen die Verabredungen im Finanzplanungsrat. Dort wurde vereinbart, dass die Ausgaben um höchstens 1 % steigen sollen. Sie liegen auch in diesem Jahr um fast 100 Millionen c darüber.

In Berlin spielt Herr Koch immer den harten Mann. In Hessen wird er aber immer ganz weich, wenn es um das Geldausgeben geht. Da ist er immer mit vorne dabei.

Während der Amtszeit des Ministerpräsidenten Koch sind die Schulden gestiegen. Ich vergleiche das Ende des Jahres 1998 mit dem Ende des Jahres 2006. Die Zahlen für das Jahr 2007 sind da also noch gar nicht eingerechnet. Innerhalb dieses Zeitraums wird die Verschuldung um rund 10 Milliarden c gestiegen sein. Mehr als ein Drittel der Schulden, die das Land Hessen seit 1946 aufgenommen hat, hat Herr Koch zu verantworten. Er hat mehr als ein Drittel aller Schulden der Nachkriegszeit zu verantworten. Dieses Finanzgebaren kann man nur noch als schamlose Verschuldungspolitik bezeichnen.

Hinzu kommt, dass diese enorme Verschuldung mit dem Ausverkauf des Vermögens des Landes einhergeht. Seit dem Jahr 2002 wurde Landesvermögen in Wert von mehr als 2 Milliarden c verkauft. Weitere Verkäufe in Höhe von 466 Millionen c stehen für das Jahr 2007 an. Der Finanzminister hat davon gesprochen, dass Hessen im Jahre 2005 die zweitgeringste Verschuldung pro Kopf habe. Das ist wieder einer seiner berühmten Tricks. Denn eigentlich müsste er noch etwas hinzufügen.Das konnte nur erreicht werden, weil im Haushaltsjahr 2005 Vermögen in Form von Gebäuden im Wert von 1 Milliarde c verkauft wurde. Es wurden also 1 Milliarde c aus Verkäufen eingenommen. Ohne diese Einnahmen wären wir nicht an zweiter Stelle, sondern ganz weit unten bei der Verschuldung für das Haushaltsjahr 2005. Das macht deutlich, wie groß das strukturelle Problem in Hessen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren der CDU, ein Kompliment muss ich Ihnen trotzdem machen.

(Zuruf)

Doch, das muss ich machen. – Es handelt sich um eine reinliche Truppe bei der CDU.Es handelt sich wirklich um eine reinliche Truppe. Im April 2008 werden Sie uns die Kasse wahrlich besenrein übergeben. Da wird dann nichts mehr drin sein. Kaum ein Gebäude wird dann noch dem Land gehören.Auch die Rücklagen sind dann geplündert. Auch in diesem Jahr geschieht dies wieder in Höhe von 44 Millionen c.Es wird aufgeräumt und weggeräumt.Das ist alles. Das ist wirklich eine „saubere Angelegenheit“. Aber das geschieht zum Schaden des Landes Hessen. Das ist das eigentliche – –

(Jürgen Walter (SPD): Einen Weinkeller haben wir noch!)

Den Weinkeller haben wir noch. Ich befürchte nicht, dass er verkauft werden wird.Wir sollten den Umweltminister und den Finanzminister – vielleicht hat auch er noch ein bisschen Eigentum – nicht auf schlechte Gedanken bringen.

Wenn die Kasse im Jahr 2008 besenrein übergeben sein wird, wird es damit leider nicht getan sein. Denn der Herr Ministerpräsident wird uns noch ein anderes Vermächtnis hinterlassen.

(Gerhard Bökel (SPD): Damit hat er Erfahrung!)

Ja, das ist so: Mit Vermächtnissen hat der Ministerpräsident und Landesvorsitzende der CDU so seine Erfahrungen. – Uns wird er ein schlimmes Vermächtnis hinterlassen. Zum einen sind das die während seiner Amtszeit aufgenommenen Schulden in Höhe von 10 Milliarden c.

Daraus ergeben sich in Zukunft Lasten für Zinszahlungen in Höhe von rund 400 Millionen c pro Jahr.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Wahnsinn!)

Hinzu kommen die Mietzahlungen, die für die Gebäude geleistet werden müssen, die verkauft wurden, in die wir uns aber wieder eingemietet haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Wahnsinn!)

Nach dem neuen Haushaltsplanentwurf wird allein der Zuwachs der Mieten vom Jahr 2006 auf das Jahr 2007 45 Millionen c ausmachen.Vom Jahr 2004 zum Jahr 2007 ist eine Steigerung der Mehrausgaben für Mieten in Höhe von 100 Millionen c vorgesehen.

Wir können das zusammenzählen. 400 Millionen c sind mehr für Zinsen auszugeben. 100 Millionen c werden für Mieten für Gebäude aufgebracht werden müssen,die dem Land einmal gehört haben und bei denen sich das Land nun einmieten muss. Das macht zusammen also rund eine halbe Milliarde c. Mit 500 Millionen c wird jeder Haushalt ab dem Jahr 2008 durch die Politik dieser Landesregierung, also durch die Politik des Herrn Koch und des Herrn Weimar, belastet sein. Dieses Geld steht damit natürlich nicht mehr für andere Maßnahmen zur Verfügung. Deswegen muss man sagen: Diese beiden Herren und die Landesregierung haben die Zukunft unseres Landes teilweise schon verfrühstückt. Das ist eine Tatsache.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn Sie schon längst nicht mehr im Amt sind, werden Ihre Nachfolger noch mit diesen Belastungen zu kämpfen haben. Da wird es einem jetzt schon angst und bange, das muss man wirklich sagen.

Die Gelder, die wir für die Zinsen aufgrund Ihrer Schulden aufbringen müssen, werden für die in der Zukunft notwendigen Ausgaben für die Bildung und für Infrastrukturmaßnahmen eben nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist die bittere Wahrheit. Wir müssen darauf hoffen, dass es zu Steuermehreinnahmen kommt, damit wenigstens ein Teil der Belastungen ausgeglichen wird. Das wird ein großes Problem werden.

Der Finanzplan, den Sie vorgelegt haben, macht doch das ganze Elend deutlich. Bis zum Jahre 2010 soll die Verschuldung des Landes auf 37 Milliarden c steigen. Das wäre, von heute ab gerechnet, wiederum eine Steigerung um 10 %. Es wäre also wiederum eine Steigerung der Verschuldung um 10 % innerhalb weniger Haushaltsjahre. Ich glaube, das macht deutlich, wie dramatisch die Situation ist.

Ursache ist – Herr Minister, damit müssen Sie sich auseinandersetzen –,dass es in Hessen wie in kaum einem anderen Landeshaushalt in Deutschland zu dramatischen Ausgabensteigerungen gekommen ist. Als Rot-Grün regiert hat, haben wir uns mit Haushalten gequält; 1997/98 haben wir Sparhaushalte aufgelegt, wo es keinen Zuwachs, nein, sogar einen Rückgang der Ausgaben gegeben hat. Diese Landesregierung nimmt einen ganz anderen Weg. Es wird alles finanziert, was irgendjemand auch nur vorschlägt. Ob es richtig ist, ob es das Land nach vorn bringt, ist eine ganz andere Frage. Diese Prüfung hat leider nicht stattgefunden, sondern es wurde hemmungslos ausgegeben.Von 1998 bis 2007 sind Ihre bereinigten Ausgaben – nach Abzug des Länderfinanzausgleichs, das ist wichtig – um 2,1 Milliarden c gestiegen. Das ist eine Steigerung von 14 % in dieser Zeit. Ich glaube, mit solchen

Ausgabensteigerungen hätten die meisten Privathaushalte in diesem Zeitraum gern gelebt.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das ist leider nicht der Fall gewesen. Aber Private mussten sich auch danach richten, was eingenommen wurde. Anders der hessische Finanzminister: Im Ausgeben war er immer frisch und munter. Wenn es nicht gereicht hat, hat er einen weiteren Kredit aufgenommen. Das ist die Mentalität dieser Landesregierung. Da fängt das ganze Problem an, warum die Haushaltsentwicklung in den letzten Jahren so schlimm geworden ist.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2007 ist auch ein Wahlkampfhaushalt. Die Wähler sollen mit Geld bestochen werden, das aber gar nicht in der Kasse ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Minister Karlheinz Weimar:Wie war das 2002?)

Ich komme im Einzelnen dazu. Nachfolgende Generationen werden die Wahlkampfgeschenke bezahlen müssen. Mit nachhaltiger Finanzpolitik hat das nichts zu tun. Die geplanten „Wohltaten“ – ich spreche von Wohltaten in Anführungszeichen, weil manches gar keine Wohltaten sind, sondern z. B. Dinge, wo man Bediensteten Geld genommen hat, um jetzt einen Teil zurückzuzahlen – der Landesregierung, ob die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr, ob die Sonderzuwendungen für Beamte, ob Flachbildschirme für die Polizei oder ein Thermalbad in Bad Endbach, all das ist Ausdruck einer Landesregierung, die weiß, dass ihre Politik immer kritischer beurteilt wird. Anders kann man sich gar nicht erklären, dass solche Dinge auf einmal finanziert werden.

Besonders skandalös, aber auch lächerlich ist die Einmal-, besser Zweimalzahlung für Beamte. Skandalös ist es, weil Sie durch die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden, durch die Kürzung des 13. Monatsgehalts, das Sie auf die zwölf Monate verteilt haben, auf 60 % und durch die Streichung des Urlaubsgelds am Ende für viele Beamte eine Gehaltskürzung um bis zu 15 % vorgenommen haben. Das ist der eigentliche Skandal. Jetzt geben Sie diesen Beamten Einmalzahlungen von 250 c in diesem und im nächsten Jahr. Sie glauben, dass die betroffenen Beamten so dumm seien, Ihnen für die jetzige Zuwendung dankbar zu sein. Ich bin mir sehr sicher, das Gegenteil wird stattfinden. So, wie ich die hessischen Beamten kenne,werden sie rechnen,und sie haben schon begonnen, zu rechnen: Was hat ihnen die Landesregierung genommen? Dann kommen sie zu dem Ergebnis, 1.200 c genommen, 250 c bekommen sie zurück. Da besteht überhaupt kein Anlass, dankbar zu sein, sondern da besteht Anlass zur Wut, und die ist berechtigt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, deswegen herzlichen Dank,dass Sie die Beamten noch einmal daran erinnert haben, wie mies, wie gutsherrenartig Sie mit ihnen umgegangen sind. Ich bin mir ziemlich sicher, Ihre geplante Einmalzahlung wird eine ganz andere Wirkung haben, als Sie sich das vorstellen.

Meine Damen und Herren, die Angestellten, die nach den neuen Bedingungen – also ohne Tarifvertragsbindung und mit verlängerter Wochenarbeitszeit – auch erheblich mehr arbeiten müssen, gehen bei dieser Einmalzahlung leer aus. Wie ist es denn mit der Chancengleichheit der Angestellten, die ohne Tarifvertrag arbeiten müssen?

Nein, auch das passt nicht zusammen. Auch dies ist ungerecht und verkorkst.

(Beifall bei der SPD)

Lächerlich ist es doch, wenn Sie diese Einmalzahlung auf die Versorgungsempfänger ausdehnen. Es sei ihnen allen gegönnt.Aber mit der von Ihnen genannten Begründung, das sei ein Ausgleich für die Mehrarbeit der Beamten, können die Zahlungen an die Versorgungsempfänger nicht so ganz glaubhaft erklärt werden. Es würde mich zumindest sehr wundern.

Meine Damen und Herren, deswegen sage ich, es handelt sich um ein Wahlkampfgeschenk. Aber in dem Päckchen steckt einiger Sprengstoff. Das werden Sie dann sehen, wenn es ansteht und wenn bei der Wahl 2008 Ihre Politik auch von den Mitarbeitern, ob Beamte oder Angestellte, in diesem Land bewertet wird.

Meine Damen und Herren, die Not bei der CDU ist groß. Die auf Pump finanzierte Spendierwut ist Ausdruck einer angeschlagenen Landesregierung. Es handelt sich um Carepakete für das eigene Überleben. Anders können diese Punkte überhaupt nicht mehr erklärt werden.

(Axel Wintermeyer (CDU): Man kann sich auch selbst Mut zusprechen!)

Hinzu kommt aber, dass Teile dieser Nothilfe in eigener Sache von den Städten und Gemeinden finanziert werden müssen. Das BAMBINI-Programm wird nicht mit originären Mitteln des Landes bezahlt.

(Michael Boddenberg (CDU): Das kommt aber sehr gut an, Herr Kollege!)

Die Finanzierung erfolgt mit kommunalem Geld und stellt keine Leistung des Landes dar.

(Beifall bei der SPD)

Von den 110 Millionen c stammen gerade einmal 10 Millionen c von dieser Landesregierung.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ärgert die SPD!)

Ja, es ärgert uns, dass Sie sich mit fremden Federn schmücken. Denn der Landesanteil beträgt damit nicht einmal 10 %, gerade einmal 10 Millionen c. Mehr ist Ihnen die Betreuung der Kinder nicht wert. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Land.

(Michael Boddenberg (CDU): Schon wieder!)

Herr Boddenberg, ich weiß, es ist immerhin die doppelt so hohe Summe, wie Sie für das Thermalbad in Bad Endbach ausgeben. Da geben Sie 4,5 Millionen c aus.