Protocol of the Session on September 13, 2006

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Hammann, es gibt keine Kurzintervention zu einer Kurzintervention.– Sie waren die Rednerin,dann geht das natürlich. Aber Sie haben den blauen Zettel gehoben, und daher habe ich das missverstanden.

Herr Kollege Lenhart, wenn ich Sie recht verstanden habe, heißt es für Sie: Die Potenziale der erneuerbaren Energien können wir in Hessen nicht in der Form nutzen, wie wir glauben,es umsetzen zu können.Dazu sage ich Ihnen: Dann verabschieden Sie sich wirklich endgültig von dem Ziel, 15 % bis zum Jahr 2015 zu erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Aussage beinhaltet keinen Ausbau der erneuerbaren Energien, ein bisschen Biomasse auf der einen Seite, aber weiteres Festhalten an der Atomkraft. Ich möchte wissen, wie Sie damit dieses Ziel erreichen wollen.

Meine Damen und Herren, wir finden es gut, wenn die Biomasseanlagen weiter ausgebaut werden.Aber wir wissen, dass das nur einen geringen Teil des Energiemix darstellen wird.Wir finden es gut, dass diese Anlagen weiterhin ausgebaut werden. Aber alleine die tausendste Biomasseanlage presseöffentlich zu begleiten wird uns in der Energiepolitik in Hessen keinen Schritt weiterbringen.

Insofern haben Sie sich als energiepolitischer Sprecher wirklich obsolet gemacht. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dietzel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, „Energie für die Zukunft – den Atomkurs verlassen“ – in diesem Antrag fixieren Sie sich eindeutig nur auf den Atomausstieg, ohne entsprechende Antworten für die Alternativen zu sehen. Das hat dieser Antrag nicht erbracht, und auch nicht die Reden bisher.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns über Energiepolitik insgesamt unterhalten, dann geht es darum, dass wir die Problemfelder für die nächsten Jahre aufzeigen. Zum einen steht bei der alternden Infrastruktur der fossilen Kraftwerke, die wir zumindest noch eine Zeitlang brauchen, ein hoher Investitionsbedarf in zweistelliger Milliardenhöhe in den nächsten Jahren an. Wir haben in den letzten Jahren die Importabhängigkeit von Öl und Kohle verspürt. Außerdem gibt es eine Abhängigkeit von Erdgas. Russland und die Ukraine streiten sich um den Gaspreis, und plötzlich kommt bei uns kein Erdgas mehr an oder zumindest weniger. Die weltweite Energienachfrage können wir gar nicht steuern. Das Wirtschaftswachstum in Indien und auch in China wird enorm sein. Eine Größenordnung von 10 % Wachstum wird die Energiefrage berühren.

Die Preise für Erdöl und Erdgas haben sich in den letzten Jahren extrem nach oben entwickelt. Zwar geht die Internationale Energieagentur mittelfristig von einer Preisberuhigung aus.Aber ich gehe davon aus, dass sich der Preis nicht entscheidend nach unten entwickeln wird.Auch das müssen wir eindeutig sehen.

(Norbert Schmitt (SPD): Da sind wir der gleichen Meinung!)

Die Strompreise folgen logischerweise dieser Entwicklung. Deswegen meine ich, dass man, wenn wir am Energiemarkt einen funktionierenden Wettbewerb hätten, dem entgegenwirken könnten.Aber ich bin der Meinung, dass weder der Energiemarkt der Europäischen Union noch der in Deutschland so voll funktioniert oder vollständig von Wettbewerb geprägt ist. Deswegen bedanke ich mich auch für den Einsatz von Dr. Rhiel, der hier aktiv ist.

Meine Damen und Herren,wir sollten die Erwärmung des Klimas auch nicht außen vor lassen. Ich habe auf einer anderen Veranstaltung schon erläutert, dass es eine Studie des Max-Planck-Instituts gibt, nach der in den letzten 50 Jahren die durchschnittliche Temperatur in Hessen um 0,9 Grad nach oben gegangen ist. Die Prognose für die nächsten 100 Jahre liegt zwischen 2,0 und mehr als 6 Grad.

Das ist zugegebenermaßen eher ein Stochern mit der Stange im Nebel. Trotzdem müssen wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigen,und wir müssen uns heute damit beschäftigen, weil es in 50 Jahren zu spät dazu ist.

Deswegen müssen wir schauen, dass die CO2-Emissionen, wenn wir Biblis abschalten und durch Kohlekraftwerke ersetzen wollten, immerhin die Kleinigkeit von 11,5 Millionen t CO2 im Jahr bedeuten würden.Wenn wir alle deutschen Kernkraftwerke abschalten würden, würden, Heinrich Heidel hat es schon gesagt, 190 bis 200 Millionen t CO2 pro Jahr hinzukommen.

Es wird immer nur auf die Kernenergie verwiesen. Wir müssen aber weg von der Nutzung der fossilen Energieträger, damit wir die Klimaveränderung überhaupt in den Griff bekommen können.

Ich habe versucht, einige Problemfelder aufzuzeigen. Die Aufzählung ist zugegebenermaßen nicht vollständig.Aber eines werden wir in Zukunft machen müssen:Wir werden uns vorurteilsfrei, ohne Denkverbote und Scheuklappen über die Energieversorgung unterhalten müssen.Wir werden Lösungen finden müssen, damit die Energieversorgung unseres Landes auch weiterhin sicher,bezahlbar und umwelt- und klimaverträglich bleibt.

Die Hessische Landesregierung steht zur Nutzung der Kernenergie, aber auf höchstem Sicherheitsniveau. Das haben wir auch in unserem Regierungsprogramm für die Jahre 2003 bis 2008 eindeutig so dargestellt.

(Beifall des Abg. Frank Williges (CDU))

Wir wollen an der Fortentwicklung und Nutzung der Kernenergie festhalten. Wir sehen aber auch, dass die Nutzung der Kernenergie nur eine Brückenfunktion haben kann. Unserer Meinung nach muss die Nutzung der Kernenergie aber über das Jahr 2020 hinaus fortgeführt werden.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Das ist aber eine lange Brücke!)

Denn es stehen keine Alternativen in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Wir sind also der Meinung, dass aus Gründen der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und des Klimaschutzes die Nutzung der Kernenergie noch für einige Zeit notwendig sein wird.

Wir müssen uns auch mit der Frage der Laufzeit beschäftigen. Ich bin nicht der Meinung, dass man einfach pauschal sagen sollte, wir verlängern die Laufzeit der Kernkraftwerke um sieben Jahre. Ähnliches wurde während des Bundestagswahlkampfs auch von Parteikollegen von mir gesagt. Vielmehr bin ich der Meinung, dass eine Verlängerung der Laufzeit an sicherheitstechnische Nachrüstungen und die Sicherheit der Kernkraftwerke geknüpft werden sollte. In diesem Zusammenhang sollten wir uns über die Verlängerung der Laufzeiten unterhalten.

Während meiner Dienstzeit von gut sieben Jahren haben wir beim Kernkraftwerk in Biblis bei Block A und Block B über 80 sicherheitserhöhende Maßnahmen durchgesetzt, die RWE etwa 900 Millionen c gekostet haben. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das entspricht auch der Intention, die diese Regierung hat.

Sichere Kernkraftwerke abzuschalten, die Strom kostengünstig, verlässlich und ohne Emissionen produzieren, wäre weder umweltpolitisch noch volkswirtschaftlich vertretbar. Das wollte ich hier einmal eindeutig anmerken.

Es wurde schon gesagt, dass über 60 % des hessischen Stroms aus dem Kernkraftwerk Biblis kommen und dass dort auch über 60 % des Stroms in Hessen produziert werden. Das Kernkraftwerk in Biblis ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Dort sind 700 Mitarbeiter fest beschäftigt. Es gibt dort 30 Auszubildende. Bei der Revision sind dort bis zu 2.000 Mitarbeiter tätig. Im Umkreis von 50 km kommt es pro Jahr zu einem Auftragsvolumen von etwa 100 Millionen c.

Mir ist klar, dass bei einer Schließung des Kernkraftwerks die Arbeitsplätze nicht sofort wegfallen würden. Aber irgendwann wären sie weg. Das muss man sagen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Dafür würden aber Tausende neuer Arbeitsplätze entstehen!)

Ich möchte noch einmal auf Punkt 2 Ihres Antrags zu sprechen kommen. Dabei geht es um mögliche Flugzeug

abstürze und das Notstandssystem. Hinsichtlich möglicher Flugzeugabstürze muss man, so denke ich, anlagenbezogene Maßnahmen durchführen. Das heißt, man muss die Ausrüstung der Feuerwehr verbessern. Außerdem müssen die Betriebsvorschriften angepasst werden. Es müssen aber auch Tarnschutzanlagen, also Vernebelungsanlagen, eingerichtet werden. Daran arbeiten wir im Augenblick. Meiner Meinung nach müssen sie bundeseinheitlich auf der Grundlage der Ergebnisse von Grohnde errichtet werden. Ich bin davon überzeugt, dass im Jahr 2007 diese Maßnahmen durchgeführt werden können.

Ich habe hier auch schon einmal eindeutig gesagt,dass vor allem staatliche Maßnahmen notwendig sind, die vom Bundesinnenminister auch schon angeordnet wurden. Das kann also im Wesentlichen durch staatliche Maßnahmen erreicht werden. Das Konzept sieht polizeiliche und nachrichtendienstliche Aufklärung im Vorfeld vor. Die Flugsicherheit soll unter dem Aspekt des Terrorismus erhöht werden. Außerdem geht es dabei um die Gefahrenabwehr im Luftraum. Ich glaube, dass die Bundesregierung das in ausreichendem Maß geregelt hat.

Ich möchte jetzt noch einmal auf das Notstandssystem zu sprechen kommen. Heinrich Heidel hat eben schon Entsprechendes dazu ausgeführt. Wir haben ein Notstandssystem, das im Jahr 2000 von dem damaligen Minister der Bundesregierung, Herr Trittin, abgesegnet wurde.

(Norbert Schmitt (SPD): Das bezog sich auf die begrenzte Laufzeit!)

Bei einem Notfall würden der Block Biblis A aus dem Block Biblis B gesteuert und der Block Biblis B aus dem Block Biblis A. Ich denke, dass damit eine ausreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang geschaffen wurde.

Ich denke aber auch, dass wir die Laufzeit der Kernkraftwerke nicht nach politischen und ideologischen Gesichtspunkten entscheiden sollten. Vielmehr sollte dies nach den Erfordernissen erfolgen. Das betrifft die Sicherheitstechnik, den Klimaschutz, aber auch betriebswirtschaftliche Aspekte. Ich mache aus meiner Meinung kein Geheimnis.Ich halte den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie, der am 14. Juni 2000 beschlossen wurde, für falsch.

Ich weiß, dass derzeit eine andere Regelung nicht möglich ist. Ich will eindeutig sagen, dass ich und die anderen Mitglieder der Hessischen Landesregierung den Antrag der RWE auf Verlängerung der Laufzeit unterstützen wollen und werden.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Jörg-Uwe Hahn und Nicola Beer (FDP))

Die Länder Baden-Württemberg,Bayern,Hamburg,Hessen,Niedersachsen,Nordrhein-Westfalen,Saarland,Sachsen-Anhalt und Thüringen haben ein Positionspapier erarbeitet.Dabei geht es um nationale Aspekte.Gemäß diesem Positionspapier soll die Nutzung der Kernkraft wesentlich dazu beitragen, den Strom sicher, kostengünstig und umweltverträglich an den Standorten, vor allen Dingen den Wirtschaftsstandorten in Deutschland zu produzieren.

Man sollte sich noch einmal das Ausstiegsszenario aus dem Jahr 2000 ansehen. Damals wurden Alternativen entwickelt. Eine Alternative war z. B. die verstärkte Nutzung der Offshoreanlagen. Ich meine, es ist wichtig, dass man auch festhält, dass sich Dinge ab dem Jahr 2000 auch negativ entwickelt haben. Bei den Offshoreanlagen sind wir

nicht weitergekommen. Das war aber einer der wichtigen Punkte.

(Norbert Schmitt (SPD): Trotzdem haben wir den Anteil erweitert!)

Die Preise für Öl und Erdgas haben sich extrem nach oben entwickelt. In dem Zusammenhang ist es also zu einer Verschärfung des internationalen Wettbewerbs gekommen. Dieser Standpunkt aus dem Jahr 2000 kann so also nicht mehr aufrechterhalten werden.

Wir sind der Meinung, dass wir einen ausgewogenen Mix der Nutzung aller Energieträger unter Einbezug der Nutzung der Kernenergie haben sollten. Ich habe hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie schon eindeutig gesagt: Die Nutzung der fossilen Energien sollte zurückgehen. Denn meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, ob die bei uns vorkommende Steinkohle vielleicht besser in der Erde bleiben sollte, damit auch unsere Enkel und Urenkel noch Rohstoffe haben.

Die Nutzung der fossilen Energieträger wird aber für einen erheblichen Zeitraum noch notwendig sein. Daneben müssen aber natürlich auch die erneuerbaren Energien genutzt werden. Deswegen hat sich die Hessische Landesregierung in ihrem Regierungsprogramm aus dem Jahre 2003 das Ziel gesetzt, dass 15 % des Energieverbrauchs in Hessen aus erneuerbaren Energien stammen soll. Durch eine Studie konnten wir feststellen, in welchem Umfang es Biomassepotenziale hier gibt. Daraus ergibt sich eindeutig, dass wir das Ziel erreichen können.

Wir haben das Kompetenzzentrum Hessen-Rohstoffe eingerichtet, um diesen Markt der Zukunft weiterentwickeln zu können. Herr Abgeordneter, wir haben im Knüll die Bioregio Holz eingerichtet. Aufgrund des überragenden Ergebnisses werden wir das auf weitere Regionen ausweiten.

Frau Ypsilanti, wir sollten uns über die Nutzung des Biogases und der Biomasse unterhalten. Denn wir glauben, dass wir am ehesten mit der Nutzung des Biogases und der Biomasse die 15 % erreichen können. Wir sind der Meinung, dass das durchaus auch für die Landwirte und den ländlichen Raum etwas Interessantes sein könnte.

(Norbert Schmitt (SPD): Da gibt es keine Kontroverse!)

Denn die Wertschöpfung erfolgt damit im ländlichen Raum.

(Norbert Schmitt (SPD): Da gibt es zumindest mit uns keine Kontroverse!)