Protocol of the Session on July 13, 2006

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sind die jetzt froh, dass du gehst? – Weitere Zurufe)

Das ist unglaublich rührend, aber ich wollte fragen: Ist das die Freude, dass heute Abend vielleicht etwas passiert? Vielleicht war es die Ermunterung an die hessische SPD, der Frankfurter SPD zu sagen:Wenn ihr das heute Abend mitwählt, dann sind wir den Rhein los. – Herr Kahl – Sie schauen gerade so –, Sie können einmal erwägen, ob Sie das so machen wollen.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Rudolph, ein bisschen schade finde ich, dass Sie Opposition um der Opposition willen machen. Ich finde, diesem neuen Entwurf des Disziplinarrechts kann man trotz der Punkte, die Sie genannt haben, durchaus zustimmen. Denn dieser Gesetzentwurf, den die Landesregierung vorgelegt hat, orientiert sich an drei Zielen: Bürokratieabbau, Beschleunigung von Verfahren und Schaffung eines modernen Dienstrechts. Das hat sich auch – entgegen dem, was Sie sagen – in der Anhörung sehr deutlich gezeigt. Der Datenschutzbeauftragte stimmt zu; der Hessische Landkreistag sagt sogar: „volle Zustimmung“; der Hessische Städtetag sagt: „keine Bedenken“; der Hessische Beamtenbund, DBB, sagt: „keine Bedenken; grundsätzlich begrüßen wir diesen Gesetzentwurf“. Angesichts dieser Reaktionen kann man wirklich sagen, dass man mit diesem Gesetzentwurf sehr gut leben kann.

Die Novelle bewirkt eine Vereinfachung,eine Verkürzung der Disziplinarverfahren und trägt damit zum einen der Ordnungs- und zum anderen der Schutzfunktion des Dis

ziplinarrechts Rechnung. Um eine Schutzfunktion geht es insofern, als die betroffenen Beamtinnen und Beamten schneller Klarheit bekommen und für sie die quälende Zeit der Ungewissheit über den Ausgang des Disziplinarverfahrens schneller vorbei ist. Um eine Ordnungsfunktion geht es insofern, als mit weniger Aufwand und damit schneller und effizienter als bisher Fehlverhalten sanktioniert werden kann. – Herr Kollege Bökel, schauen Sie nicht so böse.

(Gerhard Bökel (SPD):Nein,ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!)

Das freut mich, danke schön. Ich werde Sie auch vermissen, ich werde Sie alle vermissen – wenn das funktioniert.Frau Präsidentin,wenn ich das einmal einfügen darf: Man ist in einer solchen Situation hin- und hergerissen. Man weiß nicht, ob man bei einer solchen Rede, die vielleicht die letzte ist, einfach „Danke schön für die gute Zeit“ sagen sollte – und zwar über die Parteigrenzen hinweg. Ich habe mich hier verdammt wohl gefühlt.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bin seit sieben Jahren dabei. Der Hessische Landtag ist ein besonderes Parlament. Das ist schon ein verdammt guter Haufen hier, wenn ich das einmal etwas flapsig sagen darf.

(Allgemeine Heiterkeit)

Jetzt bin ich hier hin- und hergerissen. Frau Präsidentin, andererseits bin ich nicht nur abergläubisch, sondern ich finde auch, es gehört zum guten Stil, so etwas nicht zu machen, bevor man an anderer Stelle gewählt worden ist. Aber ich werde versuchen, einen anderen Anlass zu finden, um mich von all den Kollegen dann, wenn es funktioniert hat, zu verabschieden und für die gute Zeit zu bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich noch einmal auf das Disziplinarrecht zu sprechen. Es ist ein erfreulicher Effekt dieser Novelle, dass Gerichte entlastet werden.Dazu gehören die Abkehr vom Strafverfahrensrecht und die Hinwendung zum Verwaltungsverfahrensrecht, das den Behörden und den Gerichten besser bekannt ist und mit dem sie einfacher umgehen können.

Ich finde, dass dieser Gesetzentwurf das Ziel der Beschleunigung mit dem Rechtsschutzinteresse der Beamten durchaus sehr gut verbindet. Dies macht nicht zuletzt die Revisionsmöglichkeit im Vierten Abschnitt deutlich. Herr Kollege Rudolph,in diesem Punkt weichen wir wirklich von anderen Landesgesetzen ab. Andere Bundesländer nämlich haben diese Revisionsmöglichkeit nicht in der Weise, wie wir sie haben. Deswegen ist das Disziplinarrecht, wie wir es beschließen wollen, ein besonders beamtenfreundliches Disziplinarrecht, das den Interessen der Beamten entgegenkommt. Daher würde ich mich besonders freuen, wenn Sie sich doch noch entschließen könnten, nicht Opposition um der Opposition willen zu machen, sondern diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Verehrter Herr Abg. Rhein, wenn ich das richtig verstanden habe, dürfen wir im Protokoll des Hessischen Land

tags festhalten, dass nicht der „Haufen“, aber der Hessische Landtag eingeladen ist, falls Sie die Möglichkeit haben werden, an anderer Stelle eine neue Position einzunehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ist das so? Dann vermerken wir das bitte im Protokoll.

(Gerhard Bökel (SPD): Im Römer ist es sowieso schöner als hier! Wir kommen einmal rüber!)

Das Wort in der Debatte hat Herr Frömmrich,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rhein, vielen Dank auch aus meiner Fraktion für die Einladung. Wir werden sie natürlich annehmen. Herr Kollege Dr. Jürgens freut sich schon sehr darauf, wie er mir gerade signalisiert hat. Ansonsten wirkte es ein wenig wie: „Sag zum Abschied leise servus!“ Aber die Einladung steht ja.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Rhein ist darauf eingegangen, dass dieses Gesetz eigentlich unstrittig sei und dass man es verabschieden könne. Herr Kollege Rhein, ich erinnere an das, was wir bei der Einbringung gesagt haben: Dieser Gesetzentwurf ist grundsätzlich zu begrüßen. In der Grundtendenz ist er in Ordnung. Dass er sich grundsätzlich am Bundesrecht orientiert, ist auch in Ordnung. Das Prinzip der Beschleunigung ist erkennbar. Die Abkehr vom Strafrecht und die Hinwendung zum Verwaltungsverfahrensrecht sind ebenfalls in Ordnung – allerdings mit einer Einschränkung: Es waren unter anderem die Mitarbeitervertreter,die auf das Problem der Bevollmächtigten hingewiesen haben.

Herr Kollege Rhein, 85 bis 90 % des Gesetzes sind für uns zustimmungsfähig. Da könnten wir zustimmen, wenn es eine Abstimmung „85 zu 15“ gäbe. Die gibt es aber nicht.

(Michael Boddenberg (CDU): Das kann man aufteilen! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir können das Punkt für Punkt abstimmen!)

Wir haben bei der Einbringung gesagt, dass wir zustimmen werden, wenn nicht gravierende Punkte dagegen sprechen, dieses Gesetz zu verabschieden. Herr Kollege Rudolph hat es gerade schon angeführt:Wenn sich dieser Gesetzentwurf im Grundsatz am Bundesrecht orientieren soll, wir aber in der Anhörung feststellen, dass in einigen Punkten vom Bundesrecht abgewichen wird und einige Aspekte verschärft werden, dann stellt sich schon die Frage, warum das gemacht wird.Wir haben bereits Erfahrungen damit, wie im Dienstrecht mit Beamten zum Teil umgegangen wird – ich erinnere nur an Polizeibeamte und Disziplinarverfahren. Daher sind wir in dieser Frage ein bisschen sensibel und schauen genau hin.

Nicht richtig ist unserer Meinung nach die Regelung, die zur Möglichkeit einer Doppelbestrafung führt. Auch die Regelung der schriftlichen Anhörung bei Massenverfahren ist durchaus problematisch. Was das Strafrecht betrifft: Für die Bevollmächtigten kann dies ein Problem sein, weil dann kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr besteht.Auch die Regelung des Einbehaltens der Dienstbezüge ist ein Punkt, der in der Anhörung vorgetragen wurde und der unserer Meinung nach problematisch ist.

Zu 85 % ist dieser Gesetzentwurf in Ordnung; da orientiert er sich am Bundesrecht.Aber die vier Punkte, die ich aufgeführt habe, sind für uns so gravierend, dass wir dem Gesetzentwurf in dieser Form leider nicht zustimmen werden.Sie hatten alle Möglichkeiten,im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen einzubauen, die auf die Kritikpunkte eingehen. Das haben Sie nicht getan.Von daher sind wir leider gezwungen,diesen Gesetzentwurf abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP erhält ihr Vorsitzender, Herr Hahn, das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn 85 % des Gesetzentwurfs zustimmungspflichtig – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zustimmungsfähig!)

Wenn 85 % des Gesetzentwurfs zustimmungsfähig sind, dann, glaube ich, wäre es richtig, nach dem Abwägungsprozess dazu zu kommen, zuzustimmen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei Ihnen ist das vielleicht so!)

Für die Mitglieder der FDP-Fraktion kann ich sagen, dass sogar 95 % des Gesetzentwurfs zustimmungsfähig sind. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, um diese Uhrzeit nach den sehr inhaltsreichen Ausführungen der Kollegen das noch einmal zu wiederholen. Ich will aber zu einem Thema noch etwas sagen.

Hier wurde zweimal das Thema Doppelbestrafung angeführt. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Doppelbestrafung im klassischen Sinne.Wir Juristen haben gelernt: ne bis in idem. – Das darf nicht sein.Aber hier ist es auch nicht genau dasselbe.Es besteht ein Unterschied zwischen dem Strafverfahren einerseits und dem Disziplinarverfahren andererseits. – Die FDP wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu geurteilt!)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst will ich ausdrücklich erklären, dass ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Rhein anschließe.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Nein, das steht mir nicht zu. Ich schließe mich den Ausführungen an, soweit sie sich nicht auf Frankfurt bezogen haben.

Ich glaube, ich kann mich kurz fassen. Ich will auf zwei Gesichtspunkte eingehen. Das, was wir vorgelegt und heute in zweiter Lesung zu verabschieden haben,ist in der Tat ein großes Werk, wenngleich es in der Öffentlichkeit nicht die entsprechende Aufmerksamkeit findet. Es betrifft immerhin rund 80.000 Beschäftigte der hessischen Landesverwaltung. Das hat also große Bedeutung.

Das hessische Disziplinarrecht ist rund 50 Jahre alt. 1957 wurde es beschlossen. Seitdem wurde es nie mehr grundlegend verändert.Deswegen ist es richtig und wichtig,dass es in eine moderne Form gebracht wird.

Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob es 85 oder 95 % sind. Ich bedanke mich jedenfalls dafür, dass es eine große Übereinstimmung gibt.

Ich bedauere, dass das Haus den Gesetzentwurf nicht einstimmig annehmen wird. Das hätte dem Anliegen mehr Rechnung getragen.

Ich will kurz auf zwei Sachverhalte eingehen. Herr Kollege Rudolph und auch Sie, Herr Frömmrich, haben das Problem der Doppelbestrafung angesprochen. Ich will das hier klarstellen. Herr Kollege Hahn hat den aus meiner Sicht entscheidenden Punkt genannt. Das können Sie auch der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen. Das steht dort drin.

Es geht vor allen Dingen um die Probleme, die aus den §§ 153 und 153a Strafprozessordnung erwachsen. Dabei geht es um die Einstellung des Verfahrens bei Erfüllung von Auflagen oder wegen geringer Schuld. Dies kann mit bestimmten Dingen des Verkehrsrechts verglichen werden. Beim Verkehrsrecht kann es Ihnen geschehen, dass Sie nicht wegen eines Verstoßes gegen die §§ 315 oder 316 Strafprozessordnung oder eines anderen Vergehens angeklagt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Dann kann aber immer noch die Verkehrsbehörde kommen und sagen:Moment,wir können aus unserer verkehrsrechtlichen Sicht immer noch Punkte verteilen oder anderes vornehmen.

Das wäre dann die Nebenfolge. Es geht hier also um verschiedene Dinge. Ich habe das aus zeitlichen Gründen jetzt sehr verkürzt dargestellt. Es handelt sich nicht um einen Verstoß gegen „ne bis in idem“. Denn das wäre in der Tat unzulässig. Dieser alte juristische Rechtsgrundsatz wird durch das Gesetz geregelt. Das war auch das Anliegen. Ich habe ausdrücklich gefragt: Muss man das alles so machen? – Es gibt dafür praktische Gründe.

Ich möchte auf den zweiten Punkt zu sprechen kommen. Das betrifft die in § 34 Abs. 3 Hessisches Disziplinargesetz vorgesehene Regelung. Das ist so. Das haben Sie korrekt zitiert. Ich habe seinerzeit gesagt, dass wir uns überwiegend an dem bundesrechtlichen Rahmen orientieren. Dass das so ist, haben Sie bestätigt. Ich denke, bei 85 % der Regelungen wird das der Fall sein.