Protocol of the Session on July 13, 2006

Herr Al-Wazir, wenn Sie den Kopf schütteln, dann erkläre ich das gerne auch nochmals genauer.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie einmal den genauen Titel!)

Herr Kollege Al-Wazir, warten Sie doch bitte, bis der Haushaltsplan vorgelegt wird,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

und hören Sie einmal bis zum Ende zu.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie wissen genau, dass der Bund in diesem Bereich heute die Sozialhilfekosten über das ALG II trägt.Früher waren die Kommunen dafür verantwortlich. Das ist gerechtfertigt – da höre ich viel Zustimmung, zumindest von Landräten und Oberbürgermeistern –,

(Norbert Schmitt (SPD):Von Landräten schon!)

denn diese Belastungen bestehen heute so nicht mehr. Deswegen werden diese Mittel von uns für einen anderen Zweck vorgesehen. Da erfolgt eine Schwerpunktsetzung durch die Landesregierung – die ist gewollt, und die halten wir für richtig – auf das Thema Kinder,Familie und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, die Eltern in diesem Land werden verstehen, dass das die richtige Schwerpunktsetzung ist, wenn wir diese Mittel im Kommunalen Finanzausgleich binden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dann stellen wir den Kommunen für einen Halbtagsplatz im Kindergarten 100 c als Durchschnittspauschale und für die U-3-Plätze 100 c für den Vormittagsplatz und 200 c für den Ganztagsplatz zur Verfügung.

Wir wissen: Es ist Aufgabe der Kommunen, und sie selbst haben dort auch noch wesentlich mehr bei der UnterDreijährigen-Betreuung einzubringen, aber sie werden in Zukunft gegenüber 600 c für einen Ganztagsplatz in der Unter-Dreijährigen-Betreuung eben dann tatsächlich 2.400 c zur Verfügung haben.Das ist ein enormer Sprung, und das ist eine wichtige Botschaft gerade an die Städte und Gemeinden hier in Hessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele von Ihnen werden sich vielleicht auch daran erinnern, dass es bei der Entlastung bei Hartz IV um 2,5 Milliarden c ging.Die damalige Bundesregierung – Rot-Grün spreche ich ganz direkt an – hat gesagt, 1 Milliarde c solle für das Thema Ausbau der Kinderbetreuung eingesetzt werden.

(Reinhard Kahl (SPD): Darüber gibt es keinen Streit!)

Sie wissen allerdings, dass das Geld bei den Landkreisen ankommt, nicht aber bei den Gemeinden vor Ort, die wiederum die Kinderbetreuung ausbauen müssen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das habe ich schon vor einem Jahr gesagt! – Norbert Schmitt (SPD): Nur nicht der Landkreis Bergstraße! Der hat 10,5 Millionen c Defizit!)

Die Kollegen aus den Landkreisen sind diesbezüglich sehr unterschiedlicher Auffassung.Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es eine Kommunaldatenerhebung. Diese hat jeder Landkreis, aber nicht das Sozialministerium.Wir können keine Daten erheben. Das machen alle Kommunen selbst. Diese Daten melden sie dem Deutschen Landkreistag, und daran zeigt sich, dass die Landkreise und die kreisfreien Städte deutlich entlastet sind, aber eben nicht die Kommunen, die die Kinderbetreuung vor Ort umzusetzen haben. Das ist genau der Unterschied zu meinen Vorrednern: Anstatt dieses Geld den Landkreisen zur Verfügung zu stellen, hat sich die Landesregierung dafür entschieden, es den Gemeinden vor Ort zu geben, die in Hessen die Kinderbetreuung tatsächlich ausführen. Damit sollen sie diese Aufgabe umsetzen können; schließlich wurde ihnen auch diese Aufgabe übertragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt: Ob die Bürgermeister von der SPD, von der FDP, von den GRÜNEN, von den freien Wählern oder der CDU sind – sie werden bei diesem Programm mitmachen, weil sie sehen,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was bleibt ihnen denn übrig?)

dass es zum einen die Eltern entlastet und dass es zum anderen ermöglicht, die Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen und das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen.Und so ganz nebenbei bemerkt:Damit hat auch Herr Oberbürgermeister Hilgen die Möglichkeit, sein Wahlversprechen umzusetzen. Denn darauf warten die Bürgerinnen und Bürger in Kassel noch.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja das Allergrößte! – Norbert Schmitt (SPD): Die Aussage passt hervorragend zum Erlass des Innenministers! – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Hitze ist wohl noch nicht groß genug. Denn Sie alle haben noch Kraft. Wir sollten jedoch zunächst die Ministerin am Rednerpult aussprechen lassen.

Herr Kollege Al-Wazir, Sie dürfen sich gerne noch einmal melden, aber zuerst müssen Sie mir bis zum Ende zuhören. – Dort stehen die Mittel jetzt zur Verfügung.

Eines möchte ich auch deutlich sagen: Ich habe mit Oberbürgermeistern gesprochen,und wir haben vereinbart,gemeinsam die Rechnung aufzumachen. Herr Barthel, der Dezernent aus Kassel, hat mir zugesagt, er werde mir seine Unterlagen zur Verfügung stellen. Dann werden wir gemeinsam berechnen, wo Kassel landet, und dann wer

den wir die Mittel im Haushaltsplan entsprechend festschreiben. Wir werden uns aber vorher die Zahlen anschauen, die uns vorgelegt werden. Ich warte auf diese Zahlen, und dann werden wir uns in aller Ruhe auseinander setzen. Inzwischen sind 14 Tage nach dem Gespräch, das ich geführt habe, vergangen, und ich warte immer noch auf die Zahlen.

Es scheint nicht so einfach zu sein, zusammenzustellen, wo die Entlastung aus Hartz IV ist und was dann gegengerechnet werden soll. Das werden wir gemeinsam machen. Da ist die Landesregierung offen. Wir werden es in Ruhe besprechen, aber wir lassen es uns nicht kleinreden, dass nun nicht nur einzelne Kommunen, sondern alle Kommunen in Hessen flächendeckend die Möglichkeit haben – das ist mit dem Innenminister abgestimmt, und insofern gibt es überhaupt keine Probleme mit dem Erlass –,durch diesen Fonds das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen.

Der weitere wichtige Punkt ist: Sie können alle ihrer Aufgabe nachkommen, mehr Plätze für unter Dreijährige zu schaffen, und sie haben die Wahlmöglichkeit, ob sie es in der Krippe, bei der Tagesmutter, in der altersübergreifenden Gruppe oder in der Krabbelstube machen.Diese Entscheidung vor Ort bietet diese Möglichkeit,und von daher bin ich mir sicher, dass die Kommunen an diesem Programm teilnehmen werden. Denn sie wissen, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Ausbau der Betreuungsplätze eines der ganz wichtigen ist, das sie selbst bis zum Jahr 2010 mit einer Quote von 20 % im Schnitt in einem Land umsetzen sollen. Dazu ist dieser Ausbau notwendig, und er bietet den Eltern mehr Flexibilität und Unterstützung.

Aber vor allen Dingen, meine Damen und Herren, bekommen die Eltern Mittel frei, um sie für andere Dinge einzusetzen. Es ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass die Entlastung von Eltern Berücksichtigung findet.

Sie haben weitere Themen angesprochen, nämlich die Bildungsplanung, den Ausbau und auch die Weiterbildung der Erzieherinnen. All das sind Punkte, die wir längst bearbeiten. Der Bildungs- und Erziehungsplan ist auf dem Weg. Dort werden Weiterbildungen vom Land finanziert, und da wird es nächstes Jahr genauso weitergehen, dass die Erzieherinnen zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplanes gemeinsam mit den Schulen in Weiterbildungen gefördert werden und durch das Land Unterstützung erfahren.

Das hat nichts mit dem Programm zu tun, aber es ist der von uns eingeschlagene Weg. Diesen werden wir umsetzen, weil wir eben Bildung von null bis zehn Jahren als die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Leben sehen und in diesem Zusammenhang nicht nur die Familien, sondern vor allem die Kinder unterstützen und fördern wollen. Das passt sehr gut zusammen, und deswegen werden wir in dem Bereich Erzieherinnen weiterbilden, die Sprachförderung ausbauen und auch diesbezüglich Erzieherinnen schulen.

Wir wollen die Qualität verbessern, und die Kommunen können so tatsächlich im Bereich der unter Dreijährigen ihre Möglichkeiten besser auszuschöpfen.Sie werden besser gestellt, weil wir die Förderung in diesem Bereich deutlich erhöhen und die Mittel von der oberen kommunalen Ebene auf die untere kommunale Ebene, die in der Wirklichkeit die Aufgabe wahrnimmt, umschichten.

Mit den Städten werden wir das diskutieren. Sie werden uns ihre Rechnungen vorlegen, und dann werden wir se

hen, ob die Zahlen, die sie vorrechnen, oder die, die sie an den Deutschen Landkreistag gemeldet haben, stimmen. Insofern werden wir das alles beachten. Sie können es dann im Haushaltsplanentwurf nachvollziehen, sobald er von der Landesregierung eingebracht wird.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für uns der wichtigste Punkt. Die Städte und Gemeinden werden gefördert. Wir bekommen Qualität in der Betreuung durch den Bildungs- und Erziehungsplan sowie durch viele aktive Erzieherinnen, die daran teilnehmen und die die Weiterbildung mitmachen und unterstützt werden. Sie sind mit hohem Engagement und Einsatz dabei. Gleichzeitig erreichen wir einen Ausbau der Plätze. Das ist der richtige Weg, und wir laden Sie herzlich ein, ihn mit uns gemeinsam zu gehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind gerade beim Berechnen der Redezeiten. Die Ministerin hat den Oppositionsfraktionen jeweils drei Minuten geschenkt.Von daher hat die CDU sechs, die SPD sieben und die FDP und die GRÜNEN jeweils acht Minuten. – Das Wort hat nun Frau Kollegin Hartmann für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Professionalität und Überheblichkeit hier immer wieder Milchmädchenrechnungen aufgemacht werden, um zu verdeutlichen, welche finanzpolitischen Wohltaten diese Landesregierung im kinderpolitischen Bereich an den Tag legt.

(Beifall bei der SPD)

Aber auch durch immer wiederkehrende Wiederholungen werden Ihre Märchen zur Finanzierung der Kinderbetreuung nicht wahrer.

Das wohlklingende BAMBINI-Programm ist ein erneuter Beweis dafür, dass Sie hier ganz viele Seifenblasen produzieren und den Leuten verdeutlichen wollen, wie viel Ihnen Kinder und wie viel Ihnen Familien wert sind. Dass Sie dies aber auf Kosten anderer machen, dass Sie das auf Kosten der Kommunen machen, verschweigen Sie allerdings.

Mit diesem BAMBINI-Programm haben Sie das übernommen, was wir seit Jahren – genauer gesagt, seit 2002 – fordern und was beispielsweise Rheinland-Pfalz längst umgesetzt hat. Das, was Rheinland-Pfalz bereits macht und was wir fordern, haben Sie auf ein Billigniveau reduziert. Sie haben es mit dem wohlklingenden Namen BAMBINI versehen, aber ohne Konzepte ausgestattet und den Kommunen die Finanzierung aufgedrückt.Damit man diese Mogelpackung nicht so schnell erkennt, haben Sie eine schwarze Hochglanzschleife darum gemacht, und nun versuchen Sie, dieses Plagiat als innovatives Konzept zu verkaufen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin der Überzeugung, dass die Familien intelligent genug sind, zu erkennen, dass die Landesregierung ihnen einerseits das Geld für Studiengebühren und Schülerbeförderung aus den Taschen zieht, sich andererseits dafür feiern lässt, dass sie jetzt die Mittel für ein kostenloses letztes Kindergartenjahr zur Verfügung stellt.

Familienpolitisch ist das eine gute Sache.Wir beschweren uns auch nicht darüber, aber es gibt noch einen anderen Aspekt, und dieser ist hier nicht in Erwägung gezogen worden: Es geht auch um ein schlüssiges Konzept für eine frühkindliche Bildung. Das fehlt hier voll und ganz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unter bildungspolitischen Gesichtspunkten – und diese sollten in dieser Diskussion auch eine Rolle spielen – besteht ein elementarer Unterschied zwischen einem kostenfreien letzen Kindergartenjahr, wie Sie es jetzt vorsehen, und einem kostenfreien verpflichtenden Vorschuljahr für alle Fünfjährigen, wie wir es bereits Anfang 2002 gefordert haben.

Manchmal entsteht der Eindruck – ich weise darauf hin, dass die Kultusministerin während der Diskussion die meiste Zeit nicht im Raum war –, dass das, was uns mit PISA angekreidet wurde, wieder in Vergessenheit geraten ist. Prof. Fthenakis hat einmal behauptet, Deutschland sei im frühkindlichen Bereich ein Entwicklungsland. Dass Sie jetzt den Gesichtspunkt der frühkindlichen Bildung hintanstellen, ist schon erschreckend.

Andere Länder haben längst und ganz selbstverständlich Kindergärten und Kindertagesstätten als elementare Stufen des Bildungssystems etabliert. Eigentlich dachte ich, dass in diesem Hause ein breiter Konsens darüber bestehen würde, dass die Grundlagen für einen erfolgreichen Bildungsweg in den ersten Lebensjahren gelegt werden.

Deshalb wäre es notwendig,dieses letzte,kostenfreie Kindergartenjahr mit einem Konzept zu verbinden, das den bildungspolitischen Auftrag der Kindertagesstätten stärkt und das die vorschulische Erziehung in den Kindertagesstätten viel stärker mit der Grundschulbildung verknüpft. Das erreichen Sie aber nicht damit, dass Sie das letzte Kindergartenjahr – in Klammern: halbtags – kostenfrei stellen und über die Mindeststandards und über die Finanzierbarkeit durch die Kommunen, was die Qualität anbelangt, überhaupt kein Wort verlieren. Ein paar wachsweiche Formulierungen oder schöne Festlegungen im Bildungs- und Erziehungsplan tragen nicht automatisch zu mehr Bildungsqualität in Kindertagesstätten bei. Deshalb habe ich mir gewünscht, dass sich nicht nur die Sozialministerin, sondern auch die Kultusministerin zu Wort melden würde.

Die Ankündigung der Landesregierung, wie sie jetzt vorgelegt wird, greift zu kurz. Sie wird der Verantwortung des Landes in Bezug auf eine höhere Gewichtung der frühkindlichen Bildung in keinster Weise gerecht. Die Landesregierung legt zulasten der Kommunen ein Förderprogramm für die Eltern auf.Es trägt aber nicht dazu bei,dass die Qualität der Bildung in den Kindertagesstätten steigt. Im Gegenteil, es besteht sogar die Gefahr, dass die Kommunen unter dem Kostendruck die Situation in den Kindertagesstätten noch weiter verschärfen müssen.