Siebtens. Wir brauchen einen gesicherten Aufenthalt für lange geduldete Menschen in Deutschland – eine Bleiberechtsregelung, für die sich auch der hessische Innenminister einsetzt. Das ist gut so. Es geht insbesondere um Kinder, die in Deutschland geboren wurden, hier zur Schule gegangen sind und zum großen Teil ihre Ausbildung begonnen haben. Wir müssen endlich eine Lösung für diese Menschen finden.Auch das hat Nordrhein-Westfalen in seinen Aktionsplan aufgenommen. Einige christdemokratische Innenminister müssen allerdings noch überzeugt werden. Wenn ein einstimmiger Beschluss der Innenministerkonferenz im November nicht zustande kommen sollte, dann brauchen wir eben eine gesetzliche Lösung.
Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen hat unter Federführung seines christdemokratischen Integrationsministers einen bemerkenswerten Aktionsplan zur Integration vorgelegt.Was tut Hessen, um die Integration unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern? Aus der Antwort von Ministerin Lautenschläger auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom August letzten Jahres zu Integrationsmaßnahmen: „Kernelement der hessischen Integrationspolitik ist die Sprachförderung.“ Das konnten wir auch der Rede des Kollegen Lenhart deutlich entnehmen.
Auf die Frage, welche Integrationsmaßnahmen in Hessen gefördert werden,finden wir die Antwort:Sprachkurse im Kindergartenalter und Fortbildungskurse für Erzieherinnen, Sprachkurse für Erwachsene und Förderung der Geschäftsstelle der Ausländerbeiräte in Hessen. – Nun fragt sich der Interessierte:Und was weiter? – Genau das ist das Problem: nichts weiter.
So viel zum Thema Huldigungsantrag der CDU, der uns vorliegt. Sprache ist wichtig. Das ist unstrittig. Niemand in diesem Hause hat etwas anderes behauptet. Sprache ist wichtig, aber bei weitem nicht alles.
Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen hat das erkannt und geht einen ganz anderen Weg als Hessen. Er wird seinen Integrationsplan auf dem Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin am Freitag in Berlin vorlegen. Die SPD hat ebenfalls ein Integrationspapier vorgelegt, das sich in vielen Bereichen mit dem aus NRW deckt. Ich denke, wir dürfen alle gespannt sein, ob dieser Gipfel wirklich etwas mehr bringt, als ein medienwirksames Ereignis zu sein. Die Integrationsministerin auf Bundesebene, Maria Böhmer, hat ihre Erwartung schon einmal vorsichtig niedrig gehängt.Sie sagt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ – Zitat –: „Es ist ein wunderbares Zeichen der Kanzlerin, und dieses Zeichen soll über allem stehen.“ Wahrscheinlich meint sie damit den Streit innerhalb der Union.
Schlussendlich müssen sich alle Verantwortlichen darüber im Klaren sein: Wer die Integration unserer nicht deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger will, wer die Partizipation von Migranten an gesellschaftlichen Prozessen will und wer Selbstorganisation und ehrenamtliches Engage
ment von Migranten will, der kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass das nicht umsonst zu haben ist.
Meine Damen und Herren, das muss auch in Hessen endlich klar werden. Nordrhein-Westfalen hat es uns vorgemacht. Wir müssen in eine Diskussion jenseits aller parteipolitischen Ideologien eintreten. Es wird allerhöchste Zeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Waschke. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Lautenschläger das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist spannend, dass wir heute wieder einmal über das Thema Integration sprechen und versuchen, dort Schnittmengen, auch fraktionsübergreifend, zu finden. Wir haben über Jahrzehnte in Deutschland häufig nicht den Mut gehabt, zu beschreiben und klar zu benennen, was wir von Migranten erwarten, wie wir uns Integration in unserem Land vorstellen und wie wir zusammenleben wollen.
Bereits 1999 haben wir die Integrationsabteilung bei uns im Haus eingerichtet.Wir haben aber auch klar gesagt, wo wir was erwarten und dass Integration eine Querschnittsaufgabe aller Ministerien ist. Das hören wir jetzt in vielen Integrationskonzepten, egal in welchem Bundesland, inzwischen auch egal in welcher Fraktion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage nach wie vor auch ganz klar:Wir laden nicht einfach in ein multikulturelles Land nach Deutschland ein, sondern wir haben eine Tradition, die auf einer christlich-jüdisch-abendländischen Kultur basiert, die unsere Grundwerte prägt. Wir setzen uns natürlich auch mit anderen Kulturen auseinander, die in unserem Land leben, mit denen wir zusammenleben.Aber das heißt nicht,dass wir unsere Werte und unsere Tradition an dieser Stelle vergessen oder über Bord werfen.
(Beifall des Abg. Axel Wintermeyer (CDU) – Sabine Waschke (SPD): Wer will das denn? – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das ist eine Grundvoraussetzung für eine weitere Integration in unserem Land. – Es freut mich, dass dies unstrittig ist, wie Sie dazwischenrufen.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was für einen Pappkameraden bauen Sie denn hier wieder auf?)
Herr Kollege Al-Wazir, hören Sie doch erst einmal zu. Wir können doch noch weiter diskutieren.– Es sollte auch unstrittig sein, dass das Thema Sprache bei der Integration heute noch genauso richtig und so wichtig ist und im Mittelpunkt stehen muss wie vor fünf, vor sechs Jahren. Leider hat vor zehn Jahren niemand darüber geredet,dass das tatsächlich der Mittelpunkt ist, wenn wir Verständigung, Integration und ein Miteinander wollen. Deswegen betonen wir als Hessische Landesregierung immer wieder das Thema Sprache. Wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft, in den nächsten Jahren, in allen Integrationskonzepten, die ernst genommen werden wollen, im
Mittelpunkt stehen wird. Denn ohne Sprache wird Integration auch in Zukunft nicht stattfinden. Deswegen muss die Sprache in den Mittelpunkt gestellt werden.
Es ist durchaus wichtig, wenn jetzt die Bundesregierung zu einem Integrationsgipfel einlädt, die SPD langsam ihre Wahlprogramme auf der Bundesebene anpasst, dass sie gemeinsam mit der Union im Kabinett Beschlüsse fasst. Die GRÜNEN haben ihre Meinung dort inzwischen angepasst und sagen klar, dass Sprache ganz wichtig ist.
Aber ich will auch an einen anderen Aspekt erinnern. Gestern hat die Kollegin Wolff die Kurse vorgestellt und noch einmal deutlich gemacht, wie es für Kinder aussieht, die mittendrin in die Schule kommen. Diese Kinder erhalten zusätzliche Förderung, auch in der deutschen Sprache. Die SPD hat im Landtag dann wieder gesagt: „Es wird separiert“, nicht dass gefördert wird, sondern sie gehen immer noch von einem ganz anderen Ansatz aus. Sie haben genau diesen Punkt wieder kritisiert.
Deswegen kann ich es Ihnen auch heute nicht ersparen: Wir entwickeln das Integrationskonzept, das wir zu Beginn der Regierung zwischen CDU und FDP festgeschrieben haben, ständig weiter. Vieles davon stimmt immer noch, es wird immer noch fortgeschrieben, und es kommen neue Aspekte dazu. Wir hoffen, dass nach und nach nicht nur auf der Bundesebene das Thema Sprache und alle erforderlichen Maßnahmen, die dazugehören, bei allen Parteien tatsächlich in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern dass das so auch im Hessischen Landtag anerkannt wird und dass, wenn es um Integration geht, endlich an einem Strang gezogen wird.
Ich will Ihnen dort noch einige Beispiele nennen, die wir zum Teil schon lange durchführen und die zeigen, dass in unserem Integrationskonzept der Landesregierung immer etwas Neues dazukommt. Das betrifft das Thema Kindergarten und Schule.
Die Sprachvorlaufkurse auf der einen Seite finden flächendeckend überall bei uns im Bundesland statt. Selbstverständlich haben wir die Sprachförderung auch in den Kindergarten transferiert. Letzter Punkt ist die Beitragsentlastung für die Eltern für das dritte Kindergartenjahr, die im nächsten Jahr dazukommen wird.
Es ist ein weiterer ganz wichtiger Punkt beim Thema Integration, dass alle Kinder den Kindergarten tatsächlich besuchen, dass sie dort zusammen sind und dort die Förderung umgesetzt wird. Sie sehen den roten Faden. Wir haben an dem einen Punkt angefangen und setzen es kontinuierlich fort und um, auch wenn Sie am Anfang all die Maßnahmen in den Gesetzen und in den Diskussionen nicht unterstützt haben.
Ich erinnere mich noch sehr genau an die Diskussion über die Vorlaufkurse, über die Sprachförderung im Kinder
garten, über „Mama lernt Deutsch“ und vieles mehr. Das hat die SPD-Fraktion in diesem Hause niemals mitgetragen. Inzwischen erkennt sie, dass es ein richtiger Weg ist. Dazu gehört auch der flächendeckende Ausbau von Ganztagsangeboten. Dazu gehören die Seiteneinsteigerkurse. Dazu gehört im Übrigen auch eine ganz besondere Einrichtung,die wir in Hessen als einziges Bundesland haben: die Einrichtung in Hasselroth. Die Einrichtung in Hasselroth war ursprünglich für Aussiedler.Inzwischen ist sie für Jugendliche aus allen Ländern geöffnet, die dort gefördert werden,um zum Hauptschulabschluss oder zum Abitur zu kommen. Diese Internatseinrichtung ist eine ganz besondere Einrichtung, die gerade darauf setzt, gut ausgebildete junge Menschen in den Beruf zu entlassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, daran wird deutlich,dass wir mit sehr vielen Mitteln daran arbeiten, dieses Integrationskonzept auch für die nächsten Jahre so aufzubauen, dass diejenigen, die hier leben, nicht zu den Verlierern dieser Gesellschaft werden – in einem Land, in dem ein sehr hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund lebt, gerade in den Ballungsgebieten und in den großen Städten. Deswegen liegt auch nach wie vor der Schwerpunkt beim Thema Bildung, bessere Bildung für Kinder mit Migrationshintergrund, bei der Sprache,bei den Seiteneinsteigern,bei den vielen Programmen, die wir auf dem Gebiet der Ausbildung machen. Das gehört selbstverständlich von Anfang an mit dazu.
Wir brauchen keine Sonderprogramme auf Dauer, sondern die Integration beginnt im Kindergarten und spielt dort am besten schon keine Rolle mehr, sodass wir zu einem friedlichen Zusammenleben kommen, wie wir das gerade in den letzten vier Wochen so schön erlebt haben, mit großen gemeinsamen Veranstaltungen, mit Festivitäten in Deutschland. Das Thema Bildung bei Kindern spielt die entscheidende Rolle. Wir brauchen dort kein neues Konzept, sondern wir müssen die Bausteine so zusammenfügen, dass irgendwann zusätzliche Kurse überflüssig werden, dass es eine Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens in unserem Land ist.
Deswegen freut es mich, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung viele Punkte aus dem hessischen Integrationskonzept aufgenommen hat. Wir teilen nicht alles. Sie haben hier einige Zitate meines Kollegen Laschet gebracht, der sagt, dass jede Einbürgerung eine gelungene Integration ist. Diese Meinung teilen wir nicht. Aber das gehört sicher auch zu dem Streit, zu unterschiedlichen Auffassungen.
(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Warum eigentlich nicht? – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))
Das ist noch kein Ausweis einer gelungenen Integration. Das wissen Sie auch.Die Einbürgerung kann dazu führen. Aber es ist eben nicht die Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration und ein funktionierendes Zusammenleben. Denn ob jemand schon einen deutschen Pass hat, hat häufig nichts damit zu tun, ob er in diesem Lande integriert ist, sich in diesem Lande wohl fühlt, oder ob er möglicherweise trotzdem in einer Parallelgesellschaft lebt, die Sprache immer noch schlecht spricht und keine Bildungschancen hat.
Herr Kollege Al-Wazir, Sie wissen, dass hier viele Kinder automatisch einen deutschen Pass bekommen,
dass sie hier leben, aufwachsen, auch mit deutschem Pass Migrationshintergrund haben und deswegen längst nicht automatisch in die Gesellschaft integriert sind, dass wir aber gemeinsam alle möglichen Anstrengungen unternehmen, dass Integration auch an diesen Stellen gelingt. Deswegen besteht an dieser Stelle ganz klar ein Unterschied.Wir meinen, dass wir auch dort mit vielen weiteren Förderungen ansetzen müssen,weil wir wollen,dass es ein Zusammenleben, ein Miteinander und gerade keine Parallelgesellschaft gibt – ob mit oder ohne deutschen Pass.
Aber ich will Ihnen auch noch drei weitere Punkte nennen, bei denen es darum geht, wie wir etwas fortentwickeln. Wie wollen wir Menschen integrieren, sodass sie sich in unseren Systemen zurechtfinden? Da ist ein spannendes Thema die Gesundheit,die Prävention.Wie finden sich Migranten dort zurecht? In diesem Bereich entwickelt die Hessische Landesregierung gerade ein Modell mit Migranten für Migranten, um über unser System aufzuklären,Hinweise zu geben,Gesundheitslotsen auszubilden, damit es in Zukunft besser funktioniert, damit Aufklärungsarbeit geleistet wird und damit der Integrationsansatz über das Thema Sprache hinausgeht. Die Sprache bleibt dabei allerdings immer die Grundvoraussetzung.
Ich nenne hier auch das Thema kultursensible Altenpflege, bei dem es darum geht, den demographischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Das gehört genauso mit dazu. Es würde mich freuen, wenn Sie Ihren Blick auch einmal auf diese Punkte lenken würden, anstatt immer nur Forderungen zu stellen und Ihren Vorstellungen darüber Ausdruck zu verleihen, was andere machen sollten, wo Sie doch nachlesen könnten, dass vieles von dem in Hessen längst stattfindet.Ich bin froh,dass es in vielen Bereichen auch auf der Bundesebene in einer großen Koalition inzwischen seinen Platz findet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Hessische Landesregierung wird diese Grundsätze konsequent weiterentwickeln. Wir werden auch das Thema Sprache mit Sicherheit in den nächsten Jahren weiter behandeln und in den Mittelpunkt stellen, weil es der Schlüssel für Bildung, für erfolgreiche Integration und für Chancen in diesem Land ist. Das wollen wir gerade auch mit Migranten erreichen. Denn diese Chancen werden nur vorhanden sein, wenn der Bildungsstand stimmt, wenn die Integration – bei den Kindern in die Schule und bei den Erwachsenen und Jugendlichen in den Arbeitsmarkt – funktioniert. Das ist die Grundvoraussetzung, für die wir weiter sorgen werden. Da muss sich Hessen nicht verstecken.
Wir nehmen dort gerne den Wettbewerb der Bundesländer auf. Alles Neue, was dazukommt, was Teile davon übernimmt, ist für die nächsten wieder ein Ansporn, dort weiterzumachen. Dem stellen wir uns gerne. Ich freue mich jetzt schon darauf, mit den Nordrhein-Westfalen auch in diesen Dingen einmal kontrovers zu diskutieren. Aber ich sehe auch im Integrationskonzept des Kollegen
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit den Punkten, die nur in NordrheinWestfalen vorkommen? Was ist mit dem Religionsunterricht?)