Protocol of the Session on July 12, 2006

Ich stelle abschließend fest: Der Mittelstand braucht keine Lautsprecher. Er braucht handlungsfähige und leistungsfähige Partner in der Politik. Das ist die hessische Union, und das wird auch so bleiben.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist die Frau Kollegin HölldoblerHeumüller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mittelstand ist unbestritten das wesentliche Rückgrat der hessischen Wirtschaft, ist unbestritten Garant für einen wesentlichen Teil der Ausbildungsplätze, ist unbestritten in der Lage, viel flexibler auf die sich schnell wandelnden Märkte zu reagieren als Konzerne, und ist wesentlich stabiler, weswegen wir vonseiten der GRÜNEN eher aufseiten der kleinen und mittleren Unternehmen stehen anstelle von Großprojekten. Herr Williges hat gerade den Flughafen Kassel-Calden angesprochen. Wenn man diese 150 Millionen c in kleine und mittelständische Unternehmen in der Region investieren würde, hätte man wesentlich mehr gewonnen, als wenn man dort eine Betonpiste schafft, bei der bis heute nicht klar ist, wer dort überhaupt fliegen will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU):Fragen Sie einmal die Bauunternehmer vor Ort!)

Genau das meine ich, Herr Boddenberg: die Bauunternehmer vor Ort. – Uns geht es um eine langfristige Stärkung kleinteiliger Wirtschaftsstrukturen. Ihnen geht es darum, die nächsten Wahlen zu gewinnen, und dass Sie da Probleme kriegen, merken Sie deutlich.

Der Mittelstand ist bunt, der Mittelstand ist vielfältig. Deswegen glaube ich, dass eine solche Diskussion in diesem Plenum nur in sehr großem Raster stattfinden kann. Es wäre sinnvoll, wenn wir uns im Ausschuss die Zeit nehmen würden, ernsthaft die unterschiedlichen Bereiche und die unterschiedlichen Themen, die bei der Mittelstandspolitik anstehen, gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.Denn dass Hessen ein wirtschaftliches Problem hat, das ist deutlich. Dass der Mittelstand Stärkung braucht, ist auch deutlich. Dass wir dieses Problem in der heutigen Plenardebatte nicht lösen können, ist auch deutlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wirtschaft lahmt deutlich. Wir werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Sie Taschenspielertricks mit den Zahlen betreiben. Sie loben in dem CDU-Antrag das Bruttoinlandsprodukt, und es ist das Gleiche wie immer. Man muss sagen: Das Bruttoinlandsprodukt ist seit den Fünfzigerjahren systematisch auf ein hohes Niveau aufgebaut worden. Dieses historische Niveau wird von dieser Hessischen Landesregierung seit dem Jahr 1998 systematisch zerstört. 1998 bis 2001 lagen wir noch über dem Bundesdurchschnitt.

Ab dem Jahr 2002 befinden wir uns unterhalb des Bundesdurchschnitts. Dass bei uns das Bruttoinlandsprodukt generell so hoch ist, liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir bei den Arbeitsplätzen bei den Banken und der Börse in Frankfurt eine sehr hohe Wertschöpfung haben. Das ist natürlich etwas ganz anderes als bei den Arbeitsplätzen im VW-Werk in Baunatal.

Die Wertschöpfung ist also deshalb so hoch. Das ist nicht das Verdienst der Hessischen Landesregierung. Herr Boddenberg, es ist schon gar nicht Ihr Verdienst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die verheerende Bilanz hinsichtlich des Arbeitsmarkts haben wir ebenfalls oft thematisiert. Das werden wir auch wieder tun. Deutschlandweit wurden im Juni 2006 8 % weniger Arbeitslose als im Juni 2005 gezählt. Die Zahl der Arbeitslosen in Hessen hingegen ging nur um 2,8 % zurück. Damit belegt Hessen zusammen mit NordrheinWestfalen den letzten Platz.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt kommt wieder der grüne Dreisatz!)

Es handelt sich dabei nicht um einen Ausreißer.Schon seit Jahren ist die hessische Arbeitsmarktbilanz negativ.

Herr Boddenberg, auch Folgendes werde ich nicht müde zu betonen: Das Schlimmste dabei ist, dass weder die CDU-Fraktion noch der hessische Wirtschaftsminister bislang begriffen hat,dass wir da ein richtiges Problem haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man kann da auch einen Ländervergleich vornehmen. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 9,1 %.Auf der anderen Seite des Rheins, in Rheinland-Pfalz, beträgt die Arbeitslosenquote 7,7 %. Herr Boddenberg, in der letzten Plenarsitzungsrunde haben Sie dazu gesagt, das liege daran, dass die Mainzer bei uns arbeiten.

(Michael Boddenberg (CDU): Nicht nur die Mainzer arbeiten bei uns, sondern halb RheinlandPfalz!)

Ich finde es unterirdisch, wie Sie mit den Arbeitslosenzahlen umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte jetzt aber auf den Antrag der SPD-Fraktion zu sprechen kommen. Die Aussagen meiner Vorgängerin Evelin Schönhut-Keil zum hessischen Mittelstandsförderungsgesetz wurden schon wiedergegeben. Ich habe dem nichts wesentlich Neues hinzuzufügen. Denn im hessischen Mittelstandsförderungsgesetz steht, dass Aus- und Fortbildung unterstützt werden sollen und dass Umschulungen, Selbsthilfeeinrichtungen, Kooperationen, Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Innovationen und Beteiligungen an Messen und Ausstellungen gefördert werden sollen.

Meine Damen und Herren der SPD, das ist nun wirklich nichts Innovatives. Ich glaube, das ist auch nichts, was man mit einem Gesetz festschreiben müsste. Was bitte wäre anders, wenn wir ein solches Gesetz hätten? All das sind Dinge, die man schön längst tun könnte. Genau darin liegt das Problem. Das hat Frau Kollegin Tesch auch angesprochen.

Das Problem der hessischen Wirtschaftspolitik sitzt zu meiner Linken auf der Regierungsbank in Gestalt eines Wirtschaftsministers, der auf diesem Gebiet nichts tut. Herr Williges war so freundlich, uns zu begründen, warum die CDU es nicht für nötig erachtet, bei der Mittelstandspolitik irgendetwas zu tun. Er hat gesagt: Die wollen das gar nicht.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist er!)

Herr Williges, ich glaube, da unterliegen Sie einem gravierenden Irrtum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden aber sicherlich noch mehr Lobhudeleien auf die hessische Wirtschaftspolitik hören.Der Wirtschaftsminister wird noch sprechen.

Der hessische Mittelstand braucht z.B.Auslandskontakte. Der hessische Wirtschaftsminister hat bis heute nicht erklärt, warum er nicht mit in China war.

Allerdings wurde ihm dann irgendwann klar, dass er ab und zu reisen muss. Deshalb waren wir vor kurzem zweieinhalb Tage in Moskau.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Da waren Sie auch da- bei!)

Ja, da war ich dabei. – Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war fassungslos.Denn das,was der hessische Wirtschaftsminister mit den Abgeordneten des Hessischen Landtags absolviert hat, war ein „Damenprogramm“.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die wichtigen Termine in Moskau nimmt Frau Roth war. Ich bin ansonsten gerne fürs Gendern. Das will ich hier gerne sagen.Aber ich wünsche mir für die hessische Wirtschaftspolitik nicht, dass der Wirtschaftsminister bei einer Reise von zweieinhalb Tagen einen halben Tag dafür nutzt, ein Museum zu besuchen, und sich nicht um die Wirtschaftskontakte kümmert. Sie sollten mir auch einmal erklären, was es für die hessische Wirtschaftspolitik gebracht hat, dass wir die Großbaustelle besucht haben. Ich kann da nichts Sinnvolles erkennen.

(Michael Boddenberg (CDU):Waren Sie dort?)

Zu dem Thema Verkehrsleitzentrale habe ich schon in meiner Rede erklärt, wie ich das einschätze.

(Michael Boddenberg (CDU):Was haben Sie denn gemacht?)

Wir erklären den Vertreterinnen und Vertretern der Metropolen dieser Welt, dass wir in neun Jahren unsere Verkehrsprobleme in einem Ländchen mit 6 Millionen Einwohnern und einer Metropole mit 650.000 Einwohnern gelöst haben werden.

(Gerhard Bökel (SPD): Wenn das in Moskau so war, will ich künftig auch mit, angesichts so eines Programms! – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie wollen also zum Damenprogramm!)

Frau Tesch hat es schon gesagt: Der Wirtschaftsminister fährt eine billige Nummer. – Sie haben dazu die lobenden Aussagen der „Bild“-Zeitung erwähnt. Er fährt eine billige Nummer, wenn er sich dafür feiert, dass die Stromkunden um 3 c entlastet werden. Ich habe nichts gegen eine Entlastung der Stromkunden.Herr Wirtschaftsminister, Sie haben aber weiß Gott mehr zu tun. Mit der Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Personennahverkehr wird den Bürgerinnen und Bürgern dieses Geld sowieso wieder aus der Tasche gezogen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Williges, Sie meinten, es sei mutig, was der Wirtschaftsminister tut. Das einzig Mutige, was die Abgeordneten Ihrer Fraktion heute wirklich tun können,wäre,sich gegen die Erhebung der Studiengebühren auszusprechen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit! Frau Kollegin, haben Sie einmal auf das Thema geschaut? – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Das hat sehr viel mit der Wirtschaft zu tun!)

Das ist unsozial. Damit wird die Wirtschaft geschädigt werden. Damit wird die Zukunft unseres Landes gefährdet. Denn damit werden junge Menschen vom Studieren abgehalten. Dem zu widersprechen bräuchte Mut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, im Moment gestatte ich keine. Nach meiner Rede kann es zu einer Kurzintervention kommen.

Dieser Minister hat zweieinhalb Jahre gebraucht, um den Entwurf eines Sparkassengesetzes auf den Weg zu bringen. Er war nicht in der Lage, mit den Thüringern, mit denen wir auf diesem Sektor zusammenarbeiten, zu sprechen.

Bei den schwierigen Problemen muss sowieso der Ministerpräsident ran, weil es der Wirtschaftsminister nicht hinbekommt. Der Ministerpräsident musste zum Flughafen, zur Börse und selbst zum Entwurf des Sparkassengesetzes sprechen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wenn er nicht spricht, ist es falsch, und wenn er spricht, ist es auch falsch!)

Das Problem sitzt auf der Regierungsbank. Es ist der Minister, der keine Ideen und keine Substanz hat. Das ist das Problem der hessischen Wirtschaftspolitik.