Protocol of the Session on June 22, 2006

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Gerade die Führungspersonen, die für die Schule der Zukunft so wichtig sind, nämlich die Schulleiter, sie sollen zukünftig selbstständig arbeiten, sie sollen das ganze Schulbudget verwalten, Personalführung machen, Zielerreichungsgespräche führen. Gerade sie werden jetzt behandelt wie die einfachsten Befehlsempfänger.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daran ändert auch die Umschreibung nichts, sie würden zur Fortbildung ins Staatliche Schulamt oder ins Kultusministerium abgeordnet. Eine Abordnung ins Kultusministerium oder in ein Staatliches Schulamt war früher einmal eine Ehre. Das war eine Personallenkungsmaßnahme zum Aufstieg von Lehrern oder auch Schulleitern, die an eine höhere Stelle versetzt worden sind.Sie haben sich gefreut. Es war toll, wenn man dahin abgeordnet worden ist. Was ist heute? – Heute ist es eine Strafversetzung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei stehen die Schulleiter in Hessen dem Projekt „verlässliche Schule“ sehr positiv gegenüber. Sie freuen sich nämlich auf das viele Geld, das sie bekommen und das ihnen zur Verfügung gestellt wird. Aber das Bürokratie

monster zur Umsetzung,das ihnen gleichzeitig präsentiert wird, und die vielen Vorschriften, die ihnen gemacht werden, lassen auch die Gutwilligsten daran verzweifeln.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat jetzt wirklich nichts mit der GEW zu tun. Sprechen Sie mit Schulleitern. Ich hatte neulich ein Gespräch mit dem Leiter einer großen Schule in Bad Homburg. Dort wurde gesagt, die Schule habe ihren Pool schon. Die Menschen würden auch je nach Bedarf kommen – vermehrt in der Grippe-Zeit, ansonsten weniger. Die Schule hat zehn Studenten – zwei an jedem Wochentag –, die liebend gern in die Schule kommen würden, wenn sie denn einigermaßen rechtzeitig Bescheid wüssten und nicht erst morgens angerufen würden, wenn man mit ihnen langfristige Verträge abschließen könnte, sodass sie jeden Tag in die Schule kommen würden und entweder Vertretung machen, wenn der Lehrer krank ist, oder aber als Schulassistenten arbeiten könnten, denn das brauchen wir in unseren Schulen auch. Wir brauchen sie nicht nur im Vertretungsfall.

(Beifall bei der FDP)

Aber gerade dieser Umgang mit den Studenten ist nach den neuesten Vorgaben hier überhaupt nicht möglich. Jetzt ist die Verordnung zu diesem Thema da, Herr Wagner. Auch in der Verordnung wird leider wieder nur von einer „vollständigen Unterrichtsversorgung“ gesprochen. Es wird eben nicht von Betreuung und verlässlicher Schule gesprochen.

(Beifall bei der FDP)

Die Voraussetzungen für die Eignung eines Menschen, der in der Schule arbeiten soll, ist nur, dass die Bewerberin oder der Bewerber jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt und weltanschauliche Neutralität wahrt. Von einer pädagogischen Fähigkeit oder einen pädagogischen Eignung ist in dieser Verordnung überhaupt nicht die Rede. Das braucht nämlich keiner.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Dann kommt es noch schlimmer. Die Lehrkräfte, die eingesetzt werden, werden auf der Grundlage des § 86 Hessisches Schulgesetz eingesetzt. In dem § 86 Hessisches Schulgesetzes steht: „Die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrerin und des Lehrers“ – also auch für Vertretungskräfte – „erforderliche pädagogische Freiheit darf durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und durch Konferenzbeschlüsse nicht unnötig eingeengt werden.“

Das heißt, jemand, der von außen kommt und keine pädagogischen Fähigkeiten nachweisen kann, kann unterrichten, wie er das für richtig hält. Niemand kann ihn korrigieren oder daran hindern.

Außerdem müssen die Personen, die nach § 86 des Hessischen Schulgesetzes eingestellt werden, sich genauso fortbilden wie jeder andere Lehrer auch.

Jetzt möchte ich einmal wissen, wie ein Schulleiter künftig mit einer solchen Vertretungskraft umgeht. Erstens muss er dauernd ihren Unterricht besuchen, um zu kontrollieren,ob dort Pädagogik stattfindet.Zweitens muss er dafür sorgen, dass sich diese Vertretungskraft genauso fortbildet wie eine normale Lehrerin – denn diese Vertretungskraft unterliegt § 86 des Schulgesetzes.

Das bedeutet also für den Schulleiter, zumindest am Anfang,außerordentlich viel Arbeit und Bürokratie,ganz abgesehen davon, dass er jeden Morgen in der ersten Schulstunde erst einmal herumtelefonieren und schauen muss, ob er eine Vertretungskraft bekommt, die dann erst einmal den aktuellen Vertretungsvertrag unterschreiben muss.

Meine Damen und Herren,das ist wirklich nicht zu fassen. Wie kann man eine solch gute Idee wie die der verlässlichen Schule so stümperhaft umsetzen?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin, ich fordere Sie wirklich auf: Geben Sie den Schulen Freiheit. Geben Sie ihnen das Geld, und lassen Sie die Schulen die Umsetzung der verlässlichen Schule in Eigenverantwortung regeln. Die können das und wollen das, und dafür brauchen sie keine bürokratischen Vorgaben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Wolff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann das so einfach machen wie der grüne Kollege Wagner: Man nehme eine Aussage eines Mitglieds im Landesschulbeirat, trage sie zur „Frankfurter Rundschau“; die garniert und kombiniert das mit weiteren Auskünften – daraus wird eine falsche Botschaft; die nehme man zum Ausgangspunkt einer Debatte im Landtag und debattiere damit an der Sache vorbei.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr Sprecher hat doch alles bestätigt!)

So war der Ablauf. Man garniere das noch mit historischen Halbwahrheiten,und so erreicht man diese Debatte heute.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fakt ist – und das ist in der Debatte eben auch vom Kollegen Wagner noch einmal sehr deutlich gesagt worden –: Natürlich ist es die Pflicht von Lehrerinnen und Lehrern, von Beamten und damit insbesondere von Schulleiterinnen und Schulleitern, die Leitungsverantwortung für ihre Schule haben, loyal zu sein.

(Norbert Schmitt (SPD): Und von Angestellten auch, nur keine Angst!)

Die hessischen Schulleiterinnen und Schulleiter sind in aller Regel loyal. Dazu gehört auch kritische Loyalität und dass ich wahrnehme, dass viele von denen, die sich auch kritisch äußern – von denen wir einzelne gebeten haben, mit ihren kritischen Äußerungen die Maßstäbe einzuhalten –, sehr wohl dabei sind, an dem Projekt verlässliche Schule mitzuarbeiten, also ihre Listen zu füllen und vorzubereiten, wie die Vertretungskonzepte gemacht werden können und darauf zu achten, dass qualifizierte Persönlichkeiten in die Schulen kommen und in den Stunden vertreten können, in denen bisher nicht vertreten werden konnte.

Die allermeisten Schulen – weit über 75 % – sind bereits fertig und haben alles Personal, das sie brauchen. Daher ist die Aufregung an dieser Stelle völlig deplatziert. Viele weitere Schulen von denen, die noch nicht vollständig fertig sind, haben selbstverständlich begonnen und sind dabei, ihre Vertretungskräfte zu suchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte aber doch der eine oder andere dabei sein, der nicht nur eine Sorge hat: Ich verstehe die doch. Ich verstehe die Sorge von Schulleitern,ob sie bis zum Beginn des Schuljahres alles beisammen haben, was sie haben müssen. Das ist bei einem Systemwechsel selbstverständlich und natürlich. Aber sie werden in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle dieses Ziel erreicht haben und werden so ins neue Schuljahr starten können.

Wenn dann in Einzelfällen eine Abordnung zu einem Kollegen, der das bewältigt hat, oder in das Schulamt dazu verhelfen kann, dass dieser Schulleiter in seiner Leitungsverantwortung – die er behält – weiter qualifiziert wird, dann kann dies sein.Aber, meine Damen und Herren, das wird nur sehr, sehr wenige Einzelfälle betreffen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja unglaublich!)

Die Schulen sind vorbereitet. Es hat noch nie so viele Schulen gegeben, die ein Vertretungskonzept haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat noch nie so viele Schulen gegeben, die sich mit dem Aspekt der Verlässlichkeit von der ersten bis zur sechsten Stunde konzeptionell auseinander gesetzt, die Materialpools zusammengestellt und dafür gesorgt haben, dass sie es in einem vernünftigen Miteinander von Stammkräften und Externen fertig bringen, Kompetenzen in ihre Schule zu holen.

Frau Kollegin Henzler, dann sollte man allerdings auch die Verordnungsentwürfe vollständig lesen. Wir waren uns darüber einig,dass die Konzepte der Landesregierung und der FDP zu 90 % übereinstimmen. Dann muss man aber auch sehen, dass § 86 des Hessischen Schulgesetzes in dem Gesetzentwurf, der im Moment im Gesetzgebungsverfahren ist, neu formuliert wird. Darauf bezieht sich der Hinweis, und selbstverständlich wird auch in der Verordnung ein Hinweis auf die Eignung gegeben.

Meine Damen und Herren, wir geben unterstützende Maßnahmen zuhauf: Richtlinien, eine Hotline, Handreichungen – bis zum Beginn des neuen Schuljahres sind es wahrscheinlich insgesamt 120 Teilkonferenzen oder Schulleiterdienstversammlungen gewesen, die dazu beitragen, dass dieses neue Projekt im Rahmen selbstverantwortlicher Schule gemacht werden kann.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Drohen Sie nun mit Abordnungen, oder nicht?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverantwortliche Schule bedeutet natürlich auch, dass wir an Gesetze gebunden sind. Das bedeutet ein Minimum – und auf das Minimum haben wir es beschränkt – an bürokratischem Aufwand.

Meine Damen und Herren, ich will aber eines auch sagen: Noch niemals hat es so viele Ideen gegeben, wie man Unterricht so organisieren kann, wie man Unterrichtsund andere Abläufe in einer Schule vernünftig so zuordnen kann, damit der regelmäßige Ablauf des Unterrichts gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang hat es auch viel Kritik gegeben. Für mich ist das ein selbstverständlicher Vorgang, wenn man so etwas Neues versucht. Wenn aber Frau Ypsilanti sagt, so viel Unterstützung und Zustimmung seien nicht vorhanden und auch die entsprechende Überzeugung sei nicht vorhanden, und wenn der Kollege Wagner sagt, die GRÜNEN hätten einen Dialog angeboten: Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Reaktion der drei anderen Fraktionen auf dieses Pseudodialogangebot haben wir gehört. Herr Kollege Wagner, das war verheerend.

(Widerspruch des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir führen die Diskussionen mit den Menschen draußen sehr ausgiebig – das haben Sie zu Ihrem Leidwesen hören müssen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die waren immer ein Fiasko! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jedes Mal!)

Nein, da gab es überhaupt kein Fiasko. Herr Kollege Wagner, ich weiß ja nicht, ob Sie als U-Boot bei einer dabei waren.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Davon können Sie ausgehen! – Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen sagen regelmäßig, viele Maßnahmen dieser Landesregierung tragen zur Qualität des Unterrichts bei und verbessern sie.Wir wissen, es ist sehr viel an Qualitätsverbesserung möglich und notwendig. An einzelnen Punkten fragen die Menschen vielleicht, ob das auch anders geht.Aber sie bejahen die Frage, ob wir mehr Unterrichtsversorgung haben, und die Frage nach der Notwendigkeit,die Verlässlichkeit von Schule besser darzustellen, wie auch die Frage, ob wir das mit zusätzlichem Geld schaffen können, das wir im Haushalt bereitgestellt haben, und auch, ob wir die Chance haben, dies in Qualitätsanstrengungen für unsere Schule einzubinden. Dort ist in den letzten Jahren so viel geschehen. Frau Kollegin Ypsilanti, das, was dort geschehen ist, ist richtig,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen ziehen Sie eine Polizeiuniform an?)

weil das zum Erreichen derselben Augenhöhe mit anderen Ländern beiträgt. Mittlerweile sind wir als Hessen nicht mehr abgemeldet, sondern arbeiten auf Augenhöhe mit anderen Ländern. Dazu wird das Projekt verlässliche Schule – gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Eltern, mit Schulleiterinnen und Schulleitern – beitragen.

Am Beginn des neuen Schuljahres werden Sie sehen, dass es funktioniert, und es wird Ihnen Leid tun.

(Beifall bei der CDU)