Protocol of the Session on June 21, 2006

Aufklärung ist also in vielerlei Hinsicht noch nötig. Deswegen ist es richtig, die Zuständigkeit für die Aufgabe der Aufklärung der Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organspende, die Voraussetzungen der Organentnahme, die Bedeutung der Organtransplantation und die Bereithaltung der Organspendeausweise über die Gesundheitsämter hinaus zu erweitern.Weitere Institutionen, Organisationen, aber auch die Selbsthilfegruppen sollten eingebunden werden. An dieser Stelle möchte ich den Selbsthilfegruppen ganz herzlich für ihr hohes Engagement danken.

Herr Kollege Spies, wir sind uns darin einig, dass ein ganz wesentlicher zweiter Aspekt darin besteht, die Stellung der Transplantationsbeauftragten zu stärken. Die Bedeu

tung der bisherigen Regelung, dass Krankenhäuser, die Betten auf einer Intensivstation oder mit der Möglichkeit der Beatmung haben, eine Ärztin oder einen Arzt zur oder zum Transplantationsbeauftragten zu bestellen haben, wird von der überwiegenden Mehrheit der Krankenhausleitungen nicht angezweifelt. In der täglichen Praxis hat sich aber gezeigt, dass diese Beauftragten oftmals nicht genügend Rückhalt für ihre Arbeit haben. Sie müssen sie oft zusätzlich bzw. in ihrer Freizeit ohne entsprechenden Ausgleich wahrnehmen. Es wäre deshalb richtig, die Transplantationsbeauftragten unmittelbar der Leitung des Krankenhauses zuzuordnen.

Herr Kollege Spies, in einem Punkt unterscheiden wir uns aber. Das ist angesichts unserer unterschiedlichen beruflichen Biografien nicht weiter verwunderlich.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Unterschied zwischen Krankenschwestern und Ärzten ist nicht sehr groß!)

Ja, aber so einen gewissen Unterschied gibt es schon. – Wir sind der Meinung, die Aufgabe des Transplantationsbeauftragten kann ganz oder teilweise auch von leitenden Pflegekräften wahrgenommen werden, diese Aufgabe kann ihnen also übertragen werden. Das hat sich in der Praxis bereits bewährt. Das sehen Sie in Ihrem Gesetzentwurf nicht vor.

Entscheidend ist, dass die Stellung dieser Person gestärkt wird, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Arzt oder eine Pflegekraft auf einer Intensivstation handelt. Außerdem müssen sich die Leitungen der Krankenhäuser stärker hinsichtlich des Themas Organspende einbringen. Die Krankenhausleitungen sollten verpflichtet werden, die Transplantationsbeauftragten zur Erfüllung ihrer Aufgabe auf anderen Gebieten zu entlasten. Ich betone aber noch einmal: Auch ihre Funktion ist aufzuwerten.

Das Erkennen potenzieller Organspender muss verbessert werden. Deshalb ist es richtig, die Häufigkeit der Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung zu dokumentieren. Ob das allerdings in einer, wie mir scheint,doch recht bürokratischen Berichtspflicht,wie Sie sie vorschlagen, enden muss, bezweifle ich.

Meine Damen und Herren, in einem sind wir uns, glaube ich, einig. Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit der Organspende und eine Verbesserung der Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung. Lebensrettung hat oberste Priorität.– Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Frau Oppermann, danke sehr. – Frau Schulz-Asche, ich darf Ihnen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Oppermann, lieber Herr Spies, meiner Meinung nach zeichnete sich bereits ab, dass wir alle versuchen werden, zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen.

Frau Oppermann, dass Sie sich gewundert haben, dass die SPD-Fraktion in Vorlage gegangen ist,hat wiederum mich verwundert. 1997 wurde das Transplantationsgesetz auf

Bundesebene verabschiedet. Das Land Hessen wurde damit verpflichtet, ein Ausführungsgesetz zu verabschieden. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass die Landesregierung nicht in der Lage war, sich mit diesem Thema rechtzeitig zu befassen.

Schon damals hatte die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem versucht wurde, Druck zu machen.Schon damals gab es die entsprechende Antwort der Landesregierung. So viel musste dazu gesagt werden.

Am Ende hatten sich die großen Parteien auf eine Version geeinigt, bei der wir GRÜNEN zu kritisieren hatten, dass gerade die Möglichkeiten der Aufklärung zu sehr vernachlässigt würden. Dass wir heute über einen Entwurf reden, der eine verstärkte Aufklärungspflicht vorsieht, zeigt,dass wir damals Recht hatten.Ich begrüße natürlich, dass wir jetzt wegen der anstehenden Novellierung des in seiner Gültigkeit auslaufenden hessischen Gesetzes die Möglichkeit haben, darüber zu reden und entsprechende Verbesserungen vorzunehmen.

Ich hoffe, dass es möglich sein wird, diese Regelungen nicht nur im Einklang mit einem breiten politischen Spektrum, sondern auch mit den medizinischen Experten und vor allem mit den Menschen aus den Selbsthilfegruppen zu erarbeiten. Das große Engagement der Menschen aus den Selbsthilfegruppen wurde hier auch schon erwähnt.

Organspende ist ein sehr sensibles Thema. Das hat sich auch während der jahrzehntelang andauernden Diskussion gezeigt. Sicherlich ist es unbestritten, dass die Transplantation eines gesunden Organs die Lebensgestaltung und die Lebensqualität vieler Menschen mit erkrankten Organen erheblich verbessern kann.

Wir wissen aber auch, dass es den illegalen Organhandel skrupelloser Menschenhändler gibt. Ich finde, deswegen gehört es bei jeder dieser Debatten dazu, zwei Feststellungen zu treffen. Zum einen bleibt festzuhalten, dass menschliche Organe keine Handelsware sind. Zweitens bleibt festzuhalten, dass es keinen Anspruch eines Menschen auf das Organ eines anderen Menschen gibt.

Es gibt aber das Recht jedes Menschen, ausreichend und rechtzeitig über die Möglichkeiten der modernen Medizin informiert zu werden. Viele gesunde Menschen setzen sich wenig mit dem Tod und der Frage auseinander, ob sie bereit sind, Organe zu spenden. Im Falle eines tödlichen Unfalls stehen die Verwandten dann nicht nur unter dem Schock des erlittenen Verlustes. Ich denke, das hat Herr Kollege Spies sehr eindrucksvoll vorgetragen. Oft kennen die Angehörigen nicht einmal den Wunsch des Verstorbenen hinsichtlich einer Organspende.

Eigentlich wäre es ideal, wenn jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes, die bereit sind, ihre Organe zu spenden, einen Spendeausweis hätten, wie ich ihn schon seit Jahren habe.

(Die Rednerin hält einen Ausweis hoch.)

Es sollten aber auch die, die nicht wollen, dass ihre Organe transplantiert werden, unter Umständen einen Ausweis mit sich führen,der ausdrücklich die Aussage enthält, dass man keine Organe spenden will. Ich denke, das ist Bestandteil der freien Entscheidung einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers. Insofern kann ich nur empfehlen, einen solchen Ausweis mit sich zu führen, aus dem sich eindeutig ergibt, welchen Wunsch ich habe.

Damit eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine Organspende getroffen werden kann, bedarf es der

gründlichen Information. Das steht für uns im Hintergrund. Ich hatte es einleitend bereits gesagt: Das Fehlen dieser gründlichen Information haben wir an dem seit dem Jahr 2000 geltenden Gesetz kritisiert.

Die Verantwortung für die frühzeitige und ausführliche Information der Bevölkerung über die Chancen,mit einer Organspende Leben zu retten, wurde damals lediglich den kommunalen Gesundheitsämtern delegiert. Sie erhielten dafür nicht einmal zusätzliche Mittel. Die Erweiterung der für die Aufklärung zuständigen Stellen, die sowohl in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion als auch in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen ist, wird von uns daher ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bereits damals geforderte Berichtspflicht für das Transplantationswesen hätte, wenn man sie denn eingeführt hätte, schon früher zu der Erkenntnis geführt, dass die bisherigen Regelungen tatsächlich nur unzureichend wirken. Die Antworten auf die Fragen einer Kleinen Anfrage, die ich im Jahr 2004 gestellt hatte, zeigten bereits, dass die Bereitschaft zur Organspende in Hessen trotz dieses Gesetzes stagnierte. Zum Teil war die Bereitschaft sogar schon rückläufig.

Die Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation, die in den letzten Tagen in der Presse genannt wurden, haben gezeigt, dass Hessen hinter den Bundesdurchschnitt zurückgefallen ist. Ich denke, daran zeigt sich, wie stark der Handlungsbedarf und wie unzureichend die bisherigen gesetzlichen Regelungen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Von daher ist es in diesem Zusammenhang richtig und gut, dass die Landesregierung am Montag eine entsprechende Kampagne vorgestellt hat.Warum das nun gerade am Montag sein musste, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es aber gut, dass eine solche Kampagne gestartet wird. Vielleicht war es etwas spät. Man hätte es vielleicht schon vor sechs Jahren im Zuge der damaligen Gesetzgebungsdiskussion einleiten sollen. Es hat sich gezeigt, die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung allein über Presseerklärungen und Konzentration auf die Gesundheitsämter hat sich in den letzten sechs Jahren als unzureichend erwiesen.

Die Kampagne der Landesregierung „Ich bin dabei“, die gestern vorgestellt wurde, ist sicher ein Baustein der notwendigen Aufklärungsarbeit. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, es wäre aber sicher auch hilfreich gewesen, wenn auf der Pressekonferenz stärker auf die hessischen Zahlen eingegangen worden wäre und auch ein paar selbstkritische Worte über das eigene Handeln in den letzten Jahren gesagt worden wären. Denn auch das gehört zu einer guten Aufklärungskampagne. Niemand darf das Gefühl bekommen, aus politischen Interessen nur über Teilaspekte eines Problems informiert zu werden. Dazu hätten Sie am Montag die Gelegenheit gehabt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Im Gegensatz zu den stagnierenden Spenderzahlen steigt die Zahl der Menschen, die auf geeignete Spenderorgane warten, erheblich an. Laut der Antwort der Landesregierung auf meine bereits erwähnte Kleine Anfrage standen Ende 2003 in Hessen 236 Menschen auf der Warteliste,davon sechs Kinder. Ich meine, dass wir auch diesen Menschen verpflichtet sind. Es muss unser Ziel sein, dass nie

mand mehr stirbt, nur weil nicht rechtzeitig ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung stand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, glücklicherweise gibt es Selbsthilfegruppen, die die Interessen von Menschen mit implantierten Organen bzw. die Interessen von Menschen auf der Warteliste vertreten.Wie gesagt, die vorliegenden Entwürfe lassen mich hoffen,dass sich nun endlich die Erkenntnis der Bedeutung der Aufklärung durchsetzt und wir zu einem von allen Seiten des Hauses getragenen Gesetz kommen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Herr Rentsch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Organspende ist ein Thema, das nicht bei vielen auf der Tagesordnung steht.Erst wenn man in der Familie oder im privaten Umfeld einen solchen Fall hat, weiß man, wie problematisch solche Situationen sind, mit wie viel Angst für die Betroffenen die Situation einhergeht, insbesondere mit wie viel Angst, endlich ein Organ zu bekommen.

Ich habe in den letzten Wochen – das gilt für alle Kolleginnen und Kollegen, gerade wenn man mit den Selbsthilfegruppen spricht – viele Erfahrungsberichte vernommen, die klar zeigen, dass Menschen, die sich in einer solchen Situation befinden, psychisch stark labil sind, weil es bei ihnen jeden Tag darum geht: Ist das Organ, das ich im Körper habe, noch so funktionell, dass ich weiterleben kann? Muss es ergänzt werden durch technische Mechanismen? Wie viel Zeit habe ich noch, bis ich wirklich ein neues Organ brauche?

Die Situation mit dem Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz, die wir jetzt in Hessen haben, ist meines Erachtens so, dass wir nachbessern müssen, dass der Status quo nicht befriedigend ist. Ich glaube, das sieht die Landesregierung auch.

(Beifall bei der FDP und des Abg.Dr.Thomas Spies (SPD))

Die Landesregierung hat zu Recht gesagt – das gilt für alle Fraktionen in diesem Hause – –

(Die Beleuchtung im Plenarsaal geht für einige Se- kunden aus.)

Das Licht geht aus, aber nicht des Themas wegen, sondern weil die Stadt Wiesbaden wahrscheinlich die Stromrechnung nicht bezahlt hat. Gut, dass Jamaika seine Arbeit in Wiesbaden bald beginnt, damit das Licht weiter leuchtet.

(Heiterkeit)

Die Landesregierung hat mit ihrer Vorlage klar den Bereich Prävention und Aufklärung aufgenommen. Herr Staatssekretär Krämer, Sie haben nicht nur weitere Institutionen in die Aufklärungsarbeit hineingenommen, sondern Sie haben mit Ihrer Kampagne „Ich bin dabei“, die

Sie gestern vorgestellt haben, unserer Ansicht nach einen richtigen Schritt getan, indem Sie zeigen, dass dieses Thema kein Thema ist, das nur von den Betroffenen diskutiert werden sollte, sondern ein Thema, von dem die ganze Bevölkerung wissen muss, dass es sich lohnt, sich dafür zu engagieren.

Jeder kennt es – Frau Kollegin Schulz-Asche hat es gerade gezeigt –, es gibt diese Organspendeausweise. Es gibt entsprechende Formulare. Ich denke, auch für uns Abgeordnete ist es ein wichtiges Thema, und jeder Abgeordnete sollte überlegen, sich einen solchen Organspendeausweis zuzulegen, wenn er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

Bei vielen Menschen in der Bevölkerung schwingt die Angst mit, dass möglicherweise, wenn man einen solchen Organspendeausweis bei sich trägt, die Behandlung nach einem Unfall in einem Krankenhaus nicht mehr so gut ist, weil darauf geschielt wird, Organe zu entnehmen. Ich habe in verschiedenen Gesprächen sowohl im familiären als auch im Bekanntenkreis gemerkt, dass ein gewisses Unbehagen besteht, ob eine Behandlung gegebenenfalls schlechter durchgeführt wird, mit weniger Engagement durchgeführt wird, wenn man einen Organspendeausweis mit sich trägt.