Protocol of the Session on June 20, 2006

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

Denn Sie sagen: „Ökosteuer weg, die Energiewirtschaft geht in die falsche Richtung, wenn Sie über die Stromrechnung Sonderfördertatbestände finanzieren.“ Sie sind gegen die Mehrwertsteuererhöhung. Sie sind gegen die Kürzung der Regionalisierungsmittel, Sie sind am Ende dafür, dass die Steuern weiter gesenkt werden. Irgendwann müssen Sie uns einmal erklären, wie das mit dem Zaubern in der Haushaltspolitik geht.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Ich freue mich schon jetzt auf die Haushaltsdebatten mit Herrn von Hunnius, der uns möglicherweise einmal erklärt, wie Sie das alles machen wollen.

Meine Damen und Herren, ich finde, zunächst einmal haben wir alle miteinander Grund, uns über das zu freuen, was wir in den letzten Tagen in der Zeitung lesen konnten, nämlich dass es in Hessen keinen Anstieg der Strompreise in der beantragten Form geben wird. Der Minister hat auch auf die über drei Millionen Verbraucher hingewiesen, die davon positiv betroffen sind, wenngleich ich glaube, dass er nie behauptet hat, dass das vor dem Hintergrund der ausufernden Entwicklung der Strompreise aufgrund anderer Quellen am Ende in Summe zu einer Strompreissenkung führen wird, Stichwort: Ölmarkt und anderes mehr.Aber ich finde, das sind gute Nachrichten. Darüber sollten wir uns doch zunächst einmal gemeinsam freuen.Ich glaube,im Grunde genommen haben Sie heute alle zu erkennen gegeben, dass es Sie ärgert, dass das eine sehr erfolgreiche Politik war und ist,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie retten es nicht mehr, Herr Kollege! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie ist nicht erfolgreich!)

die den Minister in dieser Frage über die hessischen Grenzen hinaus an verschiedenen Stellen zu einem sehr gefragten Gesprächspartner gemacht hat.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Am Ende wird abgerechnet, Herr Minister!)

Sie können heute täglich landauf,landab in den Zeitungen lesen, dass andere Landeswirtschaftsminister ihn fragen, wie er zu dieser Haltung kommt, und ihm am Ende genau auf diesem Wege folgen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er wollte etwas zum Brockhaus sagen!)

Herr Hahn, das machen wir nachher.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich will sogar noch einen Satz auf die SPD verwenden. Herr Frankenberger, ansonsten fand ich den Beitrag im Ergebnis einfach unbefriedigend. Ich habe ein paarmal dazwischengerufen. Sagen Sie doch endlich, dass Sie die Strompreise erhöhen wollen, um kommunale Unterneh

men über Wasser zu halten. Anders kann ich das nicht deuten.Aber ich will Sie darauf hinweisen, dass selbst die rot-rote Landesregierung der Bundeshauptstadt Berlin so weit ist,dass sie erkannt hat,dass die Netzentgelte zu hoch sind und dass man auch bei den kommunalen Unternehmen korrigierend eingreifen muss. Insofern könnte man an der Stelle den Schluss ziehen, die hessische SPD hat den rot-rot-grünen Senat in Berlin sogar links überholt. Das macht Ihnen so schnell keiner nach.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Welcher grüne Senat?)

Aber ich glaube, das ist der rote Faden, der von den Menschen draußen erkannt wird.

Meine Damen und Herren, wir reden über den Strommarkt. Wenn man über den Strommarkt redet, muss man auch über die aktuelle Situation reden. Sie alle haben zwar beklagt,dass der Strom zu teuer ist.Auch Herr Posch hat das getan. Herr Posch, wir müssen aber auch darüber reden – da muss man mit Zahlen aufwarten –, dass die Kosten für Strom und Energie für viele Unternehmen existenziell bedeutend sind.

Das kann z. B. der kleine Handwerksbetrieb sein. Ich bin in einer derjenigen Branchen beheimatet, deren Unternehmen sehr davon abhängig sind, dass sie ihre Stromrechnung noch bezahlen können. Ein kleiner Metzgeroder Bäckerbetrieb, der einen Umsatz in Höhe von einer halben Million Euro hat, muss mittlerweile damit rechnen,dass der Anteil der Energiekosten 8 bis 10 % beträgt. Dabei hat er einen Rohertrag vor Steuern von 3 bis 5 %. Sie können demnach also ermessen, über welche Dimension wir dabei reden.

Es geht dabei auch um Aluminiumwerke. In Hessen sind das leider nicht so viele. Aber es gibt auch in Hessen in vielen Branchen Unternehmen, die existenziell auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen sind. Opel wurde vor ein bis eineinhalb Jahren in diesem Zusammenhang sehr häufig genannt. Ich glaube, da können wir nicht wegsehen.

In der Summe kann man sagen, dass folgende Lesart gilt: Die Statistik zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland im europäischen Vergleich auf dem vorletzten Platz liegt. Ich meine das im negativen Sinne. Im Vergleich ist der Strom hier also überteuert. Im Vergleich kann man erkennen, dass die Strompreise in Deutschland 47 % über denen in Frankreich liegen. In Deutschland ist der Strom sogar um 81 % teurer als in Großbritannien. Insbesondere ist der Strom in Deutschland aber auch wesentlich teurer als in den nordamerikanischen Volkswirtschaften. Insofern gibt es sehr viele gute Gründe, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Während wir zunächst nach Beginn der Liberalisierung in den Jahren 1998 bis 2000 einen Rückgang der Strompreise in Höhe von 30 % zu verzeichnen hatten,müssen wir mittlerweile feststellen, dass die Strompreise im Vergleich des Jahres 1998 mit heute insgesamt um 15 % gestiegen sind. Das ist etwas, was uns alle, auch die Mitglieder der Sozialdemokraten, wachrütteln sollte.

Damit möchte ich zu meiner nächsten Aussage kommen. Es ist mir zunächst einmal vollkommen gleich, welches Unternehmen zu dieser Entwicklung beiträgt. Vielmehr haben wir überall dort,wo wir Einfluss haben – den haben wir an verschiedenen Stellen –, politisch entsprechend zu handeln.

Ich will auch sagen, dass wir bei den Haushalten in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts, also vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2006,einen Anstieg der Strompreise um 20 % zu verzeichnen haben. Das liegt weit oberhalb der allgemeinen Preisentwicklung.

Herr Posch, ich bin damit einverstanden, dass wir auch über die Verteuerung der Energiepreise aufgrund politischer Maßnahmen reden müssen. Ich sage es aber noch einmal: Ich bin nicht damit einverstanden, dass Sie so tun, als müsse man das jeweils für sich isoliert betrachten. Wenn man das insgesamt sieht, ergibt sich nämlich, dass Sie nicht die Frage beantworten können, wie man das dann im Blick auf die öffentlichen Haushalte ausgleichen soll.

Über alle diese Dinge kann man streiten.

(Unruhe)

Herr Boddenberg, ich darf Sie für einen Moment unterbrechen. – Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe. – Danke schön.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keiner hört ihm zu; es lohnt sich auch nicht!)

Herr Kaufmann, über all diese Dinge kann man streiten. Man kann aber nicht darüber streiten, dass es bei den Preisen sehr unterschiedliche Strukturen gibt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, ich kann über alles streiten!)

Hier wurde sehr häufig über die großen und die kleinen Energieversorger gesprochen. Ich will Ihnen deswegen folgendes Beispiel nennen:Es ist einem Verbraucher nicht zu erklären, weshalb der Verbraucher, der in Frankfurt wohnt, einen wesentlich höheren Preis zu zahlen hat als der Verbraucher, der die gleiche familiäre Struktur und den gleichen Stromverbrauch hat und in Bad Homburg wohnt, obwohl der Lieferant der gleiche ist. – In diesem Fall ist es die Süwag. Herr Frankenberger, Sie haben hier immer große und kleine Unternehmen gegeneinander gestellt. Deswegen muss man auch einmal sagen, dass die Süwag zu 70 % der RWE gehört.

Ich frage Sie deshalb: Wie wollen Sie das voneinander trennen? – Ich sage deshalb noch einmal:Wenn wir darüber reden, dann müssen wir über alle Unternehmen reden.

Wir müssen tatsächlich auch über den Querverbund reden. Wir müssen darüber reden, dass die Kommunalpolitiker und die Verbraucher einen Anspruch auf Transparenz in den öffentlichen Haushalten haben. Ich möchte hier jetzt noch einmal die Stadt Frankfurt als Beispiel nennen.Wir müssen auch darüber reden, dass die Mainova einen Gewinn in Höhe von 30 Millionen c vor Steuern ausweist und dass im Rahmen der Stadtwerke-Holding ein Verlust von über 40 Millionen c abgedeckt wird. Das hat sehr viel mit dem Betriebsergebnis der Mainova, aber auch sehr viel mit den Verlusten der Verkehrsbetriebe zu tun.

Jetzt könnte man sagen: Okay, das lassen wir so laufen, darüber breiten wir ein großes Tuch aus, und keiner merkt es. – Ich finde aber, wir brauchen da Transparenz. Danach können wir entscheiden, wie wir wollen. Das hieße dann aber auch, dass man deutlich macht, dass der öffentliche Personennahverkehr in Wahrheit sehr viel stärker subventioniert wird, als das beispielsweise auch von den GRÜNEN immer wieder behauptet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin sehr einverstanden, dass wir auch über den Wettbewerb und die Monopolstrukturen reden. Auch dabei sollten wir nicht nur über die vier großen Unternehmen reden. Wir sollten dabei auch über die vielen kleinen Unternehmen sprechen, die sich an vielen Stellen ähnliche Strukturen geschaffen haben und häufig Sozialdemokraten als Zeugen dafür gewinnen, dass es anders gar nicht sein könnte.

Die Idee,die hinter der Förderung des Wettbewerbs steht, ist auch und gerade eine Idee der Europäischen Union. Frau Hölldobler-Heumüller, das haben Sie zu Recht gesagt. Ich finde, bei manchen Themen kann man über die Europäische Union schimpfen. Zu manchen Punkten muss man aber auch sagen, dass sich das in die richtige Richtung bewegt. Herr Hahn, ich will jetzt gar nicht den Streit aufgreifen – und dabei auf den Brockhaus zurückgreifen –, welche Unterschiede es zwischen Neo- und Ordoliberalismus gibt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Brockhaus!)

Das Stichwort „Brockhaus“ habe ich schon genannt. – Darüber möchte ich aus folgendem einfachen Grunde keinen Streit führen: Ich glaube, wir alle haben ein sehr entwickeltes Verständnis der unterschiedlichen Wirtschaftsformen. So sind wir sozialisiert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Liberal ist liberal, und konservativ ist konservativ!)

Wir haben alle aber eine gemeinsame Auffassung hinsichtlich der Frage, wie der Wettbewerb unter ordnungspolitischen Grundsätzen funktionieren soll.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und Ecuador ist Ecuador!)

Wir unterscheiden uns da nur in Nuancen. Der eine sieht es so, der andere so.

Früher hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen häufig verlauten lassen, dass es hinsichtlich der Energieversorgung zu Ausnahmen hinsichtlich des Wettbewerbsrechts kommen kann. Das ist aber 20 oder 25 Jahre her. Mittlerweile hat man zu Recht festgestellt, dass die Wirtschaft, die hinter der Energieversorgung steht, reifer geworden ist. Sie ist wettbewerbsfähiger geworden. Außerdem ist es ein sehr hohes Gut, die Wahlfreiheit der Kunden herzustellen. Das ist ein sehr hehres Ziel, das sowohl für die europäische als auch für die nationale Ebene gilt.

Ich bin deswegen froh, dass die Europäische Union dazu beigetragen hat, dass man sich hinsichtlich der Energiepolitik der Sichtweise annähert, sich den internationalen Wettbewerbstandards anzupassen. Damit können europäische Unternehmen zunehmend Wettbewerber großer Unternehmen aus Übersee werden, insbesondere solcher, die in den Vereinigten Staaten angesiedelt sind.

Das hat man also erkannt. Es gibt aber auch einige wesentliche Voraussetzungen, wie man das dann hinbe

kommt. Wie bekommt man es hin, dass der Wettbewerb funktioniert, aber gleichzeitig geregelt ist? Ich finde, in diesem Zusammenhang muss man zunächst einmal die Frage stellen: Ist es eigentlich weiterhin in Ordnung, dass bei uns das Netz, das operative Geschäft, die Erzeugung und der Vertrieb des Stroms in einer Hand sind? Ich bin sehr dafür, dass wir das zulassen, aber nur für den Fall, dass es an den jeweiligen Schnittstellen zu einer klaren Trennung kommt.

Ich habe mit dem Vorstandsvorsitzenden gesprochen,dessen Unternehmen hier eben angesprochen wurde. Ich sage, das, was er gemacht hat, ist nicht in Ordnung. Er hat gesagt: Lieber Wirtschaftsminister, wir haben da ein Problem, gestatte deshalb eine Preiserhöhung. – Im Hintergrund steht aber ein Unternehmen, das das Netz betreibt und damit ordentlich Geld verdient.

Ich finde, das dürfen wir nicht zulassen. Der hessische Wirtschaftsminister zeigt da eine klare Linie. Seine Handschrift ist da deutlich. Ich finde, wir sollten ihm auch für den Mut danken,mit den eigenen Parteifreunden so zu reden und so zu verfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Posch hat die Frage der Daseinsvorsorge angesprochen. Es ist doch mittlerweile Allgemeingut, dass wir die Daseinsvorsorge heute, also im Jahr 2006, anders definieren müssen. Wir haben lange darüber gestritten, als wir über die Änderung des § 121 Hessische Gemeindeordnung gesprochen haben. Damals gab es noch Meinungsunterschiede. Aber ich glaube, wir sind einen Schritt weitergekommen. Denn wir haben inzwischen gesagt: Das, was die Privaten besser können, soll die öffentliche Hand bitte bleiben lassen.