Protocol of the Session on June 20, 2006

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir uns diese Zahl einmal in ihrer absoluten Größe vorstellen, dann bleibt festzuhalten: Die Stromunternehmen wollten mehr als 100 Millionen c an zusätzlichen Einnahmen. Das ist viel Geld. Ein Vergleich: Die Hessen

könnten damit fast 4.000 Opel Vectra kaufen und in Rüsselsheim den Absatz forcieren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb noch einmal: Diese Preiserhöhung in Höhe von 100 Million c war und ist nicht akzeptabel; denn wenn die Netzentgelte sinken und die Gewinne der Stromunternehmen hoch sind, dann dürfen gemäß der Bundestarifordnung Elektrizität keine Preissteigerungen genehmigt werden.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Das klare Nein der Landesregierung ist und bleibt rechtlich und ökonomisch gerechtfertigt. Die 50 Stromunternehmen werden übrigens formale Bescheide erhalten, sobald die Netzregulierungen in Bund und Land abgeschlossen sind. Das Ergebnis der hessischen Strompreispolitik ist: Die allgemeinen Strompreise sind mit Ausnahme von Niedersachsen in allen anderen Bundesländern höher als in Hessen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Hervorragend!)

Oder, von der anderen Seite betrachtet: Eine Familie bezahlt in Hessen mit 3.500 KWh Stromverbrauch gut 650 c pro Jahr. In Baden-Württemberg ist die Stromrechnung mit 720 c pro Jahr um 10 % höher. Jetzt wird die EnBW, das baden-württembergische Stromunternehmen, noch einmal eine Preissteigerung um 4,5 % durchsetzen, während in Hessen keine Strompreiserhöhungen erfolgen.

(Beifall bei der CDU)

Preissteigerungen hätten die Kaufkraft der Bürger geschwächt und kleine Unternehmen belastet – das schadet der Binnennachfrage. Stabile Preise hingegen helfen dem Wirtschaftsstandort Hessen, und darum geht es uns doch hoffentlich allen.

(Roland von Hunnius (FDP): Wie bei der Mehrwertsteuer!)

Meine Damen und Herren, die Kontrolle der Stromendkundenpreise ist so lange gerechtfertigt, wie es noch keinen echten Wettbewerb gibt. Ich bin aber zuversichtlich, dass es in Deutschland ab Mitte 2007 genügend Wettbewerb geben wird. Wenn es Wettbewerb gibt, muss und wird die Strompreiskontrolle entfallen. Bis dann aber werde ich die Preise streng kontrollieren.

Weiteres Potenzial für sinkende Strompreise gibt es an der Leipziger Strombörse. Die vergangenen Wochen haben gezeigt,dass der Preis nicht nur bergauf,sondern auch bergab gehen kann. Falls die Strompreise noch deutlicher sinken, falls dies anhält, müssen die Stromunternehmen ihre Endkundenpreise für das Jahr 2007 senken.

Ein zweiter Punkt, den ich als Begründung für diesen Erfolg nennen will, dass es 1 : 0 für die Verbraucher steht, sind die Preisabschläge im Gaskartellverfahren. Der Kampf gegen überhöhte Energiepreise umfasst, wie wir wissen, auch die Gaspreise, die derzeit die Haushalte belasten. Hier hat die Landesregierung einen weiteren Erfolg aufzuweisen, der ebenfalls gegen den Widerstand der Energieunternehmen errungen werden musste. Im vergangenen Herbst habe ich zwölf Kartellverfahren gegen Gasunternehmen in Hessen beendet. Die monatelangen Verfahren haben deutliche Preisabschläge bewirkt. In 360.000 hessischen Haushalten wurde eine zusätzliche Belastung von 22 Millionen c vermieden.

Meine Damen und Herren, so erfreulich dies für die Gaskunden damals war, so unbefriedigend ist, dass einige Gasunternehmen erneut die Preise angehoben haben, ohne dass die Landesregierung den Gaskunden rasch schützende Hilfe leisten kann. Denn dem Landeswirtschaftsminister steht bei Gas nur die nachträgliche Missbrauchsaufsicht in Form des Kartellrechts zur Verfügung, und die ist in Monopolmärkten ein vergleichsweise sehr stumpfes Schwert. Die Landeskartellbehörde darf nur nachträglich eingreifen und muss den Gasunternehmen zudem einen Monopolmissbrauch nachweisen. Das ist aus meiner Sicht das völlig falsche Instrument, weil es zu spät wirkt und zu schwach daherkommt. Dass es all die Jahre keine Vorabkontrolle der Preise der Gasmonopolisten gab, analog zum Strommarkt, halte ich für ein schweres politisches Versäumnis.

Klar ist auch: Hätten wir die Kartellverfahren nicht erfolgreich durchgekämpft, dann lägen jetzt die Gasrechnungen in vielen Haushalten in Hessen um durchschnittlich 60 c höher, als sie derzeit sind.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, 60 c vermiedene Belastung – das ist für viele Bürger eine willkommene Botschaft.

(Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie viel Studiengebühren?)

Gerade weil Gaswettbewerb schwieriger als Stromwettbewerb ist, darf der Schutz der Gaskunden nicht verringert werden. Deshalb setzt sich Hessen im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates dafür ein, dass in den Verordnungen für die Grundversorgung mit Gas und Strom der Verbraucherschutz auch in Zukunft erhalten bleibt. Hessen hat einen Antrag eingebracht, der klargestellt, dass Gaskunden weiterhin nach § 315 BGB einen Einwand der Unbilligkeit gegen Gaspreiserhöhungen erheben können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,ich komme zum dritten Punkt, der für diesen Erfolg steht, nämlich das Energiewirtschaftsgesetz. Dies ist in der Tat ein Erfolg hessischer Energiepolitik, der in den nächsten Jahren spürbar sein wird,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

weil dieses neue Gesetz, das ab 1. Juli letzten Jahres Gültigkeit hat, wirklich scharfe Instrumente in sich birgt. Hessen hat durch Anträge im Bundesrat und als Verhandlungsführer im Vermittlungsausschuss dafür gesorgt, dass die Betreiber der Stromnetzmonopole einer strengen Vorabkontrolle unterworfen werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir genau hinschauen, erkennen wir sofort: Das zahlt sich jetzt doppelt aus. Zum einen werden die Endkundenpreise gedämpft, weil die Netzentgelte sinken. Zum anderen entsteht Druck auf die Preise, weil jetzt ein schweres Wettbewerbshemmnis entfallen ist.

Noch einmal zum Vorteil Nummer eins, zu den niedrigeren Netzentgelten. Die 37 regionalen Stromnetzbetreiber in Hessen mit weniger als 100.000 Kunden, für die wir als Landesregierung zuständig sind, müssen ihre Entgelte für den Stromtransport um durchschnittlich gut 10 % verringern.

Übrigens – das haben Sie in den letzten Tagen über die Medien erfahren –: Die Bundesnetzagentur reduziert ebenfalls die Netzentgelte der großen Energiekonzerne,

also auch der restlichen 13 in Hessen. Ich verweise hier auf die Vattenfall-Entscheidung: eine Senkung von 11,7 % gegenüber den bisherigen Netzentgelten, ja sogar eine Senkung von sage und schreibe 18 % gegenüber den seitens Vattenfall beantragten Netzentgelten, die durchgesetzt wird.

Beides erhöht die Chancen für Senkungen der Endkundenpreise. Denn der Anteil der Netzkosten am Endkundenstrompreis beträgt immerhin mehr als ein Drittel. So wird auch der hessische Strompreisstopp für 2006 bestätigt. Viele haben gefragt: Worauf stützt du dich? – Dieser Stopp wird bestätigt; denn ich habe ihn neben hohen Monopolgewinnen damit begründet, dass die Erwartung der Senkung der Netzentgelte eine Erhöhung zu diesem Zeitpunkt nicht rechtfertigt. Und wir haben Recht behalten.

(Beifall bei der CDU)

Vorteil zwei dieser niedrigeren Netzentgelte: Es gibt keine Behinderung des Wettbewerbs mehr durch die Netzbetreiber. Ich persönlich meine, das ist noch wichtiger als die direkte Kostensenkung durch niedrigere Netzentgelte. Denn neue und günstigere Stromanbieter werden zukünftig diskriminierungsfrei Zugang zu allen Stromnetzen haben und werden nicht durch prohibitive Netzentgelte ferngehalten. Damit können diese neuen Anbieter die etablierten Stromunternehmen im Endkundenpreis unterbieten. So bekommen die Verbraucher endlich Wahlmöglichkeiten – das ist das Entscheidende im Wettbewerb – und können zu billigeren Anbietern wechseln.

Meine Damen und Herren, das gehört auch dazu: Ich will mir gar nicht vorstellen, wie der Strommarkt heute und vor allem in Zukunft aussähe, wenn sich manche Sozialdemokraten und, ich sage auch, Liberale auf Bundesebene mit ihren blauäugigen Vorstellungen zur Netzregulierung durchgesetzt hätten. Sie wollten die Netzentgelte nämlich nur im Nachhinein regulieren lassen, also nachträglich, im Rahmen einer relativ laxen Missbrauchskontrolle. Das hätte die Energiekonzerne, dessen bin ich sicher, sehr gefreut.

Wichtig aber ist, und das ist unsere Position: Der Staat muss vorab eingreifen, bevor das Kind in den Brunnen fällt. Bei einer Missbrauchsaufsicht dagegen hätte der Staat nachträglich nur nachgeschaut, ob vielleicht ein Kind schon in den Brunnen gefallen ist, und hätte nicht das getan, was notwendig gewesen wäre, nämlich einen Zaun um diesen Brunnen zu bauen.

(Beifall bei der CDU – Gernot Grumbach (SPD): Die Landesregierung wirft!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Frage der Netzregulierung wird ein Grundzug der Wirtschaftspolitik der Hessischen Landesregierung deutlich, und das ist mir wichtig: Wir betreiben eine ordoliberale Wirtschaftspolitik, und zwar sehr deutlich in Abgrenzung zu Neoliberalismus und naiver Staatsgläubigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt konkret: Vorrang hat freier Wettbewerb. Wo dieser Wettbewerb funktioniert, da hat der Staat nichts zu suchen.Aber leider ist Wettbewerb nicht auf jedem Markt möglich. Deswegen müssen wir jede Wertschöpfungsstufe und jeden Marktbereich einzeln betrachten. Denn es kann zu Wettbewerbsversagen kommen, etwa im Bereich der Netzindustrien, mit denen wir es hier zu tun haben. Dann allerdings, bei Wettbewerbsversagen, brauchen wir

einen starken Staat, der streng reguliert, um Monopolmissbrauch zu verhindern. Genau das tut die Hessische Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Aber so gut das Energiewirtschaftsgesetz an vielen Stellen ist – es bleibt ein Kompromiss, auch mit Unzulänglichkeiten. Das ist ein Kompromiss, wo gerade Sozialdemokraten ihre Handschrift hinterlassen haben, die der Energielobby heute wie eine Schönschrift vorkommt. So hat sich – das will ich nicht verschweigen – das damals SPDgeführte Bundeswirtschaftsministerium ganze Texte für dieses Gesetz von der E.ON aufschreiben lassen und dann zu Eigen gemacht. Ich finde, da wurde die Grenze des demokratisch akzeptablen Einflusses der Energielobby weit überschritten.

Ich bin nicht sicher, ob es mit dem neuen Gesetz gelingen wird, auch auf dem Gasmarkt für Wettbewerb zu sorgen. Ich hoffe sehr, dass sich die Bundesnetzagentur mit ihrem Präsidenten Kurth an der Spitze gegenüber den Interessen der Gasnetzbetreiber durchsetzen wird. In Hessen jedenfalls werden wir eine strenge Prüfung der Entgeltgenehmigungsanträge der 41 Gasnetzbetreiber – von insgesamt 46 – durchführen, für die das Land zuständig ist.

Sollte bis Jahresende keine effektive Regulierung der Gasnetze kommen,dann muss auf Bundesebene eine Verschärfung des Energiewirtschaftsrechts geprüft werden. Anderenfalls schließe ich nicht aus, dass Hessen über den Bundesrat erneute eine Initiative starten muss.

Ich rede bewusst von einem „Kampf“ gegen überhöhte Strom- und Gaspreise und einem „Kampf“ für Wahlmöglichkeiten der Kunden, denn die Widerstände gegen Marktöffnungen und gegen fairen Wettbewerbs sind hoch – sowohl vonseiten der Energielobby als auch von ihren Freunden in Politik und Medien.

Die Hessische Landesregierung scheut diesen Kampf nicht. Ich finde es unerträglich, wie sich die Chefs großer Energieversorgungsunternehmen – insbesondere die des Stromgewinnkartells E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW – für Rekordgewinne feiern lassen und gleichzeitig erklären, die Versorgungssicherheit oder die Netzstabilität sei durch das Energiewirtschaftsgesetz künftig infrage gestellt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Eine Politik gegen den kleinen Mann!)

Genau. – Das Gegenteil ist richtig. Das Energiewirtschaftsgesetz sichert nämlich eine auskömmliche Verzinsung der Netzinvestitionen. Umso unverschämter ist es, dass die Netzinvestitionen in den Zeiten stagnierten, in denen die Gewinne neue Höchststände erreichten. Tausende selbstständige Unternehmer können von den hohen und weitgehend sicheren Renditen der Stromunternehmen nur träumen. Gerade das Gejammer der Netzbetreiber dient nur zur Verschleierung der Tatsache, dass in den Entgeltverordnungen eine hohe und garantierte Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals von 6,5 % bei Strom und 7,8 % bei Gas – wohlgemerkt: jeweils zuzüglich der Teuerungsrate – festgeschrieben ist. Das bedeutet eine Garantierendite von bis zu 10 %.

In diesem Zusammenhang empfinde ich es als blanken Hohn, dass gestern ein Konzernvorstand erklärt hat, die geringe Zahl an Privatkunden, die den Stromanbieter gewechselt haben, sei Ausdruck von Kundenzufriedenheit.

Herr Staatsminister, die Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen.

Ihnen geht es sicher wie mir:Ein Blick ins Internet genügt, um zu sehen,dass es kaum Angebote gibt,die einen Wechsel lohnend machen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass durch eine strenge Regulierung mehr Wettbewerb möglich wird, dass durch den Wettbewerb die Wahlfreiheit der Kunden erhöht wird und dass es in diesem Zusammenhang keinen geschützten Raum gibt. Die Landesregierung macht Politik zum Schutz des Wettbewerbs, zugunsten der Bürger und Verbraucher, aber nicht zum Schutz einzelner bestimmter Wettbewerber. Ich lehne deshalb Privilegien großer Energieunternehmen genauso ab wie einen Bestandsschutz für kommunale Versorger. Ich bin überzeugt davon, dass ordentlich wirtschaftende Unternehmen auch zukünftig die Kunden mit günstigen Preisen und sicherer Energieversorgung am Markt bedienen können.

Eines will ich abschließend betonen, was den Kampf für mehr Wettbewerb besonders motiviert und rechtfertigt. Es ist die Tatsache, dass überhöhte Preise zutiefst unsozial sind. Genauso unsozial ist der Missbrauch, den die Energiemonopole zur Entlastung anderer Bereiche betreiben. Hier gilt: Starke Schultern tragen mehr als schwache Schultern. Geringverdiener und Familien trifft die überhöhte Stromrechnung viel stärker als Haushalte mit hohem Einkommen. Deswegen sage ich: Niemand soll in Hessen länger überhöhten Energiepreisen ausgesetzt sein. Niemand soll überhöhte Energiepreise zahlen müssen. Wir werden weiterhin für günstige, für realistische Preise streiten. Wir werden weiter für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt kämpfen. Damit stehen die Chancen gut, dass im nächsten Jahr die Strompreise in Hessen die niedrigsten im deutschlandweiten Vergleich sein werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.