Protocol of the Session on February 23, 2022

Wie bitte?

(Abgeordneter Björn Fecker [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich frage mich gerade, wo diese komische Gruppe ist, die neue? – Abgeordneter Dr. Magnus Buhlert [FDP]: Die habe ich aber auch nicht ver- misst!)

Teilhabe am Arbeitsmarkt fördern – Ausgleichsabgabe erhöhen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 1. Februar 2022 (Drucksache 20/1325)

Dazu als Vertreterin des Senats Senatorin Anja Stahmann.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Olaf Zimmer.

Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Heute debattieren wir und entscheiden wir über einen Koalitionsantrag, welcher uns als Fraktion DIE LINKE sehr am Herzen liegt. Es geht um die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Unternehmen, die keine oder zu wenig Menschen mit Behinderung beschäftigen.

Die Partei DIE LINKE kämpft für eine inklusive Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die Chancengleichheit und Teilhabe und damit Gerechtigkeit für alle bietet, jenseits von Verwertbarkeit. Von einer solchen Gesellschaft sind wir weit entfernt. Zwar hat Bremen im Bereich „inklusive Beschulung“ einiges auf den Weg gebracht, aber spätestens mit dem Übergang auf den Arbeitsmarkt, der alles andere als inklusiv ist, der im Gegenteil auf Konkurrenz und Profit beruht, endet dieser Weg allzu oft in der Sackgasse „exklusive Werkstatt“.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist die Erwerbslosenquote von Schwerbehinderten mit 10,9 Prozent deutlich höher als die allgemeine Arbeitslosenquote. In Bremen gibt es laut Arbeitnehmer:innenkammer 12 600 Menschen, die mit einer Schwerbehinderung beschäftigt sind – ein Viertel davon in Werkstätten. Knapp 13 Prozent sind arbeitslos, auch besteht eine größere Gefahr, in die Langzeitarbeitslosigkeit zu geraten. Um dem etwas entgegenzusetzen, gibt es die sogenannte Ausgleichsabgabe. Sinn und Zweck der Ausgleichsabgabe ist nicht, Unternehmen zu bestrafen, sondern Anreize zu schaffen, schwerbehinderte Menschen einzustellen.

So kommt die Ausgleichsabgabe zum großen Teil wieder den Betrieben zugute, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Sie wird für Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zum Zweck der Arbeitsförderung schwerbehinderter Menschen verwendet. Aus diesem Fonds werden ebenso überregionale Vorhaben und Projekte zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben finanziert. Außerdem erhält die Bundesagentur für Arbeit aus diesem Fonds Gelder zur besonderen Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben. Alle Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten müssen diese Abgabe gestaffelt von 140 bis aktuell 360 Euro zahlen, wenn sie nicht mindestens fünf Prozent Menschen mit Schwerbehinderung einstellen. Das wollen wir auf maximal 720 Euro erhöhen,

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

eine Höhe, die der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, vorschlägt, nämlich für die Unternehmen, die vollständig gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen, also keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen.

2019 haben laut Bundesagentur für Arbeit knapp 61 Prozent der beschäftigungspflichtigen Unternehmen in Deutschland eine Ausgleichszahlung zahlen müssen. Immerhin haben 74 Prozent dieser Unternehmen überhaupt schwerbehinderte Mitarbeiter:innen, jedoch eben nur gut ein Drittel aller Unternehmen erfüllt dadurch die Quote, die sie zu erfüllen haben. In Bremen sieht das noch schlechter aus. Laut Arbeitnehmer:innenkammer erfüllt lediglich ein Fünftel der Unternehmen diese Quote, wobei knapp die Hälfte der Menschen überhaupt in der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheits- und Sozialwesen arbeitet.

Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe ist ein Punkt unseres Antrages. Ein zweiter ist, dass wir die steuerliche Absetzbarkeit der Ausgleichsabgabe beenden wollen. Sinn und Zweck der Ausgleichsabgabe wird dadurch untergraben, dass sie als Betriebsausgabe gemäß § 4 Absatz 4 Einkommensteuergesetz bewertet wird. Ein dritter Punkt, den wir in unserem Antrag fordern, ist, dass eine Verrechnung der Ausgleichsabgabe nur mit Aufträgen an Inklusionsbetriebe, nicht aber an Werkstätten für Menschen mit Behinderung möglich sein kann.

Die Praxis, dass Mercedes zum Beispiel seine Profite mit Beschäftigten der WfbM (Werkstatt für be

hinderte Menschen) erzielt, ohne sie mit Mindestlohn zu entlohnen oder einzustellen, und sich das dann auf die Ausgleichsabgabe anrechnen lässt, widerspricht unserer Auffassung nach grundsätzlich dem Gedanken dieser Abgabe, die ja inklusive Beschäftigung und nicht exklusive fördern soll. So weit erst einmal, der zweite Teil kommt dann noch. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Thomas Pörschke das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über nicht erfüllte Pflichten und ein noch nicht eingelöstes Versprechen, denn es gibt einen sehr prominenten Fürredner für eine merkliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe. Das ist der neue und alte Bundes- und Sozialminister Hubertus Heil, der bereits im Dezember 2020 bei einer Tagung des Deutschen Behindertenrates seine Empörung zu Protokoll gab, die ich hier gern im Originalzitat wiederholen möchte: „Es ist jetzt ein Punkt erreicht, wo wir sagen müssen, es reicht. Für die Nullbeschäftiger habe ich wirklich auch null Verständnis.“

Diesem Wort des amtierenden Ministers ist überhaupt nichts hinzuzufügen. Er hat völlig recht, und auch die Empörung teile ich. Trotzdem müssen wir uns fragen: Warum ist dieses Versprechen nicht eingelöst worden? Es hat sicherlich zwei Gründe. Der eine ist, dass er sich in der damaligen Regierungskonstellation den Christdemokraten gegenüber nicht durchsetzen konnte, die heute zumindest für die Bremer Bürgerschaftsfraktion auch das Wort ergreifen werden. Ich vermute – das hat sich in der Kürze der Zeit nicht rekonstruieren lassen –, dass auch die Coronapandemie ein weiteres Moment ist, bei der Umsetzung und Ankündigung zu erhöhender Abgaben vorsichtig zu sein.

Das ist übrigens auch der Grund, warum wir in der Vorberatung der Regierungskoalition auf einen konkreten Betrag verzichtet haben, weil wir uns kurz überlegt haben, ich kann das zumindest für meine Fraktion sagen: Gehen wir heraus mit der Botschaft, zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Bremer Unternehmer aufgrund der Pandemie zumindest zeitweilig ins Schlingern geraten waren? Gehen wir heraus mit der Botschaft, wir wollen eine Abgabe verdoppeln, und es bliebe nur das Verdop

peln im Gehör? Oder lautet die Botschaft, wir stehen als Gesellschaft zusammen und sind in der gemeinsamen Pflicht und Verantwortung, mehr für Menschen zu tun, die in ihrem Alltag mit einer Schwerbehinderung klarkommen müssen? Ich glaube, die zweite Botschaft ist die bessere. Trotzdem sind wir dafür, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen.

Nun wissen Sie, dass wir – Sie wissen es aus den Haushaltsverhandlungen – große Rückstände bei der Ausgleichsabgabe in Bremen haben, der Kollege Zimmer hat es mehrfach problematisiert. Ganz einfach: Diese Abgabe ist zweckgebunden, und trotz verschiedener Bemühungen, die ich durchaus honoriere, ist es nicht gelungen, eine angemessene Zahl von Arbeitsangeboten für Menschen mit Schwerbehinderungen auf den Weg zu bringen, bei denen dann wiederum Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Mittel eingefordert hätten, um technische Hilfsmittel und anderes mehr für die Arbeitsplätze zu organisieren.

Das heißt, wir haben ein Problem auf zwei Seiten. Wir haben einmal ein Viertel der bundesdeutschen Unternehmen, in der Tat jedes vierte Unternehmen, das sich der gesetzlichen Beschäftigungspflicht aus dem SGB IX entzieht. Das ist tatsächlich ein Skandal. Wir haben aber auch eine Schwierigkeit bei der Vermittlung. Ich vermute, dass es viele Unternehmen gibt, die durchaus willig und bereit wären, mehr Menschen zu beschäftigen, wenn sie nur wüssten, wie sie an die entsprechenden Personen und Kontakte herankämen. Ich will das einmal so formulieren, verzeihen Sie mir diese saloppe Herangehensweise: Wenn der Kollege Bodeit und ich durch das Treppenhaus gehen, dann sieht man, dass unsere Mobilität eingeschränkt ist, da ist gar kein Vertun. Ich muss es heute im Bewerbungsgespräch nicht mehr anmerken, wenn ich denn eins führen müsste. Bei anderen Leuten sieht man es nicht.

Ich weiß auch, dass viele Menschen in der Krisensituation Not und Sorge haben. Soll ich diesen Umstand im Bewerbungsgespräch überhaupt benennen? Kann das nicht zu einer Stigmatisierung führen? Das ist, glaube ich, das eine Problem, mit dem wir umgehen müssen. Das verlangt von allen Akteuren eine Situation von Angstfreiheit, und natürlich kann es sein – und damit lassen Sie mich für die erste Runde schließen –, dass eine merkliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe, die jeweils zum 31. März des Folgejahres fällig wird, bei Steuerberatern, bei Controllern zum Nachdenken führt, dass

die in der Chefetage anklopfen und sagen, wir haben hier einen merklich steigenden Posten, können wir den nicht doch reduzieren, haben wir eine Idee dazu? Darüber reden wir in der zweiten Runde. – Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Sigrid Grönert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Teilhabe für schwerbehinderte Menschen am Arbeitsmarkt fördern – da bin ich voll bei Ihnen. Denn trotz verschiedenster Unterstützungsangebote und Maßnahmen ist es noch längst nicht zufriedenstellend gelungen, schwerbehinderte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren oder dort zu halten.

Die Bremer Koalition will nun durch steigenden finanziellen Druck Verbesserungen erreichen, und ich will nicht ignorieren, dass Sie ganz am Schluss des Antrages auch kurz erwähnen, dass auch die Angebote des Integrationsfachdienstes gestärkt werden sollten. Wahrscheinlich ist den Grünen oder der SPD vor Mitunterzeichnen aufgefallen, dass finanzieller Druck allein nicht alles sein kann. Das ändert aber nichts am Tenor Ihres Antrags, mit dem Sie die Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen und Arbeitgebern möglichst auch noch weitere finanzielle Nachteile verschaffen wollen.

Ja, ich weiß, dass Sie mit dieser Forderung nicht allein sind und deutschlandweit viele Unterstützer an Ihrer Seite haben. Ich bin auch gar nicht dagegen, dass die Ausgleichsabgabe in ihrer Höhe mit marktbedingten Veränderungen mitwächst, aber die entscheidende Frage ist doch: Wo wollen Sie hin?

Wollen Sie, dass die Ausgleichsabgabe Arbeitgebern finanziell so wehtut, dass sie doch lieber einen schwerbehinderten Menschen einstellen, vielleicht, ich sage es einmal salopp, um billiger davonzukommen? Ist es das, was Schwerbehinderte, darunter auch geistig behinderte Menschen, brauchen? Womöglich eine Art Pseudo-Arbeitsplatz, der vielleicht nur für sie geschaffen, aber offensichtlich nicht gebraucht wird, nur damit man Geld spart? Ich hoffe nicht! Es braucht doch einiges mehr, um einen behinderten Menschen erfolgreich in einen Betrieb einzugliedern. Vor allen Dingen braucht es auch eine gewisse Portion Empathie.

(Beifall CDU)

Ich finde schon interessant, dass Sie hier ein Prinzip anwenden, welches Ihnen in anderen Bereichen ein Dorn im Auge ist. Sie wollen Menschen durch finanziellen Druck dazu bewegen, das Richtige zu tun. Die Linken nennen es „Anreize setzen“, wie Herr Zimmer das eben gemacht hat. Dieses Prinzip findet sich aber zum Beispiel auch im Jobcenter, und da sind es doch aber zu allererst die Linken, die meinen, dass man Menschen viel besser ohne Druck und mit guter Begleitung in die gewünschte Richtung lenken solle, weil sich nur dann etwas wirklich Nachhaltiges entwickeln könne.

(Zurufe Abgeordneter Nelson Janßen [DIE LINKE], Sofia Leonidakis [DIE LINKE])

Ob Sie es glauben oder nicht: Auch Arbeitgeber sind letztlich nur Menschen. Ich weiß, dass einige gerade auch wegen Fragen des Existenzminimums vielleicht zusammengezuckt sind, aber hier geht es um völlig andere Aspekte. Wie schon gesagt, ich halte einen gewissen Druck für hilfreich und auch für nötig, aber finanzieller Druck sollte überall stets verhältnismäßig sein, denn letztlich kann erzwungenes Handeln ohne jegliche Eigenmotivation und ohne jede Empathie für betroffene Menschen nicht zielführend sein.

Wir müssen die Menschen, auch Arbeitgeber, doch zuallererst auch mitnehmen. Trotzdem wollen Sie nun den vorhandenen, aber scheinbar zu wenig wirksamen Druck deutlich verstärken und ihn so zum Problemlöser erheben. Deshalb fokussieren Sie in Ihrem Antrag, Herr Zimmer, Zeile für Zeile darauf, gewünschtes Handeln durch erhöhten Druck erreichen zu können. Wie schon gesagt lässt lediglich der allerletzte Satz erkennen, dass es da noch mehr geben könnte. Das ist mir, das ist uns aber zu wenig.

Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass der Deutsche Bundestag dieses Thema vor einem Jahr ebenfalls auf Antrag der Linken debattiert hat? Unter anderem die Grünen haben dort Gegenvorschläge gemacht, die in weiten Teilen in der Diskussion von den verschiedenen Fraktionen gelobt wurden. Ich fasse das Ergebnis einmal wie folgt zusammen: Der Gesetzgeber müsse weniger komplexe Gesetze beschließen, Förderstrukturen und vieles mehr müssten vereinfacht und beschleunigt werden, wir bräuchten auch noch mehr Inklusionsbetriebe, und es reiche nicht, Arbeitgeber und Unternehmen nur zusammenzubringen. Insgesamt könne auch eine

Positivliste helfen und eben nicht nur der straforientierte Ansatz, auf den DIE LINKE setze. Genau das halte auch ich für richtig. Schade, dass die Grünen sich hier in Bremen nicht genauso deutlich von den Linken absetzen.

Meine ersten fünf Minuten sind gleich vorbei. Jedenfalls ist das, was ich noch sagen möchte, zu viel für jetzt, und ich werde gleich noch einmal wiederkommen und auch noch einige andere Argumente nennen, die aus Sicht der CDU deutlich gegen eine deutliche Erhöhung der Ausgleichsabgabe sprechen.

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Birgit Pfeiffer.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie haben, wie wir alle, ein Recht auf selbstbestimmte Arbeit. Spätestens seitdem die UN-Behindertenrechtskonventionen das unmissverständlich klargestellt hat, muss das gelten.

Leider hinkt die Erwerbsquote schwerbehinderter Menschen schwer zurück hinter der von nicht behinderten, die liegt nämlich bei 57 Prozent im Vergleich zu 82 Prozent. Wie in anderen Bereichen auch hat die Pandemie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, was die Lage von Menschen mit Behinderungen angeht, kräftig zugeschlagen. Im letzten Jahr waren acht Prozent mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos als im Jahr zuvor. Auch 2020 schon ist der Wert auf die Zahlen von 2016 angestiegen. Ein großes Problem – Herr Zimmer hat das angedeutet – sind Langzeitarbeitslose mit Behinderung. Die werden im Moment stärker als zuvor vom Arbeitsmarkt vergessen.

Aussagekräftig fand ich übrigens auch eine Umfrage des Karriereportals Monster. Die haben nämlich danach gefragt, wie viele nicht behinderte Erwerbstätige schon einmal mit behinderten zusammengearbeitet haben – und siehe da, nur die Hälfte hat das. Knapp ein Drittel aller Unternehmen hat bei dieser Umfrage dann auch noch versucht herauszufinden, also die Frage war, wie barrierefrei sind die Unternehmen? Da stellte sich heraus, ein Drittel der Unternehmen sind weder räumlich noch digital barrierefrei. So kann das nicht klappen, mit der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt.

Über das Instrument, über das wir sprechen, hat Herr Zimmer ja hinreichend ausgeführt. Was ist also das Problem? Fragt man den Arbeitgeberverband, dann hört man diese Argumentation: Es sind ja gar nicht so viele Menschen arbeitslos gemeldet, um alle Pflichtarbeitsplätze zu besetzen, und passende Bewerber:innen würden oft auch nicht gefunden. Kommt mir aus der gesamten Ausbildungsdebatte bekannt vor.

Nicht eingerechnet, glaube ich, in dieser Aussage sind die rund 320 000 Menschen, die in Werkstätten arbeiten und von denen einige sehr gern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wollen, oder diejenigen, die sich in Maßnahmen befinden, die aufgrund von gesundheitlichen oder psychischen Erkrankungen dem Arbeitsmarkt nicht die mindestens erforderlichen drei Stunden zur Verfügung stehen, oder diejenigen, die zwar ohne Arbeit, aber nicht arbeitslos gemeldet sind. Kurz: Es ist noch eine Menge Luft nach oben und es ist Zeit zum Handeln. Ich finde, wir finden, der Beschäftigungspflicht von Arbeitsgebern muss mehr Nachdruck verliehen werden.

Insofern können wir sehr begrüßen, dass die Ampel sich im Koalitionsvertrag bereits darauf verständigt hat, die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe einzuführen, also für die Unternehmen, die gar keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen – vielen Dank, Herr Pörschke, für das Zitat unseres Arbeitsministers –, wir finden, das reicht nicht. Deswegen wollen wir die Ausgleichsabgabe in der vorgeschlagenen Weise anpassen und auch prüfen, ob die Möglichkeit zur steuerlichen Anrechnung fallen kann, weil es am Ende für die Unternehmen dadurch ein Nullsummenspiel wird. Ein echter Anreiz ist das so nicht, muss man deutlich sagen.

Jetzt komme ich auf das, worauf Frau Grönert hinwies: Natürlich finden wir, dass Arbeitgeber, die das im Prinzip wollen, die sich das vielleicht nicht zutrauen oder die wenig Informationen haben über die Anforderungen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung oder die das heterogene, vielfältige Unterstützungssystem nicht kennen, selbstverständlich beraten werden müssen. Das darf nicht nur im Einzelfall, also in der konkreten Vermittlung eines Menschen passieren, sondern das muss präventiv und grundsätzlich passieren. Schon im letzten Jahr hat der Gesetzgeber im Bund daher beschlossen, dass wir die Integrationsberater der Integrationsfachdienste, die diese Vermittlungen im Einzelfall bei den Arbeitgebern begleiten, um sogenannte einheitliche Ansprechstellen ergänzen. Insofern, Frau Grönert, in der Tat, der

Punkt kommt von uns. Da sind wir in Bremen auch auf einem guten Weg, da haben wir uns jetzt selbst überholt, wir verdoppeln ja gerade die Kapazitäten im Bereich der einheitlichen Ansprechstellen.

Auch die Ampel hat sich im Pflichtenheft des Koalitionsvertrages aufgeschrieben, dass sie diese sogar noch weiterentwickeln will. Also, die sind gerade eingerichtet und trotzdem soll das ausgebaut werden. Das halten wir für einen richtigen Weg. Es braucht noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit, um Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu ermutigen, zu befähigen, Menschen mit Behinderungen einzustellen.