Protocol of the Session on February 23, 2022

(Abgeordnete Ilona Osterkamp-Weber [Bündnis 90/Die Grünen]: Genau!)

Die FDP-Fraktion hat einen sehr umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt, der einige größere und einige kleinere Veränderungen beinhaltet. Es ist nicht das erste Mal, dass die FDP-Fraktion diesen Gesetzesentwurf einbringt. Das ist völlig in Ordnung, wenn sie ihn weiterhin für richtig hält und er bisher nicht angenommen wurde. Sie haben allerdings versäumt, in § 3, Absatz 2 die Bezeichnung der zuständigen Senatorin anzupassen. Die war noch aus der letzten Legislaturperiode. Das ändert aber nichts an dem inhaltlichen Antrag.

Zentrales Anliegen ist die Abkehr von der Rasseliste und die Einführung von Sachkundenachweisen. Das wurde hier schon viel diskutiert. Die Forderung ist nicht neu. In Niedersachsen wurde das 2011 von einer ganz breiten Koalition aus SPD, Grüne, CDU, FDP beschlossen, und seitdem haben einige Bundesländer mit guten Erfahrungen nachgezogen.

In Niedersachsen gibt es auf jeden Fall auch Verbesserungsmöglichkeiten, aber überwiegend sind die Erfahrungen gut. Das höre ich aus Tierschutzverbänden, das höre ich aus Teilen von verschiedenen Parteien. Dass wir jetzt auch in Bremen darüber diskutieren, finde ich sehr richtig, auch, weil eine Insellösung „Bremen in Niedersachsen“ in diesem Fall manch wunderliche Auswirkungen hat.

Ich habe das Gefühl, es tut sich langsam etwas. Das konnte man, glaube ich, in der Debatte gerade schon ein bisschen wahrnehmen. Ich habe dem „Weser-Kurier“ vor ein paar Monaten erfreut entnehmen können, dass es inzwischen offenbar eine breite Mehrheit für die Einführung von Sachkundenachweisen gibt. Das freut mich sehr, das war nicht immer so. Das heißt, die Debatte verändert sich.

Diese Debatte um die Sachkundenachweise und um die Rasseliste, vor allen Dingen die Sachkundenachweise, kann aus zwei Perspektiven geführt werden. Das eine ist der Aspekt Sicherheit. Dazu wurde schon viel argumentiert. Die FDP-Fraktion

begründet sehr klar und im Einklang mit den meisten Expert:innen, dass sich Rasselisten nicht als zielführend erwiesen haben, weil das Problem, wie Herr Dr. Buhlert eben schon hereingerufen hat, in der Regel am anderen Ende der Leine zu suchen ist.

Die Abgrenzung der Rassen, die auf dieser Rasseliste stehen, das hat Herr Professor Dr. Hilz auch beschrieben, ist häufig schwierig. Das macht wieder einige Probleme, das hat Konsequenzen. Deswegen ist das aus unserer Sicht nicht der sinnvollste Weg, um Sicherheit herzustellen.

Die zweite Perspektive neben der Sicherheit ist die Perspektive der Tiere selbst, der Hunde. Ein Sachkundenachweis sollte weit mehr beinhalten als die Fähigkeit zu verhindern, dass der Hund, den man hält, gegenüber anderen Hunden oder gegenüber Menschen gefährlich wird. Es geht auch darum, das wurde eben schon genannt, sicherzustellen, dass, wer Verantwortung für einen Hund übernimmt, auch informiert ist was das bedeutet, sich dessen bewusst ist und weiß, wie man dieser Verantwortung gerecht werden kann, also mit den Hunden umgehen kann. Im Sinne des Tierschutzes sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.

(Präsident Frank Imhoff übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zu diesen Fragen der Interessen der Tiere haben wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor einem Jahr ein ausführliches Positionspapier vorgelegt, in dessen Kern unter anderem ein Sachkundenachweis gefordert wurde. Insofern wird es Sie nicht überraschen, wenn wir sagen, dass wir die Motivation teilen und ich mich über diese Initiative freue, auch, wenn ich da bei Herrn Zimmer bin: Nur, weil man irgendwann einmal einen Hund gehalten hat, ist man nicht automatisch sachkundig. Aber über so etwas kann man sprechen.

Ich möchte noch ein, zwei andere Aspekte aufgreifen, die der Gesetzesentwurf enthält. Das ist einmal eine detaillierte, sehr detaillierte Leinenpflicht, bis zum Hausflur eines Mehrfamilienhauses. Über so etwas kann man, glaube ich, noch einmal reden, darüber, welcher Regelungsgrad sinnvoll ist. Eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht, wie sie schon lange von uns gefordert wird und zu der es jetzt eine Petition des Tierschutzvereins gab. Ich hoffe, dass die auch bald hier im Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt wird und wir das dann endlich abhaken können. Eine Pflicht zum Abschließen einer Haftpflichtversicherung, auch die

ist aus meiner Sicht sehr begrüßenswert. Insofern sind das viele Punkte, über die wir auch in der Koalition miteinander reden und noch weiterreden werden.

An dieser Stelle gibt es jedoch keine Entscheidung für eine Unterstützung Ihres Gesetzesentwurfs. Die Gründe haben Ihnen meine Vorredner, Herr Lenkeit und Herr Zimmer, genannt. Ich freue mich trotzdem ganz allgemein, dass Sie, Herr Professor Dr. Hilz und liebe FDP-Fraktion, sich hier in Bremen so für den Tierschutz engagieren. Ich nehme das ernst, und hoffe, Sie unterhalten gute Kontakte auf die Bundesebene. Da können wir, glaube ich, jede Unterstützung in Tierschutzfragen gebrauchen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Prof. Dr. Hauke Hilz.

Sehr geehrte Herr Präsident, sehr geehrte Zuhörende! Ich bedanke mich für diese Debatte. Herr Bruck hat es gesagt, wir haben dieses Gesetz in der letzten Legislaturperiode schon einmal vorgelegt. Da war die Debatte deutlich anders. Heute ist sie sehr viel sachlicher und auch viel detaillierter.

(Abgeordneter Robert Bücking [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich bin immer sachlich!)

Herr Bücking debattiert immer sachlich, ruft er herein, das kann ich bestätigen. Er hat aber beim letzten Mal nicht debattiert.

Wir sind natürlich auch offen, um über diese Punkte, die Sie angesprochen haben, weiter zu diskutieren. Es ist nicht in unserem Interesse, dass unser Antrag eins zu eins angenommen wird, sondern es ist in unserem Interesse, Veränderungen zu erreichen. Die Einzige – das habe ich so vernommen –, die eindeutig der Meinung ist, hier bräuchte man nichts verändern, ist die SPD-Fraktion. Auch in der CDU-Fraktion gibt es unterschiedliche Strömungen. Herr Yazıcı hat auch viele Punkte genannt, den Sachkundenachweis, die in der CDU-Fraktion offensichtlich auch mehrheitsfähig sind. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir als Parlament gemeinsam weiter an diesen Punkten arbeiten, denn sie sind reformbedürftig.

Ja, mir ist bekannt, warum dieses Gesetz die Rasseliste enthält. Es war damals in allen Bundeslän

dern so, aber man muss sich die Frage stellen: Warum haben fast alle Bundesländer ihre Hundegesetze geändert und wir noch nicht? Wir haben jetzt die Situation, dass die Hunde auch in Bremen und Bremerhaven sind, weil ein Mensch, der in Niedersachsen lebt, diesen Hund 24 Stunden spazieren führen kann, auch durch Bremen und Bremerhaven. Das sieht das derzeitige Gesetz zum Halten von Hunden vor.

Insofern können Sie nicht davon sprechen, dass diese Hunde durch das Verbot der Rasseliste nicht da sind, sondern es gibt teilweise die absurden Situationen, die Herr Bruck angesprochen, aber nicht ausgesprochen hat: Wenn Sie an der Stadtgrenze zu Lilienthal wohnen, zu Brinkum, wenn Sie in Schiffdorf und Langen wohnen, dann gibt es dort Straßen, in denen Sie auf der einen Seite den Hund nicht halten dürfen und auf der anderen Seite schon. Beide gehen den gleichen Weg durch den Park spazieren. Die Hunde sind da und insofern ist es an der Zeit für Veränderungen und ich deute die Signale als positiv.

Ich appelliere noch einmal, vielleicht kann man in einem weiteren Verfahren auch noch an dem Gesetz arbeiten, aber das müssen am Ende Sie als Koalition entscheiden.

Richtig ist es, etwas zu tun, denn es wirkt das, was in Niedersachsen seit 2011 gilt, das, was in Schleswig-Holstein gilt seit 2015 gilt – sehr ähnliche Gesetze, an denen wir unseren Entwurf angelehnt haben. Beides sind Verfahren, die erfolgreich sind, die ein Mehr an Tierschutz gebracht haben und auch ein Mehr an Sicherheit. Deswegen sollten wir dazu übergehen, auch so ein Hundegesetz zu haben. Wenn Sie es heute ablehnen, in welcher Form auch immer – –.

Herr Zimmer, ich freue mich, wenn Sie wieder in der Opposition sind und wir dann in der Regierung, dann, das verspreche ich, wird das Gesetz angenommen. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich darauf hinweisen, dass wir hier im Hause immer noch eine Maskenpflicht haben und die Masken auch komplett richtig getragen werden dürfen.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kevin Lenkeit.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Hilz, ich finde, man darf, wenn man hier vorn steht, auch ehrlich sein. Sie haben gesagt, alle anderen Länder haben ihre Hundegesetze angefasst und etwas geändert.

(Abgeordneter Prof. Dr. Hauke Hilz [FDP]: Fast alle Länder!)

Dann gehört zur Wahrheit aber auch dazu, dass alle Länder zwar ihre Listen angefasst haben, es bis auf drei Bundesländer aber kein Bundesland gibt, in dem es diese Rassenlisten nicht gibt, und ausschließlich in Baden-Württemberg die sogenannte Zweier-Regel greift, wo es insgesamt 19 Hunderassen gibt – 19 Hunderassen, die zwar auf der Liste stehen, die aber durch einen Wesenstest befreit werden können. Sonst gibt es in allen anderen Bundesländern so wie wir es hier in Bremen auch haben, verbotene Hunde, egal, wie der Charakter des Hundes ist. Das gehört, finde ich, zu einer ehrlichen Debatte dazu, wenn Sie sagen, wir als Bremen sind hier wieder der Leuchtturm, der eine komische Regelung hat und die nicht anpasst. Das ist mitnichten so.

(Beifall SPD)

Schon wieder eine Minute verschwendet.

Zurück zum Antrag: Sie schreiben, dass das Halten sowie das Züchten sowie der Handel mit diesen Rassen in Bremen ganz generell verboten ist. Das ist richtig. Das haben wir hier schon herausgearbeitet. Sie führen aus und haben das auch schon angesprochen, dass auch die Vermittlung von Hunden dieser Rassen aus den Tierheimen in Bremen und Bremerhaven nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich ist. Das hätte zur Folge – so steht es in Ihrem Antrag –, dass diese Tiere im Tierheim ein Leben fristen ohne Aussicht darauf, wieder ein glückliches Leben bei einem liebenden Halter zu finden.

Da sind meine Informationen, um ehrlich zu sein, ganz andere. Ich saß nämlich vor wenigen Wochen mit den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ordnungsamtes zusammen. Dort wurde berichtet, dass alle beschlagnahmten Hunde nicht in den Bremer Tierheimen verbleiben, sondern in ein niedersächsisches Tierheim abgegeben und von dort vermittelt werden. Da gibt es eine Kooperation, die schon ganz lange besteht. Die läuft mal mehr, mal weniger gut, weil natürlich auch in

Niedersachsen nicht immer der Bedarf nach solchen Hunderassen da ist. Jetzt zu suggerieren, dass die beschlagnahmten Hunde, weil wir die in Bremen ins Tierheim bringen, dort ihr Leben fristen, ist leider auch völlig falsch.

Es gehört zur Wahrheit dazu – und das wurde auch angesprochen –, dass die Präsenz von solchen Hunden in Bremen und Bremerhaven – und die bestreitet niemand, der mit geöffneten Augen durch unsere Stadt geht – natürlich darauf zurückzuführen ist, dass das Halten in Niedersachsen möglich ist. Die Hunde werden auch kontrolliert, wenn sie hier in Bremen angetroffen werden und dann stellt sich natürlich heraus, dass diese Hunde offiziell in Niedersachsen gemeldet sind. Spazieren gehen ist nicht verboten und spazieren gehen ist auch nicht morgens, mittags, abends verboten. Das macht die Sache natürlich nicht besser.

Ich finde auch, der Verweis auf Niedersachsen ist ein bisschen schwierig, denn zur Wahrheit gehört, dass Niedersachsen damals, aus welchen Gründen auch immer, als eines von nur zwei, heute sind es drei Bundesländern keine Rasseliste eingeführt hat. 13 Bundesländer, darunter auch Bremen, haben eine solche Rasseliste. Niedersachsen ist hier also die Ausnahme, nicht wir.

Ich gebe freilich zu, dass die Rasselisten die sogenannte gefühlte Sicherheit bedienen. Denn auch, wenn es natürlich rein biologische Unterschiede zwischen einem Pitbull und einem Chihuahua gibt, müssen wir fairerweise festhalten, dass sich die von Menschen zu verantwortende Zucht einzelne Hunderassen im Laufe der Generationen zweckspezifisch verändert hat. Der eigentliche Grund – auch das wurde hier schon angesprochen –, warum wir uns also über Hundelisten oder Rasselisten unterhalten, hat also keine vier, sondern zwei Beine.

Die Perversion – ich nenne es ganz bewusst so – dieser Zuchtexzesse führte und führt zur Degenerierung verschiedenster Hunderassen, und die vorhandenen Wesens- und biologischen Merkmale der Rassehunde sind eine menschliche Schuld, nicht die Schuld der Tiere. Ich bin der festen Überzeugung, das Problem bei problematischen Hunden ist in 99 Prozent der Fälle der zweibeinige Part.

Es gibt aber – auch das gilt es zu realisieren und zu akzeptieren – keinen gesellschaftlichen Handlungsdruck und keine politische Notwendigkeit, die bestehende Bremer Regelung zum Verbot einzelner, nämlich von vier Hunderassen im Land Bre

men zu ändern. Im Gegenteil. Viele Menschen haben Angst vor Hunden, und noch mehr Menschen haben Respekt vor Hunden. Ob es uns gefällt oder nicht, es gibt Hunderassen, die diese Angst ansprechen, und dazu zählen insbesondere die hier bei uns in Bremen verbotenen Hunderassen.

Zum Schluss noch einen Satz zur Sachkunde – den habe ich nicht gerade eingefügt, Herr Professor Hilz, sondern der stand hier schon vorher: Darüber können und sollten wir separat noch einmal diskutieren, aber nicht in Verbindung mit der Abschaffung der Rasseliste. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Senator Ulrich Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich vielleicht wundern, dass ich heute über das Gesetz über das Halten von Hunden zu Ihnen spreche. Meine Zuständigkeit ist in diesem Bereich in der Tat nur sehr begrenzt, aber es gibt eine Reihe von Berührungspunkten, die es durchaus sinnvoll erscheinen lassen, dass wir dieses Thema heute auch aus der Sicht des Innenressorts betrachten.

Meine Zuständigkeit besteht originär in der Organisation der Fundtiere. Fundtiere – und davon haben wir reichlich in Bremen – sind in erster Linie ein Problem des Tierheims, in das jährlich Tausende von Tieren eingeliefert werden. Wir haben das Problem, dass viele dieses bewusst und willentlich tun, um ihre Tiere loszuwerden. Gerade seit der Hype der Coronaphase vorüber ist, haben viele plötzlich erkannt, dass Tiere doch etwas anderes sind als ein Spielzeug, das man sich unter den Weihnachtsbaum stellt, und dann landet das Tier angebunden am Tierheim.

Ich sage Ihnen, diesen Zustand sollte man so nicht länger hinnehmen, und deswegen werbe ich in diesem Hause dafür, dass wir dem Vorbild der anderen Bundesländer folgen und gemeinsam mit dem Senator über Finanzen – der ist auch daran beteiligt – eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für das Land Bremen einführen.

(Beifall FDP)

Wir haben in den beiden Stadtgemeinden nahezu 20 000 Hunde. Die Bürgerschaft zahlt dafür einen hohen Preis, die Unterbringung dieser ganzen