Protocol of the Session on May 8, 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle in dieser Debatte noch einmal daran erinnern, dass dieser Schulkonsens der vier hier vertretenen Parteien und Fraktionen SPD, CDU, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich auf Willen der überwiegenden Mehrheit der Schulen zustande kommt, und zwar nach meinen Schulbesuchen, die ich sehr vielfältig in den letzten vier Jahren übernommen habe, aber auch nach der Befragung der Evaluationskommission, die den vorhergegangenen Schulkonsens untersucht hat. Sie haben uns fast schon händeringend gebeten, diese ewigen Strukturveränderungen, Strukturdebatten, die nach jeder Wahl stattfinden und in vielen Bundesländern immer noch stattfinden, zu beenden und eine klare Planungssicherheit für ein Schulsystem, auf das wir uns hier geeinigt haben, zu schaffen.

Das ist also etwas – –. Der Wille kommt aus den Schulen heraus, wir haben ihn aufgenommen, wir haben ihn nicht überhört, sondern wir haben ihn gehört und wir haben gesagt: Ja, da setzen wir uns von links bis CDU – und das finde ich an dieser Stelle noch einmal sehr bemerkenswert, dass das in diesem Herbst gelungen ist – zusammen und verlängern das noch einmal um zehn Jahre, damit man ganz klare Hinweise darauf hat, wie die Schulstruktur auch in den nächsten zehn Jahren aussieht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Das ist also nicht irgendeine Fantasiegeschichte, das ist keine Wahlkampfmaßnahme, das ist eine Maßnahme, die sich die Schulen ausdrücklich wünschen. Ich finde, das kann bei diesem Schulkonsens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Schulkonsens der ersten zehn Jahre von 2008 bis 2018, der zwischen der Regierung und der CDU abgeschlossen worden ist, war auch richtig. Ich finde, das war schon eine Grundlage, die damals sehr viele Reformbewegungen und -maßnahmen begründet hat und die auch einen Zusammenhalt und einen Zusammenhang in der Bildungspolitik hergestellt hat. Bei aller Unterschiedlichkeit, die immer wieder vorkommt, die vollkommen normal ist, die auch heute in der Debatte noch eine Rolle spielen wird, aber zumindest nach draußen in die Schulen, an die Schülerinnen und Schüler, an die Eltern ein klares Votum sendet, dass wir uns

auch zusammentun können, wenn es um elementare Dinge geht. Das ist ein Wert, dieser erste Schulkonsens, der im Übrigen von sehr vielen Bundesländern nachgeahmt worden ist.

Wir hatten bei Bündnis 90/Die Grünen unglaublich viele Nachfragen von den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern, die gesagt haben: Was habt ihr da? Ihr habt doch nicht etwa mit SPD und CDU gemeinsam einen Konsens geschlossen? Was ist da los in Bremen? Dann haben wir das erklärt, und siehe da, sie haben es auch gemacht oder haben es zumindest versucht. Das ist ein Erfolgsmodell aus Bremen gewesen, das viele andere nachgemacht haben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Für die FDP ist es kein Ruhmesblatt, zu diesem Erfolgsmodell nicht dazuzugehören, sondern im Gegenteil, es ist eine Merkwürdigkeit, die sie aber vielleicht heute noch einmal erklären werden.

Der zweite Schulkonsens, den wir heute abgeschlossen haben, der den Schulen in den Strukturen immerhin bis zum Jahr 2028 eine Sicherheit bieten soll, geht aber natürlich weit darüber hinaus. Ich denke, das ist auch sehr bemerkenswert. Er hat ganz klare Aussagen zur Ressourcenausstattung. Er hat ganz klare Aussagen, die in Haushaltsberatungen finanzpolitisch zu übersetzen sind, die von den Parteivorsitzenden unterschrieben und jetzt vom Parlament beschlossen sind. Seine Wertigkeit kann in Haushaltsberatungen nicht unterschätzt werden. Er hat in diesen und in vielen anderen Fragen mehr ganz klare Aussagen: in der Frage der Ausstattung mit 105 Prozent Lehrerstunden für die Schulen, um auch eine Reserve für Krankheit und andere Ausfälle zu haben, in der Frage des Erreichens der Pro-Kopf-Versorgung sozusagen materiell der Stadtstaaten Berlin und Hamburg und sie auf unsere Finanzierung der Schulen zu übertragen, in der Frage, Schulsozialarbeit an jeder Schule bereitzustellen, in der Frage der Doppelbesetzung in sozial schwierigem Umfeld, in der Frage der Stärkung der Inklusion durch Bereitstellung weiterer Ressourcen für die Sonderpädagogen und für die ganzen Begleitsysteme.

Ich gehe davon aus, wenn diese Papiere von vier Parteivorsitzenden und heute von diesem Haus mit diesem Antrag auch noch einmal bestätigt und bekräftigt beschlossen sind, dass dann in zukünftigen Haushaltsberatungen, in zukünftigen Beschlüssen in der nächsten Wahlperiode dieses Haus an diesen

Beschlüssen gar nicht vorbeigehen kann, sondern sie entsprechend umzusetzen hat.

Bei der Umsetzung in die Realität haben wir das größte Problem. Ich glaube, es ist wesentlich einfacher, diesen Schulkonsens zu formulieren, diese Forderung zu formulieren, uns auf diese Forderung zu einigen, selbst in diesem weiten politischen Spektrum, als sie dann auch tatsächlich in die Realität umzusetzen. Da wird eine Feinabstimmung nötig sein, die hier im Konsens natürlich noch gar nicht vorgenommen worden ist. Wir haben im Schulkonsens teilweise Zeiträume beschrieben, in denen dann bestimmte, auch finanzielle, Dinge umgesetzt sein sollen. Diese Zeithorizonte sind zu konkretisieren, und das heißt auch, dass in Haushaltsaufstellungen für die Jahre 2020, 2021, 2022, 2023 und folgende konkrete Schritte in diese Richtung gegangen werden müssen, wenn die Parteien, wenn die Fraktionen ihre eingegangenen Verpflichtungen erfüllen wollen.

Die Beschäftigung mit der FDP habe ich etwas über die Frage Ihres Antrags und warum Sie nicht beim Schulkonsens mitgemacht haben, ausgedehnt. Ich habe mir einmal Ihr Wahlprogramm angeschaut. Ich weiß nicht, wie viele Leute das machen. Draußen ist ein zentraler Punkt in der Bildungspolitik, den Sie fordern, noch gar nicht angekommen. Sie selbst haben es auf keiner Diskussion, auf der ich war, zumindest erwähnt, und ich verstehe auch, wenn Sie es nicht gemacht haben, warum Sie es nicht gemacht haben. Es steht nämlich im Wahlprogramm der FDP: Es sind ab sofort die Schulsprengel der Grundschulen aufzuheben und ab Klasse eins ein freier Wettbewerb über die ganze Stadt Bremen auszurufen, wer welches Kind im Grundschulalter ab Klasse eins in welche Grundschule schickt. Also ein freier Wettbewerb in der ganzen Stadt, alle Grundschulen anwählen zu können. Das ist eine vollkommen irrsinnige Forderung!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE)

Diese Schulsprengel sind ein wertvolles Ding. Ich sage es ungern, das ist wirklich etwas, das nicht nur das Unglück der einzelnen Schüler in den Familien, das wir jetzt in wenigen Einzelfällen beim Übergang von Klasse vier nach fünf haben, auf die Klasse eins, auf die ganz Kleinen, verlagern würde, nämlich dass irgendjemand sich einbildet, eine ganz bestimmte Grundschule irgendwo in dieser Stadt gefunden zu haben und das Kind mit seinen sieben Jahren dahin muss. Wenn es dann das, weil es überangewählt ist, nicht bekommt, verfällt es für

sein ganzes restliches Leben in Traurigkeit, das ist Inhalt Ihres Vorschlags. Inhalt Ihres Vorschlags ist auch, dass die Kinder dann morgens mit dem Auto über zehn, zwanzig Kilometer in andere Stadtteile zu den Grundschulen gefahren werden müssten – auch etwas, das ehrlich gesagt in der heutigen Zeit vollkommen verrückt ist.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber mit ordentlich PS unter der Haube!)

Als ich das gesehen habe, war ich richtig froh, dass Sie den Schulkonsens nicht unterschrieben haben, denn das passt nun überhaupt nicht zu dem Geist des Schulkonsenses aller anderen und zu all dem, was darin steht. Für mich macht es zusammen mit Ihrem Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, Sinn, dass Sie einfach nicht dabei sind. Dann haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal, aber das unsinnigste Alleinstellungsmerkmal, das ich bisher in dieser bildungspolitischen Debatte gesehen habe.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Wir als Bündnis 90/Die Grünen bekennen uns zu dem, was wir unterschrieben haben, bekennen uns heute zu dem Antrag, bekennen uns zu der Schwierigkeit und zu der herausfordernden Aufgabe der Umsetzung in den nächsten Jahren, die kein Selbstläufer ist, für die hart politisch gekämpft werden muss, für die auch Verwaltungen Verfahren entwickeln müssen, wobei Verwaltungen noch einmal extrem herausgefordert sind.

Das sieht man beim IQHB, bei diesem Institut, dass es natürlich nicht so ist, einfach auf den Schalter zu drücken, und dann haben wir ein Institut, das die Qualität verbessert, sondern dass es sehr komplexe Herausforderungen sind. Dafür ist auch für eine Verwaltung die Unterstützung von vier, von fünf Fraktionen und Parteien in diesem Hause sehr wichtig, weil sie weiß, sie wird politisch getragen, es wird politisch von ihr gefordert, es ist ein klarer Auftrag. Gehen wir daran, ihn umzusetzen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Steiner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Jahren haben die SPD, die CDU und Bündnis 90/Die Grünen in Bremen den Bildungskonsens geschlossen, der eigentlich das Ziel hatte, die Bildungsdebatten

zu beenden und Bremen endlich aus dem Tabellenkeller der Bildungsliga zu führen.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Strukturdebatten! – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Nein, das war nicht das Ziel!)

Das stimmt allerdings, vielen Dank für den Hinweis. Heute, zehn Jahre später, hat sich im Bremer Schulsystem leider wenig verbessert. Bremen ist immer noch Schlusslicht bei der Schulbildung in Deutschland und die Bremer Schülerinnen und Schüler haben immer noch erhebliche Nachteile gegenüber den gleichaltrigen Schülerinnen und Schülern aus anderen Bundesländern. In allen Bildungstests schnitt Bremen in den vergangenen zehn Jahren oft schlecht ab, so schlecht, dass der Senat sich jetzt offensichtlich gedacht hat, dass man am Test VERA-3, der den Lernstand der Drittklässler in Mathematik und Deutsch aufzeigen sollte, einfach gar nicht mehr teilnimmt.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Für ein Jahr auf Frei- willigkeit!)

Anscheinend kennt man das Ergebnis rot-grüner Bildungspolitik im Senat bereits und verzichtet auf eine erneute Bestätigung durch Tests.

(Beifall FDP)

Es wird sogar noch schlimmer, wenn es sogar eine Petition von Schülerinnen und Schülern gegen zu schwere Mathematik-Prüfungen im Abitur gibt. Auch das ist schlimm und ein „Weiter so!“ ist auf jeden Fall der falsche Weg. Der IQB-Test hat gezeigt, dass wir Schwächen in der Schulqualität haben, dass wir Schwächen bei der Integration und dem Abbau von Bildungsarmut haben und dass die Viertklässler auch in Deutsch und Mathematik leider schlechter abschnitten als in den Jahren zuvor.

(Zuruf Abgeordnete Aulepp [SPD])

Dazu ist die Schulabbrecherquote auch noch gestiegen. Herr Dr. vom Bruch hat bereits eine ganze Reihe von Missständen aufgezeigt, was ja legitim ist. Umso mehr hat uns übrigens auch gewundert, dass Sie diesen Weg mitgegangen sind.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wunsch nach konstruktiver Mitarbeit!)

Wenn bremische Neuntklässler in den Kompetenzen Lesen und Mathematik im Schnitt drei Lern

jahre hinter den sächsischen Neuntklässlern liegen, dann haben wir in Bremen wirklich ein Problem und da darf es keinen Minimalkonsens des „Weiter so!“ geben.

(Beifall FDP)

Es reicht uns nicht aus, nur Selbstverständlichkeiten wie die 105-prozentige Unterrichtsversorgung festzuschreiben.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Es reicht vor allem nicht aus, nur Sprüche zu klopfen!)

Dafür braucht man eigentlich keinen Konsens zu schließen, sondern das hätte man auch einfach umsetzen können. Ja, wir kommen der politischen Verantwortung sehr wohl nach, wenn wir uns nämlich mit diesem schlechten Ergebnis nicht zufriedengeben wollen und wenn wir das nicht mittragen wollen. Deswegen haben wir auch den neuen Bildungskonsens nicht mitgetragen. Wir stehen nicht für ein „Weiter so!“ des Scheiterns. Die Ziele im Schulkonsens sind wenig ehrgeizig, zum Beispiel wird sich immer noch am bildungsfernen Berlin orientiert und das ist nicht unsere Vorstellung von verbesserter Schule.

(Beifall FDP)

Die FAZ hat getitelt: „Der Bremer Schulkonsens führt weiter in den Abgrund“. Dort schreiben sie, ich zitiere: „Die zehn Jahresziele lesen sich wie ein Minimalkompromiss einer im Grunde hoffnungslosen Politikergruppe.“ Das ist tatsächlich nicht unsere Vorstellung, denn Kinder haben nur einmal die Chance, zur Schule zu gehen, und da sollte auch das Beste ermöglicht werden.

(Beifall FDP)

Wir sind der festen Überzeugung, dass es statt eines Minimalkonsenses eine echte und glaubwürdige Debatte über das Bremer Schulsystem braucht und es braucht auch wieder einen Streit um die besten Lösungen und keine Einigung über gescheiterte Lösungen.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Fünf Euro in das Phrasenschwein!)

Der Minimalkonsens trägt zum Gegenteil bei. Er macht das wichtigste Bremer Thema zum Konsensthema und wird für zehn Jahre Stillstand in der Bremer Bildung sorgen. Deshalb lehnen wir das ab.

(Beifall FDP)

Wir wollen einen Paradigmenwechsel im bremischen Schulsystem.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Noch einmal fünf Euro in das Phrasenschwein!)

Wir wollen etwas im System ändern und aus unserer Sicht darf es dabei nicht nur um Struktur gehen. Etwas, das uns bei dieser Debatte um das bremische Schulsystem wichtig ist, ist, wie schon angeklungen ist, das Leistungsprinzip. Wir wollen, dass der Leistungsgedanke wieder stärker in den Schulen verankert wird. In den letzten zehn Jahren wurden Noten sowie das unfreiwillige Sitzenbleiben abgeschafft. In vielen Grundschulen wird die Rechtschreibung nicht von Anfang an kontrolliert und das ist ja diese Schreiben-nach-Gehör-Methode, auch da wollen wir, dass das nicht mehr unterrichtet wird. Aus unserer Sicht muss in den Schulen wieder deutlich werden, dass sich Leistung im Leben lohnt, und die gescheiterten Experimente sind jetzt zu beenden.

Ein weiterer Punkt, der uns Freien Demokraten wichtig ist, ist das Gymnasium. Das Gymnasium wird in Bremen systematisch benachteiligt. Obwohl der Bedarf vorhanden ist, wird kein neues Gymnasium gegründet. Wir sehen in Bremen-Nord und im Bremer Westen einen Bedarf, aber der Senat interessiert sich im Moment scheinbar nicht wirklich dafür. Deutlich wird diese Tatsache auch, und deswegen haben wir es noch einmal angesprochen, bei den größeren Klassengrößen im Gymnasium. Während in einer Oberschule 25 Kinder in einer Klasse sind, sind es am Gymnasium 30 Kinder. Dabei würden auch Gymnasiastinnen und Gymnasiasten von einer niedrigeren Klassengröße profitieren, gerade weil dort auch das Lernniveau noch höher ist.